TE OGH 2009/3/19 13Os14/09x

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Veröffentlicht am 19.03.2009
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. März 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Fuchs und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Schörghuber als Schriftführerin in der Strafsache gegen Gerald T***** wegen Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 31. Oktober 2008, GZ 16 Hv 98/08x-34, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Gerald T***** zweier Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (1. und 2.) sowie des Vergehens der Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Danach hat er am 29. Juni 2008 in Graz Viktoria M*****

1. zwischen 03:00 und 04:00 Uhr mit Gewalt, indem er ihr Schläge versetzte, und durch gegen sie gerichtete Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben, indem er erklärte, „Du mochst jetzt, wos

i wül! Sonst zerschlog i dir dein Gesicht", „Ich möchte dich ficken, sonst kommst du nicht lebend in deine Wohnung!", „Du mochst jetzt alles, wos i wül, sonst hau i dir die Fressn ein!", zur Duldung des Beischlafs genötigt;

2. zwischen 13:15 und 14:00 Uhr mit Gewalt, indem er ihr Schläge versetzte, und durch gegen sie gerichtete Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben, indem er erklärte, „Bevor i zur Polizei geh, wül i di noch einmal hobn. Du folgst jetzt, sonst krigst ane auf die Fressen, mach die Beine breit!", „Leg dich aufs Bett, mach die Beine breit, dreh dich um, wasch dich, gemma - gemma, beweg dich, sonst polier ich dir die Fresse! Zieh dich aus!", „I was eh, dass mir wegen Vergewaltigung anzagst. I geh eh deswegen sitzen. Aber dann ruaf i jetzt glei an und dann kommt der und der vergewaltigt di ano. Dann duma di weg, weil i hob eh nix mehr zum verlieren!", zur Vornahme des Oralverkehrs genötigt;

3. durch gefährliche Drohung mit einer Verletzung am Körper zu einer Unterlassung, nämlich zur Abstandnahme von der Verständigung der Polizei aufgrund der Vorkommnisse laut Punkt 1., durch die sinngemäße Äußerung, er werde sie umbringen, zu nötigen versucht.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen vom Angeklagten aus Z 4, 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde verfehlt ihr Ziel. Der Verteidiger stellte in der Hauptverhandlung die Anträge auf Vernehmung der Zeugen

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Andreas S***** zum Beweis dafür, „dass das angebliche Opfer zum Zeitpunkt des Telefonates zwischen dem Angeklagten und ihm selbst am Sonntag, den 29. 6., eine Notlage geschweige denn eine angebliche Vergewaltigung im Gespräch mit keinem Wort erwähnte und dass eine solche Tat aufgrund der von dem angeblichen Opfer im gemeinsamen Gespräch an den Tag gelegten guten und fröhlichen Laune unglaubwürdig erscheint", mit dem Beifügen, der Zeuge könne außerdem „einen Einblick über das Beziehungsleben des Opfers mit dem Angeklagten geben und die Eifersuchtsanfälle des Opfers beschreiben",

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Heike H***** zum Beweis dafür, „dass aufgrund der ihr gegenüber getätigten Äußerungen des Opfers eine Vergewaltigung unglaubwürdig erscheint", und

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Thomas G***** zum Beweis dafür, „dass das angebliche Opfer dem Angeklagten in Gegenwart des Zeugen, im Zuge von Streitigkeiten, immer wieder damit drohte, ihn irgendwann ins Gefängnis zu bringen". Der Zeuge könne zudem „Einblick in das Beziehungsleben" geben und die „Eifersuchtsanfälle" des Opfers beschreiben (ON 33 S 15 ff). Die Ablehnung dieser Beweisanträge bedeutete entgegen der Beschwerdeansicht keine Schmälerung von Verteidigungsrechten:

