Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 17. März 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Fuchs und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Klugar als Schriftführerin in der Strafsache gegen Michael K***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 148 erster Fall, 15 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 17. September 2008, GZ 38 Hv 120/07t-90, sowie über dessen (implizierte) Beschwerde gegen den gemeinsam mit dem Urteil gefassten Beschluss auf Verlängerung einer Probezeit nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Michael K***** des Verbrechens des gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 148 erster Fall und 15 StGB schuldig erkannt.
Danach hat er in Salzburg mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz
I. von 4. August 2005 bis 20. Februar 2006 in der Absicht, sich durch wiederkehrende Begehung von Betrügereien eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, in 64 Fällen im Urteil - teils durch Verweis auf ein der Entscheidung angeschlossenes Beiblatt - namentlich genannte Personen oder deren Postbevollmächtigte durch das unaufgeforderte Zusenden nicht bestellter Postsendungen, als wären diese von den Geschädigten bestellt worden, somit durch Täuschung über Tatsachen, zur Bezahlung von Nachnahmegebühren in Höhe von insgesamt 2.784,60 (richtig: 3.043,40) Euro, mithin zu Handlungen verleitet und zu verleiten versucht, durch die die Genannten Vermögensnachteile in dieser Höhe erlitten;
II. am 30. Dezember 2005 den Schalterbeamten der Ö***** AG Karl K***** durch Vorzeigen einer 100 Euro-Banknote beim Ankauf von Verpackungsrollen im Wert von 6,98 Euro und anschließendem Austauschen der 100 Euro- durch eine 10 Euro-Banknote zur Herausgabe von Wechselgeld in der Höhe von 93,02 Euro verleitet, wodurch das genannte Unternehmen im Betrag von 90 Euro geschädigt wurde.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen aus den Gründen der Z 4, 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.
Dem Standpunkt der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurden durch die Abweisung des Antrags auf Vernehmung der Zeugen Rolf S*****, Alfons H***** und Monika Ö***** sowie weiterer 59 in einer Beilage zur Anklageschrift als geschädigt bezeichneter Personen - zusammengefasst - zum Beweis dafür, dass sie nicht getäuscht wurden, dass der Angeklagte nicht mit Bereicherungsvorsatz handelte, und dass die Zeugen - aufgrund richtiger Angabe des Namens und der Adresse des Absenders - die Möglichkeit hatten, die bezahlten Nachnahmegebühren zurückzufordern und zudem die Annahme der Sendungen verweigern konnten (S 113 f/III), Verteidigungsrechte nicht verletzt. Das angestrebte Beweisergebnis wonach die beantragten Zeugen tatsächlich nicht getäuscht wurden, ist bei - von den Tatrichtern bejahtem und durch die begehrten Beweisaufnahmen schon nach der Antragsbegründung nicht in Frage gestelltem - Vorliegen von Täuschungsvorsatz nicht schuld- oder subsumtionsrelevant. Dass die Empfänger die Annahme der Sendungen verweigern konnten (wovon die Tatrichter zudem ohnehin ausgingen, indem sie feststellten, dass die Pakete in 70 % der Fälle retourniert wurden, sodass - mangels gelungener Täuschung und Eintritt eines Vermögensschadens - der Betrug insoweit bloß versucht wurde [US 6 f]), betrifft demnach ebenfalls keinen für die Feststellung entscheidender Tatsachen erheblichen Umstand.
Sofern durch die Beweisaufnahmen der Sache nach grundsätzlich fehlende Täuschungseignung der - vom Beschwerdeführer gleichermaßen unbestrittenen - Tathandlungen (der unaufgeforderten Zusendung nicht bestellter Waren gegen Nachnahmegebühr) nachgewiesen werden sollte, bezieht sich der Beweisantrag auf eine Rechtsfrage, welche keinen Gegenstand der Beweisaufnahme und damit auch nicht der Z 4 des § 281 Abs 1 StPO bildet. Im Übrigen schließen weder Erkennbarkeit der wahren Sachlage noch Nachlässigkeit oder Leichtgläubigkeit eine Täuschung aus (für alle: Kirchbacher/Presslauer in WK² § 146 Rz 17, 129).
