Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 19. Februar 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Fuchs und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Schörghuber als Schriftführerin in der Strafsache gegen Kurt R***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3, 148 zweiter Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Franz H***** und die Berufung der Staatsanwaltschaft sowie die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Schöffengericht vom 28. Juli 2006, GZ 21 Hv 176/04x-446, gegen den Beschluss auf Absehen vom Widerruf einer bedingten Strafnachsicht, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Dem Angeklagten Franz H***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem - auch andere Schuld- und Freisprüche weiterer Angeklagter enthaltenden - angefochtenen Urteil wurde Franz H***** des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 (vierter Fall) und Abs 3, 148 zweiter Fall StGB (A/ und B/) schuldig erkannt.
Danach hat er - zusammengefasst und soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde relevant - im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Harald S*****, Kurt R***** und Manfred S***** von Jänner 1995 bis November 1999 in mehr als 240 Fällen mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, und in der Absicht, sich durch wiederkehrende Begehung von schwerem Betrug eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, im Urteil namentlich angeführte Geschädigte durch Täuschung über Tatsachen, teilweise unter Benützung falscher Beweismittel, nämlich durch bewusste schriftliche Falschinformation über die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, die Erfolgsaussichten und die Ernsthaftigkeit der Geschäftstätigkeit der A***** T***** S***** I***** (kurz: ATS), ihrer Beteiligungen und Projekte, somit den inneren Wert ihrer Aktien, über das mit dem Ankauf dieser Aktien verbundene wirtschaftliche Risiko, über das Wesen, die Art des Handels, die Verkaufsfähigkeit, den Emissionspreis und die Kursentwicklung dieser Wertpapiere und über die Rolle der als Vermittler zwischengeschalteten Gesellschaften sowie durch die Vorgabe, die von den Kunden anvertrauten Gelder vereinbarungsgemäß zu verwenden, insbesondere sie zur Gänze in Wertpapieren anzulegen, wobei die Anleger durch die Übermittlung inhaltlich unrichtiger An- und Verkaufsbestätigungen, Depotbewertungen und ähnlicher Informationen zu weiteren Veranlagungen veranlasst wurden, zur Übergabe oder Überweisung von Geldbeträgen, zum Teil auch zur Erteilung der Zustimmung zum Umtausch von Wertpapieren zum Zwecke des Erwerbs von Aktien der ATS oder anderer Wertpapiere, sowie in einem Fall zur Erbringung von Arbeitsleistung, somit zu Handlungen verleitet, die diese Personen in einem „40.000" (richtig: 50.000) Euro übersteigenden Betrag von insgesamt mehr als 8.350.000 Euro am Vermögen schädigten.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen von Franz H***** aus § 281 Abs 1 Z 5 und 10 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde verfehlt ihr Ziel.
Entgegen dem im Rahmen der Mängelrüge erstatteten Vorbringen ist die Feststellung des Schädigungsvorsatzes (US 317) zufolge unterlassener ausdrücklicher Erörterung der Angaben des Beschwerdeführers zu Art und Höhe des von ihm aus seiner inkriminierten Tätigkeit erzielten Einkommens nicht unvollständig (Z 5 zweiter Fall) begründet. In Anbetracht der ausführlichen beweiswürdigenden Auseinandersetzung mit dessen insgesamt als unglaubwürdig verworfener, leugnender Verantwortung (US 323 ff) war das Erstgericht nicht verhalten, dieselbe im Urteil in allen Einzelheiten zu erörtern (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 428). Abgesehen davon legt der Beschwerdeführer nicht dar, weshalb die von ihm ins Treffen geführten Aussagepassagen (S 107e f/VIII; ON 29, S 5 in ON 279/XXII und S 181 ff/XXIX) gegen die Annahme eines Schädigungsvorsatzes sprechen. Er gab im zitierten Zusammenhang nämlich über die Art der an ihn erfolgten Provisionszahlungen bloß an, diese hätten über Anordnung des Kurt R***** zum (größeren) Teil in bar und zum (geringeren) Teil in Form von Aktien der ATS geleistet werden sollen, wobei diese Aktien dem Beschwerdeführer tatsächlich nicht gutgebucht worden seien. Von einer dessen Vertrauen in die Werthaltigkeit dieser Wertpapiere signalisierenden (bewussten) Investitionsentscheidung kann somit keine Rede sein.
Der bloß pauschale Hinweis auf die Schätzung der Einnahmen des Beschwerdeführers („Band XXVII") und auf die „Vollanzeige vom 21. 5. 1999 in Band XXVIII" wird dem Erfordernis deutlicher und bestimmter Bezeichnung der angeblich zu Unrecht unerörtert gebliebenen Beweisergebnisse (RIS-Justiz RS0119422; 13 Os 74/07t) ebenso wenig gerecht wie die ohne Bezug zum Akteninhalt aufgestellte Behauptung, der Beschwerdeführer habe „auch engste Verwandte zur Investition ermuntert".
Das weitere Vorbringen, demzufolge eine isoliert herausgegriffene Urteilspassage (US 315), wonach manche (der von der ATS verfolgten) „Unternehmungen anfänglich durchaus erfolgsträchtige Projekte" beinhalteten, im Widerspruch (Z 5 dritter Fall) zur Annahme von Anfang an betrügerischen Handelns stehe, nimmt gesetzwidrig nicht Maß an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe (RIS-Justiz RS0119370) und ist daher von vornherein nicht geeignet, einen formalen Begründungsmangel aufzuzeigen. Das Erstgericht legte nämlich an anderer Stelle ausführlich dar, weshalb selbst die zunächst (abstrakt) erfolgversprechenden Projekte durch die (konkrete) Vorgangsweise der Angeklagten nicht zum Nutzen der ATS und damit der in deren Aktien investierenden Geschädigten verfolgt wurden (insbesondere US 60 ff zur „Agricola y Forestal", US 70 ff zur „KVM", US 72 ff zur „Mark It" und US 74 ff zur „CD").
Gleiches gilt für das - inhaltlich Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) relevierende - Beschwerdeargument, das Erstgericht hätte sich im Zusammenhang mit der Schadensberechnung mit dem Wert der Geschäftsanteile der ATS GmbH an der W*****-Hof GmbH (WGH) in Höhe von 50 Millionen Schilling (vgl US 25 f und 70), weshalb „etwa 25 % der Schadenssumme gedeckt waren", auseinander setzen müssen. Abgesehen von der mangelnden Nachvollziehbarkeit der behaupteten 25%igen Besicherung des insgesamt betrügerisch herausgelockten Vermögens lässt dieses Vorbringen außer Acht, dass den Angeklagten - neben der zweckwidrigen Verwendung von Kundengeldern - insbesondere auch die Täuschung über die wirtschaftliche Entwicklung, also den Ertragswert der von der ATS (großteils nur vorgeblich) getätigten Investitionen zur Last liegt (vgl insbesondere US 2 und 315). Die wirtschaftliche Entwicklung gerade auch der WGH war aber im Tatzeitraum, ungeachtet eines allenfalls bestehenden Substanzwertes, den eindeutigen Urteilskonstatierungen zufolge äußerst negativ (US 69). Überdies lässt die Forderung nach Erörterung eines angeblich geringeren „Differenzschadens" - wie zur Subsumtionsrüge näher dargestellt - keine Relevanz für die Schuld- oder Subsumtionsfrage erkennen und ist daher unter dem Aspekt der Mängelrüge unbeachtlich (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 398 f).
Weshalb eine nähere zeitliche Einordnung der Fassung des nach den Urteilsannahmen zumindest von den drei schuldig gesprochenen Angeklagten getragenen „Gesamtplans" (US 40 und 42 f) erforderlich gewesen wäre, lässt der Beschwerdeführer offen.
Soweit dieser mit Hinweis auf den Wert der Beteiligung an der WGH im Rahmen der Subsumtionsrüge (Z 10) vorbringt, einzelne Betrugshandlungen seien nicht (iSd § 147 Abs 2 StGB) schadensqualifiziert, leitet er - abgesehen von der mangelnden Bezugnahme auf die Feststellungen zur zweckwidrigen Verwendung von Kundengeldern und zur negativen Entwicklung der WGH (RIS-Justiz RS0099810) - nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab (RIS-Justiz RS0116565), weshalb dies im Hinblick auf die gemäß § 29 StGB zu bildende Subsumtionseinheit und die von der Beschwerdeargumentation nicht betroffene Qualifikation gemäß § 147 Abs 1 Z 1 vierter Fall StGB (US 26) die rechtliche Unterstellung sämtlicher Taten unter § 148 zweiter Fall StGB in Frage stellen soll (vgl Kirchbacher/Presslauer in WK2 § 148 Rz 6) und verfehlt demgemäß die prozessordnungsgemäße Darstellung dieses materiellen Nichtigkeitsgrundes.
Bleibt anzumerken, dass sich die (iSd § 61 StGB) verfehlte Anführung des - § 147 Abs 3 StGB idF vor BGBl I 2004/136 entnommenen - Betrags von 40.000 Euro (US 3; vgl hingegen US 317) vorliegend angesichts des vielfachen Überschreitens der aktuellen (zweiten) Qualifikationsgrenze nicht zum Nachteil der Angeklagten ausgewirkt hat.
Aus der Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerde folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Linz zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den - unter verfehlter Inanspruchnahme einer auf § 495 Abs 2 StPO gegründeten Entscheidungskompetenz (vgl RIS-Justiz RS0111521) gefassten - Beschluss (US 27) betreffend den Angeklagten Manfred S***** (§ 285i StPO).
Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten H***** beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Anmerkung
E9007713Os3.09dEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2009:0130OS00003.09D.0219.000Zuletzt aktualisiert am
14.04.2009