TE OGH 2009/2/24 8Ra13/09d

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.02.2009
beobachten
merken

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichtes Dr. Lindner als Vorsitzenden, die Richterin des Oberlandesgerichtes Mag. Schredl und den Richter des Oberlandesgerichtes Dr. Rassi (Senat nach § 11a Abs 2 Z 2 ASGG) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei K***** H*****, *****, 7071 Rust, vertreten durch die Schreiner Lackner & Partner Rechtsanwälte in Eisenstadt, gegen die beklagte Partei Ing. E***** H*****, *****, ***** 11, 7071 Rust, vertreten durch Dr. Manfred Moser, Rechtsanwalt in Pötsching, wegen zuletzt EUR 54.561,54, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes Eisenstadt als Arbeits- und Sozialgericht vom 25.06.2008, GZ 23 Cga 14/08f-13, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluss abgeändert, dass er zu lauten hat:

„Das Verfahren ist vom Landesgericht Eisenstadt als Arbeits- und Sozialgericht in der in den §§ 11 und 12 ASGG vorgesehenen Gerichtsbesetzung fortzuführen.“

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 1.675,98 (darin EUR 279,33 an USt) bestimmten Rekurskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die Rekursbeantwortung der beklagten Partei wird zurückgewiesen. Der ordentliche Revisionrekurs ist nicht zulässig.

Text

Begründung:

Der Kläger machte mit seiner beim Landesgericht Eisenstadt als Arbeits- und Sozialgericht eingebrachten Klage diverse Arbeitnehmeransprüche und den Ausgleichsanspruch nach § 24 HVertrG geltend. Er sei seit September 2005 beim Beklagten als Handelsvertreter tätig gewesen. Ab 22.01.2007 sei der Kläger als Angestellter unter Zuteilung eines bestimmten Beschäftigungsgebietes mit einem monatlichen Bruttogehalt von EUR 1.800,-- zuzüglich Provisionen und Reisekosten beschäftigt worden. Es habe keine fixe Eingliederung in die Organisation des Beklagten gegeben. Der Kläger habe für die Ausübung der Tätigkeit seinen eigenen PKW und privaten Laptop verwendet. Der Kläger habe auch zu den vom Beklagten vorgeschriebenen Terminen zu Kunden fahren müsse. Er habe nicht für weitere Dienstgeber tätig sein dürfen. Die Tragung der Lohnnebenkosten durch den Kläger sei nicht vereinbart worden. Es seien Sonderzahlungen und die Übernahme der Leasingraten und Versicherungsprämien des vom Kläger verwendeten Fahrzeuges vereinbart gewesen. Entgegen der Vereinbarung habe der Beklagte die Leasingraten für den PKW nicht bezahlt. Es seien ihm vom Beklagten Reisespesen von wöchentlich Euro 250,-- bezahlt worden, die aber die tatsächlichen Spesen des Klägers nicht gedeckt hätten. Die Bezahlung des Kilometergeldes hätte zusätzlich erfolgen sollen ohne betragsmäßige Beschränkung.

Das Dienstverhältnis sei vom Beklagten per 31.03.2008 gekündigt worden. Aus dem Dienstverhältnis seien die in der Klage aufgeschlüsselten noch offenen Ansprüche aus Gehalt, AMS-Förderung für den Dienstnehmer, Reisekosten bzw -spesen, Provisionen, Zinsen aus Leasingraten, Urlaubs- und Weihnachtsgeld aus Provisionen, Telefonkosten, Ausgleichsanspruch gemäß § 24 HVG und ausstehende Zahlungen von Kunden offen.

Der Beklagte wandte im vorbereitenden Schriftsatz ON 7 „vorsichtshalber“ die sachliche Unzuständigkeit des Landesgerichtes Eisenstadt als Arbeits- und Sozialgericht ein und beantragte die Zurückweisung der Klage. Der Kläger sei weder Arbeitnehmer noch sei dessen Rechtsstellung arbeitnehmerähnlich gewesen. Darüber hinaus wurde Klagsabweisung beantragt und die Unschlüssigkeit der Klage eingewandt.