Soweit die Befragung der Zeugen zum Beweis dafür begehrt wurde, dass der Beschwerdeführer nicht mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz handelte, ließ der Beweisantrag nicht erkennen, aufgrund welcher konkreten Wahrnehmungslage die gewünschte Beweisaufnahme das behauptete Ergebnis erwarten ließ und zielte solcherart auf eine im Erkenntnisverfahren unzulässige Erkundungsbeweisführung ab (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 330). Das in diesem Zusammenhang zusätzlich genannte Beweisthema, dass den Getäuschten die Möglichkeit einer Rückforderung der Nachnahmegebühr offen stand, reicht schon deshalb nicht aus, weil Betrug bereits mit dem Eintritt des Vermögensschadens, den der Täter mit Täuschungs-, Schädigungs- und Bereicherungsvorsatz herbeigeführt hat, vollendet und hiefür kein dauernder Schaden erforderlich ist, sondern eine vorübergehende Vermögensminderung für einen wirtschaftlich nicht ganz bedeutungslosen Zeitraum genügt (Kirchbacher/Presslauer in WK² § 146 Rz 74).
Davon abgesehen ergibt sich sowohl aus der Aussage des Angeklagten (S 315/I) als auch aus den - nachfolgend einverständlich verlesenen (S 117/III) - Ermittlungsergebnissen (wie etwa der den Angaben des Zeugen Bruno H***** [S 31/I] und den Anzeigen betreffend Monika Ö***** [S 35/I], Alfons H***** [S 291/I], Beat V***** [S 59 f/I] und Rolf S***** [S 279/I]), dass auf den vom Angeklagten versendeten Paketen bloß das Kürzel „M.H.K." als Name des Absenders aufschien. Auch unter diesem Aspekt wäre sohin ein - indes unterbliebenes - Vorbringen erforderlich gewesen, weshalb die Beweisaufnahme dennoch das behauptete Ergebnis erwarten ließ.
Die den Beweisantrag ergänzenden Beschwerdeausführungen sind schon deshalb unbeachtlich, weil die Berechtigung eines Antrags stets auf den Antragszeitpunkt bezogen zu prüfen ist (RIS-Justiz RS0099618, RS0099117; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 325).
Der in der Verfahrensrüge weiters thematisierte - den Schuldspruch II betreffende - Antrag auf „neuerliche" Ladung des in der Hauptverhandlung unmittelbar zuvor zum selben Thema einvernommenen (AS 110 ff/II) Zeugen Karl K***** (welchem die Beibringung von „EDV-mäßigen Speicherungen und EDV-mäßigen Dokumentationen hinsichtlich des von ihm behaupteten Kassasturzes" aufgetragen werden sollte) zum Beweis dafür, dass kein Austausch von Banknoten stattfand und der Zeuge entgegen seiner Depositionen „einen Kassasturz nicht durchgeführt hat" (AS 114/III), wurde zufolge seines Erkundungscharakters (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 331) ebenfalls zu Recht abgewiesen (AS 116/III).
Indem die Mängelrüge (Z 5) die Urteilsfeststellung, wonach dem Angeklagten durch den Versand der Pakete Kosten entstanden (US 7), argumentationslos wiedergibt, behauptet sie einen Begründungsmangel gar nicht.
Mit dem weiteren Einwand, das Erstgericht habe in unrichtiger Annahme einer „hektischen Geschäftssituation für jeden einzelnen Empfänger" verkannt, dass die „Möglichkeit" bestand, die Postsendung von vornherein nicht anzunehmen oder diese (nach Annahme und Zahlung der Nachnahmegebühr) dem Angeklagten zurückzuschicken und die Gebühr zurückzuverlangen, und daher zu Unrecht „diese" - im Übrigen ohne Aktenbezug genannten - „Verfahrensergebnisse" nicht in seine Erwägungen einbezogen (der Sache nach Z 5 zweiter Fall), ist der Beschwerdeführer auf das in Beantwortung der Verfahrensrüge Gesagte zu verweisen.
Indem die Beschwerde die „Feststellungen", wonach der Angeklagte von der Vorstellung ausging, dass in Kleinbetrieben, an die die Pakete überwiegend adressiert waren, die Nachnahmegebühren von - dort regelmäßig mit der Übernahme von Postsendungen beauftragten - Arbeitnehmern in der irrigen Annahme bezahlt werden, die Waren seien vom Chef bestellt worden (US 7), als „unvollständig" kritisiert, weil dabei unberücksichtigt blieb, dass „alle Briefsendungen persönlich an die Empfänger, an natürliche Personen, gerichtet waren" und in „den meisten Fällen" die Postsendungen nicht von „Postbevollmächtigten", sondern von den Empfängern persönlich behoben wurden (der Sache nach ebenfalls Z 5 zweiter Fall), verfehlt sie schon deshalb die prozessordnungsgemäße Darstellung des in Anspruch genommenen Nichtigkeitsgrundes, weil die Ergebnisse des Beweisverfahrens, die das Erstgericht nach Ansicht des Beschwerdeführers übergangen hat, nicht deutlich und bestimmt bezeichnet werden.
