Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Präsidentin Hon.-Prof. Dr. Griss als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei T***** Ltd., *****, vertreten durch Mag. Dr. Lothar Wiltschek, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei P***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. René Schneider, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung, Rechnungslegung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 34.000 EUR), infolge Revisionsrekurses der klagenden und der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 28. Jänner 2005, GZ 4 R 162/04d-11, mit dem der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 7. Mai 2004, GZ 34 Cg 9/04m-5, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs der Beklagten wird teilweise Folge gegeben.
Dem Revisionsrekurs der Klägerin wird nicht Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden teilweise bestätigt und teilweise abgeändert, sodass der Beschluss nunmehr - unter Berücksichtigung des in Rechtskraft erwachsenen Teils - wie folgt zu lauten hat:
„Einstweilige Verfügung
Zur Sicherung des mit der Klage geltend gemachten Unterlassungsanspruchs wird der Beklagten aufgetragen, es ab sofort und bis zur Rechtskraft des über die Klage ergehenden Urteils im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs zu unterlassen, in Österreich umverpackte Arzneimittel - insbesondere das Arzneimittel ZOVIRAX - mit auf der Umverpackung neu angebrachten oder beibehaltenen Marken, die in Österreich für die Klägerin geschützt sind, anzubieten und/oder zu vertreiben,
c) wenn sie die Klägerin vor Inverkehrbringen der umverpackten Ware nicht ordnungsgemäß über den bevorstehenden Vertrieb, insbesondere auch unter Angabe des Exportstaats und der näheren Gründe für die Erforderlichkeit des Umpackens, unterrichtet hat, und/oder
d) wenn sie der Klägerin vor Inverkehrbringen der umgepackten Ware trotz deren Anforderung kein Muster der umgepackten Ware zur Verfügung gestellt hat.
Das Mehrbegehren, der Beklagten aufzutragen, es ab sofort und bis zur Rechtskraft des über die Klage ergehenden Urteils im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs zu unterlassen, in Österreich umverpackte Arzneimittel - insbesondere das Arzneimittel ZOVIRAX - mit auf der Umverpackung neu angebrachten oder beibehaltenen Marken, die in Österreich für die Klägerin geschützt sind, anzubieten und/oder zu vertreiben,
a) wenn sich der Hinweis, von wem die Ware umverpackt wurde, auf der Umverpackung in größerer und deutlicherer Schrift und/oder an prominenterer Stelle findet als der Hinweis auf den Hersteller,
b) wenn sich auf den Packungsrändern der Umverpackung farbige - insbesondere blaue - Streifen in der Breite von etwa 5 mm befinden, wie sie für Produkte der Beklagten wiederholt verwendet werden, insbesondere die in Beil ./D1 und ./D2 aufscheinenden blauen Streifen,
wird abgewiesen.
Die klagende Partei hat die Hälfte ihrer Kosten vorläufig selbst zu tragen; die halben Kosten hat sie endgültig selbst zu tragen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 564,57 EUR (darin 94,09 EUR USt) bestimmten halben Äußerungskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen."
Die klagende Partei hat die Hälfte ihrer Kosten des Rekursverfahrens vorläufig selbst zu tragen; die halben Kosten des Rekursverfahrens sowie des Verfahrens über den Revisionsrekurs der Beklagten sowie die gesamten Kosten des Verfahrens über ihren eigenen Revisionsrekurs hat sie endgültig selbst zu tragen.
Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 2.156,69 EUR (darin 359,44 EUR USt) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (halbe Kosten des Rekursverfahrens, gesamte Kosten der Revisionsrekursbeantwortung, halbe Kosten des Revisionsrekurses der Beklagten) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Die Klägerin ist Inhaberin (ua) der österreichischen Wortmarken Nr 87216 ZOVIRAX mit Priorität vom 18. 8. 1977 und Nr 95475 ZOVIRAX mit Priorität vom 25. 6. 1980 sowie der österreichischen Wortbildmarke Nr 102029 ZOVIRAX mit Priorität vom 9. 11. 1982. Sämtliche Marken sind für die Klasse 5 (pharmazeutische Präparate) geschützt. Die Marken werden in Österreich mit Zustimmung der Klägerin durch die G***** GmbH für Arzneimittel laufend benützt.
