Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AuslBG §2 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Flendrovsky, über die Beschwerde der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales (nunmehr Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit), gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 7. Juli 1998, Zl. UVS- 07/A/04/00454/98, betreffend Einstellung eines Verwaltungsstrafverfahrens wegen Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (mitbeteiligte Partei: K in W), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Mit Straferkenntnis des Magistrats der Stadt Wien vom 23. April 1998 wurde der Mitbeteiligte einer Verwaltungsübertretung nach § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) dahingehend schuldig erkannt, er habe als handelsrechtlicher Geschäftsführer der S Baugesellschaft m.b.H. zu verantworten, dass diese Gesellschaft als Arbeitgeber am 21. Jänner 1998 auf einer näher bezeichneten Baustelle den Ausländer K (das ist der Mitbeteiligte selbst) ohne die erforderlichen arbeitsmarktbehördlichen Genehmigungen als Bauarbeiter beschäftigt habe. Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über den Mitbeteiligten einen Geldstrafe von S 30.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 6 Tage) und ein Beitrag zu den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens von S 3.000,-- verhängt.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 7. Juli 1998 wurde der Berufung des Mitbeteiligten Folge gegeben, das erstinstanzliche Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 2 VStG eingestellt.
Zur Begründung dieser Verfahrenseinstellung führte die belangte Behörde nach Darlegung des Verfahrensverlaufes und der maßgebenden Rechtslage im Wesentlichen aus, für Minderheitsgesellschafter einer Gesellschaft m.b.H. mit einem Geschäftsanteil von weniger als 25 Prozent gelte hinsichtlich von für Dienstverhältnisse typischen Tätigkeiten die gesetzliche Vermutung des § 2 Abs. 4 AuslBG. Diese Vermutung sei widerlegbar. Solange ein Feststellungsbescheid - aus welchen Gründen auch immer - nicht erlassen worden sei, stehe es den Strafbehörden nach Maßgabe des § 38 AVG zu, die für die Annahme einer unerlaubten Beschäftigung maßgebliche Vorfrage des Vorliegens eines wesentlichen Einflusses des Mitbeteiligten auf die Geschäftsführung der Gesellschaft selbstständig zu beurteilen. Der Mitbeteiligte sei im Tatzeitpunkt Gesellschafter der S Baugesellschaft m.b.H mit einem Geschäftsanteil von 20 Prozent und seit 26. Februar 1996 alleiniger Geschäftsführer dieser Gesellschaft gewesen. Im Gesellschaftsvertrag sei das Stimmeneinhelligkeitsprinzip festgelegt. Angesichts dieser Umstände sei nicht zweifelhaft, dass dem Mitbeteiligten auf die Geschäftsführer wesentlicher Einfluss zugekommen sei und auch weiterhin zukomme. Nach dem Schreiben der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 27. Mai 1998 bedürfe der Mitbeteiligte für die Erbringung von Arbeitsleistungen an die S Baugesellschaft m.b.H. keiner Bewilligung gemäß § 3 Abs. 1 AuslBG; es sei kein Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 2 Abs. 2 AuslBG vorgelegen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde der zuständigen Bundesministerin (vgl. Art. 131 Abs. 2 B-VG in Verbindung mit §§ 28a Abs. 1 und 34 Abs. 15 AuslBG). Sie beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.
Die beschwerdeführende Bundesministerin hält den angefochtenen Bescheid deshalb für rechtswidrig, weil § 2 Abs. 4 AuslBG die Legalität der Beschäftigung eines dieser Bestimmung unterliegenden Gesellschafters an das Vorliegen eines Feststellungsbescheides knüpfe. Der belangten Behörde komme keine Entscheidungskompetenz über das Vorliegen der Voraussetzungen der Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung zu. Vielmehr habe die belangte Behörde sich auf die Prüfung zu beschränken, ob der Ausländer der gesetzlichen Vermutung unterliege, und ob für diesen ein Feststellungsbescheid erlassen worden sei.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor, erklärte auf die Erstattung einer Gegenschrift zu verzichten und beantragte, die Beschwerde unter Zuerkennung des Vorlageaufwandes als unbegründet abzuweisen.