Die Tatrichter gingen, was den zuerst angeführten Zeugen betrifft, ohnehin davon aus, dass sich Victoria M***** beim Gespräch des Angeklagten mit dem Genannten nicht einmengte, und dass Letzterer den Eindruck haben konnte, dass sie sich im Hintergrund fröhlich verhielt. Sie erachteten weiters „Eifersuchtsanfälle" zutreffend als unerheblich, sprachen der zweitgenannten Zeugin - auch mangels entsprechenden Vorbringens bei Antragstellung - nachvollziehbar die Eignung ab, eine erhebliche Tatsache zu beweisen, und legten in Betreff des Beweisthemas zum zuletzt nominierten Zeugen ihren Erwägungen durchaus zu Grunde, dass Victoria M***** gegenüber verschiedenen Personen mehrmals ankündigte, den Angeklagten „eines Tages in den Knast" zu bringen (ON 33 S 19 f; vgl § 55 Abs 2 Z 1, 2 und 3 StPO). Soweit der erste und der dritte Antrag überdies auf einen „Einblick in das Beziehungsleben" des Opfers mit dem Angeklagten abzielten, waren sie auf - unzulässige - Erkundungsbeweisführung gerichtet.

Mit welcher an der Prozessordnung ausgerichteten Intention in der Verfahrensrüge weiters erwähnt wird, der Verteidiger habe in der Hauptverhandlung Einzelgesprächsnachweise für den Zeitraum 28. bis 29. Juni 2008 zum Beweis dafür vorgelegt, „dass der Angeklagte nicht nach dem ersten Geschlechtsverkehr sofort eingeschlafen ist, sondern zwischen dem Angeklagten und dem Opfer tatsächlich noch Diskussionen in der Nacht stattgefunden haben, weil um 5:12 Uhr der letzte Anruf stattgefunden hat" (ON 33 S 17 f), lässt die Beschwerde offen. Die Mängelrüge (Z 5) räumt selbst ein, dass die Tatrichter auf die Abstandnahme von einem „Fluchtversuch" der Viktoria M***** durchaus eingingen (US 11), kehrt (unter Punkt 1.3. der Beschwerde) keinen erörterungsbedürftigen Umstand hervor, soweit sie - aktenkonform - darauf hinweist, die Genannte habe zur Frage, warum sie zunächst den Polizeinotruf nicht gewählt habe, selbst erklärt, dass sie sich aus Angst vor dem Angeklagten nicht anzurufen getraut habe (ON 12 S 9, 12 iVm ON 33 S 6), und wendet sich (unter den Punkten 1.4 bis 1.6) nach Art einer zur Anfechtung kollegialgerichtlicher Urteile in der Prozessordnung nicht vorgesehenen Schuldberufung gegen die Glaubwürdigkeit der Zeugin. Eine Unvollständigkeit der Urteilsgründe (Z 5 zweiter Fall) wird damit nicht aufgezeigt.

Soweit der Angeklagte den Tatrichtern die Verwendung einer bloßen „Scheinbegründung" der Feststellungen zum Tatgeschehen vorwirft (Z 5 vierter Fall), übergeht er jene - unter dem Gesichtspunkt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstandenden - Erwägungen, aus denen sie die Angaben der Zeugin Viktoria M***** unter Bezugnahme auf weitere Beweisergebnisse als glaubwürdig erachteten (US 8 ff). Z 5a des § 281 Abs 1 StPO will als Tatsachenrüge nur schlechterdings unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind schuld- oder subsumtionserhebliche Tatumstände, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS-Justiz RS0118780).

Die vorliegende Tatsachenrüge (Z 5a) vermag, indem sie erneut fehlende Begründung der Konstatierungen zum Tatgeschehen einwendet und sich abermals mit Beweisergebnissen befasst, die nach Ansicht des Angeklagten gegen die Glaubwürdigkeit der Viktoria M***** sprechen, keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken des Obersten Gerichtshofs gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen zu wecken. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Anmerkung

E9040913Os14.09x

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0130OS00014.09X.0319.000

Zuletzt aktualisiert am

14.05.2009
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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