TE Vwgh Erkenntnis 2000/11/29 99/09/0254

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Veröffentlicht am 29.11.2000
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Index

67 Versorgungsrecht;

Norm

KOVG 1957 §18 Abs1;
KOVG 1957 §18 Abs2;
KOVG 1957 §18 Abs3;
KOVG 1957 §19;
KOVG 1957 §4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Flendrovsky, über die Beschwerde des H in W, vertreten durch Dr. Wilhelm Noverka, Dr. Elisabeth Stanek-Noverka, Rechtsanwälte in 1170 Wien, Hernalser Hauptstraße 116, gegen den Bescheid der Schiedskommission beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen in Wien vom 8. November 1999, Zl. OB. 115-189121-005, betreffend Abweisung eines Antrages auf Erhöhung der Pflegezulage und Gewährung der Blindenzulage nach dem KOVG 1957, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der im Jahre 1922 geborene Beschwerdeführer bezieht auf Grund des rechtskräftigen Bescheides der belangten Behörde vom 3. März 1971 eine Beschädigtenrente nach dem Kriegsopferversorgungsgesetz 1957 (KOVG 1957) entsprechend einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 100 v.H.

Als Dienstbeschädigung sind folgende Leidenszustände anerkannt worden:

"1.

Lähmung des linken Nervus ischiadicus

2.

Geschwürsbildung am linken Unterschenkel mit Ernährungsstörungen der Haut nach Nervenläsion

3.

Senkfußbildung rechts (Kausalanteil 1/3)

4.

Geringe Bewegungseinschränkung des rechten Kniegelenkes bei Gelenksflächenentartung (Kausalanteil 1/3)

5.

Geringe Schädigung des linken Nervus ulnaris

6.

Geringe Schädigung des linken Nervus radialis

7.

Reaktionslos eingeheilte Weichteilstecksplitter im Bereich des Rückens, des linken Oberarmes, der linken Achselhöhle und in beiden Unterschenkeln,

              8.              Reaktionslose Narben am Hinterkopf, am Rücken, am Brustkorb, am linken Oberarm, am linken Gesäß und an beiden Unterschenkeln

9.

Intercostalneuralgie links

10.

Endlagige Einschränkung des unteren Sprunggelenkes rechts,

11.

Endlagige Einschränkung der Zehenbeweglichkeit rechts.

12.

Narben an der rechten Fußsohle "

Auf Grund dieser anerkannten Dienstbeschädigungen wurden dem Beschwerdeführer die Schwerstbeschädigtenrente sowie die Pflegezulage der Stufe I gewährt.

Zur weiterenVorgeschichte wird - um Wiederholungen zu vermeiden - auf die ebenfalls den Beschwerdeführer betreffenden hg. Erkenntnisse vom 14. Jänner 1993, Zl. 91/09/0217 und vom 29. Juni 1989, Zl. 86/09/0047, verwiesen.

Mit Eingabe vom 4. November 1991 (präzisiert am 13. Jänner 1992) beantragte der Beschwerdeführer die Erhöhung der ihm mit Bescheid der Schiedskommission vom 14. September 1963 im Ausmaß der Stufe 1 zuerkannten und geleisteten Pflegezulage nach § 18 KOVG.

Mit Eingabe vom 21. März 1996 beantragte der Beschwerdeführer die Gewährung der Blindenzulage nach § 19 KOVG.

Der Beschwerdeführer begründete seine Anträge im Wesentlichen damit, dass er infolge seiner vielfältigen Leidenszustände außergewöhnlicher Pflege und Wartung bedürfe. Er sei praktisch blind, was zumindest teilweise auf die Kriegsverletzung zurückzuführen sei.

Mit Bescheid vom 23. Jänner 1997 wies das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen Wien, Niederösterreich und Burgenland diese Anträge nach Einholung von Sachverständigengutachten im Wesentlichen mit der Begründung ab, nach den Befunden der Sachverständigen benötige der Beschwerdeführer keine außergewöhnliche Pflege und Wartung, dauerndes Krankenlager bestehe nicht, praktische Blindheit liege nicht vor.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dieser Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid. Nach Darstellung des Verfahrensganges sowie wörtlicher Wiederholung der Ergebnisse der von ihr in einem ergänzenden Ermittlungsverfahren eingeholten weiteren Sachverständigengutachten und Zitierung der in Anwendung zu bringenden Gesetzesbestimmungen kam die belangte Behörde zum Schluss, es gebühre dem Beschwerdeführer weiterhin lediglich die Pflegezulage der Stufe I wie bisher, weil gegenüber dem im früheren Verfahren erhobenen ärztlichen Befund keine maßgebende Änderung eingetreten sei. Die augenfachärztliche Untersuchung habe eine Retinopathia pigmentosa, verifiziert durch ein Elektroretinogramm und durch Drüsenmakula (keine, für die Resochin-Schädigung typische Bullaugen-Makula) ergeben. Auf Grund dieses Befundes sei ein Zusammenhang der Augenerkrankung mit der (kriegsverletzungsbedingten) Resochin-Einnahme nicht wahrscheinlich. Da das Augenleiden nicht zumindest mit Wahrscheinlichkeit auf das schädigende Ereignis oder auf die der Dienstleistung eigentümlichen Verhältnisse ursächlich zurückzuführen sei, sei der Antrag auf Gewährung der Blindenzulage gemäß § 19 KOVG abzuweisen gewesen. Die Gutachten der Sachverständigen seien als schlüssig erkannt und daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt worden. Die vom Beschwerdeführer im Rahmen der Gewährung des rechtlichen Gehörs abgegebene Stellungnahme sei nicht geeignet gewesen, die Beweiskraft des ärztlichen Sachverständigengutachtens zu mindern. Auch seien die ärztlichen Vorfragen ausreichend geprüft worden und die in beiden Instanzen eingeholten Gutachten miteinander übereinstimmend, so dass von einer Erweiterung des Beweisverfahrens Abstand habe genommen werden können.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf "erhöhte Pflege- und Blindenzulage (Stufe V)" verletzt.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

