TE OGH 2009/3/30 7Ob269/08x

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Veröffentlicht am 30.03.2009
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei WIEN ENERGIE Stromnetz GmbH, 1090 Wien, Mariannengasse 4-6, vertreten durch Fellner Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, und der Nebenintervenientin auf Seiten der klagenden Partei Stadt Wien, 1082 Wien, Neues Rathaus, vertreten durch Dr. Josef Milchram, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei N***** AG, *****, vertreten durch Dr. Reinhard Schanda und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 18. August 2008, GZ 2 R 33/08z-14, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 8. November 2007, GZ 19 Cg 97/07x-9, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Das von der Klägerin betriebene Verteiler(strom)netz erstreckt sich über Wien und Teilgebiete von Niederösterreich und Burgenland. Die Klägerin gewährt der Beklagten Netzzugang, der Netzanschluss befindet sich in Niederösterreich. Die Beklagte bezieht über das Verteilernetz der Klägerin von einem Dritten (bis zum 21. 12. 2003 E***** GesmbH, ein mit der Klägerin verbundenes Unternehmen, ab 1. 1. 2004 K*****) Strom. „Die Stromlieferungen an sie erfolgen auch über Wiener Gemeindegrund".

In den Allgemeinen Bedingungen der Klägerin (AGB) ist unter Punkt IX „Netznutzungsentgelt" vorgesehen, dass jeder Kunde verpflichtet ist, das nach den jeweils geltenden Systemnutzungstarifen festgelegte Netznutzungsentgelt zuzüglich allfälliger durch Gesetz oder Verordnung festgelegter Zuschläge (wie beispielsweise für erneuerbare Energien, KWK-Energien, Stranded Costs usw), Förderbeiträge oder Abgaben zu bezahlen. In Punkt XVIII „Rechnungslegung" ist geregelt, dass Einsprüche gegen die Rechnungen innerhalb von drei Monaten nach Erhalt zu erfolgen haben und dass spätere Einsprüche nur zulässig sind, wenn die Unrichtigkeiten für den Netzkunden nicht oder nur schwer feststellbar sind.

Die Systemnutzungstarife inklusive Wiener Gebrauchsabgabe nach dem Wiener Gebrauchsabgabegesetz (WGebAbgG) wurden im Amtsblatt zur Wiener Zeitung veröffentlicht. Auf Basis dieser Tarife wurden der Beklagten vom 1. 10. 2001 bis 28. 2. 2006 259.169,55 EUR an Wiener Gebrauchsabgaben vorgeschrieben, die die Klägerin im Wege der Selbstbemessung an die Nebenintervenientin abführte.

Auf Wunsch der Beklagten übermittelte die Klägerin ihre Rechnungen hinsichtlich des Netznutzungsentgelts der K*****, die dieses der Beklagten gemeinsam mit den Strombezugsentgelten in Rechnung stellte. Die K***** leitete die ihr bezahlten Netznutzungsentgelte an die Klägerin weiter. Der Rechnung Dezember 2005, die der Beklagten im Februar 2006 zukam, war erstmals aus einer Aufstellung die Gebrauchsabgabe ziffernmäßig zu entnehmen. Die Beklagte erhob gegen die Rechnungen keinen Einspruch. Sie hatte gegen die Bezahlung der Gebrauchsabgabe zunächst keine Bedenken, sondern wurde erst durch Mitteilungen der Niederösterreichischen Handelskammer im November 2006, dass diese die Vorschreibung von Wiener Gebrauchsabgaben an niederösterreichische Kunden für unzulässig erachte, darauf aufmerksam, dass die Vorschreibung problematisch sein könnte.

Die Beklagte bezahlte auch seit 1. 1. 2006 keine Gebrauchsabgabe „in Niederösterreich", weil ihr Netznutzungsentgelt nach dem „Wiener Tarif" berechnet wurde.

Die Beklagte beantragte bei der Energie-Control Kommission (ECK) am 15. 12. 2006, die Klägerin schuldig zu erkennen, ihr die vorgeschriebenen Wiener Gebrauchsabgaben im Betrag von 259.169,55 EUR zurückzuzahlen. Mit Bescheid vom 10. 5. 2007 erkannte die ECK im Sinn des Antrags.

