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20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);Norm
ABGB §1024;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 99/09/0113Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Flendrovsky, über die Beschwerden des O in K, vertreten durch Gruner & Pohle, Rechtsanwälte in Wien VII, Kirchengasse 19, gegen die Bescheide des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich 1) vom 1. April 1999, Zl. Senat-WU-97-147 (protokolliert zu hg. Zl. 99/09/0112) und 2) vom 9. April 1999, Zl. Senat-WU-97-115 (protokolliert zu hg. Zl. 99/09/0113), jeweils betreffend Bestrafung nach dem AuslBG (weitere Partei: Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit), zu Recht erkannt:
Spruch
Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von jeweils S 15.000,-- (insgesamt somit S 30.000,--) binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wien Umgebung vom 14. Oktober 1996 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als das gemäß § 9 VStG zur Vertretung nach außen berufene Organ der Firma J GesmbH mit Sitz in K, zu verantworten zu haben, dass diese Gesellschaft entgegen dem § 18 AuslBG die Arbeitsleistungen fünf namentlich genannter polnischer Staatsangehöriger in Anspruch genommen habe, ohne dass für diese Ausländer Beschäftigungsbewilligungen erteilt worden wären, in dem diese von der Firma B mit Sitz in Krakau, welche ihrerseits über keinen Betriebssitz in Österreich verfüge, am 17. April 1996 auf der Baustelle "WHA" in H mit Fassadenarbeiten beschäftigt worden seien. Er habe damit die Verwaltungsvorschrift des § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. b AuslBG in fünf Fällen übertreten und sei hiefür mit fünf Geldstrafen a S 30.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafen zwei Wochen) zu bestrafen gewesen.
Mit dem weiteren Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wien Umgebung vom 17. April 1997 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als das nach § 9 VStG zur Vertretung nach außen berufenes Organ der J GesmbH mit Sitz in K, zu verantworten zu haben, dass diese Gesellschaft entgegen der Bestimmung des § 18 AuslBG die Arbeitsleistungen weiterer fünf namentlich genannter polnischer Staatsangehörigen in Anspruch genommen habe, ohne dass für diese Ausländer Beschäftigungsbewilligungen erteilt worden seien, in dem diese von der Firma B mit Sitz in Krakau, die ihrerseits über keinen Betriebssitz in Österreich verfüge, am 10. Mai 1996 am Haus des J.S. in S mit Fassadenarbeiten beschäftigt worden seien. Der Beschwerdeführer wurde auch wegen dieser Übertretungen des § 28 Abs. 2 Z. 1 lit. b in weiteren fünf Fällen nach dem vierten Strafsatz des § 28 Abs. 1 Z. 1 AuslBG mit fünf Geldstrafen in der Höhe von je S 50.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe je 72 Stunden) bestraft.
Gegen beide erstinstanzliche Straferkenntnisse erhob der Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. S, Berufungen.