              1.              Zur Pflegezulage:

Nach § 18 Abs. 1 Kriegsopferversorgungsgesetz 1957 - KOVG 1957, BGBl. Nr. 152/1957, in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 687/1991, wird zur Beschädigtenrente eine Pflegezulage gewährt, wenn der Beschädigte infolge der Dienstbeschädigung so hilflos ist, dass er für lebenswichtige Verrichtungen der Hilfe einer anderen Person bedarf. Nach Abs. 2 leg. cit. ist die Höhe der Pflegezulage nach der Schwere des Leidenszustandes und nach dem für die Pflege und Wartung erforderlichen Aufwand abgestuft. Die Gewährung der Pflegezulagen der Stufen II bis V setzt voraus, dass die Dienstbeschädigung außergewöhnliche Pflege und Wartung erfordert; verursacht die Dienstbeschädigung dauerndes Krankenlager, ist die Pflegezulage zumindest in der Höhe der Stufe III zu leisten. Die Pflegezulage der Stufe V gebührt, wenn der Beschädigte infolge der Dienstbeschädigung an zwei Gebrechen leidet, von denen jedes für sich Hilflosigkeit verursacht, oder wenn das die Hilflosigkeit verursachende Gebrechen für sich allein oder zusammen mit einem anderen auf eine Dienstbeschädigung zurückzuführenden Gebrechen einen derart schweren Gesamtleidenszustand darstellt, dass Pflege und Wartung in besonders erhöhtem Ausmaß erforderlich ist.

Voraussetzung für die Erhöhung der Pflegezulage (zumindest der Stufe II) ist aber nach der oben bereits zitierten Gesetzesbestimmung, dass die anerkannten Leidenszustände den Beschwerdeführer nunmehr derart hilflos machen, dass er außergewöhnlicher Pflege und Wartung bedarf. Dabei ist zu berücksichtigen, dass auch dann, wenn die anerkannten Dienstbeschädigungen eine wesentliche Bedingung für die Annahme der Hilflosigkeit aus Anlass der Zuerkennung der Pflegezulage der Stufe I gebildet haben, diese Qualifikation nicht notwendigerweise auch für die Zuerkennung einer erhöhten Pflegezulage nach den Stufen II bis IV gilt, weil einer Dienstbeschädigung - bezogen auf die verschiedenen gesetzlich normierten Grade der Hilflosigkeit - jeweils eine andere (Bedingungs-)Wertigkeit im Zusammenhalt mit den nicht kausalen Leiden zukommen kann (vgl. dazu z.B. das hg. Erkenntnis vom 6. Juni 1991, 91/09/0028). Dies gilt im Beschwerdefall insbesondere für die vom Beschwerdeführer in seiner Beschwerde wiederum - wie schon in seinen zahlreichen Eingaben - erwähnten Leidenszustände "Trigeminusneuralgie" und "praktische Blindheit", die nach den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakten nicht gemäß § 4 Abs. 1 KOVG 1957 als Dienstbeschädigungen anerkannt worden waren (vgl. dazu das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 14. Jänner 1993, Zl. 91/09/0217). Auf die gegen die Anerkennung auch dieser Leiden gerichteten Ausführungen war im vorliegenden Beschwerdeverfahren nicht mehr näher einzugehen. Dass durch Hinzutreten weiterer anzuerkennender Leidenszustände die Voraussetzung des außergewöhnlichen Pflege- und Wartungsbedarfes erfüllt worden wäre, wurde von der belangten Behörde auf der Basis der eingeholten Sachverständigengutachten aber gerade nicht festgestellt. Auch die Ausführungen des Beschwerdeführers in seiner Beschwerde lassen an dieser Einschätzung keine Zweifel aufkommen, zumal er im Wesentlichen wiederholt, was schon seit Jahren aktenkundig ist. Die belangte Behörde hat bereits darauf hingewiesen, dass die Ausführungen der beigezogenen Sachverständigen in allen entscheidungswesentlichen Punkten übereinstimmten; auch ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass es sich im Beschwerdefall um die Beurteilung von Fragen handelt, deren Beantwortung einen höheren Grad an medizinischem Spezialwissen voraussetzt oder zumindest einen solchen höheren Grad der Spezialisierung als zweckmäßig erscheinen ließe (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Oktober 1983, Zl. 83/09/0095).