Der Beklagte brachte im Wesentlichen vor, dass ihn der Kläger um formelle Anmeldung zur Sozialversicherung ersucht hätte. Von einem Steuerberater sei vorgeschlagen worden, dass der Kläger als Angestellter mit einem Bruttogehalt von monatlich Euro 1.800,-- für ihn tätig werde. Tatsächlich sollte jedoch die Entlohnung ausschließlich auf Provisionsbasis erfolgen. Vom Kläger sollten sowohl die Lohnnebenkosten des Dienstnehmers als auch des Dienstgebers getragen werden. Ein Ersatz von Spesen, Auslagen usw sei nicht vereinbart worden. Für den Fall, dass die zustehenden Provisionen Euro 1.800,-- im Monat übersteigen sollten, wäre dieser Betrag unter dem Titel Reisespesen bzw Kilometergeld abzugelten gewesen. Der Kläger sei in der Zeiteinteilung völlig frei gewesen. Es sei auch nicht vereinbart worden, dass der Kläger nur für den Beklagten tätig werden dürfe. Der Kläger verfüge nicht über die notwendige Gewerbeberechtigung als Handelsvertreter. Er sei als Handelsvertreter auch für die Firma S*****gesmbH und Firma R***** tätig gewesen.

Mit dem angefochtenen Beschluss sprach das Erstgericht aus, dass das Verfahren vor dem Landesgericht Eisenstadt ohne Senatsbesetzung nach § 11 Abs 1 ASGG fortzuführen sei. Nach Wiedergabe des Vorbringens der Parteien traf es auf den Seiten 7 bis 9 umfangreiche Feststellungen zur Tätigkeit des Klägers, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verweisen wird (§ 500a ZPO). Davon ist hervorzuheben, dass das vom Kläger verwendete Fahrzeug ebenso wie der Arbeitsplatz und Laptop nicht vom Beklagten zur Verfügung gestellt wurde. Die Anmeldung als Angestellter erfolgte nur pro forma und lag darin begründet, dass der Kläger keine Gewerbeberechtigung hatte. Dem Kläger war es selbst überlassen, wann er seine Fahrten durchführt. Er war nicht zu Schulungen verpflichtet und musste Krankenstände nur insofern bekannt geben, damit keine Vorarbeiten durch das Telefon-Callcenter des Beklagten gemacht werden. Urlaub wurde zwischen den Streitteilen nicht vereinbart.

Rechtlich bejahte das Erstgericht zunächst die Zuständigkeit des Landesgerichtes Eisenstadt. Allerdings sei für die Beurteilung, in welcher Gerichtsbesetzung das Verfahren durchzuführen sei, zu prüfen, ob eine Arbeitsrechtssache vorliegt. Dabei komme es für die Abgrenzung des Vertragsverhältnisses als Arbeitsvertrag, freier Dienstvertrag oder Werkvertrag auf die tatsächliche Ausgestaltung der Vertragsbeziehung an. Dabei sei primär die Frage der Unselbständigkeit bzw Selbständigkeit entscheidend. Unter Berücksichtigung der von der Judikatur entwickelten Abgrenzungskriterien sei beim Kläger von einem selbständigen Handelsvertreter auszugehen. Den Kläger hätte keine Arbeitspflicht getroffen. Er wäre weder weisungsgebunden noch in die Organisation des Betriebes eingegliedert gewesen. Die Arbeiten hätte er mit eigenen Mitteln ausgeführt; es sei nur eine erfolgsbezogene Entlohnung vereinbart gewesen. Es liege somit keine Arbeitsrechtssache vor.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs des Klägers wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und wegen unrichtiger rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass dem Erstgericht in der Senatsbesetzung der §§ 11 f ASGG die Fortführung des Verfahrens aufgetragen werde, hilfsweise dass die Unzuständigkeitseinrede zurück- bzw abgewiesen werde und dem Erstgericht die Fortführung des Verfahrens aufgetragen werde, hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Der Beklagte beantragt, dem Rekurs keine Folge zu geben. Die Zulässigkeit des Rekurses ergibt sich daraus, dass vorliegendenfalls nicht über die sachliche Zuständigkeit, sondern über die Gerichtsbesetzung bei unstrittiger örtlicher Zuständigkeit des Gerichtshofes zu entscheiden war (vgl unten). Gemäß § 37 Abs 3 ASGG hat das Gericht im Falle der Geltendmachung eines Besetzungsmangels, soferne nicht Heilung nach § 37 Abs 1 ASGG eingetreten ist, mit Beschluss auszusprechen, in welcher Gerichtsbesetzung das Verfahren fortzuführen ist. Ein solcher Beschluss ist gemäß den §§ 40a JN, 37 Abs 3 ASGG selbständig anfechtbar (vgl Kuderna, ASGG² Rz 11 zu § 37, Kodek in Fasching/Konecny² III § 260 ZPO Rz 36). Der Rekurs unterliegt daher nicht der Rechtsmittelbeschränkung des § 45 JN (RIS-Justiz RS0046274, RS0085574; hg 9 Ra 72/04f; Neumayr in ZellKomm § 37 ASGG Rz 9).

