Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 17. Februar 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Schwab, Mag. Lendl und Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Schörghuber als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Tune L***** wegen der Verbrechen der Schlepperei nach § 114 Abs 2, Abs 4 erster Fall, Abs 5 erster Fall FPG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Schöffengericht vom 8. Mai 2008, GZ 8 Hv 24/08s-25, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil - das auch einen unbekämpft in Rechtskraft erwachsenen Freispruch von weiteren gleichartigen Vorwürfen enthält - wurde Tune L***** der Verbrechen der Schlepperei nach § 114 Abs 2, Abs 4 erster Fall, Abs 5 erster Fall FPG schuldig erkannt.
Danach hat er zu nachstehenden Zeiten in Deutschkreutz und anderen Orten gewerbsmäßig und als Mitglied einer kriminellen Vereinigung im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit den abgesondert verfolgten Naser B*****, Fadil L***** alias „Zidan", Shpetim S***** und Arbert R***** sowie weiteren unbekannten Mittätern die rechtswidrige Ein- und Durchreise von insgesamt zumindest acht Fremden, vorwiegend Angehörigen der albanischen Minderheit im Kosovo, die nicht über einen Aufenthaltstitel für den „Schengenraum" verfügten, von Serbien-Montenegro nach Österreich, Italien und Deutschland, somit in Mitgliedstaaten der Europäischen Union, mit dem Vorsatz gefördert, sich und Dritte durch ein dafür geleistetes Entgelt unrechtmäßig zu bereichern, indem er
1.) von Anfang Juni bis 18. August 2007 in drei Angriffen insgesamt vier Fremde, die zuvor von unbekannten Mittätern der kriminellen Vereinigung über die österreichisch-ungarische Grenze nach Wien verbracht worden waren, durch Angelika H***** abholen und einen Fremden nach Passau, zwei Fremde nach Udine und einen weiteren Fremden Richtung Mannheim bringen ließ;
2.) von 16. bis 18. August 2007 zwei Fremde, die zuvor von Shpetim S***** über die österreichisch-ungarische Grenze geführt worden waren, in Amstetten erwartete und deren Weiterverbringung nach Italien durch Angelika H***** organisierte;
3.) am 9. November 2007 zwei Fremde, und zwar Engjell U***** und einen weiteren Mann, welche zuvor von unbekannten Tätern von Serbien-Montenegro über Ungarn nach Österreich und vom abgesondert verfolgten Arbert R***** mit dem Zug nach Amstetten geschickt worden waren, mit seinem Pkw nach Ruprechtshofen zur Wohnung seines Verwandten Kastriot P***** brachte, wo die Geschleppten bis zum Weitertransport untergebracht wurden.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten aus § 281 Abs 1 Z 5, 10 und 11 StPO.
Die Mängelrüge (Z 5) wendet sich gegen die Begründung der Feststellungen zu den Qualifikationen nach § 114 Abs 4 und Abs 5 jeweils erster Fall FPG.
Mit dem Vorbringen, „die Abhörprotokolle lassen keinen eindeutigen Schluss auf die Stellung/Rolle des Angeklagten in einer kriminellen Vereinigung zu", der Angeklagte habe Kontakt nur zu einem anderen Vereinigungsmitglied gehabt, eine Passage im Ersturteil sei „nahezu aktenwidrig" und die Verwendung des Wortes „evident" sei eine Scheinbegründung, vermag der Beschwerdeführer weder eine unvollständige (Z 5 zweiter Fall) noch eine willkürliche (Z 5 vierter Fall) Beweiswürdigung der Tatrichter (US 7 f, 10) aufzuzeigen. Das „Tätigen eines Zusammenschlusses" ist kein Tatbestandsmerkmal des § 114 Abs 5 erster Fall FPG iVm § 278 Abs 3 StGB. Dass Arbert R***** angegeben hatte, den Angeklagten nicht zu kennen (ON 24 S 19), musste dem Beschwerdestandpunkt entgegen nicht gesondert erörtert werden, weil das Erstgericht von einer persönlichen Begegnung der beiden nicht ausging (US 6). Genauso wenig erheblich war die Aussage der Zeugin Angelika H***** (ON 24 S 13 f), nicht der Angeklagte habe Kontaktpersonen angerufen, sondern er sei von diesen kontaktiert worden.
Das Bestreiten der Erzielung eines die Bagatellgrenze übersteigenden Einkommens ignoriert die unbekämpft gebliebenen Feststellungen, pro Geschlepptem habe der Angeklagte 50 bis 100 Euro lukriert (US 7; vgl rechtlich Jerabek in WK² § 70 [2008] Rz 12). Das Ziehen urteilsfremder Schlüsse aus den Beweisergebnissen („sodass jedenfalls davon auszugehen war") führt den Beschwerdeführer auf das ihm in diesem Zusammenhang prozessordnungsgemäß verwehrte Gebiet der Bekämpfung der tatrichterlichen Beweiswürdigung (US 10). Die Subsumtionsrüge (Z 10) übergeht mit der Behauptung fehlender Feststellungen zur Qualifikation nach § 114 Abs 5 erster Fall FPG die Annahmen US 4, 6 und 7 und entzieht sich somit meritorischer Erwiderung.
Ebensowenig gelingt dem Rechtsmittelwerber die Darstellung materiellrechtlicher Nichtigkeit (der Sache nach Z 9 lit a) mit der ohne jegliche juristische Argumentation erhobenen Hypothese, „in der bloßen Bekanntgabe von Abhol- und Bestimmungsort bezüglich der zu transportierenden Personen" sei „eine über die bloße Förderung hinausgehende Mitgliedschaft nicht zu erblicken". Vielmehr wird dadurch das Vorliegen des Tatbestands nach § 114 Abs 2 FPG eingeräumt.
Soweit der Beschwerdeführer das Erkenntnis 12 Os 40/02, SSt 64/26, als Beleg für die Nichterfüllung der Qualifikation der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung durch bloß fallweise Beteiligung an einzelnen Straftaten verwendet, ignoriert er seine im bekämpften Urteil festgestellten Tathandlungen.
Aus welchem Grund es rechtlich bedeutsam sei, dass es „der Mitgliedschaft am zeitlichen Erfordernis der Vereinigung sowie am engeren persönlichen Kontakt zu potentiellen Mittätern mangle", legt die Beschwerde nicht rechtlich fundiert dar.
Mit der Kritik an der angeblich fehlenden Qualität der kriminellen Vereinigung übergeht der Nichtigkeitswerber - einmal mehr - die erstgerichtlichen Feststellungen dazu (US 4 f). Im Dunkeln lässt er in diesem Zusammenhang, aus welchem Grund eigene „Preisverhandlungen mit den Geschleppten" und das „Eintreiben des Schlepperlohnes" im Gegenstand von Bedeutung seien.
Die Strafzumessungsrüge (Z 11, gemeint zweiter Fall) versagt, weil nach gefestigter Judikatur die Tatwiederholung nicht zu den begrifflichen Voraussetzungen gewerbsmäßigen Handelns gehört und somit ohne Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot auch bei Annahme der Qualifikation der Gewerbsmäßigkeit (hier § 114 Abs 5 erster Fall FPG) als erschwerend bei der Sanktionsfindung gewertet werden kann (Jerabek in WK² § 70 [2008] Rz 21; zur Judikaturentwicklung vgl RIS-Justiz RS0091204).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Wien zur Erledigung der Berufung folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Anmerkung
E9013911Os143.08aEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2009:0110OS00143.08A.0217.000Zuletzt aktualisiert am
15.04.2009