Mit den angefochtenen Bescheiden gab die belangte Behörde diesen Berufungen gemäß § 66 Abs. 4 AVG keine Folge, bestätigte vielmehr die erstinstanzlichen Bescheide (den zweitangefochtenen Bescheid jedoch mit der Maßgabe, dass die Ersatzfreiheitsstrafen auf zwei Tage pro unberechtigt beschäftigten Ausländer herabgesetzt wurden) und führte nach Darlegung des Verfahrensganges im Wesentlichen gleich lautend aus, es sei davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Firma J GesmbH mit Sitz in Klosterneuburg das polnische Unternehmen B in Krakau damit beauftragt habe, Fassadenarbeiten an den genannten Baustellen (in Erfüllung an ihn bzw. die von ihm vertretene GesmbH ergangener Aufträge) durchzuführen. Wenn der Beschwerdeführer in seinen Berufungen behaupte, zum Zeitpunkt der Auftragserteilung hätte er annehmen dürfen, dass die Firma B auch in Österreich einen Firmensitz habe, Gegenteiliges sei ihm erst nachträglich bekannt geworden, so sei dem entgegen zu halten, dass der Beschwerdeführer selbst der Behörde gegenüber immer nur die Krakauer Anschrift der Firma B bekannt gegeben und auch unter dieser Adresse die Einvernahme der auf der Baustelle eingesetzten polnischen Arbeiter begehrt habe. Bezüglich der beantragten Einvernahme der eingesetzten polnischen Arbeiter sei die Zustellung der Ladungen an diese per Adresse der Firma B zwar versucht worden, sie sei jedoch infolge der mittlerweile erfolgten Konkurseröffnung über die Firma B ohne Erfolg geblieben. Auch der Beschwerdeführer sei zur Berufungsverhandlung nicht erschienen. Rechtlich folgerte die belangte Behörde aus dem insoweit nicht in Frage stehenden Sachverhalt, der Anwendungsbereich des § 18 AuslBG erstrecke sich auf alle Beschäftigungen betriebsentsandter ausländischer Arbeitnehmer ohne Rücksicht auf das dieser Beschäftigung zu Grunde liegende Rechtsverhältnis zwischen dem österreichischen Auftraggeber und dem ausländischen Entsender. Da festgestelltermaßen die (polnische) Firma B die auf den Baustellen angetroffenen Arbeiter entsandt habe, unterfalle dieser (in beiden Verfahren idente) Sachverhalt der Bestimmung des § 18 AuslBG. Da zugestandener Maßen für die polnischen Arbeiter keine Beschäftigungsbewilligungen vorhanden gewesen seien, sei auch die Erlassung der Straferkenntnisse nicht rechtswidrig gewesen. Angesichts der bereits mehrfach erfolgten Bestrafung des Beschwerdeführers sei auch die Anwendung des vierten Strafsatzes des § 28 Abs. 1 Z. 1 AuslBG gerechtfertigt gewesen.
Gegen diese Bescheide richten sich die insoweit wortgleichen Beschwerden, in denen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.
Der Beschwerdeführer erachtet sich insbesondere in seinem Recht auf Parteiengehör sowie in seinem Recht auf unmittelbare Teilnahme an der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung verletzt, weil die Ladung zu dieser Verhandlung ihm lediglich zu Handen seines ausgewiesenen Vertreters zugestellt worden sei, obwohl hätte bekannt sein müssen, dass über diesen das Konkursverfahren eröffnet und er daher nicht mehr vertretungsbefugt gewesen sei.
Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Verbindung der Beschwerden wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung erwogen:
Aus dem Akt wird festgestellt, dass über den im Verwaltungsstrafverfahren ausgewiesenen rechtsanwaltlichen Vertreter des Beschwerdeführers, Dr. S, mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 30. Juni 1997, GZ. 5 S 632/97v-1, der Konkurs eröffnet und dieser Umstand im Amtsblatt der Wiener Zeitung am 15. Juli 1997 kundgemacht wurde. Zum Masseverwalter wurde RA Dr. Richard Proksch bestellt.
Mit Beschluss der Rechtsanwaltskammer Wien vom 3. Juli 1997, Zl. 3489/97, wurde das Erlöschen der Berechtigung Dris. S zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft gemäß § 34 Abs. 1 RAO rechtskräftig festgestellt und Dr. Robert Pohle zum mittlerweiligen Stellvertreter bestellt.
Nach dem Inhalt der von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsstrafakten erfolgte die Ladung des Beschwerdeführers zu den in beiden Beschwerdesachen am selben Tag, nämlich dem 26. März 1999, anberaumten Berufungsverhandlungen tatsächlich lediglich zu Handen seines ausgewiesenen Rechtsvertreters Dr. S. Infolge der mit der Konkurseröffnung einher gehenden Postsperre wurde dieses Poststück von dem bestellten Masseverwalter, Dr. Richard Proksch, am 4. März 1999 entgegengenommen. Eine Weiterleitung dieser Ladung an den Beschwerdeführer ist nicht aktenkundig. Eine Vollmachtserteilung durch den Beschwerdeführer im Verwaltungsstrafverfahren an Dr. Proksch oder an Dr. Pohle erfolgte nicht.
