Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 19. Februar 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Fuchs und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Schörghuber als Schriftführerin in der Strafsache gegen Martin K***** wegen des Verbrechens des schweren durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 29. August 2008, GZ 23 Hv 82/08b-43, sowie die Beschwerde des Angeklagten gegen den gemeinsam mit dem Urteil gefassten Beschluss (§ 494a Abs 1 Z 4 StPO) nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Martin K***** des Verbrechens des schweren durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 StGB schuldig erkannt.
Danach hat er im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit zumindest noch dem abgesondert verfolgten Wolfgang G***** am 28. April 2008 zwischen 04:30 Uhr und 05:05 Uhr Gewahrsamsträgern der Tankstelle E***** in *****, fremde bewegliche Sachen, nämlich 10.200 Euro Bargeld, 400 Brieflose, 150 Autobahnvignetten 2008 „sowie zwei Schlüsselbunde unerhobenen Wertes" mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz durch Einsteigen durch ein Fenster weggenommen.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen vom Angeklagten aus Z 4, 5a und 11 des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde verfehlt ihr Ziel. Der in der Hauptverhandlung im Anschluss an Aussagen des Angeklagten, wonach er „schwer herzkrank" und seine „Herzaorta" „aufgeblasen wie ein Luftballon" sei, er „nicht einmal 5 kg heben" könne, seine Aorta platze, wenn er etwas aufhebe, er „also nie in der Lage" sei, einen Tresor zu heben" (ON 41 S 7, 15 f), gestellte Antrag auf „Einholung der vorliegenden medizinischen Befunde in der Justizanstalt Innsbruck und aktuell auch in der Gefäßambulanz" (ON 41 S 61) wurde schon angesichts dessen ohne Schmälerung von Verteidigungsrechten (Z 4) abgewiesen, dass nach der dem Zwischenerkenntnis gegebenen Begründung „ohnedies davon ausgegangen wird, dass der Angeklagte eine gesundheitliche Beeinträchtigung im dargelegten Sinn hat" (ON 41 S 63). Eine beantragte Beweisaufnahme darf nämlich unter anderem dann unterbleiben, wenn das Beweisthema als erwiesen gelten kann (§ 55 Abs 2 Z 3 StPO; vgl übrigens US 6).
Soweit die Verfahrensrüge (Z 4) über den in der Hauptverhandlung gestellten Beweisantrag hinausgeht, indem sie Beweisthema und Beweismittel mit dem Vorbringen zu ergänzen trachtet, die Einholung eines medizinischen Gutachtens hätte ergeben, dass der Angeklagte aufgrund seines „massiv schlechten Gesundheitszustands zur Tatzeit am 28. April 2008 überhaupt nicht in der Lage gewesen wäre, die ihm angelastete Straftat in welcher Form auch immer zu begehen", und sich auf ein mit der Nichtigkeitsbeschwerde vorgelegtes Schreiben der Innsbrucker Universitätsklinik für Gefäßchirurgie beruft, geht sie fehl, weil bei Prüfung des Vorliegens eines Verfahrensfehlers an die Verfahrenslage in erster Instanz anzuknüpfen ist (Ratz, WK-StPO Vor § 280 Rz 15). Daher hat auch die Prüfung der Berechtigung eines Antrags (Z 4) stets von der Verfahrenslage im Zeitpunkt der Stellung des Antrags und den bei seiner Stellung vorgebrachten Gründen auszugehen (RIS-Justiz RS0099618).
Indem der Beschwerdeführer zur Tatsachenrüge (Z 5a) vorbringt, die Beweiswürdigung des Erstgerichts sei weder plausibel noch stichhältig, und hervorkehren will, dass „zahlreiche Fakten" eindeutig gegen seine Tatbeteiligung sprächen, dazu anführt, es liege „kein einziger Sachbeweis" vor, der seine Verantwortung, nicht am Tatort gewesen zu sein, widerlege, eigene Erwägungen zu der im Urteil als tatvorbereitend erachteten Besichtigung des Schließmechanismus jener Tür anführt, durch die der Tresor abtransportiert wurde, und wie schon das Erstgericht darauf verweist, dass der abgesondert Verfolgte Wolfgang G***** darauf aus war, den Tatverdacht auf Martin K***** zu lenken, weckt er keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken des Obersten Gerichtshofs gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen.
Gleiches gilt für das übrige, weitgehend nach Art einer zur Anfechtung kollegialgerichtlicher Urteile in der Verfahrensordnung nicht vorgesehenen Schuldberufung erstattete Vorbringen, dessen detailliertere Erörterung sich hier erübrigt:
Z 5a des § 281 Abs 1 StPO will als Tatsachenrüge nur schlechterdings unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind schuld- oder subsumtionserhebliche Tatumstände, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS-Justiz RS0118780).
Entgegen der Beschwerdeauffassung liegt auch kein Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot des § 32 Abs 2 StGB vor (Z 11 zweiter Fall), der vom Angeklagten erstens darin erblickt wird, dass die einschlägigen Vorstrafen als erschwerend gewertet wurden, obwohl gleichzeitig mit dem Urteil ein Widerrufsbeschluss gefasst wurde, zweitens in der aggravierenden Veranschlagung sowohl raschen Rückfalls als auch des Vorliegens der Voraussetzungen des § 39 StGB und drittens in der Heranziehung mehrfacher Qualifikation des Diebstahls als Erschwerungsgrund.
Das angesprochene Doppelverwertungsverbot ist darauf gerichtet, bei Bemessung der Strafe die Berücksichtigung solcher Umstände als erschwerend oder mildernd auszuschließen, die für die Strafdrohung bestimmend sind (15 Os 73/93; RIS-Justiz RS0090946 [T2]). Einen derartigen Rechtsfehler zeigt jedoch die Sanktionsrüge mit keinem der erstatteten Einwände auf (vgl RIS-Justiz RS0119312, RS0117057, RS0115237, RS0111324, RS0108868, RS0091096 [T3], RS0100027). Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).
Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Anmerkung
E9003913Os9.09mEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2009:0130OS00009.09M.0219.000Zuletzt aktualisiert am
07.04.2009