Die Beklagte ist Arzneimittelgroßhändlerin. Sie vertreibt in Österreich ua parallel importierte Arzneispezialitäten der Marke ZOVIRAX in Packungen zu 60 Stück à 400 mg/Filmtabletten (ZOVIRAX 400/60) und in Packungen zu 35 Stück à 800 mg/Filmtabletten (ZOVIRAX 800/35), die die Klägerin oder Dritte mit Zustimmung der Klägerin in Staaten des EWR in Verkehr gebracht haben und die die Muttergesellschaft der Beklagten im regulären Arzneimittelhandel erworben hat. Die Beklagte vertreibt diese Arzneimittel in einer neuen Verpackung, deren Erscheinungsbild gegenüber dem Originalprodukt völlig verändert ist. Auf der Vorderseite befindet sich fettgedruckt und in Blockschrift der Hinweis „Umverpackt und importiert durch P*****", auf den Hersteller wird seitlich und an der Rückseite in normaler Druckschrift hingewiesen. Die neue Verpackung ist an den Rändern mit einem blauen Streifen versehen, wie ihn die Beklagte für die von ihr vertriebenen Arzneimittel regelmäßig verwendet.
Mit Schreiben vom 26. 11. 2001 informierte die Beklagte G***** über das Inverkehrbringen von ZOVIRAX 800/35 und bot an, auf Wunsch ein Muster gegen Verrechnung zu übermitteln. Ob darauf reagiert wurde, konnte nicht festgestellt werden. Mittlerweile vertreibt die Beklagte ZOVIRAX 800/35 in einer geänderten Verpackung, bei der sie eine deutschsprachige Kennzeichnung in Etikettenform auf der im Herkunftsland in Verkehr gebrachten Originalverpackung anbringt und eine Gebrauchsinformation in deutscher Sprache einlegt, die im Wesentlichen der Gebrauchsinformation der Klägerin entspricht. Von dieser geänderten Verpackung wurde die Klägerin vorab nicht informiert.
Mit Schreiben vom 12. 5. 2003 informierte die Beklagte eine österreichische Schwestergesellschaft der Klägerin über den beabsichtigten Vertrieb von ZOVIRAX 400/60 in Österreich. Sie legte diesem Schreiben Farbkopien der äußeren Verpackung, der Blister und der Gebrauchsinformation bei. Daraufhin ersuchte eine englische Schwestergesellschaft der Klägerin die Beklagte, in Zukunft Mitteilungen an die G***** Intellectual Property zu senden, und zwar unter Anschluss eines vollständigen Musters jeder Verpackungsart sowie unter Bekanntgabe des Exportstaats und der genauen Gründe für das Umverpacken. Die Beklagte gab die Gründe für das Umverpacken (andere Packungsgröße), nicht aber das Exportland bekannt. Sie wurde erneut aufgefordert, das Exportland und die genaueren Gründe für das Umverpacken mitzuteilen. Gleichzeitig wurde erklärt, es bestehe kein Grund, die Angaben über den Parallelimporteur so auffallend und in größerer, deutlicherer Schrift als den Namen des Herstellers anzubringen. Gegen die unterscheidungskräftige Ausstattung durch zwei farbige Streifen an den Packungsrändern werde Einspruch erhoben. Ferner wurden vollständige Verpackungsmuster angefordert. Am 4. 6. 2003 teilte die Beklagte mit, es sei aus produktionstechnischen Gründen nicht möglich, ein vollständiges Muster der fertigen Verpackung zu übermitteln, insbesondere wenn G***** Intellectual Property nicht bereit sei, die Kosten zu tragen.
Die Beklagte importiert ZOVIRAX 400/60 aus Griechenland. Dort wird ZOVIRAX zu je 70 Tabletten in Verkehr gebracht; in Österreich beträgt die zulässige Packungsgröße 60 Tabletten. Die Beklagte entnimmt deshalb für den Import der Originalverpackung die Blisterstreifen samt Filmtabletten, legt sie in eine neue Außenverpackung zu je 60 Tabletten ein und schließt eine Gebrauchsinformation für ZOVIRAX 400/60 in deutscher Sprache bei, die inhaltlich im Wesentlichen - es fehlt die Zwischenüberschrift „Dosierung", und das Wort „Herpes" ist unrichtig „Herplex" geschrieben - der in Österreich von G***** verwendeten Gebrauchsinformation entspricht. Die Beklagte vertreibt in Österreich keine Arzneispezialitäten anderer Marken der Klägerin; weder sie noch ihre Muttergesellschaft haben konkrete Handlungen zur Vorbereitung eines künftigen Vertriebs von Arzneispezialitäten unter den anderen Marken der Klägerin in Österreich gesetzt.
Zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs beantragt die Klägerin, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung aufzutragen, es ab sofort bis zur Rechtskraft des über die Klage ergehenden Urteils im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs zu unterlassen, in Österreich umverpackte Arzneimittel - insbesondere das Arzneimittel ZOVIRAX - mit auf der Umverpackung neu angebrachten oder beibehaltenen Marken, die in Österreich für die Klägerin geschützt sind, anzubieten und/oder zu vertreiben,
a) wenn sich der Hinweis, von wem die Ware umverpackt wurde, auf der Umverpackung in größerer und deutlicherer Schrift und/oder an prominenterer Stelle findet als der Hinweis auf den Hersteller,
b) wenn sich auf den Packungsrändern der Umverpackung farbige - insbesondere blaue - Streifen in der Breite von etwa 5 mm befinden, wie sie für Produkte der Beklagten wiederholt verwendet werden, insbesondere die in Beil ./D1 und ./D2 aufscheinenden blauen Streifen,
c) wenn sie die Klägerin vor Inverkehrbringen der umverpackten Ware nicht ordnungsgemäß über den bevorstehenden Vertrieb, insbesondere auch unter Angabe des Exportstaats und der näheren Gründe für die Erforderlichkeit des Umpackens, unterrichtet hat, und/oder
d) wenn sie der Klägerin vor Inverkehrbringen der umgepackten Ware trotz deren Anforderung kein Muster der umgepackten Ware zur Verfügung gestellt hat.
Durch das Umpacken werde das Erscheinungsbild der Ware völlig verändert. Der Hinweis auf den Namen des umpackenden und importierenden Unternehmens sei in Schriftbild und Platzierung auffälliger als der Hinweis auf den Hersteller; an den Packungsrändern befänden sich farbige Streifen, die die Beklagte als Ausstattung auf den Packungen zahlreicher parallel importierter Produkte verwende. Über den beabsichtigten Vertrieb von ZOVIRAX 400/60 habe die Beklagte nur die österreichische Schwestergesellschaft der Klägerin ohne Anschluss der neuen Außenverpackung informiert, und sie habe sich trotz Aufforderung geweigert, ein Muster der umgepackten Ware zu liefern, den Exportstaat bekannt zu geben und die näheren Gründe für die Erforderlichkeit des Umpackens anzugeben. Über den bevorstehenden Vertrieb von ZOVIRAX 800/35 habe die Beklagte die Klägerin überhaupt nicht unterrichtet. Sowohl der auf der Vorderseite aufgedruckte Hinweis auf das Umpacken in der vorliegenden Form als auch die Ausstattung mit Streifen an den Packungsrändern seien nicht erforderlich und dienten nur dazu, den Verbrauchern die Firma der Beklagten bekannt zu machen und ihren parallel importierten Produkten ein einheitliches Erscheinungsbild zu geben, um dadurch wirtschaftliche Vorteile zu erlangen. Die Übermittlung bloßer Kopien der Außenverpackung anstelle eines Musters sei nicht ausreichend, weil der Markeninhaber nicht nachprüfen könne, ob das Umpacken den Originalzustand der Ware beeinträchtige und ob die Aufmachung der Packung den Ruf der Marke schädige. Es bestehe die Gefahr, dass die Beklagte ihr Verhalten auch bei anderen Arzneimitteln der der Klägerin zustehenden Marken beibehalte, sodass neben der Wiederholungsgefahr betreffend ZOVIRAX in Ansehung der anderen Marken der Klägerin Erstbegehungsgefahr bestehe.