Die Klägerin erhebt nun die Klage auf Feststellung, dass der von der Beklagten geltend gemachte Anspruch auf Rückzahlung der Wiener Gebrauchsabgaben für den Zeitraum vom 1. 10. 2001 bis 28. 2. 2006 nicht zu Recht bestehe. Der von der Beklagten in Niederösterreich bezogene Strom fließe durch die Leitungen des gesamten Netzes der Klägerin, das hauptsächlich in Wien gelegen sei. Für das im Wiener Boden liegende Netz - auch alle Einrichtungen für die Steuerung und für die Betriebsführung seien in Wien - müsse die Klägerin nach dem WGebAbgG Gebrauchsabgaben entrichten. Die Beklagte selbst sei gemäß § 9 Abs 4a Satz 2 WGebAbgG Solidarschuldnerin mit der Klägerin. Die Klägerin sei zudem nach § 29 Abs 3 Wiener Elektrizitätswirtschaftsgesetz (WElWG) 2003 bzw § 30 WElWG 2005 zur Überrechnung an den Endverbraucher verpflichtet. Da der Abgabentatbestand durch das Netz sowohl in Wien als auch in Niederösterreich verwirklicht sei, würden Gebrauchsabgaben in beiden Ländern fällig und könnten zulässigerweise weiterverrechnet werden. § 25 Abs 1 ElWOG schließe nicht aus, dass der Netzkunde zusätzlich zum Netznutzungsentgelt Abgaben trage, weil Zuschläge wie die vom Netzbetreiber zu leistende Gebrauchsabgabe vom Systemnutzungsentgelt nicht erfasst seien. Es entspreche dem Gleichbehandlungsgebot, dass auch die Beklagte diese Gebrauchsabgabe bezahle. Die Klägerin habe mit ihren Kunden zumindest schlüssig einen Vertrag über die Nutzung des Netzes abgeschlossen, wobei die AGB der Klägerin, die im Amtsblatt der Wiener Zeitung bekannt gemacht worden seien, aufgrund sowohl der Vereinbarung als auch der Anordnung im Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz (ElWOG) und der dazu erlassenen landesgesetzlichen (Wiener und Niederösterreichischen) Vorschriften, Geltung hätten. Die Beklagte habe die von der Klägerin gelegten Rechnungen nie beeinsprucht, diese immer vorbehaltlos bezahlt und sie somit nach den AGB konstitutiv anerkannt. Die Klägerin sei nicht passiv legitimiert, weil die Gebrauchsabgabe an die K***** geleistet worden sei. Der Kondiktionsanspruch verjähre innerhalb von drei Jahren. Da dieser erstmals am 15. 12. 2006 von der Beklagten behördlich geltend gemacht worden sei, seien Rückforderungsansprüche bis 15. 12. 2003 verjährt.

Die Nebenintervenientin schloss sich im Wesentlichen dem Vorbringen der Klägerin an.

Die Beklagte beantragt die Klagsabweisung. Es bestehe keine vertragliche Pflicht zur Refundierung der Gebrauchsabgabe, weil es sich hiebei nicht um einen durch Gesetz oder Verordnung festgelegten Zuschlag zum Strompreis im Sinn der AGB handle. Seit 1. 1. 2006 unterliege die Benützung von öffentlichem Grund auch in Niederösterreich einer Gebrauchsabgabe, sodass der Netzkunde bei anderer Vertragsauslegung doppelt belastet wäre. Da die Beklagte nicht in Wien Strom beziehe, sei sie nicht Abgabenschuldnerin. Die von ihr an die Klägerin entrichteten Entgelte seien auch nicht Einnahmen im Sinn des Tarifes C, Post 1 WGebAbgG. Dass der Strom, den die Beklagte beziehe, auch durch das Wiener Netz fließe, stelle keine Benützungshandlung der Beklagten im Sinn des Gesetzes dar. Die Gebrauchsabgabe sei nicht in § 25 ElWOG aufgezählt und könne nicht als zusätzliches Entgelt zum Systemnutzungstarif vorgeschrieben werden. Eine Genehmigung der Rechnungen sei nicht erfolgt, weil einerseits nicht leicht erkennbar gewesen sei, dass Gebrauchsabgaben im Entgelt enthalten gewesen seien und andererseits, dass diese nicht zu Recht vorgeschrieben worden seien. Die verrechneten Gebrauchsabgaben überstiegen die im Tarif C, Post 1 WGebAbgG genannten 6 % der Einnahmen teilweise erheblich.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. § 25 ElWOG sehe die Gestaltung der Systemnutzungstarife als Festpreise vor, deren Bestimmung durch die ECK mittels Verordnung oder Bescheid erfolge. Die Klägerin und ihr Netz seien durch das ElWOG dem Bundesland Wien zugeordnet, sodass die Wiener Ausführungsgesetze auch auf Kunden mit Zugang zum Netz der Klägerin in Niederösterreich anzuwenden seien. Die darin vorgesehene Weiterverrechnung der Abgabe nach dem WGebAbgG zusätzlich zu den Systemnutzungstarifen korrespondiere mit den AGB der Klägerin. Die Verpflichtung der Klägerin zur Abführung der Wiener Gebrauchsabgabe erfolge ungeachtet des Sitzes des Kunden daraus, dass sie Einrichtungen auf dem Gemeindegebiet von Wien verwende. Abführung und Überwälzung der Wiener Gebrauchsabgabe durch die Klägerin erfolge daher gesetzmäßig. Die Beklagte habe auf Einsprüche gegen die Rechnungshöhe nicht verzichtet, weil den Vorschreibungen nicht ausdrücklich zu entnehmen gewesen sei, dass sie Wiener Gebrauchsabgaben berücksichtigten. Ganz abgesehen davon sei die gesetzliche bzw vertragliche Zulässigkeit der Überwälzung der Gebrauchsabgabe für den Kunden nicht leicht zu beurteilen.