Der Rekurs ist somit zulässig; er ist jedoch mangels Anwendbarkeit von § 521a ZPO einseitig (2 Ob 60/95; RZ 1997/61; 4 Ob 133/02s; 9 ObA 68/03w; 9 ObA 86/03t; 9 ObA 1/04v; 9 Ob 40/05f; RIS-Justiz RS0043996;

Kodek in Rechberger³ § 521a ZPO Rz 4; Zechner in Fasching/Konecny² IV/1 § 521a ZPO Rz 12; G. Kodek in Fasching/Konecny² III § 260 ZPO Rz 36; ders, Zur Zweiseitigkeit des Rekursverfahrens, ÖJZ 2004, 593;

Neumayr in ZellKomm § 37 ASGG Rz 9). Zur Umsetzung des Erfordernisses der Waffengleichheit iSd Art 6 Abs 1 EMRK ist es nicht erforderlich, jeden anfechtbaren Beschluss im Zuge des Verfahrens dem Regime eines zweiseitigen Rechtsmittelverfahrens zu unterwerfen. Vielmehr kommt es darauf an, ob mit dem angefochtenen Beschluss über einen Rechtsschutzanspruch abgesprochen wurde. Dies ist aber im vorliegenden Fall, in dem nur über die Frage der Besetzung ein und desselben Gerichtes entschieden wird, zu verneinen. Die unzulässige Rekursbeantwortung des Beklagten war somit zurückzuweisen. Der zulässige Rekurs des Klägers ist auch berechtigt, wobei auf die geltend gemachte Mangelhaftigkeit nicht eingegangen werden musste, weil sich das Rechtsmittel schon aufgrund des vom Erstgericht festgestellten Sachverhalts und der übrigen der Entscheidung zugrundezulegenden Tatsachen (vgl unten) als berechtigt erweist. Zum Inhalt des Rekurses ist zunächst festzuhalten, dass die vom Beklagten erhobene Einrede der (sachlichen) Unzuständigkeit schon deshalb ins Leere geht, weil sich die sachliche Zuständigkeit des Gerichtshofes erster Instanz an sich unbestritten schon aus der Höhe des Streitwertes ergibt (§ 50 Abs 1 JN). Sachlich unzuständig wäre das Erstgericht als Arbeits- und Sozialgericht nur dann, wenn die Rechtssache keine Arbeits- und Sozialrechtssache ist und entweder vor ein Bezirksgericht oder ein anderes Landesgericht gehört. Die Einrede des Beklagten ist aber nicht schon deshalb unberechtigt. Mit seiner Einrede hat der Beklagte nämlich auch implizit einen Besetzungsmangel iSd § 37 Abs 1 ASGG geltend gemacht (vgl 9 ObA 41/88; 9 ObA 329/89). Damit korrespondiert die Rsp, wonach mit der Entscheidung über eine im Bereich des ASGG erhobene Unzuständigkeitseinrede in bestimmten Konstellationen auch implizit über die Gerichtsbesetzung entschieden wird (8 ObA 51/07v; RIS-Justiz RS0085486).

