TE OGH 2009/3/13 7Bs41/09t

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Veröffentlicht am 13.03.2009
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Das Oberlandesgericht Linz hat durch den Richter Dr. Aistleitner als Vorsitzenden, die Richterin Dr. Henhofer und den Richter Dr. Morbitzer in der Strafsache gegen M***** S***** wegen des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs 1 und 2 StGB über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Linz gegen den Beschluss des Landesgerichtes Linz vom 20.01.2009, 29 Hv 63/08v-46, in nichtöffentlicher Sitzung entschieden:

Spruch

Der Beschwerde wird Folge gegeben; der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Text

Begründung:

Mit Strafantrag vom 12.06.2008 (ON 37) legt die Staatsanwaltschaft Linz dem Angeklagten M***** S***** das Vergehen der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs 1 und 2 1.Fall StGB zur Last. Demnach habe er im Rückfall (§ 39 StGB) mit Ausnahme der Haftzeit vom 16.09.2003 bis 22.01.2004 zuzüglich rund eines Monats in Linz seine im Familienrecht begründete Unterhaltspflicht gröblich verletzt und dadurch bewirkt, dass der Unterhalt des Unterhaltsberechtigten ohne Hilfe von anderer Seite gefährdet wäre, indem er keinerlei bzw völlig unzureichende Unterhaltsleistungen erbrachte, und zwar hinsichtlich F***** B*****, geboren am 22.11.2001, in der Zeit von Dezember 2001 bis 15.09.2003 und von 01.03.2004 bis „heute", M***** W*****, geboren am 16.07.1997, in der Zeit von 01.03.2004 bis „heute", und M***** P*****, geboren am 25.03.1994, in der Zeit von Juli 1998 bis 15.09.2003, und von 01.03.2004 bis „heute". Dieser Strafantrag wurde mit Beschluss des Einzelrichters des Landesgerichtes Linz vom 17.06.2008 (ON 38) gemäß § 485 Abs 1 Z 2 iVm § 212 Z 3 StPO mangels ausreichend geklärten Sachverhaltes rechtskräftig zurückgewiesen. Am 01.07.2008 wurde Univ.-Prof. Dr. G***** K***** von der Staatsanwaltschaft zum Sachverständigen aus dem Fachgebiet Berufskunde bestellt und beauftragt, ein Gutachten binnen acht Wochen hinsichtlich der Vermittlungsfähigkeit und Zumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit des M***** S***** zu erstellen (ON 40). Dieses Gutachten langte am 10.10.2008 bei der Anklagebehörde ein (ON 41). Nach Einholung eines Ergänzungsgutachtens (ON 43) brachte die Staatsanwaltschaft Linz beim Einzelrichter am 15.01.2009 wiederum einen Strafantrag wegen des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs 1 und 2 1.Fall StGB ein (ON 45), welcher inhaltsgleich mit jenem vom 12.06.2008 ist (wobei klar sein muss, dass der inkriminierte Endzeitpunkt „heute" nicht nach dem 15.01.2009, dem Datum des Strafantrags, liegen kann). Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss wies der Einzelrichter den Strafantrag der Staatsanwaltschaft neuerlich, nunmehr allerdings aus dem Grunde des § 485 Abs 1 Z 3 iVm § 212 Z 1 StPO, zurück und stellte das Verfahren ein. Dies begründete der Erstrichter damit, dass die Staatsanwaltschaft die in § 485 Abs 2 StPO normierte Drei-Monats-Frist, während welcher die für die Verfahrensfortführung nötigen Anträge zu stellen gewesen wären, nicht eingehalten habe, sodass der Strafantrag verfristet sei.

In ihrer Beschwerde, die dem Angeklagten zur Äußerung zugestellt wurde, zielt die Staatsanwaltschaft auf die Beschlussaufhebung ab und begehrt, dem Einzelrichter die Anberaumung der Hauptverhandlung aufzutragen.