Die Beklagte beantragt, den Sicherungsantrag abzuweisen. Das Markenrecht der Klägerin sei erschöpft. Das beantragte Vertriebsverbot stehe im Widerspruch zum Grundsatz des freien Warenverkehrs innerhalb des EWR. Die Beklagte beabsichtige keinen Parallelimport von unter anderen Marken der Klägerin vertriebenen Arzneimitteln. Die von der Klägerin beanstandete Verpackung von ZOVIRAX 800/35 sei nicht mehr aktuell; sie vertreibe ZOVIRAX 800/35 nunmehr ausschließlich in der von der Gruppe der Klägerin im Herkunftsland in Verkehr gebrachten Originalverpackung, die lediglich für den Vertrieb in Österreich mit deutschsprachiger Kennzeichnung in Form von Etiketten versehen werde. Der Originalverpackung werde eine Gebrauchsinformation in deutscher Sprache eingelegt, die inhaltlich der in Österreich von G***** verwendeten Gebrauchsinformation entspreche. Im Gegensatz zu ZOVIRAX 800 sei bei ZOVIRAX 400 das Umpacken in eine neue Außenverpackung erforderlich, um ZOVIRAX 400 in Österreich vertreiben zu können, weil die Originalverpackung des Herkunftslands aufgrund Verpackungsgröße und Tablettenanzahl in Österreich nicht verkehrsfähig sei. Mit ihrem Hinweis auf das Umpacken trage die Beklagte der einschlägigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs Rechnung; auch die Farbgebung (blaue Streifen) diene nur dazu, auf das erfolgte Umpacken hinzuweisen. Die Verpackung sei nicht markenrechtlich geschützt. Die Beklagte habe die Klägerin über den Vertrieb von ZOVIRAX 800/35 und ZOVIRAX 400/60 informiert. Die Klägerin habe keine Einwendungen gegen den Vertrieb von ZOVIRAX 800/35 erhoben. Es bestehe keine Verpflichtung, den Herkunftsstaat bekannt zu geben. Die Übersendung eines Musters nur gegen Kostenersatz entspreche einer langjährigen Übung zwischen den betroffenen Unternehmensgruppen. Das mit dem Sicherungsbegehren angestrebte Vertriebsverbot wäre für die Beklagte mit beträchtlichen Schäden in nicht absehbarer Höhe verbunden.
Das Erstgericht gab dem Sicherungantrag in den Punkten b) und d) sowie im Punkt c) hinsichtlich der nicht ordnungsgemäßen Unterrichtung der Klägerin über den bevorstehenden Vertrieb, insbesondere auch unter Angabe des Exportstaats, statt und wies das Mehrbegehren (Punkt a sowie c hinsichtlich des Nichtunterrichtens über die näheren Gründe für die Erforderlichkeit des Umpackens) ab. Der Markeninhaber könne sich einem Umpacken nicht widersetzen, sofern es erforderlich sei, eine künstliche Abschottung der Märkte zwischen den Mitgliedstaaten zu verhindern, und die berechtigten Interessen des Markeninhabers nicht beeinträchtige. Bei ZOVIRAX 400/60 sei das Umpacken notwendig, um die in Österreich zulässige Packungsgröße zu erreichen, nicht jedoch bei ZOVIRAX 800/35, wo es möglich sei, auf der Originalpackung Etiketten anzubringen, wie dies die Beklagte nunmehr auch durchführe. Eigene Verpackungen mit den bei der Beklagten üblichen Randstreifen seien für einen Marktzugang nicht erforderlich. Der Parallelimporteur sei verpflichtet, den Markeninhaber vorab vom Inverkehrbringen der umgepackten Ware zu unterrichten, und müsse auf Verlangen des Markeninhabers ein Muster der Ware liefern. Die Übermittlung eines Warenmusters dürfe nicht von der Zahlungsbereitschaft des Empfängers abhängig gemacht werden. Es seien auch stets die konkreten Gründe für eine bestimmte Art der Verpackung zu nennen, sofern der Markeninhaber ausdrücklich danach frage und ein berechtigtes Interesse damit verbunden sein könne; das diesbezügliche Begehren sei jedoch unbestimmt und daher abzuweisen. Die Klägerin habe nicht dargetan, inwiefern ihre Marke mit dem Hersteller zu tun habe, weshalb ihr Markenrecht nicht verletzt sein könne, wenn die Erwähnung des Umverpackers gegenüber jener des Herstellers hervortrete.
Das Rekursgericht gab dem Sicherungsantrag in seinen Punkten a), c) und d) statt und wies das Mehrbegehren ab; es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zur Fortentwicklung der Rechtsprechung betreffend Veränderungen der Verpackung eines Arzneimittels beim Parallelimport sowie zum Umfang der Informationspflichten des Parallelimporteurs zulässig sei. Da mit jeder Veränderung der Ware in das Markenrecht eingegriffen werde, sei nur das jeweils gelindeste Mittel der Veränderung zulässig. Die Absicht des Parallelimporteurs, durch die Veränderung der Ware einen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen, reiche nicht aus. Der erforderliche Hinweis auf das Umpacken und den Umpacker rechtfertige nicht das (auffällige) Anbringen des Firmenschlagworts und des Firmenlogos des Parallelimporteurs auf der Vorderseite der Originalverpackung ohne besonderen Hinweis auf den Parallelimport, weil dies die Herkunftsgarantie der Marke beeinträchtige. Die gewählte Gestaltung sei nicht notwendig und unter Berücksichtigung des Grundsatzes des „gelindesten Mittels" unzulässig.