Das Berufungsgericht bestätigte das angefochtene Urteil. Die Klägerin verwende öffentlichen Grund der Nebenintervenientin zum Transport von Strom und werde daher nach den Bestimmungen des WGebAbgG abgabenpflichtig. Für diese Abgabenpflicht müsse es gleichgültig sein, ob der Strom letztlich in Wien oder erst nach der Benutzung des gesamten Wiener Netzes in Niederösterreich entnommen werde, werde doch in beiden Fällen (im zweiten Fall sogar im größeren Ausmaß) öffentlicher Grund der Nebenintervenientin in Anspruch genommen. Eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes sei nicht zu ersehen, weil die Gebrauchsabgabe nach dem WGebAbgG von jedem zu zahlen sei, der als Träger einer Gebrauchserlaubnis öffentlichen Grund der Nebenintervenientin benütze. Unterschiedliche Regelungen in den Gesetzen verschiedener Bundesländer seien eine Konsequenz des Föderalismus und kein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz. Die Klägerin sei auch berechtigt gewesen, die Gebrauchsabgabe an die Beklagte weiterzuverrechnen. Die AGB der Klägerin seien sowohl nach den Bestimmungen des NÖElWG als auch des WElWG anzuwenden. Dass die Beklagte binnen acht Wochen ab Veröffentlichung im Sinn des NÖElWG einen Einspruch erhoben hätte, sei von ihr nicht behauptet worden. Nach Art IX AGB sei die Gebrauchsabgabe von der Beklagten zu ersetzen. Das WGebAbgG differenziere nicht nach dem Sitz der Kunden. Ein Zusammenhang mit der Gebrauchserlaubnis sei zu erkennen, zumal die Klägerin in Niederösterreich ihre Leistungen ohne Nutzung des Wiener Gemeindegebiets nicht hätte erbringen können. Nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofs halte der Systemnutzungstarif nur einer Überprüfung stand, wenn der Klägerin der mit der Gebrauchsabgabe verbundene Kostenfaktor abgegolten werde. Dem trügen die Bestimmungen der §§ 29 bzw 30 WElWG 2001 bzw 2005 Rechnung.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil oberstgerichtliche Rechtsprechung „zur gegenständlichen Problematik" fehle und eine Vielzahl von Rechtsverhältnissen davon betroffen sei.

Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten mit einem Abänderungsantrag.

Die Klägerin und die Nebenintervenientin beantragen, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, sie ist auch im Sinne eines - in jedem Abänderungsantrag enthaltenen - Aufhebungsantrags berechtigt.

Vorweg ist auszuführen, dass - abgesehen von Streitigkeiten über die Rechtmäßigkeit der Verweigerung des Netzzugangs - in den Streitigkeiten zwischen Netzzugangsberechtigten und Netzbetreibern über die aus diesem Verhältnis entspringenden Verpflichtungen, insbesondere die anzuwendenden Bedingungen und Netznutzungstarife, die Gerichte entscheiden. Eine Klage eines Netzzugangsberechtigten kann erst nach Zustellung des Bescheids der ECK im Streitschlichtungsverfahren gemäß § 16 Abs 1 Z 5 E-RBG eingebracht werden (§ 21 Abs 2 ElWOG). Der vorliegende Rechtsstreit ist also nach der Entscheidung der ECK von Gerichten zu entscheiden (RIS-Justiz RS0118326).

Das WElWG, das in seinem § 30 eine Überwälzung der Gebrauchsabgabe auf den Endverbraucher vorsieht, kann als Landesgesetz aufgrund des Territoritalitätsprinzips nur in Wien gelten. Es beantwortet auch nicht die Frage, ob überhaupt eine Gebrauchsabgabepflicht nach dem WGebAbgG besteht. Von zentraler Bedeutung ist hier daher die Beurteilung der verwaltungsrechtlichen Vorfrage, ob in der Netznutzung durch die Beklagte, die ihren Netzanschluss in Niederösterreich hat, ein Vorgang liegt, der nach dem WGebAbgG abgabepflichtig ist.

Für den Gebrauch von öffentlichem Grund in der Gemeinde, der als Verkehrsfläche dem öffentlichen Verkehr dient, samt den dazugehörigen Anlagen und Grünstreifen einschließlich seines Untergrunds und des darüber befindlichen Luftraums ist vorher eine Gebrauchserlaubnis zu erwirken, wenn die Art des Gebrauchs im angeschlossenen Tarif (Sondernutzung) angegeben ist (§ 1 Abs 1 WGebAbgG). Im Tarif C Post 1 ist die ausgedehntere Inanspruchnahme von Grundstücken zB bei Schienenbahnen, Freileitungen, unterirdischen Einbauten, wie Rohr- oder Kanalleitungen, notwendigen Hilfseinrichtungen und dergleichen als Sondernutzung vorgesehen. Wenn der Erlaubnisträger eine Einrichtung, die Gegenstand einer Gebrauchserlaubnis nach Tarif C, Post 1 ist, einer anderen Person zum Gebrauch überlässt, so gilt auch diese Person für die Dauer der Überlassung als Erlaubnisträger (§ 3 Abs 3 WGebAbgG). Der Träger einer Gebrauchserlaubnis für öffentlichen Grund gemäß § 1 leg cit hat eine Gebrauchsabgabe zu entrichten (§ 9 Abs 1 WGebAbgG). Besteht eine gesetzliche Verpflichtung zur Überlassung einer Einrichtung, die Gegenstand der Gebrauchserlaubnis nach Tarif C, Post 1 ist, ist derjenige, der mittels der überlassenen Einrichtung Lieferungen und Leistungen erhält, hinsichtlich der an ihn erbrachten Lieferungen und Leistungen Gesamtschuldner (§ 9 Abs 4a WgebAbgG). Gemäß § 10 Abs 1 WGebAbgG werden die Gebrauchsabgaben in zwei Formen erhoben, nämlich (lit a) als bescheidmäßig festzusetzende Abgabe und (lit b) als Selbstbemessungsabgabe in Hundertsätzen von allen Einnahmen, die im Zusammenhang mit der Gebrauchserlaubnis erzielt werden, unter Ausschluss der Umsatzsteuer, die nicht zur Bemessungsgrundlage gehört. Form und Höhe der Gebrauchsabgabe richtet sich nach dem angeschlossenen, einen Bestandteil dieses Gesetzes bildenden Tarif (§ 10 Abs 2 WgebAbgG). Nach Tarif C bestehen die Selbstbemessungsabgaben in Hundertsätzen von allen Einnahmen, die im Zusammenhang mit der Gebrauchserlaubnis erzielt werden, unter Ausschluss der Umsatzsteuer, nach Post 1 für Unternehmen, zu deren bestimmungsgemäßer Betriebsführung eine ausgedehntere Inanspruchnahme von Grundstücken erforderlich ist (zB bei Schienenbahnen, Freileitungen, unterirdischen Einbauten wie Rohr- oder Kanalleitungen und notwendigen Hilfseinrichtungen und dergleichen), in der Höhe von 6 vH der Einnahmen.

