TE OGH 2009/3/25 3Ob276/08x

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Veröffentlicht am 25.03.2009
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie die Hofräte und Hofrätinnen Hon.-Prof. Dr. Sailer, Dr. Lovrek, Dr. Jensik und Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Johann H*****, vertreten durch Dr. Thomas Girardi, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Jolanda H*****, vertreten durch Dr. Christoph Brandweiner und Dr. Gabriela Brandweiner-Reiter, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen Feststellung, Beseitigung und Unterlassung, aus Anlass der außerordentlichen Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 28. Oktober 2008, GZ 3 R 83/08h-19, womit infolge Berufungen beider Parteien das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 29. Februar 2008, GZ 12 Cg 10/07d-11, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Akt wird dem Erstgericht zurückgestellt.

Text

Begründung:

Die Liegenschaft der Beklagten ist mit der Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens gemäß Punkt V eines Schenkungsvertrags zugunsten eines Grundstücks des Klägers belastet.

Der Kläger gründet seine Servitutenklage (actio confessoria) einerseits auf ein Schreiben des Anwalts der Beklagten vom 13. Juni 2006, worin sie ua den Standpunkt vertreten habe, die Servitut bestünde nur für landwirtschaftliche Zwecke, was ihn veranlasst habe, seine Zustimmung zur Abschließung des Dienstbarkeitswegs durch eine Einrichtung aus Holzlatten zu widerrufen; andererseits habe die Beklagte in der Zwischenzeit eigenmächtig ein weiteres Holzgatter und das Schild „Durchgang verboten" aufgestellt. Er begehrte die Feststellung, dass ihm die vertragsgegenständliche Dienstbarkeit ... in einer Breite von 6 m ... unbeschränkt zustehe, weiters die Beseitigung des Holzlattenzauns und des Gatters mit dem Schild „Durchgang verboten" sowie die Unterlassung derartiger oder ähnlicher Störungen. Der Kläger bewertete das Unterlassungsbegehren mit 11.600 EUR, die beiden übrigen Begehren aber mit je 5.800 EUR. Das Berufungsgericht änderte das teilweise abweisende, in zweiter Instanz zur Gänze bekämpfte Ersturteil in eine gänzliche Klagestattgebung ab. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und begründete dies damit, der Bewertung in der Klage zu folgen. Die ordentliche Revision erklärte es für nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Nach § 502 Abs 3 ZPO ist die Revision - außer im Fall des § 508 Abs 3 ZPO - jedenfalls unzulässig, wenn der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert zwar 4.000 EUR, nicht aber insgesamt 20.000 EUR, übersteigt und das Berufungsgericht die ordentliche Revision nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO - wie hier - für nicht zulässig erklärt hat. Unter diesen Voraussetzungen kann jedoch eine Partei nach § 508 Abs 1 und 2 ZPO binnen vier Wochen nach der Zustellung des Berufungsurteils den beim Erstgericht (§ 508 Abs 2 erster Satz ZPO) einzubringenden Antrag an das Berufungsgericht stellen, seinen Ausspruch dahin abzuändern, dass die ordentliche Revision doch für zulässig erklärt werde; ein solcher Antrag, der mit der ordentlichen Revision zu verbinden ist, muss die Gründe dafür anführen, warum entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 502 Abs 1 ZPO die ordentliche Revision für zulässig erachtet wird.

Aus nachstehenden Gründen liegt hier ein dem dargestellten Zwischenbereich zuzuordnender Wert des Entscheidungsgegenstands zweiter Instanz vor. Dieser umfasste das gesamte Klagebegehren, weil die Parteien mit ihren Berufungen sowohl den klagestattgebenden als auch den -abweisenden Teil des Ersturteils zur Gänze angefochten hatten.

Keines der drei Teilbegehren besteht (ausschließlich) in einem Geldbetrag, weshalb das Gericht zweiter Instanz zutreffend einen Ausspruch nach § 500 Abs 2 ZPO tätigte, dessen mangelnde Differenzierung offenbar auf der Ansicht beruht, es wären die Werte aller drei Begehren zusammenzurechnen. Das ist aber nur teilweise der Fall.

Die Zusammenrechnung der Werte mehrerer Ansprüche (objektive Klagehäufung) setzt einen tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang voraus (§ 500 Abs 3 ZPO iVm § 55 Abs 1 Z 1 JN). Sie findet nicht statt, wenn jeder der Ansprüche unabhängig von den anderen besteht, also jeder sein eigenes verfahrensrechtliches Schicksal haben kann (6 Ob 80/98b mwN; ähnlich zahlreiche E zu RIS-Justiz RS0037899). Zum Gegenstück der actio confessoria, der Eigentumsfreiheitsklage (actio negatoria) sprach der Oberste Gerichtshof in Ansehung von vier Unterlassungsbegehren bereits aus, dass kein identischer, sondern nur ein gleichartiger Sachverhalt vorliege, wenn einzelne, voneinander verschiedene und unabhängige, das Eigentumsrecht des Klägers störende Handlungen des Beklagten bezüglich verschiedener körperlicher Teile der Liegenschaft des Klägers behauptet werden; demgemäß trug er dem Berufungsgericht jeweils eine getrennte Bewertung auf (6 Ob 79/98f; 6 Ob 80/98b). Für die Servitutenklage, die - wie hier - ebenfalls auf zeitlich, sachlich und räumlich getrennte Eingriffe in eine Servitut gestützt wird, kann für die Zusammenrechnung nichts anderes gelten. Eine solche findet wegen des rechtlichen Zusammenhangs nur jeweils zwischen dem Feststellungs- und dem auf den jeweiligen Eingriff gestützten Beseitigungs- sowie Unterlassungsbegehren statt. Dass die Teilbegehren in diesen Punkten ein unterschiedliches Schicksal haben können zeigt allein schon die Teilabweisung des Beseitigungsbegehrens in erster Instanz in Ansehung des Holzlattenzauns.