Nach dem ASGG ist in Arbeits- und Sozialrechtssachen die Anrufung oder das Tätigwerden eines unrichtigen Spruchkörpers desselben Gerichts als eine gemäß § 477 Abs 1 Z 2 ZPO nichtige unrichtige Besetzung des Gerichtes anzusehen (9 ObA 41/88; 9 ObA 329/89; Neumayr in ZellKomm § 37 ASGG Rz 1). Um die hier richtige Besetzung beurteilen zu können, ist inhaltlich zwischen einem (rechtlich) unselbständigen und einem (rechtlich) selbständigen Handelsvertreter zu unterscheiden. Der unselbständige Handelsvertreter ist Arbeitnehmer, er unterliegt nicht dem HVertG bzw den Regelungen über den Werkvertrag, sondern dem für ihn maßgeblichen arbeitsrechtlichen Bestimmungen, vor allem dem AngG (Krejci, Unternehmensrecht4 375). Die von ihm gegen seinen Arbeitgeber geltend gemachten Ansprüche fallen unter § 50 Abs 1 Z 1 ASGG, und begründen (als Arbeitsrechtssache) die Zuständigkeit des Arbeits- und Sozialgerichtes mit der entsprechenden Besetzung. Bei einem (rechtlich) selbständigen Handelsvertreter, der manchmal unscharf als „freier“ Handelsvertreter bezeichnet wird (so etwa von Neumayr in ZellKomm § 51 ASGG Rz 23 mwN; krit Krejci, Unternehmensrecht4 375), muss wiederum nach der wirtschaftlichen Selbständigkeit und Unselbständigkeit unterschieden werden. Wenn rechtlich selbständige Handelsvertreter wirtschaftlich unselbständig sind, gelten sie als arbeitnehmerähnlich. Nach § 51 Abs 3 Z 2 ASGG genügt es für die Qualifikation einer bürgerlichen Rechtsstreitigkeit als Arbeitsrechtssache, wenn auf Seiten des Klägers lediglich Arbeitnehmerähnlichkeit vorliegt oder vorlag. Ob zwischen den Parteien ein Arbeitsvertrag im engeren Sinn abgeschlossen wurde, ist für die Frage der Gerichtsbesetzung ohne Belang (9 ObA 41/88). Ein vor einem Gerichtshof anhängig gemachtes Verfahren ist somit nur dann nicht in der in den §§ 11 und 12 ASGG vorgesehenen Gerichtsbesetzung zu führen, wenn der klagende Handelsvertreter als rechtlich und wirtschaftlich selbstständig zu qualifizieren ist.

Eine Gesamtbetrachtung der vom Erstgericht festgestellten und der der rechtlichen Beurteilung sonst zugrundezulegenden Umstände (vgl dazu sogleich) führt für die Frage der richtigen Gerichtsbesetzung zum Ergebnis, dass der Kläger hier nicht als rechtlich und wirtschaftlich selbständiger Handelsvertreter einzuordnen ist. Dabei muss vom Rekursgericht nicht abschließend beurteilt werden, ob der Kläger als Arbeitnehmer oder als ein zwar rechtlich selbständiger, aber wirtschaftlich abhängiger Handelsvertreter zu qualifizieren ist bzw war, weil in beiden Fällen das Verfahren vom Erstgericht als Arbeits- und Sozialgericht in der Gerichtsbesetzung nach §§ 11 und 12 ASGG zu führen ist.