Die Gemeinden im Land Niederösterreich sind durch § 9 Niederösterreichisches Gebrauchsabgabegesetz ermächtigt, für den über den widmungsgemäßen Zweck hinausgehenden Gebrauch von öffentlichem Grund durch Verordnung des Gemeinderats eine Gebrauchsabgabe zu erheben, seit 1. 1. 2006 nach Tarif Teil B eine Jahresabgabe für ober- oder unterirdische Draht-, Kabel- oder sonstige Leitungssysteme je begonnenen hundert Längenmetern, höchstens 25,40 EUR.

Abgaben für den Gebrauch von öffentlichem Grund in den Gemeinden und des darüber befindlichen Luftraums sind ausschließliche Gemeindeabgaben (§ 14 Abs 1 Z 12 FAG). Sie finden ihre verfassungsrechtliche Grundlage in Art 8 Abs 5 F-VG, wonach die Landesgesetzgebung Gemeinden ermächtigen kann, bestimmte Abgaben aufgrund eines Beschlusses der Gemeindevertretung zu erheben (Pichler in FS Funk 2003, Norm und Normvorstellung, „Die Gebrauchsabgabe im liberalisierten Energiemarkt", 358).

Der Verfassungsgerichtshof hat bereits wiederholt ausgesprochen, dass die Gebrauchsabgabe für den Gebrauch von öffentlichem Grund den Charakter einer Gegenleistung für die Gebrauchserlaubnis habe. Der Wert der Gebrauchserlaubnis lasse sich keineswegs nach Art des Aufwands für eine Einrichtung oder Anlage ermitteln. Vielmehr könne die Höhe der Gebrauchsabgabe vom Gesetzgeber ähnlich frei festgesetzt werden wie ein Entgelt für die Benutzung einer Sache von den Vertragsparteien. Die Verfassung setze dem Gesetzgeber keinen - dem gebührenrechtlichen Äquivalenzprinzip entsprechenden - festen Rahmen, sondern nur äußerste Grenzen. Die Gebrauchsabgabe dürfe nicht völlig außerhalb jeden Verhältnisses zum jeweils wirtschaftlichen Wert des erlaubten Gebrauchs stehen (VfGH Erk vom 3. 3. 2007, G 152/06 ua; Erk vom 4. 10. 1986, B 112/85 ua; Erk vom 7. 12. 1984, B 43/83; Erk vom 17. 6. 1985, B 513/83). Demnach sind die Einnahmen nicht Abgabengegenstand (das ist die Benützung des öffentlichen Bodens), sondern nur Bemessungsgrundlage für die Höhe der Gebrauchsabgabe (vgl VfGH Erk vom 17. 6. 1985, B 513/83). Weiters hat der Verfassungsgerichtshof bereits mehrfach dargelegt, dass unter dem Aspekt des Gleichheitsgrundsatzes die öffentlich-rechtlichen Entgelte für die Benützung des öffentlichen Gemeindegrunds genauso wie privatrechtlich vereinbartes Entgelt für die Benützung fremden Grund und Bodens als Kosten des Netzbetriebs anzuerkennen seien, soweit der Gebrauchsabgabe Entgeltcharakter zukomme (VfGH Erk vom 27. 9. 2008, V 354/08; Erk vom 11. 3. 2006, V 136/03 ua, B 1162/04; Erk vom 12. 6. 2008, G 11/08, V 301/08 ua).

Soweit überblickbar hat sich der Verfassungsgerichtshof mit einem Fall wie dem vorliegenden bisher noch nicht befasst. Fraglich ist nämlich nicht, ob überhaupt eine Gebrauchsabgabe anfällt, sondern welches Landesgesetz als Grundlage für Gebrauchsabgabebestimmungen anzuwenden ist. Aus dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 3. 3. 2007, G 152/06 ua, kann für den vorliegenden Sachverhalt nichts gewonnen werden, geht es doch darin um die Versorgung von Abnehmern im Gemeindegebiet durch das Leitungsnetz im Gemeindegebiet und daher nicht um den hier gegebenen Sonderfall eines länderübergreifenden Stromnetzes eines Betreibers.

Soweit ersichtlich hat sich auch der Verwaltungsgerichtshof mit keinem vergleichbaren Fall befasst.