Im Übrigen wird nicht klar, inwiefern diese substratlos behaupteten Umstände - ihre Richtigkeit unterstellt - in erörterungsbedürftigem Widerspruch zum inneren Vorhaben des Angeklagten (in Betreff der Erfolgsaussichten der angestrebten Täuschung) stehen sollten. Aus welchem Grund deren unterlassene Erörterung Undeutlichkeit (Z 5 erster Fall) der kritisierten Feststellungen bewirken sollte, was die Mängelrüge mit der in diesem Zusammenhang aufgestellten Behauptung eines „Darstellungsmangels" offenbar geltend zu machen versucht, bleibt gleichermaßen im Dunklen.
Täuschungs-, Bereicherungs- und Schädigungsvorsatz sowie gewerbsmäßige Tatbegehung erschlossen die Tatrichter aus der Vorgangsweise des Beschwerdeführers, seinem Tatsachengeständnis, der oftmaligen Tatwiederholung, der professionellen Vorgangsweise und seinen (alsbaldiger Realisierung einer Rückforderung im Übrigen entgegenstehenden) „katastrophalen wirtschaftlichen Verhältnissen", was - dem Beschwerdeeinwand offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) zuwider - aus dem Blickwinkel der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden ist. Auf die Unerheblichkeit der Möglichkeit der Geschädigten, die Nachnahmegebühr zurückzufordern, wurde bereits mehrfach hingewiesen. Fehlende Auseinandersetzung mit diesem Umstand bewirkt daher auch in Bezug auf die Urteilsannahmen zur subjektiven Tatseite keine Unvollständigkeit iSd Z 5 zweiter Fall des § 281 Abs 1 StPO.
Mit der Kritik an fehlender Begründung, „warum das Verhalten des Angeklagten - gleich wie jenes der Verlagshäuser - welchen es allesamt darum geht, dass die Nachnahmesendungen angenommen und behalten und bezahlt werden, im Gegensatz zu jenem der Verlagshäuser betrügerisch sein sollte", werden ein weiteres Mal keine für die Feststellung entscheidender Tatsachen erheblichen (und damit auch keine erörterungsbedürftigen) Umstände angesprochen. Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) wendet sich ausschließlich gegen die von den Tatrichtern vertretene Rechtsauffassung in Zusammenhang mit der schon in der Mängelrüge thematisierten - nach dem Standpunkt des Beschwerdeführers mit der ihm vorgeworfenen vergleichbaren - Vorgangsweise namhafter Verlage (US 11). Sie verkennt, dass ein Rechtsfehler nur dann vorläge, wenn - ungeachtet der in den Erwägungen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) dargelegten Rechtsansicht des Erstgerichts - der im Erkenntnis über die Schuld (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) zum Ausdruck kommende rechtliche Schluss aus dem Ausspruch über die (aus der Sicht des Obersten Gerichtshofs) entscheidenden Tatsachen nicht ableitbar wäre (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 413). Die Behauptung, das Erstgericht habe betrügerisches Vorgehen des Beschwerdeführers bloß aus dem Fehlen eines präsenten Deckungsfonds abgeleitet und hätte bei richtiger Lösung dieser Rechtsfrage einen Freispruch zu fällen gehabt, geht nicht von der Gesamtheit der getroffenen Feststellungen aus und verfehlt damit den vom Gesetz geforderten Bezugspunkt.
Es sei daher nur der Vollständigkeit halber festgehalten, dass das Bestehen eines präsenten Deckungsfonds die Erfüllung des Tatbestands des § 146 StGB nicht ausschließt (Kirchbacher/Presslauer in WK² § 146 Rz 122) und diesbezügliche - grundsätzlich, wenngleich nur in engen Grenzen mögliche (vgl 13 Os 140, 141/96) - Rückschlüsse auf die subjektive Tatseite der freien tatrichterlichen Beweiswürdigung unterliegen.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war demnach schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Die Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).
Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Anmerkung
E9054114Os183.08fEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2009:0140OS00183.08F.0317.000Zuletzt aktualisiert am
22.05.2009