Die Verpflichtung zur Vorabinformation des Markeninhabers diene dazu, ihm die Beurteilung zu ermöglichen, ob und inwieweit die Veränderung der Verpackung durch den Parallelimporteur erforderlich sei. Dazu sei es notwendig, die ein Vertriebshindernis im Importstaat bildenden Umstände (gesetzlich zulässige Verpackungsgrößen, vorgeschriebene Angaben, zusätzliche Hinweise uä) zu kennen. Das Verlangen nach Unterrichtung über die „näheren Gründe für die Erforderlichkeit des Umpackens" sei im gegebenen Zusammenhang gerechtfertigt und auch hinlänglich bestimmt. Erst die Angabe des Herkunftsstaats ermögliche die Prüfung, ob es sich um eine mit Zustimmung des Markeninhabers im EWR in Verkehr gebrachte Ware handle und ob ein Umpacken notwendig sei.
Infolge unterschiedlicher Packungsgrößen sei die Herstellung einer neuen Außenverpackung erforderlich. Diese dürfe keinen unordentlichen oder schlampigen Eindruck machen; solches sei hier nicht der Fall. Farbige Streifen schadeten dem Image der Marke nicht. Da auf den Umpacker und das Umpacken deutlich hinzuweisen sei, könne diesem Erfordernis auch durch ein einheitliches Verpackungsdesign entsprochen werden. Die Verwendung eines für jedes Produkt unterschiedlichen Verpackungsdesigns durch den Parallelimporteur führte zu einer Verwirrung der Verbraucher, die auch dem Interesse des Markeninhabers nicht dienlich sei. Letzterer habe auch keinen Anspruch darauf, dass sich das Design der neuen Außenverpackung so weit wie möglich an jenes der Originalverpackung anlehne. Das beanstandete Verpackungsdesign sei zwar nicht notwendig und diene ausschließlich dem wirtschaftlichen Interesse der Beklagten, die sich offensichtlich durch den mit dem einheitlichen Design verbundenen Wiedererkennungswert einen Werbeeffekt verspreche. Der Ruf der Marke werde dadurch nicht beeinträchtigt; auch würden sonstige Interessen des Markeninhabers nicht beeinträchtigt.
Rechtliche Beurteilung
Der Oberste Gerichtshof (OGH) erachtete den Revisionsrekurs der Klägerin und den Revisionsrekurs der Beklagten als zulässig. Er legte mit Beschluss vom 24. 5. 2005, 4 Ob 69/05h, dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften gemäß Art 234 EG folgende Fragen zur Vorabentscheidung vor:
1. a) Sind Art. 7 der Richtlinie 89/104 und die dazu ergangene Rechtsprechung des Gerichtshofs dahin auszulegen, dass der Nachweis, wonach die Geltendmachung der Marke zu einer künstlichen Marktabschottung beitragen würde, nicht nur für das Umverpacken an sich, sondern auch für die Gestaltung der neuen Verpackung erbracht werden muss? Für den Fall der Verneinung dieser Frage:
b) Ist die Gestaltung der neuen Verpackung am Grundsatz des geringstmöglichen Eingriffs zu messen oder (nur) daran, ob sie geeignet ist, den Ruf der Marke und ihres Inhabers zu schädigen?
2. Sind Art. 7 der Richtlinie 89/104 und die dazu ergangene Rechtsprechung des Gerichtshofs dahin auszulegen, dass der Parallelimporteur seiner Mitteilungspflicht nur genügt, wenn er dem Markeninhaber auch den Exportstaat und die näheren Gründe für das Umverpacken mitteilt?
In seinem Ersuchen verwies der OGH auf das zu C-348/04 anhängige Vorabentscheidungsersuchen des Court of Appeal, England & Wales, Civil Division, vom 17. Juni 2004, dem zum Teil ein vergleichbarer Sachverhalt zu Grunde lag. Der Präsident des EuGH setzte zunächst das Verfahren bis zum Erlass des Urteils in der Rechtssache C-348/04 aus.