Das WGebAbgG legt also mit der Gebrauchsabgabe das Entgelt für den Gebrauch von öffentlichem Grund fest und bestimmt als Bemessungsgrundlage alle Einnahmen im Zusammenhang mit der Gebrauchserlaubnis. Es stellt im Gegensatz etwa zu dem oberösterreichischen Gebrauchsabgabengesetz (vgl Pichler, aaO 360) nicht ausdrücklich auf Einnahmen nur im Gemeindegebiet ab. Pauer/Wurz, Wiener Abgabenrecht, vertreten in ihrem Kurzkommentar zu Tarif C WGebAbgG die Ansicht, dass sich die Abgabe für den Netzbetreiber von allen in Wien erzielten Einnahmen bemesse. Die Abgabe für den Lieferanten bemesse sich von allen für die Lieferung elektrischer Energie an Wiener Abnehmer erzielten Einnahmen. Nach Würthinger, Systemnutzungstarife für Elektrizitätsnetze 81, werden in jenen Ländern, in denen die Abgabe auch oder lediglich (bestimmten) gemeindeeigenen Unternehmen auferlegt ist, die im Gemeindegebiet erzielten Einnahmen des Unternehmens als Bemessungsgrundlage für die Gebrauchsabgabe herangezogen. Den vorliegenden Fall behandeln die Autoren nicht.

Zur Beantwortung der von den Parteien aufgeworfenen Frage, ob nach dem Tarif C, Post 1 WGebAbgG alle Einnahmen der Klägerin erfasst sind oder nur die im Gemeindegebiet von Wien selbst erzielten, kann - im Gegensatz zu der von der Beklagten vertretenen Ansicht - nicht auf die für Verbrauchsabgaben, wie zB Getränkesteuer, geltenden Grundsätze zurückgegriffen werden. Für die Verbrauchsabgaben ist nämlich in § 8 Abs 4 F-VG geregelt, dass es unzulässig ist, den Verbrauch auch außerhalb des Geltungsgebiets der Abgabe zu erfassen. Die Gebrauchsabgabe ist aber keine Verbrauchsabgabe, sondern - wie bereits dargelegt - das öffentlich-rechtliche Entgelt für die Benutzung des Gemeindegrundes. Abgesehen davon legt die Höhe der Einnahmen nicht den Abgabengegenstand (Gebrauch des öffentlichen Grundes), sondern nur die Höhe der Abgabe (Bemessungsgrundlage) fest. Insoferne käme es, wenn man die Benützung des öffentlichen Grundes in Wien (direkt durch die Klägerin bzw durch Überlassung der Einrichtungen zum Gebrauch an die Beklagte) im Hinblick auf den Netzzugang der Beklagten in Niederösterreich bejahte, nicht auf den Sitz der Beklagten an, um eine Gebrauchsabgabeverpflichtung zu begründen. Sie entstünde wegen der Erlaubnis, den öffentlichen Grund in Wien in Anspruch zu nehmen. Das Landesgesetz wirkt insofern nicht über Wien hinaus. Erst wenn eine Abgabepflicht zu bejahen wäre, käme es auf die Beurteilung der Höhe der Einnahmen an.

Soweit ersichtlich nimmt im Schrifttum nur Pichler aaO 368, zum vorliegenden Rechtsproblem Stellung. Seiner Ansicht nach erscheine die Vorgangsweise der Klägerin, bei der Verrechnung der Gebrauchsabgabe zwischen den Kunden in Wien und in Niederösterreich nicht zu differenzieren, vor dem Hintergrund, dass nach dem NÖGebAbgG der Gebrauch von öffentlichem Grund durch Stromleitungen von der Gebrauchsabgabe befreit sei, als nicht zulässig. Eine weitere Begründung wird nicht gegeben.

Um das Vorliegen einer Abgabepflicht nach dem WGebAbgG beurteilen zu können, wenn ein Endverbraucher (nach § 7 Z 9 ElWOG ein Verbraucher, der Elektrizität für den Eigenverbrauch kauft) einen Netzanschluss (das ist nach § 7 Z 25 ElWOG die physische Verbindung der Anlage eines Kunden oder Erzeugers von elektrischer Energie mit dem Netzsystem) an das Verteilernetz der Klägerin in Niederösterreich hat, muss zunächst auf die Grundlagen des Stromversorgungssystems eingegangen werden.

Die Sonderstellung der Rechtsvorgängerinnen der Klägerin und nun der Klägerin, zur Stromversorgung nicht nur innerhalb der Landes(Gemeinde)grenzen von Wien, sondern auch in Teilen Niederösterreichs und Burgenlands berechtigt zu sein, hat historische Gründe (vgl Mayer, Rechtliche Aspekte landesübergreifender Stromversorgung, 16 ff zum Vertrag von 1941 in Bezug auf Niederösterreich).