Nach § 74 Abs. 1 Konkursordnung - KO, in der im Zeitpunkt der Konkurseröffnung über den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers maßgeblichen Fassung, BGBl. Nr. 370/1982, ist die Eröffnung des Konkurses durch ein Edikt öffentlich bekannt zu machen.
Nach § 2 Abs. 1 leg. cit. treten die Rechtswirkungen der Konkurseröffnung mit dem Beginn des Tages ein, an dem das Konkursedikt an der Gerichtstafel des Konkursgerichtes angeschlagen worden ist (nach der Novelle, BGBl. Nr. 114/1997, wäre Stichzeitpunkt der der öffentlichen Bekanntmachung folgende Tag gewesen; siehe auch die Übergangsbestimmungen bis 31.Dezember 1999 in Art. XII Abs. 5 des IRÄG 1997).
Nach § 34 Abs. 1 lit. a der Rechtsanwaltsordnung in der Fassung vor der Novelle, BGBl. I Nr. 71/1999, erlischt die Berechtigung zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft bei rechtskräftiger Eröffnung des Konkurses. Dennoch ist das Erlöschen mittels (konstitutivem) Bescheid der Rechtsanwaltskammer festzustellen.
Zwar sind nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch Ladungsbescheide grundsätzlich dem Parteienvertreter zuzustellen, jedoch ist dies naturgemäß nur so lange möglich, als ein "Parteienvertreter" auch vorhanden ist. Für die Annahme einer dem Beschwerdeführer zuzurechnenden rechtswirksamen Zustellung der Ladung zur Berufungsverhandlung kommt es daher entscheidend darauf an, ob die Zustellung in einem Fall des Erlöschens der Befugnis zur Rechtsanwaltschaft zulässigerweise dennoch an den (bisherigen) Vertreter des Beschwerdeführers, etwa auf Grund einer Zustellungsbevollmächtigung, ergangen war. Spätestens mit dem Zeitpunkt der rechtskräftigen Feststellung des Erloschenseins der Berechtigung zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft hat aber die bisher rechtsanwaltlich vertretene Partei als unvertreten zu gelten, weil gemäß § 1024 ABGB die Bevollmächtigung des Rechtsanwaltes mit rechtskräftiger Eröffnung des Konkurses über dessen Vermögen erlischt (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 19. Juni 1986, Z. 84/08/0175).
Die Bestellung eines mittlerweiligen Stellvertreters bzw. eines Masseverwalters im Konkurs des Rechtsanwaltes begründet noch kein Vollmachtsverhältnis zwischen diesen und dem Beschwerdeführer (vgl. den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Juni 1983, Slg. Nr. 11.112/A, mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des OGH; Knirsch, Der mittlerweilige Stellvertreter, AnwBl. 1986, 388, sowie das hg. Erkenntnis vom 1. Oktober 1996, Zl. 96/11/0120).
Insoweit die belangte Behörde meint, es wäre - offenbar im Rahmen der die Partei treffenden Mitwirkungspflicht - Sache des Beschwerdeführers gewesen, ihr von diesen sein Vollmachtsverhältnis zu Dr. S betreffenden Tatsachen Mitteilung zu machen, so ist ihr zu entgegnen, dass mit dem Tag des Anschlags des Ediktes über die Konkurseröffnung über das Vermögen einer (physischen oder juristischen) Person diese als verlautbart (notorisch) gilt. Auf eine Mitteilung durch die Partei kommt es dabei nicht mehr an, auch wenn diese tunlich gewesen wäre. Im Sinne der mit der Erlassung des Ediktes bewirkten Publizität des darin beurkundeten Umstandes muss auch die belangte Behörde diesen gegen sich gelten lassen. Die Zustellung der Ladung zur Teilnahme an der Berufungsverhandlung erfolgte daher für den Beschwerdeführer nicht rechtswirksam.
Da somit Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können, waren die angefochtenen Bescheide gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 29. November 2000
Schlagworte
Beginn Vertretungsbefugnis Vollmachtserteilung Ende Vertretungsbefugnis ZustellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1999090112.X00Im RIS seit
03.04.2001