Der EuGH sprach mit Urteil vom 26. April 2004 in der Rechtssache C-348/04 ua aus, dass Art 7 Abs 2 der Richtlinie 89/104 dahin auszulegen ist, dass der Inhaber der Marke sich dem weiteren Vertrieb eines aus einem anderen Mitgliedstaat eingeführten Arzneimittels in seiner inneren und äußeren Originalverpackung, die vom Importeur mit einem zusätzlichen äußeren Aufkleber versehen wurde, widersetzen kann, es sei denn,
? es ist erwiesen, dass die Geltendmachung der Marke durch den Markeninhaber zu dem Zweck, sich dem Vertrieb der mit einem neuen Aufkleber versehenen Ware unter der Marke zu widersetzen, zu einer künstlichen Abschottung der Märkte zwischen Mitgliedstaaten beitragen würde;
? es ist dargetan, dass die Neuetikettierung den Originalzustand der in der Verpackung enthaltenen Ware nicht beeinträchtigen kann;
? auf der Verpackung ist klar angegeben, von wem der neue Aufkleber auf der Ware angebracht worden ist und wer deren Hersteller ist;
? das mit diesem neuen Aufkleber versehene Erzeugnis ist nicht so aufgemacht, dass dadurch der Ruf der Marke und ihres Inhabers geschädigt werden kann; das Etikett darf folglich nicht schadhaft, von schlechter Qualität oder unordentlich sein, und
? der Importeur unterrichtet den Markeninhaber vor dem Inverkehrbringen des mit einem neuen Aufkleber versehenen Erzeugnisses und liefert ihm auf Verlangen ein Muster dieser Ware (Rn 32).
Der Markeninhaber kann demnach die mit jedem Umpacken eines mit seiner Marke versehenen Arzneimittels verbundene Veränderung verbieten, es sei denn, das Umpacken ist erforderlich, um die Vermarktung der parallel importierten Ware zu ermöglichen, und die berechtigten Interessen des Markeninhabers sind überdies gewahrt (Rn 19). Diese Voraussetzung der Erforderlichkeit betrifft nur das Umpacken der Ware als solches sowie die Wahl zwischen Neuverpackung und Überkleben, nicht hingegen die Art und Weise, in der das Umpacken durchgeführt wird (Rn 38). Die Frage, ob es den Ruf der Marke schädigen kann, wenn der Parallelimporteur die Marke nicht auf dem neuen äußeren Karton anbringt („de-branding") oder entweder sein eigenes Logo oder ein Firmenmarkenzeichen, eine Firmenaufmachung oder eine für eine Reihe verschiedener Waren verwendete Aufmachung auf dem neuen äußeren Karton anbringt („co-branding") oder auf dieser Verpackung einen zusätzlichen Aufkleber so anbringt, dass die Marke des Inhabers ganz oder teilweise überklebt wird oder auf dem zusätzlichen Aufkleber nicht den Inhaber der Marke angibt oder den Namen des Parallelimporteurs in Großbuchstaben schreibt, ist eine Sachfrage, über die nach dem jeweiligen Sachverhalt zu entscheiden Sache des nationalen Gerichts ist (Rn 47).
Im Anschluss an dieses Urteil teilte der OGH dem EuGH auf dessen Anfrage mit, sein Vorabentscheidungsersuchen aufrecht zu erhalten, soweit die Fragen 1 b und 2 betroffen sind.
Mit Urteil vom 22. 12. 2008 in der Rechtssache C-276/05 (= MarkenR 2009, 59) erkannte der EuGH daraufhin im Anlassfall zu Recht:
1. Art 7 Abs 2 der Richtlinie 89/104 ist dahin auszulegen, dass, sofern das Umpacken des Arzneimittels durch Neuverpackung nachweislich für seinen weiteren Vertrieb im Einfuhrmitgliedstaat erforderlich ist, die Art der Gestaltung dieser Verpackung nur an der Voraussetzung zu messen ist, dass sie nicht so aufgemacht sein darf, dass dadurch der Ruf der Marke und ihres Inhabers geschädigt werden kann.
2. Art 7 Abs. 2 der Richtlinie 89/104 in der durch das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass es Sache des Parallelimporteurs ist, dem Markeninhaber die Angaben zu übermitteln, die dafür notwendig und ausreichend sind, dass dieser überprüfen kann, ob die Umverpackung der durch die Marke geschützten Ware für deren Vertrieb im Einfuhrmitgliedstaat erforderlich ist.