Am 1. 10. 2001 wurde der Strommarkt in Österreich vollständig liberalisiert. Dies bedeutet, dass sich der Kunde in Österreich seinen Stromlieferanten wählen darf und in dieser Hinsicht nicht mehr an den regionalen Anbieter gebunden ist (Pichler aaO 357). Die Liberalisierung der Elektrizitätswirtschaft hat einen freien Wettbewerb in der Elektrizitätserzeugung und im Elektrizitätshandel zum Ziel. Dagegen ist der Netzbetrieb nach verbreiteter Auffassung ein natürliches Monopol und als solches der Liberalisierung nicht zugänglich (Würthinger aaO 62). Grundlage des Systems ist die Entflechtung von Erzeugung und Stromhandel, Verteilung und Übertragung der Elektrizität sowie die Trennung der physikalischen Energieflüsse von den verrechnungstechnischen (Veigl in Nowotny/Parak/Scheucher, Praxishandbuch Energiewirtschaft, 29). Dies bedeutet, dass der Kunde zur Sicherung seines Strombezugs sowohl einen Stromlieferungsvertrag (Kaufvertrag über die tatsächlich in Anspruch genommene Strommenge) als auch einen Netznutzungsvertrag mit einem Netzbetreiber abschließt.

Netzbetreiber sind durch die Ausführungsgesetze zu verpflichten, Netzzugangsberechtigten den Netzzugang zu den genehmigten Allgemeinen Bedingungen und bestimmten Systemnutzungstarifen zu gewähren (§ 15 ElWOG). Der Netzzugang ist die Nutzung eines Netzsystems durch Kunden oder Erzeuger (§ 7 Z 30 ElWOG). Der Netzzugangsvertrag ist die individuelle Vereinbarung zwischen dem Netzzugangsberechtigten und einem Netzbetreiber, der den Netzanschluss und die Inanspruchnahme des Netzes regelt (§ 7 Z 32 ElWOG). Ein Netzbereich ist jener Teil eines Netzes, für dessen Benutzung dieselben Preisansätze gelten. (§ 7 Z 27 ElWOG). Die Landesgesetze haben den Netzbetreibern gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen im Allgemeininteresse aufzuerlegen, unter anderem die diskriminierungsfreie Behandlung aller Kunden eines Netzes (§ 4 Abs 1 Z 1 ElWOG). Auch die Bedingungen für den Zugang zum System dürfen nicht diskriminierend sein (§ 18 Abs 1 ElWOG). § 25 ElWOG enthält Regelungen für die Systemnutzungstarife für den Netzzugangsvertrag. Die Systemnutzungstarife sind nach § 25 Abs 2 ElWOG einerseits kostenorientiert zu bestimmen und haben dem Grundsatz der Kostenwahrheit zu entsprechen, andererseits sind sie einheitlich zu gestalten und haben bei der Bestimmung der Preise eine Durchschnittsbetrachtung zugrundezulegen. Auch die Systemnutzungstarife haben dem Grundsatz der Gleichbehandlung aller Systembenutzer zu entsprechen (§ 25 Abs 3 ElWOG). Das Systemnutzungsentgelt für Verbraucher ist auf den Netzbereich sowie die Netzebene zu beziehen, an der die Anlage angeschlossen ist (§ 25 Abs 9 ElWOG).

Der Gesetzgeber hat sich also für die behördliche Tarifbestimmung und den sogenannten Punkttarif entschieden. Das vom Netzbenutzer (das ist nach § 7 Z 26 ElWOG der Einspeiser oder Entnehmer) für die Netznutzung zu bezahlende Netznutzungsentgelt bestimmt sich einzig nach dem Punkt, an dem der Netzbenutzer an das Netz angeschlossen ist, und zwar unabhängig vom Ort der Einspeisung des vom Entnehmer dem Netz entnommenen Stroms. Begründet wird dies mit der Eigenschaft des Stromnetzes als „Stromsee", in den laufend ebenso viel Strom eingespeist wie gleichzeitig auch entnommen wird, wobei eine zielgerichtete direkte Transportverbindung zwischen Lieferanten und Abnehmer nicht möglich ist, weil der Strom den Weg des geringsten Widerstands geht (Kirchhoff'sches Gesetz). Einziger Vertragspartner des Netzbenutzers ist der Betreiber des Netzes, an das der Netzbenutzer angeschlossen ist (es sind also nicht etwa mehrere Netzbetreiber Vertragspartner). Mit der Entrichtung des Systemnutzungsentgelts an diesen Netzbetreiber ist die Nutzung des gesamten „Netzsystems" abgegolten (Oberndorfer in Oberndorfer/Hauer, Kommentar zum ElWOG § 25 Rz 6). Das (Gesamt)Netz wird zum Zweck der Tarifierung in Netzebenen und Netzbereiche geteilt.