Für die Wahl der richtigen Gerichtsbesetzung ist in Analogie zu § 40a JN nicht ein entsprechender Antrag oder eine bestimmte Bezeichnung durch die Partei, sondern der Inhalt des Begehrens und des ihm zugrundeliegenden Vorbringens maßgeblich (SZ 44/64; SZ 45/117; SZ 50/70; SZ 60/18; 9 ObA 271/89; 9 ObA 329/89 uva; Neumayr in ZellKomm § 51 ASGG Rz 27). Darauf, ob der geltend gemachte Klagsanspruch inhaltlich zu Recht besteht, kommt es nicht an. Nach § 37 Abs 3 ASGG ist nur auszusprechen, in welcher Gerichtsbesetzung das Verfahren fortzuführen ist. Es kann nicht Aufgabe eines entsprechenden Beschlusses sein, über in der Klage geltend gemachte materiell-rechtliche Ansprüche zu entscheiden, weil in einem formellen „Besetzungsbeschluss“ nicht über die materiell-rechtliche Rechtslage abgesprochen werden soll (9 ObA 121/92). Wohl kann der Beklagte – im Unterschied zu (ihn nicht bindenden) a limine gefassten Besetzungsbeschlüssen – im nach Zustellung der Klage eingeleiteten Verfahren Einreden gegen eine nach seiner Ansicht nach nicht gesetzmäßige Besetzung erheben. Allerdings ist beim Zusammenfallen der anspruchsbegründenden mit den besetzungsrelevanten Umständen die Möglichkeit des Beklagten eingeschränkt, Prozesseinreden geltend zu machen (8 ObA 324/94; 9 Ob 6/04d; 9 ObA 1/04v; RIS-Justiz RS0118656, RS0112492). Das Gericht kann sich bei diesen sog „doppelrelevanten“ Tatsachen nicht auf Feststellungen stützen, die von den Sachverhaltsbehauptungen des Klägers abweichen (vgl RIS-Justiz RS0116404[T3]). In diesem Fall ist bei der Prüfung der Besetzungsfrage (ebenso wie bei der Prüfung der Zuständigkeit, vgl 9 Ob 25/07b) von den Behauptungen des Klägers auszugehen (hg 8 Ra 91/08y).

Zu den doppelrelevanten Tatsachen zählt hier das Vorbringen des Klägers, dass er als Angestellter ein regelmäßiges (monatliches und fixes) Gehalt bezog, das zum Teil unberichtet aushafte (inkl Urlaubs- und Weihnachtsgeld) und ihm der Beklagte auch Reisespesen bzw Zinsen aus Leasingraten (für sein Fahrzeug) schulde. Solche Ansprüche sind weitgehend ihrer Art nach im Rahmen einer Werkvertragsbeziehung zwischen selbständigen Unternehmern gar nicht denkbar (hg 8 Ra 91/08y; Neumayr in ZellKomm § 51 ASGG Rz 23). Würde man hier allein für die Gerichtsbesetzung eine Schlüssigkeitsprüfung vornehmen, hätte dies zur Folge, dass bereits im Vorprüfungsstadium über die Berechtigung des Anspruches selbst mitentschieden würde (vgl 9 ObA 1/04v).

Zu Unrecht hat daher das Erstgericht schon in diesem Stadium die Tatsachenbehauptungen des Klägers zu seiner Stellung als Arbeitnehmer bzw zu seiner arbeitnehmerähnlichen Stellung einer Prüfung unterzogen. Tatsächlich war für die Frage der Gerichtsbesetzung schon aufgrund des anspruchsbegründenden und der für die Besetzung des Gerichts begründenden Tatsachen von der Zuständigkeit des Landesgerichtes Eisenstadt als Arbeits- und Sozialgericht auszugehen (hg 8 Ra 91/08y).

Davon abgesehen ist der Kläger auch bei Berücksichtigung des festgestellten Sachverhalts und der vom Beklagten nicht substantiiert bestrittenen klägerischen Behauptungen nicht als rechtlich und wirtschaftlich selbständiger Handelsvertreter zu qualifizieren. Selbst wenn man (für die Beurteilung der Gerichtsbesetzung) das Vorliegen eines Angestelltenverhältnisses verneint, wäre für den Beklagten nichts gewonnen, weil dann die Tätigkeit des Klägers zumindest als arbeitnehmerähnlich einzuordnen ist.