Die mitbeteiligte Partei hat sich trotz gebotener Gelegenheit am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Das AuslBG regelt die Beschäftigung von Ausländern im Bundesgebiet. § 2 Abs. 2 leg. cit. umschreibt den Begriff der Beschäftigung durch eine Aufzählung der darunter fallenden (Rechts-) Verhältnisse (Arbeitsverhältnis, gewisse arbeitnehmerähnliche Verhältnisse und die Überlassung von Arbeitskräften). Sodann bestimmt Abs. 4 in der hier maßgeblichen Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 314/1994, folgendes:
"(4) Für die Beurteilung, ob eine Beschäftigung im Sinne des Abs. 2 vorliegt, ist der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes maßgebend. Einen Beschäftigung im Sinne des Abs. 2 liegt insbesondere auch dann vor, wenn
1. ein Gesellschafter einer Personengesellschaft zur Erreichung des gemeinsamen Gesellschaftszweckes oder
2. ein Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit einem Geschäftsanteil von weniger als 25 % Arbeitsleistungen für die Gesellschaft erbringt, die typischerweise in einem Arbeitsverhältnis geleistet werden, es sei denn, die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice stellt auf Antrag fest, dass ein wesentlicher Einfluss auf die Geschäftsführung der Gesellschaft durch den Gesellschafter tatsächlich persönlich ausgeübt wird. Den Nachweis hiefür hat der Antragsteller zu erbringen."
Gemäß § 3 Abs. 1 AuslBG darf ein Arbeitgeber, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, einen Ausländer nur beschäftigen, wenn ihm für diesen eine Beschäftigungsbewilligung oder Entsendebewilligung erteilt oder eine Anzeigebestätigung oder eine EU-Entsendebestätigung ausgestellt wurde oder wenn der Ausländer eine für diese Beschäftigung gültige Arbeitserlaubnis oder einen Befreiungsschein besitzt.
Eine Verwaltungsübertretung gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG begeht, wer entgegen dem § 3 einen Ausländer beschäftigt, für den weder eine Beschäftigungsbewilligung (§§ 4 und 4c) erteilt noch eine Anzeigebestätigung (§ 3 Abs. 5) oder eine Arbeitserlaubnis (§ 14 a) oder ein Befreiungsschein (§§ 15 und 4c) ausgestellt wurde.
Im Beschwerdefall ist angesichts des von der belangten Behörde festgestellten Sachverhaltes nicht zweifelhaft, dass der Mitbeteiligte bezogen auf die Tatzeit wesentlichen Einfluss auf die Geschäftsführung der S Baugesellschaft m.b.H. tatsächlich persönlich ausübte und - sieht man vorerst vom Erfordernis eines Feststellungsbescheides nach § 2 Abs. 4 AuslBG ab - hinsichtlich seiner Betätigung als Geschäftsführer nach bisheriger Rechtsprechung nicht als abhängiger Arbeitnehmer dieser Gesellschaft zu qualifizieren war (vgl. hiezu auch die hg. Erkenntnisse vom 18. Februar 1988, Zl. 87/09/0267, vom 25. April 1990, Zl. 98/09/0146, und vom 4. Mai 1990, Zlen. 89/09/0152 und 0156). Dass der Mitbeteiligte (nach dem festgestellten Sachverhalt) in einem Arbeitsverhältnis verwendet wurde bzw. tätig gewesen sei, oder vorliegend zur Umgehung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes ein Gesellschaftsverhältnis nur vorgetäuscht worden sei - was mit der Vorschrift des § 2 Abs. 4 AuslBG verhindert werden soll - behauptet die beschwerdeführende Bundesministerin nicht.
Dem vom Mitbeteiligten im Berufungsverfahren vor der belangten Behörde vorgelegten Schreiben der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 27. Mai 1998 ist auch zu entnehmen, dass die Tätigkeit des Mitbeteiligten für die S Baugesellschaft mbH - nach Ansicht der genannten Landesgeschäftsstelle - keine Beschäftigung im Sinn des § 2 Abs. 2 AuslBG darstellt und deshalb für den Mitbeteiligten keine Beschäftigungsbewilligung erforderlich gewesen sei; diese Beurteilung erfolgte nach der mit Abtretungsvertrag vom 23. April 1998 vorgenommenen Erhöhung des Geschäftsanteiles des Mitbeteiligten von 20 Prozent auf 40 Prozent. Dass diese Erhöhung des Geschäftsanteiles die für die Ausübung des persönlichen Einflusses auf die Geschäftsführung durch den Mitbeteiligten wesentlichen Umstände nicht veränderte und demnach der maßgebende Lebenssachverhalt auch zur Tatzeit bereits vorlag, ist dem genannten Schreiben des Arbeitsmarktservice gleichfalls zu entnehmen.
Davon ausgehend ist allerdings nicht zweifelhaft, dass die vorliegende inkriminierte Betätigung des Mitbeteiligten, nämlich dass dieser aushilfsweise (neben seiner regelmäßigen Geschäftsführertätigkeit) am 21. Jänner 1998 auf einer Baustelle seiner Gesellschaft Aufräumarbeiten erbrachte, nach dem wahren wirtschaftlichen Gehalt des festgestellten Sachverhaltes keine Beschäftigung im Sinne des § 2 Abs. 2 AuslBG und keine Umgehung des AuslBG darstellte.
