Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 19. Februar 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Holzweber als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll, Dr. Schwab und Dr. T. Solé sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Klugar als Schriftführerin, im Verfahren zur Unterbringung des Betroffenen Andreas L***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 21. Oktober 2008, GZ 12 Hv 176/07m-67, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.
Mit seiner Berufung wird der Betroffene auf das kassatorische Erkenntnis verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen, im dritten Rechtsgang ergangenen Urteil wurde Andreas L***** neuerlich antragskonform gemäß § 21 Abs 1 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen, weil er unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden, auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruhenden Zustands, nämlich einer paranoiden Schizophrenie, eine mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedrohte Handlung beging, nämlich das Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB, wobei er am 13. August 2007 in Graz Mag. Klaus K***** gefährlich mit dem Tod bedrohte, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen, wobei er ankündigte, er werde ihn vor einer weiteren Kürzung seiner Pension töten oder Gott werde dies tun.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a, 10 und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen. Sie ist bereits aus Z 9 lit a im Recht.
Entgegen dem ausdrücklichen Auftrag des Obersten Gerichtshofs hat es das Erstgericht unterlassen, geeignete Feststellungen zu einer auf die Abhörung des Telefonanrufbeantworters durch Mag. Klaus K***** gerichteten Absicht zu treffen (vgl neuerlich 14 Os 132/05a mwN). Das konstatierte Wissen, dass dieser die Nachricht in der Folge abhört (US 5), impliziert nämlich keineswegs, dass es dem Betroffenen auf die Kenntnisnahme der geäußerten Drohung durch das Tatopfer geradezu angekommen wäre (RS-Justiz RS0089283).
Überdies zeigt der Beschwerdeführer auch Nichtigkeit aus Z 11 zweiter Fall auf:
Die Tatrichter stellten im Wesentlichen fest, dass der Betroffene seit etwa Anfang 2007 verstärkt gegen den bis Ende Juni 2007 für ihn zuständigen Pflegschaftsrichter Mag. Klaus K*****, dem er neben anderen Personen seine finanziellen Probleme anlastet, schwerwiegende Vorwürfe erhob (US 4) und zahlreiche in bedrohlichem Ton gehaltene Äußerungen, wie etwa „ich verurteile Sie zu einer Gefängnisstrafe, Sie werden schon sehen, wie das ausgeht …" oder er werde ihn vernichten und umbringen, auf dessen Anrufbeantworter sprach (US 5). Am 13. August 2007 hinterließ der Betroffene am Anrufbeantworter des Mag. Klaus K***** im Wissen, dass dieser die Nachricht in der Folge abhört, die Äußerung, „er werde diesen vor einer weiteren Kürzung seiner Pension töten oder Gott werde dies tun". Dabei verfolgte er die Absicht, den Genannten in Furcht und Unruhe zu versetzen, wobei er durch diese Äußerung auch die Vorstellung erwecken wollte, er sei willens und in der Lage, die angedrohte Todesfolge herbeizuführen (US 5). Zum Zeitpunkt der Tathandlungen war Andreas L***** krankheitsbedingt, nämlich aufgrund einer paranoiden Schizophrenie nicht in der Lage, das Unrecht seines Tuns zu begreifen und danach zu handeln. Weiters stellten die Tatrichter fest, „es bestand und besteht auch in Zukunft die Gefahr, dass der Betroffene ohne Anhaltung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher unter dem Einfluss seiner geistigen und seelischen Abartigkeit weitere strafbare Handlungen mit schweren Folgen begehen könnte, wie insbesonders Aggressionshandlungen jedweder Art, darunter auch Morddrohungen … Verbale Aggressionen des Betroffenen können trotz Behandlung in tatsächliche Aggressionsakte mit Tätlichkeiten führen … Beim Betroffenen lag auch im Zeitpunkt der letzten Hauptverhandlung (offenbar gemeint: im Zuge des zweiten Rechtsganges, nämlich am 27. Mai 2008) ein hohes Maß an Affektinstabilität vor" (US 6). Dem Urteil mangelt es an einer ausreichenden, nämlich so umfassenden Feststellungsgrundlage, dass die daran unabdingbar rechtlich gebundene Ermessensentscheidung einer Befürchtung, also der rechtlichen Wertung einer hohen Wahrscheinlichkeit der Begehung einer Prognosetat für die Sachverhaltsannahme abgeleitet werden darf, der Beschwerdeführer werde eine oder mehrere bestimmte Handlungen begehen, welche ihrerseits rechtlich als mit Strafe bedroht und entsprechend sozialschädlich (mit schweren bzw nicht bloß leichten Folgen) zu beurteilen wären (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 719). Diesen Anforderungen entsprechen die Feststellungen, „es (bestand und) besteht auch in Zukunft die Gefahr, dass der Betroffene ohne Anhaltung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher unter dem Einfluss seiner geistig seelischen Abartigkeit weitere strafbare Handlungen mit schweren Folgen begehen könnte, … " und „verbale Aggressionen des Betroffenen können auch trotz Behandlung in tatsächliche Aggressionsakte mit Tätlichkeiten führen" (US 6) sowie die Ausführungen im Rahmen der Beweiswürdigung, mit denen auf die „ … - noch vorliegende - Gefahr, dass es neuerlich zu gleichgelagerten Tathandlungen kommen kann" (US 7), Bezug genommen wird, nicht. Sie begründen vielmehr bloß die jeweils unzureichende (Ratz in WK² [2005] Vorbem zu §§ 21 bis 25 Rz 4) hypothetisch-abstrakte Möglichkeit bzw die bloße Wahrscheinlichkeit neuerlicher Delinquenz mit schweren bzw nicht bloß leichten Folgen, nicht aber eine bei realistischer Betrachtung naheliegende aktuelle Gefährlichkeit.
Die neuerliche Aufhebung des Ausspruchs der Einweisung des Andreas L***** gemäß § 21 Abs 1 StGB erweist sich daher als unvermeidlich (§ 285 e StPO). Es bedarf somit keines Eingehens auf das weitere Rechtsmittelvorbringen.
Anmerkung
E9039812Os185.08kEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2009:0120OS00185.08K.0219.000Zuletzt aktualisiert am
05.05.2009