Die unbestrittenen Vorteile dieses (gemeinschaftsrechtskonformen) Tarifsystems liegen in der Vorhersehbarkeit der Systemnutzungstarife und deren einfacher Handhabung (weil sich diese Systemnutzungstarife im Fall eines Wechsels des Stromlieferanten durch den Entnehmer nicht ändern). Diese Vorteile werden um den Preis einer gewissen (aber unvollständigen) „Pauschalierung" der Systemnutzungstarife, das heißt unter Einebnung der Unterschiede in den durch den konkreten Netzbenutzer verursachten (großteils aber kaum exakt bestimmbaren) Kosten, sowie eines erheblichen Eingriffs in das Eigentumsrecht und die Erwerbsfreiheit der Netzeigentümer bzw Betreiber erkauft. Im Spannungsfeld zu dieser Tendenz der Pauschalierung und Sozialisierung steht der Grundsatz der verursachungsgerechten Zuordnung der Netzkosten (Oberndorfer aaO Rz 7 f, auch Würthinger aaO 32). Es gibt sieben Netzebenen einheitlich für das ganze Bundesgebiet, die sich durch das Spannungsniveau unterscheiden, wobei drei Netze der Umspannung dienen (§ 25 Abs 5 ElWOG; Würthinger aaO 31, Oberndorfer aaO Rz 43). Neben dieser vertikalen Unterteilung ist das Netz auch in Netzbereiche nach örtlichen Gesichtspunkten gegliedert. § 25 Abs 6 ElWOG regelt die Netzbereiche auf den verschiedenen Netzebenen. Die Netznutzung manifestiert sich lediglich in einem physikalischen Vorgang, und zwar entweder der Stromeinspeisung in oder der Stromentnahme aus dem öffentlichen Netz (jeweils am Netzanschluss), wobei der Netzbetreiber die Funktionsfähigkeit des Netzes als „Stromsee" (das heißt insbesondere die Netzspannung) aufrechtzuerhalten hat. Aufgrund des Kirchhoff'schen Gesetzes kann der Lastfluss im Netz weder vorausberechnet noch von außen gesteuert werden, weshalb der vom Erzeuger eingespeiste Strom nie ident ist mit dem vom Kunden des Erzeugers entnommenen Strom (Oberndorfer aaO § 15 ElWOG, Rz 1, Rabl in ecolex 2000, 544 „Liberalisierung des Strommarktes": Neues und Altes zum Vertragsrecht [544]).

Das Systemnutzungsentgelt für den Verbraucher richtet sich also nach der bundesgesetzlichen Anordnung des § 25 Abs 9 ElWOG - wie bereits oben dargelegt - nach dem Netzbereich (örtlicher Bezugspunkt) und der Netzebene, an der die Anlage angeschlossen ist. Auch wenn sich diese Bestimmung auf den Systemnutzungstarif und nicht auf die Gebrauchsabgaben bezieht, so definiert sie doch den Ort des Netzanschlusses als das entscheidende Kriterium für die Bestimmung der Kostenbelastung für den Endverbraucher. Auf die konkreten „Stromwege", die ohnehin kaum feststellbar sind, kommt es dabei nicht an. Das Entgelt ist grundsätzlich entfernungsunabhängig. Aufgrund der physikalischen Gegebenheiten kann daher nicht gesagt werden, welche Leitungen für den „Stromtransport" zum Endverbraucher im Konkreten verwendet werden, weil eben der Strom nicht individualisierbar ist, sondern nur dem Netz, das viele Zuspeiser hat, am Netzanschluss entnommen wird. Dies ist auch bei der Beurteilung des Vorliegens eines Abgabentatbestands zu berücksichtigen. Sicher ist, dass der Endverbraucher das Verteilernetz an dem auch gemäß § 25 Abs 9 ElWOG für die Festlegung des Netznutzungstarifs relevanten Netzanschlusspunkt benützt, also jedenfalls dort den öffentlichen Gemeindegrund für die Stromentnahme in Anspruch nimmt und ihm insoweit die Einrichtungen des Netzbetreibers überlassen sind. Darüber hinaus kann aber in Bezug auf den Endverbraucher keine nähere Individualisierung des entnommenen Stroms und damit der (örtlichen) Netznutzung erfolgen. Der von Oberndorfer verwendete Begriff des „Stromsees" veranschaulicht es plastisch: Genau genommen benützen alle Endverbraucher bei der Stromentnahme je nach momentaner Einspeisung und Belastung potentiell die bundesweit miteinander verbundenen Netze aller Netzbetreiber. Man kann bei einem vermaschten Netz nicht sagen, dass der beim Netzanschluss in Niederösterreich bezogene Strom (zwingend) über den Wiener Teil des Netzes der Klägerin geleitet wird. Umgekehrt gelangt auch zu in Wien gelegenen Netzanschlüssen Elektrizität vom nicht in Wien gelegenen Verteilernetz der Klägerin (und anderer Netzbetreiber). Ein Wille des Gesetzgebers, dass jeder potentielle Gebrauch von Verteilernetzen oder Teilen davon, die außerhalb der Gemeinde liegen, in der der Netzanschluss situiert ist, bereits einen Gebrauchsabgabentatbestand verwirklichen soll, ist nicht zu erkennen. Das Einheben von Gebrauchsabgaben für die Verwendung von öffentlichem Grund ohne Bezug auf den Netzanschluss würde dem sonst für die Systemnutzungsentgelte für Kunden geltenden Grundsatz der entfernungsunabhängigen Pauschalierung widersprechen.

Dem steht - im Gegensatz zur Rechtsmeinung der Klägerin - auch nicht § 7 Z 27 ElWOG entgegen, nach dem in einem Netzbereich dieselben Preisansätze zu gelten haben. Die Netztarife der Klägerin für die Benutzung ihres gesamten Netzes sind ja gleich. Dies sagt noch nichts über die zusätzlich anfallenden öffentlichen Abgaben aus, die mangels bundeseinheitlicher Regelung naturgemäß regional verschieden hoch sind. Der vom Gesetz gewollten Einheitlichkeit wird aber insofern Rechnung getragen, als hinsichtlich jedes Endverbrauchers nur bei einer Gemeinde, nämlich der, in deren Gebiet der Netzanschluss liegt, (bei Vorliegen der entsprechenden Bestimmungen) Gebrauchsabgaben für seine Netznutzung anfallen können. Liegt das Netz eines Verteilungsnetzbetreibers (wie der Klägerin) in mehreren Gemeinden/Ländern, so soll dies nicht das Entstehen gleich mehrerer Gebrauchsabgabenverpflichtungen verursachen können. Damit wird die Gleichbehandlung aller Endverbraucher erreicht, die auf den Ort des Netzanschlusses keinen Einfluss haben.