Die beschwerdeführende Bundesministerin vertritt jedoch die Auffassung, der Mitbeteiligte sei (allein) deshalb zu bestrafen, weil er bzw. die von ihm vertretene Gesellschaft keinen Feststellungsbescheid des Arbeitsmarktservice im Sinne des § 2 Abs. 4 zweiter Satz AuslBG erwirkt habe.
Der Beschwerdeführerin ist darin zuzustimmen, dass tatsächlich kein derartiger Feststellungsbescheid erlassen wurde, weil das Schreiben des Arbeitsmarktservice Wien vom 27. Mai 1998 zweifelsfrei nicht als Bescheid zu qualifizieren ist.
Die Vermutung des § 4 Abs. 2 zweiter Satz AuslBG, die mit typisierten Formalmerkmalen eine Grenze zwischen Gesellschafts- und Arbeitsverhältnis zieht, ist widerlegbar. Dass im vorliegenden Fall die Widerlegung nicht durch Erlassung eines Feststellungsbescheides (der regionalen Geschäftsstelle) des Arbeitsmarktservice erfolgte, sondern der Beschuldigte im Verwaltungsstrafverfahren initiativ Nachweise beigebracht hat, bedeutet, dass nach dem Wortlaut des § 2 Abs. 4 zweiter Satz AuslBG dennoch "eine Beschäftigung vorliegt".
Auf Grund des im § 51i VStG verankerten Unmittelbarkeitsgrundsatzes ist eine Bindung der Verwaltungsstrafbehörde (hier: an das Vorliegen eines Feststellungsbescheides) an sich problematisch und kann daher nur in engen Grenzen in Betracht kommen. Auch ist der unabhängige Verwaltungssenat nach dem im Verwaltungsstrafverfahren geltenden Grundsatz der materiellen Wahrheit grundsätzlich verpflichtet, die der Entlastung des Beschuldigten dienlichen Umstände (sowohl hinsichtlich der objektiven wie der subjektiven Tatseite) in gleicher Weise zu berücksichtigen wie belastende (vgl. Walter/Mayer, Verwaltungserfahrensrecht, siebente Auflage 1999, Rz 323 und 826 und die dort angegebene hg. Judikatur). Eine Auslegung des § 2 Abs. 4 zweiter Satz AuslBG etwa dahingehend, dass diese gesetzliche Vermutung nicht allein durch einen Feststellungsbescheid, sondern (auch) im Verwaltungsstrafverfahren widerlegbar wäre, lässt der Wortlaut dieser gesetzlichen Bestimmung jedoch nicht zu (vgl. auch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 27. Februar 1998, Zlen. G 326/97 u.a.).
Die derart durch den Gesetzgeber (des AuslBG) herbeigeführte Aporie zwischen der im Verwaltungsstrafverfahren nicht durchsetzbaren materiellen Wahrheit, nämlich dass nach dem wahren wirtschaftlichen Gehalt des festgestellten Sachverhaltes keine Beschäftigung vorlag, und der allein beachtlichen formellen Wahrheit des Gesetzeswortlautes, dass allein mangels Erlassung eines Feststellungsbescheides die gesetzliche Vermutung einer Beschäftigung besteht, bedeutet für den Beschwerdefall, dass nach dem Wortlaut des § 2 Abs. 4 zweiter Satz AuslBG in objektiver (und formaler) Hinsicht der Tatbestand des § 28 Abs. 1 Z 1 lit. a AuslBG erfüllt wurde.
Der angefochtene Bescheid, mit dem die belangte Behörde zu dem (vom Wortlaut des Gesetzes abweichenden) Ergebnis gelangte, dass keine Beschäftigung vorliege, war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.
Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde sich mit dem (im angefochtenen Bescheid aufgrund abweichender Rechtsansicht) nicht festgestellten Sachverhalt hinsichtlich der subjektive Tatseite (Schuld) des Mitbeteiligten auseinanderzusetzen haben. Sollte dabei dem Beschwerdeführer die Glaubhaftmachung seines mangelnden Verschuldens nicht gelingen, wird zu berücksichtigen sein, ob die Voraussetzungen des § 21 VStG im vorliegenden Fall in Betracht gezogen werden können, weil durch die als Formalverstoß wertbare Übertretung des AuslBG, wonach der Mitbeteiligte vor Aufnahme seiner in materieller Hinsicht keine Beschäftigung darstellende Betätigung keinen Feststellungsbescheid im Sinne des § 2 Abs. 4 AuslBG erwirkte, keine bzw. allenfalls nur unbedeutende Folgen eingetreten sind (vgl. in dieser Hinsicht sinngemäß das hg. Erkenntnis vom 21. Oktober 1998, Zl. 96/09/0163).
Wien, am 29. November 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1998090283.X00Im RIS seit
31.01.2002