Der Senat hat nunmehr erwogen:
1.1. Die Vorabentscheidung des EuGH entfaltet bindende Wirkung für das Ausgangsverfahren vor dem österreichischen Gericht in allen Instanzen, und zwar nicht nur in ihrem Tenor, sondern auch in den tragenden Entscheidungsgründen (vgl RIS-Justiz RS0111726 [T4]).
1.2. Der OGH hat auch in Rechtssachen, in denen er nicht unmittelbar Anlassfallgericht ist, von einer allgemeinen Wirkung der Vorabentscheidung des EuGH auszugehen und diese seinen Entscheidungen zugrundezulegen; diese Entscheidungen schaffen nämlich objektives Recht (4 Ob 70/02a mwN) und entfalten über den Ausgangsrechtsstreit hinaus eine rechtliche Bindungswirkung dahin, dass alle Gerichte der Mitgliedstaaten die vom EuGH vorgenommene Auslegung zu beachten haben (4 Ob 70/02a = RIS-Justiz RS0110582 [T3]).
2. Zum Revisionsrekurs der Beklagten
2.1. Die Beklagte bekämpft die einstweilige Verfügung in ihrem Begehren zu a) mit dem Argument, die klaren und deutlichen Angaben des Umverpackers auf der neuen Verpackung seien zur Vermeidung von Irreführungen über den Hersteller notwendig; das Hervorheben der Angaben des Umverpackers beeinträchtige die Herkunftsgarantie der Marke nicht. Der Grundsatz der Anwendung des gelindesten Mittels sei in diesem Zusammenhang nicht anzuwenden.
2.1.1. Der EuGH hat in der Rechtssache C-348/04 ausgesprochen, dass der Markeninhaber die mit jedem Umpacken eines mit seiner Marke versehenen Arzneimittels verbundene Veränderung dann hinzunehmen hat, wenn das Umpacken erforderlich ist, um die Vermarktung der parallel importierten Ware zu ermöglichen, und wenn überdies die berechtigten Interessen des Markeninhabers gewahrt sind. Die Voraussetzung der Erforderlichkeit betrifft nur das Umpacken der Ware als solches sowie die Wahl zwischen Neuverpackung und Überkleben, nicht hingegen die Art und Weise, in der das Umpacken durchgeführt wird. Die Beurteilung, ob durch das Umpacken der Ruf der Marke geschädigt werden kann, obliegt dem nationalen Gericht.
2.1.2. Nach diesen Grundsätzen ist das Sicherungsteilbegehren zu a) unbegründet. Der Umstand allein, dass auf der neuen Verpackung der Hinweis auf den Umverpacker in auffälligerer Schrift und Platzierung angebracht ist als der Hinweis auf den Hersteller, ist noch nicht geeignet, die Herkunftsfunktion der Marke zu beeinträchtigen. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist davon auszugehen, dass dem verständigen Durchschnittsverbraucher die Bedeutung der Begriffe „umgepackt" und „importiert" im Zusammenhang mit Arzneimitteln mittlerweile geläufig ist; es besteht daher bei der konkreten Gestaltung der Verpackung (der Name „P*****" ist gleich groß geschrieben wie der Hinweis „Umverpackt und importiert durch") keine Gefahr, dass der Verbraucher das als Verpacker auftretende Unternehmen für den Hersteller halten wird. Auch erweckt der Herstellerhinweis keineswegs einen unordentlichen Eindruck. Der Revisionsrekurs der Beklagten erweist sich insoweit als berechtigt.
2.2. Gegen Punkt c) der einstweiligen Verfügung wendet die Beklagte ein, die Verständigungspflicht des Importeurs umfasse nicht auch die Bekanntgabe des Exportstaats und der näheren Gründe für das Umpacken; dem Markeninhaber sei nur die Prüfung zu ermöglichen, ob durch das Umpacken der Originalzustand der Ware beeinträchtigt oder der Ruf der Marke geschädigt werde.
2.2.1. Nach der bindenden Auffassung des EuGH in der Rechtssache C-276/05 hat der Parallelimporteur dem Markeninhaber jene Angaben zu übermitteln, die notwendig und ausreichend sind, damit dieser überprüfen kann, ob die Umverpackung der durch die Marke geschützten Ware für deren Vertrieb im Einfuhrmitgliedstaat erforderlich ist. Die Art der zu übermittelnden Angaben hängt im Übrigen von den Umständen des Einzelfalls ab. Es kann nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass hierzu in Ausnahmefällen die Angabe des Ausfuhrmitgliedstaats gehört, wenn der Markeninhaber ohne eine solche Angabe daran gehindert wäre, die Erforderlichkeit des Umpackens zu beurteilen (Rn 35).