Dennoch bedarf es hier keiner Ergänzung des mangels einer gesetzlichen Bewertungsvorschrift für den Obersten Gerichtshof bindenden Bewertungsausspruchs der zweiten Instanz, weil deren Entscheidungsgründe unzweifelhaft die Bewertung der einzelnen Begehren entnommen werden kann. Ob diese auch dem Spruch entnommen werden kann, ist nämlich in einem solchen Fall unerheblich (8 Ob 17/07v). Berücksichtigt man nun, dass hier zwar einerseits das Feststellungsbegehren aus zwei Bestreitungs- bzw Störungshandlungen der Beklagten abgeleitet wird, dass andererseits diese beiden Handlungen voneinander völlig unabhängig sind, kommt eine Zusammenrechnung des Entscheidungsgegenstands des (unteilbaren) Feststellungsbegehrens nur mit den aus dem Bestreiten der Servitut in dem vom Kläger behaupteten Umfang abgeleiteten Beseitigungs- und Unterlassungsbegehren einerseits und mit denjenigen andererseits in Betracht, die auf der Anbringung des Gatters beruhen. Mangels Differenzierung und mangels einer erkennbar unterschiedlichen Wertigkeit beider Klagegründe ist es gerechtfertigt, jedem einzelnen der beiden Beseitigungs- und Unterlassungsbegehren einen Wert des Entscheidungsgegenstands von 2.900 EUR zuzuordnen. Das ergibt für die beiden zusammenzurechnenden Wertkomplexe jeweils einen Wert von

17.400 EUR. Dieser übersteigt somit zwar jeweils 4.000 EUR, nicht aber 20.000 EUR.

Im vorliegenden Fall hat nun die Rechtsmittelwerberin das Rechtsmittel rechtzeitig beim Erstgericht eingebracht und geltend gemacht, dass sie entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts die Revision für zulässig erachte. Der Revision fehlt freilich ein ausdrücklicher Antrag auf Abänderung des Zulässigkeitsausspruchs durch das Berufungsgericht (§ 508 Abs 1 ZPO).

Im Hinblick auf die oben dargestellte Rechtslage war der Rechtsmittelschriftsatz nicht dem Obersten Gerichtshof vorzulegen, sind doch im Streitwertbereich des § 502 Abs 3 ZPO Rechtsmittel gegen Entscheidungen, gegen die nach dem Ausspruch der zweiten Instanz die ordentliche Revision nicht zulässig ist, nur dem Gericht zweiter Instanz (sofort), nicht aber dem Obersten Gerichtshof, vorzulegen (§ 508 ZPO); dieser darf über das Rechtsmittel nämlich nur und erst dann entscheiden, wenn das Gericht zweiter Instanz gemäß § 508 Abs 3 ZPO ausgesprochen hat, dass ein ordentliches Rechtsmittel doch zulässig sei (RIS-Justiz RS0109623).

Ist das Erstgericht der Meinung, einer solchen Vorgangsweise stehe das Fehlen des ausdrücklichen Antrags entgegen, das Berufungsgericht möge seinen Zulässigkeitsausspruch abändern, und es genüge die im Rechtsmittel ohnehin enthaltene Zulassungsbeschwerde deshalb nicht, weil diese ausdrücklich an den Obersten Gerichtshof gerichtet sei (vgl zum Fehlen der [richtigen] Bezeichnung des Berufungsgerichts E. Kodek in Rechberger³ § 467 ZPO Rz 2), dann wird es einen mit Fristsetzung verbundenen Verbesserungsauftrag zu erteilen haben. Fehlt nämlich einem fristgebundenen Schriftsatz ein Inhaltserfordernis iSd § 84 Abs 3 ZPO, ist ein Verbesserungsverfahren einzuleiten. Sollte die Rechtsmittelwerberin die Verbesserung ihres Schriftsatzes sodann verweigern, wäre die Revision jedenfalls unzulässig (RIS-Justiz RS0109501).

Der Akt ist daher dem Erstgericht zurückzustellen.

Anmerkung

E904933Ob276.08x

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0030OB00276.08X.0325.000

Zuletzt aktualisiert am

14.05.2009
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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