Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 24. März 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Schwab, Mag. Lendl und Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Schörghuber als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Achim G***** wegen Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 5. Juni 2008, GZ 37 Hv 20/08k-30, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Achim G***** jeweils mehrerer Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (A.I.), der Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (A.II.), der Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 2 StGB (A.III.), des Vergehens der pornografischen Darstellung mit Unmündigen nach § 207a Abs 3 erster Fall StGB idF „BGBl Nr. (762/1996) bzw BGBl I Nr. (134/2002)" - richtig bloß: BGBl 1996/762 - (B.1.), des Vergehens der pornografischen Darstellung Minderjähriger nach § 207a Abs 3 zweiter Satz zweiter Fall StGB (B.II.) sowie des Vergehens der pornografischen Darstellung Minderjähriger nach § 207a Abs 3 erster Satz erster und zweiter Fall StGB (B.III.) schuldig erkannt.
Danach hat er
„A. im Zeitraum 2001 bis Ende 2006 in Wiener Neustadt, Gutenstein und Wien oftmals wiederholt
I. mit nachgenannten unmündigen Personen den Beischlaf bzw dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen unternommen, und zwar
1) mit der am 19. Dezember 1994 geborenen Katharina A***** seit 2001 dadurch, dass er mit seinem Penis und seinem Zeigefinger in ihre Scheide eindrang und von ihr sein Glied - auch mit dem Mund - berühren ließ;
2) mit der am 30. Mai 1993 geborenen Sabrina A***** seit 2004 in Wien dadurch, dass er einen Finger in ihre Scheide einführte;
II. bei über den unter Punkt I. erfassten Angriffen hinausgehenden Gelegenheiten außer dem Fall des § 206 StGB geschlechtliche Handlungen an einer unmündigen Person vorgenommen, und zwar
1) an der am 19. Dezember 1994 geborenen Katharina A*****, indem er an ihrer Scheide leckte;
2) an der am 30. Mai 1993 geborenen Sabrina A*****, indem er intensiv ihre Brüste und ihre Scheide betastete und sie im Scheidenbereich rasierte;
III. infolge seiner Eigenschaft als Lebensgefährte der Mutter der beiden genannten Kinder, die seiner Aufsicht unterstanden, unter Ausnützung seiner Stellung gegenüber diesen Personen durch die unter Punkt I. und II. geschilderten Tathandlungen mit ihnen geschlechtliche Handlungen vorgenommen;
B.I. am 13. und 20. August 2000 in Wien sich pornografische Darstellungen mit Unmündigen, nämlich Masturbationshandlungen von Mädchen, die das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten, an sich selbst zeigende Videos, sohin bildliche Darstellungen einer geschlechtlichen Handlung einer unmündigen Person an sich selbst, deren Betrachtung nach den Umständen den Eindruck vermittelt, dass es bei ihrer Herstellung zu einer solchen geschlechtlichen Handlung gekommen ist, durch Anfertigen von Kopien externer Datenträger (DVD) verschafft;
II. im Zeitraum 13. August 2000 bis 3. April 2007 in Wiener Neustadt, Gutenstein und Wien pornografische Darstellungen unmündiger Personen besessen, und zwar durch Speicherung der unter Punkt I. beschriebenen Videos auf CD-ROM wirklichkeitsnahe Abbildungen von geschlechtlichen Handlungen unmündiger Personen an sich selbst (§ 207a Abs 4 Z 1 StGB);
III. im Zeitraum 1. Mai 2004 bis 3. April 2007 in Gutenstein und Wien sich pornografische Darstellungen unmündiger minderjähriger Personen teils durch Herunterladen von Bildern und Videos aus dem Internet, teils durch Anfertigen von Kopien externer Datenträger verschafft und solche durch elektronische Speicherung auf diversen Datenträgern besessen, und zwar
1) anale und vaginale Penetration mit Fingern und Gegenständen sowie Oralverkehr darstellende wirklichkeitsnahe Abbildungen von geschlechtlichen Handlungen an mündigen Personen oder mündiger Personen an sich selbst oder an anderen Personen (§ 207a Abs 4 Z 3 lit a [Abs 4 Z 1] StGB);
2) wirklichkeitsnahe Abbildungen der Genitalien bzw der Schamgegend mündiger Minderjähriger, wobei es sich um reduzierte und von anderen Lebensäußerungen losgelöste Abbildungen handelt, die der sexuellen Erregung des Betrachters dienen (§ 207a Abs 4 Z 3 lit b StGB)."
Rechtliche Beurteilung
Der vom Angeklagten gegen dieses Urteil aus dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 11 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu.
Der Strafzumessungsrüge (Z 11 zweiter Fall) zuwider bestimmt „das sehr junge Alter der Opfer" (US 11; nämlich zu Beginn der Tathandlungen sechs Jahre [Katharina A*****] und elf Jahre [Sabrina A*****], vgl US 5) weder die Strafdrohungen der §§ 206 Abs 1 und 207 Abs 1 StGB, die nur die Unmündigkeit des Opfers, also die Nichtvollendung des 14. Lebensjahres (§ 74 Abs 1 Z 1 StGB) voraussetzen, noch jene des § 212 Abs 1 StGB, dessen Schutz sich sogar bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres (§ 74 Abs 1 Z 3 StGB) erstreckt. Die Berücksichtigung „des - vor allem bei Katharina A***** - sehr jungen Alters von sechs Jahren" als erschwerend (US 11) widerstreitet daher nicht dem Doppelverwertungsverbot (§ 32 Abs 2 StGB; RIS-Justiz RS0090958).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).
Anzumerken ist, dass das vom Schuldspruch B.II. erfasste Verhalten bis zum Inkrafttreten des StRÄG 2004, BGBl I 2004/15, am 1. Mai 2004 gemäß §§ 1, 61 StGB dem § 207a Abs 3 idF BGBl 1996/762 zu unterstellen gewesen wäre, der nur eine Freiheitsstrafe von bis zu sechs Monaten oder Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen androhte, während § 207a Abs 3 zweiter Satz zweiter Fall StGB idgF eine Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren vorsieht.
Aufgrund der im gegebenen Fall nach § 206 Abs 1 StGB vorgenommenen Strafzumessung blieb diese fehlerhafte Subsumtion aber ohne nachteilige Folgen für den Angeklagten, sodass es - entgegen der gemäß § 24 StPO erstatteten Äußerung des Verteidigers - keines Vorgehens nach § 290 Abs 1 StPO bedarf (Ratz, WK-StPO § 290 Rz 22 f). Sieht sich der Oberste Gerichtshof demnach wie hier unter ausdrücklichem Hinweis auf eine verfehlte Subsumtion mangels eines darüber hinausgehenden konkreten Nachteils für den Angeklagten nicht zu amtswegigem Vorgehen nach § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO veranlasst, so besteht bei der Entscheidung über die Berufung, bei der das Berufungsgericht an die in der Rechtsmittelschrift vorgetragenen Berufungsgründe nicht gebunden ist, insoweit auch keine (dem Berufungswerber zum Nachteil gereichende) Bindung an den Ausspruch des Erstgerichts über das anzuwendende Strafgesetz nach § 295 Abs 1 erster Satz StPO (RIS-Justiz RS0118870).
Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Anmerkung
E9036811Os191.08kEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2009:0110OS00191.08K.0324.000Zuletzt aktualisiert am
12.05.2009