2.2.2. Veränderungen an Packung oder Produkt erfüllen den Tatbestand einer Markenverletzung (Ingerl/Rohnke, MarkenG2 § 24 Rz 66). Es obliegt daher dem beklagten Importeur, sämtliche Voraussetzungen der Erschöpfung des beeinträchtigten Markenrechts - wozu auch Notwendigkeit und Angemessenheit der erfolgten Veränderungen zur Beseitigung des Vertriebshindernisses zählen - als Einwendung gegen die Verletzung nachzuweisen.
2.2.3. Gegenstand des geltend gemachten Auskunftsanspruchs des Markeninhabers sind der Exportstaat sowie die Gründe für das Umpacken; dass diese Angaben im Anlassfall zur Überprüfung des Erfordernisses eines Umpackens entbehrlich wären, ist nicht ersichtlich. Die beklagte Importeurin hat in erster Instanz weder aufgezeigt noch bescheinigt, welche anderen Informationsquellen dem Markeninhaber die benötigten Erkenntnisse liefern könnten, und erstmals im Revisionsrekurs die - durch den Akteninhalt nicht belegte - Behauptung aufgestellt, es bestehe die Möglichkeit einer Identifizierung der Herkunft der Markenwaren anhand der Chargennummern. Die Befürchtung der Beklagten, sie müsse ihre Bezugsquellen aufdecken und setze ihre Lieferanten „wettbewerbsbedenklichem Druck" aus, ist nach dem Umfang des gewährten Auskunftsanspruchs unbegründet. Dem Revisionsrekurs der Beklagten ist daher insoweit ein Erfolg zu versagen.
3. Zum Revisionsrekurs der Klägerin
3.1. Die Klägerin bekämpft die Abweisung ihres Sicherungsbegehrens zu b). Das einheitliche Streifen-Design der von der Beklagten verwendeten neuen Verpackungen sei für den Import nicht notwendig und diene ausschließlich den eigenen wirtschaftlichen Zwecken des Importeurs; eine neue Verpackung dürfe nicht als Werbeträger für den Umverpacker dienen.
3.2. Nach den zuvor unter Punkt 2.1. dargestellten Grundsätzen der Rechtsprechung des EuGH hat die Markeninhaberin das Anbringen eines färbigen Streifendesigns auf einer neuen Verpackung durch den Parallelimporteur dann hinzunehmen, wenn dadurch die Herkunfts- und Qualitätsfunktion ihrer Marke nicht beeinträchtigt wird und die Verpackung keinen beschädigten, minderwertigen oder unsauberen Eindruck erweckt. Diese Voraussetzungen liegen im Anlassfall vor. Es ist nämlich nicht ersichtlich, warum die beanstandete grafische Gestaltung geeignet sein soll, den Ruf der Marke der Klägerin zu schädigen. Dass die Ware im Inland verkehrsfähig ist, auch wenn die Verpackung keine blauen Streifen aufweist, ist ohne Bedeutung. Das Design der Verpackung betrifft nämlich nur die Art und Weise, in der das Umpacken durchgeführt wird. Keine Rolle spielt es hingegen bei der Prüfung der Frage, ob das Umpacken der Ware als solches erforderlich ist, um die Ware im Inland verkehrsfähig zu machen.
4. Die Entscheidung über die Kosten der Klägerin beruht auf § 393 Abs 1 EO; jene über die Kosten der Beklagten auf §§ 393 Abs 1 EO iVm §§ 43 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO. Die Klägerin hat im Sicherungsverfahren erster Instanz (Bemessungsgrundlage 34.000 EUR) sowie im Rekursverfahren (Bemessungsgrundlage für jedes Rechtsmittel 17.000 EUR) mit der Hälfte ihres Begehrens obsiegt, im Revisionsrekursverfahren blieb sie mit ihrem eigenen Rechtsmittel (Bemessungsgrundlage 8.500 EUR) erfolglos, während die Beklagten mit ihrem Rekurs und Revisionsrekurs (Bemessungsgrundlage 17.000 EUR) zur Hälfte obsiegten.
Textnummer
E90441European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2009:0170OB00003.09D.0324.000Im RIS seit
23.04.2009Zuletzt aktualisiert am
18.12.2013