              1.              Zur Blindenzulage:

§ 19 KOVG, BGBl. Nr. 152/1957, in der Fassung BGBl. Nr. 225/1980, lautet:

"(1) Blinden im Sinne der Abs. 2 und 3 ist zur Beschädigtenrente an Stelle der Pflegezulage eine Blindenzulage zu leisten.

(2) Als blind gilt, wer infolge einer Dienstbeschädigung nichts oder nur so wenig sieht, dass er sich in einer ihm nicht ganz vertrauten Umwelt allein nicht zurechtfinden kann.

(3) Als praktisch blind gilt, wer infolge einer Dienstbeschädigung das Sehvermögen so weit eingebüßt hat, dass er sich zwar in nicht vertrauter Umgebung allein zurechtfinden kann, jedoch trotz der gewöhnlichen Hilfsmittel zu wenig sieht, um den Rest an Sehvermögen wirtschaftlich verwerten zu können.

(4) Blinde erhalten die Blindenzulage in der Höhe der Stufe III, praktisch Blinde in der Höhe der Stufe II der Pflegezulage (§ 18 Abs. 4). Erfordert der Verlust des Sehvermögens im Zusammenwirken mit anderen Gebrechen erhöhte Pflege und Wartung, so ist die Blindenzulage für Blinde auf das Ausmaß der Stufe IV, für praktisch Blinde auf das Ausmaß der Stufe III oder IV der Pflegezulage zu erhöhen.

(5) Verursacht der Verlust des Sehvermögens im Zusammenwirken mit anderen Gebrechen einen derart schweren Gesamtleidenszustand, dass Pflege und Wartung in besonders erhöhtem Ausmaß erforderlich sind, so gebührt dem Blinden die Blindenzulage in der Höhe der Stufe V der Pflegezulage. Für Blinde (Abs. 2), die infolge einer Dienstbeschädigung beide Hände verloren haben, ist die Blindenzulage um ein Drittel des Betrages der Pflegezulage der Stufe V zu erhöhen."

Voraussetzung für die Gewährung der Blindenzulage ist unter anderem die Anerkennung des Sehverlustes als Dienstbeschädigung im Sinne des § 4 KOVG. Gerade diese Voraussetzung wurde aber durch die medizinischen Sachverständigen verneint, ohne dass der Beschwerdeführer gegen diese Einschätzung Stichhaltiges vorzubringen in der Lage war. Die Sachverständige aus dem Fache der Augenheilkunde kam in ihrem Gutachten vom 27. November 1998 nach Untersuchung und Befundaufnahme zum Ergebnis, dass die vorhandene schwere Sehbehinderung im Falle des Beschwerdeführers nicht auf die (kriegsbedingte) Einnahme von Resochin zurückzuführen wäre. Sie ergänzte diese Stellungnahme unter ausdrücklicher Berücksichtigung der - im Übrigen den Anforderungen eines Gutachtens im Sinne des § 52 AVG nicht entsprechenden - Äußerung des Facharztes für Tropenmedizin Dr. Kolleritsch vom 22. März 1999 dahingehend, dass ein bestimmtes medizinisches Phänomen, dessen Vorliegen für eine Kausalität zwischen dem Leidenszustand des Beschwerdeführers und der Resochineinnahme gesprochen hätte, beim Beschwerdeführer nicht diagnostiziert habe werden können. Damit sei die Wahrscheinlichkeit eines Zusammenhanges der schweren Sehbehinderung mit der Einnahme von Resochin nicht gegeben. Auf die subjektive Einschätzung des Betroffenen, der objektive Sachgrundlagen fehlen, kommt es dabei nicht an. Das vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte "Gutachten" der Landeskliniken Salzburg vom 27. August 1999 erhält keine konkrete gegenteilige Aussage. Es lässt vielmehr offen, worauf die schwere Sehbehinderung tatsächlich zurückzuführen ist ("... Veränderungen, die mit dem Bild eines Resochinschadens nach vielen Jahren, bzw. einer altersbedingten zentralen Netzhautveränderung in Einklang zu bringen sind", Unterstreichung durch den VwGH).

Insoweit der Beschwerdeführer sich gegen die Annahme einer "regen Reisetätigkeit" wendet, ist ihm entgegen zu halten, dass dieses Argument bestenfalls ein zusätzlicher Aspekt bei der Beurteilung, keinesfalls aber ausschlaggebendes Indiz gegen das Vorliegen der vom Beschwerdeführer behaupteten praktischen Blindheit gewesen ist oder so hätte verstanden werden müssen.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag daher weder das durchgeführte Verfahren als mangelhaft, noch die Begründung des angefochtenen Bescheides als verfehlt zu erkennen.

Die Beschwerde war deshalb gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 29. November 2000

Schlagworte

Anspruchsvoraussetzung Begriff der Hilflosigkeit Anspruchsvoraussetzung Kausalität

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1999090254.X00

Im RIS seit

27.03.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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