TE OGH 2009/3/25 3Ob47/09x

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Veröffentlicht am 25.03.2009
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie die Hofräte und Hofrätinnen Hon.-Prof. Dr. Sailer, Dr. Lovrek, Dr. Jensik und Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei V***** AG, *****, vertreten durch Dr. Max Pichler, Rechtsanwalt in Wien, gegen die verpflichtete Partei Dieter M*****, vertreten durch Dr. Peter Gatternig und Mag. Karl Gatternig, Rechtsanwälte in Wien, wegen 30.000 EUR sA, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der betreibenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Krems an der Donau als Rekursgericht vom 2. Februar 2009, GZ 1 R 241/08h-10, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Krems an der Donau vom 26. August 2008, GZ 4 E 3346/08p-7, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Exekutionssache wird an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind wie weitere Kosten des Verfahrens erster Instanz zu behandeln.

Text

Begründung:

Das Erstgericht bewilligte der betreibenden Partei zur Hereinbringung einer vollstreckbaren Forderung von 30.000 EUR sA die Zwangsverwaltung einer Liegenschaft des Verpflichteten. Noch vor Bestellung eines Zwangsverwalters beantragte der Verpflichtete die Einstellung der Exekution sowohl nach § 39 Abs 1 Z 8 als auch nach § 129 EO. Das Haus auf der Liegenschaft befinde sich zu einem wesentlichen Teil noch im Rohbau, die andern Teile könnten wegen eines Wasserrohrbruchs nicht benützt werden. Es könnten mit Zwangsverwaltung weder die bisherigen Kosten einbringlich gemacht werden, noch bestehe auch nur im Entferntesten die Möglichkeit die Kosten der Zwangsverwaltung und innerhalb eines Jahres 25 % der laufenden Zinsen des betriebenen Kapitals abzudecken. Es bestünden fünf gegenüber dem der betreibenden Partei vorrangige Pfandrechte. Schon mehrfach habe sich im Zwangsversteigerungsverfahren kein Bieter gefunden.

Die betreibende Partei sprach sich gegen die Einstellung aus. Der Verpflichtete habe die Liegenschaft noch vor Kurzem bewohnt. Für die Beurteilung, ob ein die derzeitigen Exekutionskosten von 985,96 EUR übersteigender Ertrag erzielt werden könne, bedürfe es des Einschreitens eines Zwangsverwalters aus dem Immobilienfach. Bevorrangte öffentliche Lasten und Hypothekarforderungen wären nur über rechtzeitige Anmeldung zu berücksichtigen; es wäre auch egal, ob ein künftiger Exekutionserlös ihr oder einem anderen Gläubiger zufließen würde.

Das Erstgericht wies den Antrag ab. Aus den vom Verpflichteten zum Nachweis seines Vorbringens angeführten Akten sei ein auf der Hand liegender Einstellungsgrund nicht abzuleiten. Ein aktueller Zustand der Liegenschaft gehe daraus nicht hervor. Es ergebe sich nur, dass sich auf der Liegenschaft ein Rohbau befinde und ein Wasserschaden bestanden habe. Dies allein könne aber nicht zur Einstellung nach § 129 EO führen, bevor ein sachverständiger Verwalter alle Ertragsmöglichkeiten ausgelotet habe.

Das Gericht zweiter Instanz gab dem Rekurs des Verpflichteten gegen diese Entscheidung Folge und stellte in deren Abänderung die Exekution - unter Aberkennung der Kosten - ein. Es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Auf das Verfahren fänden schon die Bestimmungen der EO idF der EO-Nov 2008 (BGBl 2008/37) Anwendung. Eine Verweisung auf den Rechtsweg sei nach § 39 EO nicht vorgesehen, was auch für die beantragte Einstellung nach § 129 EO zu gelten habe. Dass die in § 129 Abs 3 EO verlangte Einvernahme des Zwangsverwalters unterblieben sei, bedeute noch keinen Verfahrensmangel, weil das begrifflich voraussetze, dass - anders als im vorliegenden Fall - schon ein solcher bestellt wurde.

Aus den vom Verpflichteten ohne nähere Spezifizierung zum Beweis angebotenen Gerichtsakten ergebe sich nur, dass am 15. November 2004 ein Teil des Hauses bewohnt worden und ein weiterer als Rohbau vorhanden gewesen sei.

Das erstinstanzliche Verfahren sei mangelhaft geblieben, weil das Erstgericht weder den beantragten Lokalaugenschein durchgeführt noch sich eines Sachverständigen bedient habe, als welcher auch der zu bestellende Verwalter anzusehen sei.

Die Zwangsverwaltung könne dann nicht mehr fortgeführt werden, wenn hiedurch die betriebene Forderung an Kapital und Zinsen überhaupt nicht oder jedenfalls nicht innerhalb eines Jahres vermindert werden könne (§ 129 Abs 2 zweiter Fall EO). Der Einstellungsgrund stimme weitgehend mit dem des § 39 Abs 1 Z 8 EO überein, dass ein die Exekutionskosten übersteigender Ertrag nicht zu erwarten sei. Im Anschluss an Angst (in Angst², EO § 129 Rz 5) müsse bezweifelt werden, dass § 39 Abs 1 Z 8 EO auch im Zwangsverwaltungsverfahren angewendet werden dürfe, weil dies dem Grundsatz „lex specialis derogat legi generali" widerspreche. Die EO-Nov 2008 habe Klarstellungen zum Zeitraum gebracht, in welchem Zeitraum die Erträgnisse entstehen müssten, sowie zur notwendigen Deckung im Zinsenbereich. Es müssten auch neben dem möglichen Ertrag die Auslagen nach § 120 Abs 2 EO ermittelt werden. Es sei ua auch darauf Bedacht zu nehmen, dass Erträgnisse zunächst zur Tilgung der „Annuitäten" vorrangiger Buchberechtigter zu verwenden seien. Nach § 39 Abs 1 Z 8 EO sei dagegen nicht entscheidend, wem der Erlös zufließe.

Aus dem Grundbuch ergäben sich jährliche Zinsen zu C-LNR 8 - 10 von insgesamt 31.135,93 EUR; es sei offenkundig auszuschließen, dass dieser Betrag aus den Erträgnissen der Liegenschaft hereingebracht werde. Dazu kämen noch die öffentlichen Abgaben. Das zu deckende Viertel der Zinsen der betriebenen Forderung läge bei 1.148,07 EUR, für das höhere Pfandrecht C-LNR 11 aber bei 1.301,64 EUR.

Der Revisionsrekurs sei nicht zulässig, weil eine Einzelfallentscheidung vorliege, die den Tatsachenbereich betreffe.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs der betreibenden Partei ist aus Gründen der Rechtssicherheit (§ 78 EO iVm § 528 Abs 1 ZPO) zulässig und auch im Sinne des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags berechtigt.

Zutreffend macht die betreibende Partei geltend, dass sich aus dem reinen Grundbuchstand eine Prognose über das Ausmaß der vorrangigen „während der Zwangsverwaltung fällig werdenden oder aus dem letzten Jahr vor Bewilligung der Zwangsverwaltung rückständigen Zinsen ... aus Forderungen und Rechten, die auf der Liegenschaft sichergestellt sind" iSd § 124 Z 3 EO nicht erstellen lässt. Dieses Vorgehen steht auch im Gegensatz zu den Erwägungen jener Entscheidungen, wonach mangels Anmeldung zur Verteilung in der Zwangsversteigerung nur aus dem Grundbuch ersichtliche Kapitalien, nicht aber - ungeachtet der Einverleibung - Zinsen zugewiesen werden (s die von Angst in Angst, EO² § 210 Rz 6 und 7a zitierte stRsp, die der Autor aaO Rz 7 f sogar insoweit ablehnt, als seiner Ansicht nach auch die Kapitalbeträge mangels Anmeldung nicht zu berücksichtigen seien).

Dazu kommt aber auch noch, dass es - schon mangels geeigneter Sachverhaltsgrundlage - an jeglichen Feststellungen über den konkret zu erwartenden Ertrag einer Zwangsverwaltung der Liegenschaft des Verpflichteten mangelt. Demnach kann der Einschätzung, es sei „offenkundig", dass nicht einmal ein Viertel der laufenden Zinsen der betriebenen Forderung gedeckt würden, nicht gefolgt werden.

Wie das Rekursgericht an anderer Stelle ohnehin richtig sieht, bedarf es vor einer Beurteilung der Voraussetzungen des § 129 Abs 2 zweiter Fall EO und entsprechender Erhebungen und - vor einer neuerlichen Entscheidung nach § 129 Abs 3 EO - einer Einvernahme des Verwalters, jedenfalls für den Fall, dass bis dahin schon einer bestellt wurde.

Das von der betreibenden Partei behauptete Abweichen der zweiten Instanz von gefestigter „Lehre und" Rechtsprechung zu § 39 Abs 1 Z 8 EO kann dieser schon begrifflich nicht vorgeworfen werden, beruht doch ihre Entscheidung zufolge Anwendung des Spezialitätsgrundsatzes (letztlich unbezweifelbar) allein auf § 129 Abs 2 zweiter Fall EO idF der EO-Nov 2008. Die novellierte Fassung ist im vorliegenden Verfahren anzuwenden, weil der Exekutionsantrag am 13. Juni 2008, demnach nach dem 29. Februar 2008 beim Erstgericht einlangte (§ 410 Abs 3 EO). Da keine der Vorinstanzen von nicht einmal die Kosten des Exekutionsverfahrens deckenden Erträgnissen ausging, bedarf es keiner Stellungnahme zur (im Revisionsrekurs auch gar nicht ausdrücklich kritisierten) Rechtsansicht der zweiten Instanz, wonach § 39 Abs 1 Z 8 EO in der Zwangsverwaltung nicht anzuwenden sei.

Entgegen der Ansicht der Revisionsrekurswerberin ist dem Rekursgericht darin zuzustimmen, dass es nach § 129 Abs 2 zweiter Fall EO nicht darauf ankommen kann, ob irgendeinem bevorrangten Gläubiger ein Ertrag aus der Zwangsverwaltung in dem dort genannten Ausmaß zufließt. Vielmehr geht es um die Befriedigung der exekutiv betriebenen Forderung des (und zwar bei mehreren betreibenden Parteien des führenden) betreibenden Gläubigers und deren Zinsen, wie sich aus dem Gesetzestext (arg „des betriebenen Kapitals") eindeutig ergibt (Angst in Angst², EO § 129 Rz 5 und 7). Somit gilt:

Die Zwangsverwaltung kann schon dann nach § 129 Abs 2 zweiter Fall EO eingestellt werden, wenn aus den tatsächlichen oder zu erwartenden Erträgnissen bei der Verteilung der (führende) betreibende Gläubiger nach den Zuweisungen an vorrangige, etwa an die auf der Liegenschaft sichergestellten, Gläubiger voraussichtlich weniger als 25 % der jährlichen Zinsen der betriebenen Forderung erhalten könnte.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 78 EO iVm § 52 ZPO.

Textnummer

E90496

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0030OB00047.09X.0325.000

Im RIS seit

24.04.2009

Zuletzt aktualisiert am

19.09.2012
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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