Die Beschwerde ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 485 Abs 1 Z 3 StPO hat das Gericht den Strafantrag vor Anordnung der Hauptverhandlung zu prüfen und in den Fällen des § 212 Z 1, 2 und 7 den Strafantrag mit Beschluss zurückzuweisen und das Verfahren einzustellen. In dem - hier relevanten - Fall des § 212 Z 1 StPO steht dem Angeklagten ein Anklageeinspruch zu, wenn die zur Last gelegte Tat nicht mit gerichtlicher Strafe bedroht ist oder sonst ein Grund vorliegt, der die Verurteilung des Angeklagten aus rechtlichen Gründen ausschließt. Diesen Grund für den Ausschluss der Verurteilung des Angeklagten aus rechtlichen Gründen erblickt der Erstrichter darin, dass der Ankläger die als Fallfrist zu betrachtende Drei-Monats-Frist des § 485 Abs 2 StPO nicht einhielt. Die Frist des § 485 Abs 2 StPO, binnen der nach Rechtswirksamkeit eines Beschlusses gemäß Abs 1 Z 1 oder 2 der Ankläger bei sonstigem Verlust des Verfolgungsrechtes die für die Fortführung des Verfahrens erforderlichen Anträge zu stellen hat, kann jedoch nur so verstanden werden, dass der Staatsanwalt solche Anträge zu stellen oder jene erforderlichen Anordnungen zu treffen hat, die eine Ingangsetzung oder Fortführung des Ermittlungsverfahrens bewirken. Jede andere Deutung der in § 485 Abs 2 genannten Frist würde zu dem Ergebnis führen, dass die Staatsanwaltschaft nach einer Zurückweisung des Strafantrages wegen nicht ausreichend geklärten Sachverhaltes selbst umfangreichste Erhebungen (beispielsweise Zeugeneinvernahmen im Ausland, aufwändige Sachverständigengutachten) innerhalb eines Zeitraumes von drei Monaten durchzuführen und in diesem Zeitraum auch noch einen (neuen) Strafantrag zu erheben hat, um nicht dem Verlust des Verfolgungsrechtes ausgesetzt zu sein. Überdies wird durch die mit § 485 Abs 1 Z 2 StPO in unmittelbarem Zusammenhang stehende Bestimmung des § 215 Abs 3 StPO, wonach das Oberlandesgericht im Einspruchsverfahren in den Fällen des § 212 Z 3 die Anklageschrift zurückzuweisen hat und dadurch das Hauptverfahren beendet und das Ermittlungsverfahren wiedereröffnet wird, verdeutlicht, dass § 485 Abs 2 StPO die Verpflichtung für den Ankläger enthält, innerhalb der Drei-Monats-Frist das Ermittlungsverfahren fortzusetzen oder zu eröffnen. In die gleiche Zielrichtung weist § 261 Abs 2 StPO, wonach der Staatsanwalt nach Rechtskraft eines Unzuständigkeitsurteils binnen drei Monaten bei sonstigem Verlust des Verfolgungsrechtes das Ermittlungsverfahren fortzuführen oder die Anordnung der Hauptverhandlung vor dem Geschworenengericht zu beantragen hat. Fallbezogen hat somit der öffentliche Ankläger durch die Sachverständigenbestellung am 01.07.2008 seiner in § 485 Abs 2 StPO normierten Verpflichtung Rechnung getragen und rechtzeitig das Ermittlungsverfahren fortgeführt, sodass kein Verlust des Verfolgungsrechtes der Staatsanwaltschaft eingetreten ist, was die Kassation des angefochtenen Beschlusses zur Folge hat. Klarzustellen bleibt, dass sich die Annahme der Rückfallsvoraussetzungen nach § 39 StGB - damit der sachlichen Zuständigkeit des Landesgerichtes - auf folgende Erwägungen stützen kann:

Eine der unabdingbaren Voraussetzungen für die Annahme eines qualifizierten Rückfalls nach § 39 Abs 1 StGB ist eine (neuerliche) Delinquenz, die „auf der gleichen schädlichen Neigung beruht", wie bereits von Verurteilungen umfasste Straftaten. Die gleiche schädliche Neigung in diesem Sinn ist in § 71 StGB definiert. Dabei spielt nicht nur die jeweilige Identität der verletzten Rechtsgüter eine Rolle, sondern auch ein jeweils „gleichartiger verwerflicher Beweggrund" oder ein kriminogener „gleicher Charaktermangel". Hier interessiert insbesondere der 2. Fall des § 71 StGB (gleichartiger verwerflicher Beweggrund). Der Beweggrund eines Täters nach § 198 StGB wird im Regelfall in seinem Bestreben liegen, sich finanzielle Aufwendungen, zu denen er von Gesetzes wegen verpflichtet ist, zu ersparen; mit anderen Worten: er zielt auf einen „negativen" Gewinn ab.

Ein Vermögenstäter, insbesondere ein Dieb, hat seine (gleichermaßen unrechtmäßige) „positive" Bereicherung zum Ziel seines Zugriffs gemacht. In diesem Licht handeln Dieb einerseits und Verletzer der Unterhaltspflicht andererseits - abermals im Regelfall - aus einem gleichartigen verwerflichen Beweggrund heraus.

Im nächsten Schritt ist der Blick auf die relevanten Vorstrafen des Angeklagten zu werfen. Dabei darf nicht außer Acht gelassen werden, dass zufolge der Bestimmung des § 39 Abs 1 StGB nur Verurteilungen zu (zumindest teilunbedingten) Freiheitsstrafen in Betracht kommen, welche zumindest teilweise verbüßt wurden; zudem ist die Frist des § 39 Abs 2 StGB zu berücksichtigen (mehr als fünf Jahre zurückliegende Verbüßungen bleiben außer Betracht).

Am 15.01.1996 wurde der Angeklagte wegen des Verbrechens des (versuchten) Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127, 129 Z 1, 15 Abs 1 StGB zu einer achtmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt, wovon 6 ½ Monate bedingt nachgesehen wurden; der unbedingte Strafteil betrug 1,5 Monate. Diese verbüßte der Angeklagte bis 04.02.1996 (02 der Strafregisterauskunft, ON 30 = 23 EVr 2664/95 LG Linz). Am 27.10.2003 wurde der Angeklagte vom Bezirksgericht Linz-Land (22 U 154/03g - 08 der Strafregisterauskunft) wegen des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs 1 StGB zu einer zehnwöchigen (unbedingten) Freiheitsstrafe verurteilt. Aus dieser (wie auch aus weiteren Strafen) wurde er am 22.01.2004 bedingt entlassen.

Der von dieser Verurteilung umfasste Tatzeitraum erstreckte sich vom 22.10.1998 bis 15.09.2003.

Nunmehr liegt ihm - wie erwähnt - zur Last, er habe - teilweise schon ab Dezember 2001, aber auch vom 01.03.2004 bis zum 15.01.2009 - neuerlich seine Unterhaltspflicht verletzt.

Dies alles bedeutet: Die im oben dargestellten Sinn einschlägigen Vorstrafen zu 02 und 08 der Strafregisterauskunft bedingten hier - in Erfüllung der Voraussetzungen des § 39 StGB - die landesgerichtliche Zuständigkeit (§§ 198 Abs 2 StGB; 31 Abs 4 Z 1 StPO). Seit den Urteilsverbüßungen (04.02.1996 bzw 22.01.2004) vergingen weniger als fünf Jahre bis zur nächsten einschlägigen Delinquenz. Die jeweils verhängten Strafen wurden auch (zumindest teilweise) verbüßt.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diese Entscheidung steht ein weiteres Rechtsmittel nicht zu. Oberlandesgericht Linz, Abt. 7,

Anmerkung

EL001117Bs41.09t

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OLG0459:2009:0070BS00041.09T.0313.000

Zuletzt aktualisiert am

01.04.2009
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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