Bei der Abgrenzung der arbeitnehmerähnlichen Personen iSd § 51 Abs 3 Z 2 ASGG von den selbständigen Unternehmern lässt sich in Grenzfällen keine allgemein gültige Regel aufstellen, vielmehr sind die Umstände des Einzelfalls maßgebend (9 ObA 146/00m; 9 ObA 102/07a; RIS-Justiz RS0085540 ua), wobei die für oder gegen die Annahme eines arbeitnehmerähnlichen Verhältnisses sprechenden Merkmale nicht einzeln, sondern in ihrer Gesamtheit betrachtet werden müssen (9 ObA 102/07a; RIS-Justiz RS0050842 ua; Neumayr in ZellKomm § 51 ASGG Rz 11). Für die Qualifikation eines arbeitnehmerähnlichen Rechtsverhältnisses ist vor allem die wirtschaftliche Unselbständigkeit ausschlaggebend und nicht die Bezeichnung des zwischen den Parteien bestehenden Rechtsverhältnisses oder die steuerrechtliche und sozialversicherungsrechtliche Behandlung der Einkünfte oder der Besitz eines eigenen Gewerbescheins (9 ObA 9/96; 9 ObA 367/97d; 9 ObA 102/07a; RIS-Justiz RS0086121 ua; Neumayr in ZellKomm § 51 ASGG Rz 14).

Das entscheidende Merkmal der wirtschaftlichen Unselbständigkeit, das gegen die Annahme eines rechtlich und wirtschaftlich selbständigen Handelsvertreters spricht, ist hier gegeben, nämlich die Abhängigkeit von einem oder mehreren bestimmten, nicht aber von einer unbegrenzten, ständig wechselnden Anzahl von Unternehmern (9 ObA 43/89 = SZ 62/21; RIS-Justiz RS0086121). Den Behauptungen des Klägers, dass er nicht für weitere Dienstgeber tätig gewesen und ihm dies auch nicht erlaubt gewesen wäre (vgl Seite 4 ON 10), hielt der Beklagte nur vage entgegnen, „der Kläger dürfte wie bereits glaublich auch während seiner Tätigkeit als Handelsvertreter für mich auch für die S***** GmbH ... und die Firma R***** ... tätig sein.“ Damit wurde schlüssig zugestanden, dass der Kläger nur für eine geringe Anzahl, nicht aber für eine unbegrenzte, ständig wechselnde Anzahl von Unternehmern tätig war. Unstrittig ist auch, dass der Kläger für den Beklagten jahrelang tätig war (vgl dazu 9 ObA 12/91). All dies spricht entscheidend gegen die wirtschaftliche Selbständigkeit des Klägers (siehe Arb 9944; Arb 10.310; 9 Ob A 43/89; Wachter, Wesensmerkmale der arbeitnehmerähnlichen Person, 148 f sowie 150 f; Neumayr in ZellKomm § 51 ASGG Rz 17).

Dem Rekurs war daher Folge zu geben. Das Verfahren ist daher in der Besetzung als Arbeits- und Sozialgericht weiter zu führen. Auf die Einwendungen des Beklagten wird erst im Rahmen der Prüfung der materiellen Berechtigung des Klagebegehrens einzugehen sein. Die Ergebnisse der bisherigen Verhandlungen können für die Hauptsache verwertet werden, weshalb die in erster Instanz verzeichneten Kosten nicht als Kosten eines Zwischenstreites gebühren, zumal das Erstgericht die Verhandlung nicht auf die Zuständigkeit bzw richtige Besetzung eingeschränkt hat. Vielmehr bleibt die Kostenentscheidung der Endentscheidung vorbehalten (§ 52 Abs 2 ZPO).

Die Kostenentscheidung des als Zwischenstreit zu qualifizierenden Rekursverfahrens gründet sich auf §§ 2 ASGG, §§ 41, 50 ZPO. Der Revisionsrekurs war nicht zuzulassen, da keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung vorliegt. Das Rekursgericht ist von der zitierten ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht abgewichen.

Anmerkung

EW006828Ra13.09d

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OLG0009:2009:0080RA00013.09D.0224.000

Zuletzt aktualisiert am

21.07.2009
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten