Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Dr. Schramm sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Martin Gleitsmann (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Franz Boindl (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Janosne D*****, Ungarn, vertreten durch Mag. Eric Breiteneder, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, wegen Witwenpension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 16. Oktober 2008, GZ 10 Rs 68/08f-20, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 8. Jänner 2008, GZ 28 Cgs 207/07x-4, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Die am 12. 2. 1930 geborene Klägerin schloss am 5. 8. 1986 mit dem am 10. 6. 1909 geborenen Dr. Laszlo Janos D***** die Ehe. Dieser verstarb am 6. 1. 1988. Er hatte seit 10. 6. 1974 in Österreich eine Alterspension bezogen.
Erstmals am 18. 12. 2006 stellte die Klägerin einen Antrag auf Gewährung einer Witwenpension.
Die beklagte Partei lehnte mit Bescheid vom 4. 6. 2007 den Antrag der Klägerin auf Gewährung einer Witwenpension ab.
Das Erstgericht erkannte die beklagte Partei dem Grunde nach für schuldig, der Klägerin eine befristete Witwenpension vom 18. 12. 2006 bis 30. 6. 2009 im gesetzlichen Ausmaß zu gewähren. Die Klägerin habe Anspruch auf eine befristete Witwenpension gemäß § 258 Abs 2 Z 2 ASVG, die gemäß § 86 Abs 3 Z 1 ASVG mit dem Tag der Antragstellung am 18. 12. 2006 angefallen sei.
Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung im Sinn einer Klageabweisung ab. Für Hinterbliebenenpensionen sei es ausgeschlossen, die allgemeinen Leistungsvoraussetzungen zu einem späteren Stichtag als dem durch den Tod ausgelösten Stichtag zu erreichen. Eine Stichtagsverschiebung durch eine neuerliche Antragstellung auf einen späteren, willkürlich gewählten Zeitpunkt sei nicht möglich. Im Anlassfall sei der Stichtag der dem Eintritt des Versicherungsfalls folgende Monatserste (1. 2. 1988). Die Frage, ob eine Leistung der Pensionsversicherung gebühre, sei nach den Verhältnissen an dem durch den Versicherungsfall ausgelösten Stichtag zu prüfen. Maßgeblich sei daher die am 1. 2. 1988 geltende Fassung des § 258 Abs 2 ASVG. Aus Wortlaut und Zweck des § 258 Abs 2 Z 2 ASVG folge, dass die befristete Witwenpension nur 30 Kalendermonate nach dem Letzten des Monats des Todes des versicherten Ehegatten gebühren solle. § 86 ASVG spreche nicht gegen diese Auslegung. Aus dieser Bestimmung könnte sich in Bezug auf die befristete Witwenpension allenfalls eine kürzere Bezugsdauer als 30 Kalendermonate ergeben, wenn der Antrag auf Witwenpension nach Ablauf von sechs Monaten nach Eintritt des Versicherungsfalls gestellt würde. Eine Verlängerung der Bezugsdauer von 30 Kalendermonaten ab dem Letzten des Monats des Todes des versicherten Ehegatten ergebe sich daraus nicht.
Das Berufungsgericht sprach aus, die ordentliche Revision sei zulässig, weil der Oberste Gerichtshof noch nicht die Frage entschieden habe, ob eine befristete Witwenpension bei einer um Jahre verspäteten Antragstellung dennoch gewährt werden könne.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Klägerin ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) nicht zulässig.
Trotz Fehlens einer ausdrücklichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einer konkreten Fallgestaltung liegt dann keine erhebliche Rechtsfrage vor, wenn das Gesetz selbst eine klare, das heißt eindeutige Regelung trifft (RIS-Justiz RS0042656).
Gemäß § 258 Abs 1 ASVG hat die Witwe nach dem Tod des versicherten Ehegatten Anspruch auf Witwenpension.
Absatz 2 dieser Gesetzesstelle lautet in der am Stichtag (1. 2. 1988; § 223 Abs 2 ASVG) geltenden Fassung:
„Die Pension nach Abs 1 gebührt bis zum Ablauf von 30 Kalendermonaten nach dem Letzten des Monats des Todes des (der) versicherten Ehegatten (Ehegattin),
1. ...
2. wenn der überlebende Ehegatte bei Eintritt des Versicherungsfalles des Todes des (der) Versicherten das 35. Lebensjahr bereits vollendet hat und die Ehe in einem Zeitpunkt geschlossen wurde, in dem der andere Ehegatte einen bescheidmäßig zuerkannten Anspruch auf eine Pension aus dem Versicherungsfall des Alters oder der geminderten Arbeitsfähigkeit ... hatte, es wäre denn, dass
a) die Ehe mindestens drei Jahre gedauert und der Altersunterschied der Ehegatten nicht mehr als 20 Jahre betragen hat oder
b) die Ehe mindestens fünf Jahre gedauert und der Altersunterschied der Ehegatten nicht mehr als 25 Jahre getragen hat oder
c) die Ehe mindestens 10 Jahre gedauert und der Altersunterschied der Ehegatten mehr als 25 Jahre betragen hat;
3. ..."
Diese Leistung soll nach Absicht des Gesetzgebers dem überlebenden Ehegatten die Anpassung an die neue Lebenssituation ohne Überstürzung ermöglichen (vgl die bei Teschner/Widlar/Pöltner, ASVG § 258 Rz 1 abgedruckten Gesetzesmaterialien).
Leistungen aus der Pensionsversicherung sind grundsätzlich nur auf Antrag zu gewähren (§ 361 Abs 1 Z 1 ASVG; RIS-Justiz RS0085092). Wie der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach ausgeführt hat, lässt sich die Fiktion eines tatsächlich nicht gestellten Antrags auch aus dem Grundsatz der sozialen Rechtsanwendung nicht ableiten (RIS-Justiz RS0086446 [T1]). Das Gesetz kennt auch kein Institut, das die Versicherte vor versicherungsrechtlichen Nachteilen bewahrt, wenn ihr ohne ihr Verschulden eine zeitgerechte Antragstellung nicht möglich war (RIS-Justiz RS0085841). Wenn die Revisionswerberin daher geltend macht, sie sei ohne ihr Verschulden an der Antragstellung verhindert gewesen und die Beklagte habe es entgegen § 13a AVG unterlassen, sie zur Antragstellung anzuleiten, ist dies für die Entscheidung nicht erheblich.
Nach § 86 Abs 3 Z 1 ASVG (in der zum Stichtag maßgeblichen Fassung) fielen Hinterbliebenenpensionen nach einem Pensionsempfänger mit dem Eintritt des Versicherungsfalls (das ist nach § 223 Abs 1 Z 3 ASVG bei Leistungen aus dem Versicherungsfall des Todes mit dem Tod) folgenden Monatsersten an, wenn der Antrag binnen sechs Monaten nach Eintritt des Versicherungsfalls gestellt wurde; wurde der Antrag auf die Pension erst nach Ablauf dieser Frist gestellt, so fiel die Pension erst mit dem Tag der Antragstellung an. Dies ist verfassungsrechtlich nicht bedenklich (RIS-Justiz RS0053931). Für die Klägerin ist daraus nichts zu gewinnen. Die Antragstellung ist zwar keine materielle Voraussetzung für die Entstehung des Anspruchs; sie ist nur in Fällen, in denen Leistungen nur auf Antrag gewährt werden, Voraussetzung der Leistungspflicht (RIS-Justiz RS0083687 [T1]). Die Antragstellung kann aber selbstverständlich nicht zur Entstehung eines nicht mehr bestehenden (durch Zeitablauf erloschenen) Anspruchs auf Leistung führen, die daher auch nicht anfallen kann. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (RIS-Justiz RS0114693) hat das Berufungsgericht erkannt, dass bei Hinterbliebenenpensionen eine spätere Antragstellung nicht zu einer Stichtagsverschiebung führen kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.
Textnummer
E90518European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2009:010OBS00012.09A.0317.000Im RIS seit
16.04.2009Zuletzt aktualisiert am
17.09.2010