Es muss daher der nach § 25 Abs 9 ElWOG zentrale Ansatzpunkt für die Ermittlung der Netznutzungsentgelte für Verbraucher, nämlich der Netzanschlusspunkt, auch für die Beurteilung der Verwirklichung eines Gebrauchsabgabentatbestands gelten. Gewährt die Klägerin der Beklagten Netznutzung auf niederösterreichischem Boden, so unterliegt weder sie noch der Endverbraucher der Abgabenpflicht nach dem WGebAbgG.

Die Klägerin hat der Beklagten in dem von der Rückzahlungsforderung umfassten Zeitraum zu Unrecht Wiener Gebrauchsabgaben vorgeschrieben, die sie im Wege der Selbstbemessung an die Nebenintervenientin abgeführt hatte. Sie hat dabei eine Abklärung im Verwaltungsweg nicht versucht. Die Klägerin könnte nach ihren AGB nur die öffentlichen Abgaben auf den Endverbraucher überwälzen, die sie entrichten muss. Auf die Frage der Geltung der AGB der Klägerin aufgrund des zumindest konkludent abgeschlossenen Netzzugangsvertrags kommt es daher gar nicht an. Die Beklagte war jedenfalls nicht zur Bezahlung dieses Teils des Netznutzungsentgelts verpflichtet. Sie hat irrtümlich rechtsgrundlos geleistet. Es steht ihr grundsätzlich ein Rückforderungsanspruch nach § 1431 ABGB zu.

Der Einwand der Klägerin, die Beklagte habe die Forderungen konstitutiv anerkannt, ist nicht berechtigt. Nach den AGB, auf deren Geltung sich die Klägerin stützt, können Einwendungen gegen die Rechnungen nach Ablauf von drei Monaten nur mehr erhoben werden, wenn die Unrichtigkeiten für den Netzkunden nicht oder nur schwer feststellbar waren. Diese Voraussetzung ist aufgrund der komplexen Gesetzeslage jedenfalls zu bejahen. Außerdem kann dem Unterlassen von Einsprüchen nur deklarative Wirkung zukommen. Ein konstitutives Anerkenntnis ist nur dann anzunehmen, wenn damit im konkreten Fall ein ernstlicher Streit (oder Zweifel) beigelegt werden soll (vgl verstärkter Senat 1 Ob 27/01d zu Pkt 10 AGBKr; RIS-Justiz RS0115012), was hier nicht der Fall war. Die Ausführungen der Klägerin zu § 355 UGB gehen insofern ins Leere, als hier weder ein Saldoanerkenntnis noch ein Kontokorrentverhältnis besteht und keine beiderseitigen Ansprüche und Leistungen verrechnet wurden.

Zum Einwand der mangelnden Passivlegitimation ist zu prüfen, wer Leistungsempfänger ist. Die Beurteilung hat sich an der von den Parteien bei der Leistung vorgestellten Zweckbestimmung zu orientieren. Es muss daher gefragt werden, wer nach dem angenommenen Schuldverhältnis oder der sonstigen Zweckvereinbarung Leistender und wer Leistungsempfänger sein sollte. Die Rückabwicklung ist zwischen diesen Personen vorzunehmen (RIS-Justiz RS0033737).

Nach den Feststellungen erfolgte die Verrechnung des Systemnutzungsentgelts nur auf Wunsch der Beklagten unter Einschaltung der K*****. Die K***** ist als Machthaber im Sinn des § 1424 ABGB anzusehen. Nach der Zweckbestimmung der Vereinbarung der Parteien ging das Systemnutzungsentgelt der Klägerin als Netzbetreiberin zu; sie ist daher Leistungsempfängerin und für einen Kondiktionsanspruch passiv legitimiert.

Dem Einwand der Klägerin, dass der Kondiktionsanspruch bereits zum Teil verjährt sei, kommt allerdings Berechtigung zu.

Grundsätzlich verjähren Ansprüche nach § 1431 ABGB nach der allgemeinen Regel des § 1478 ABGB nach dreißig Jahren (RIS-Justiz RS0020167). Davon bestehen Ausnahmen. Insbesondere wurde die bereicherungsrechtliche Rückforderung irrtümlich geleisteter überhöht vorgeschriebener Kreditzinsen der dreijährigen Verjährungsfrist unterworfen (beginnend mit 4 Ob 73/03v, RIS-Justiz RS0117773). Der Oberste Gerichtshof zog eine Rechtsanalogie zu § 27 Abs 3 MRG und § 5 Abs 4 KlGG, weil kein Anhaltspunkt für die Annahme bestehe, dass dem Gesetzgeber Bestandnehmer weniger schutzwürdig erschienen als Kreditnehmer. Es läge daher ein Wertungswiderspruch vor, wenn ein Mieter bei einem gesetzwidrig überhöhten Zins nur drei Jahre, ein Kreditnehmer aber überhöhte Zinsen dreißig Jahre lang zurückfordern könnte.

Ebenso wurde vertreten, dass ein auf § 1431 ABGB gestützter Anspruch auf Rückzahlung von irrtümlich zu viel gezahlten Arbeitsentgelten in analoger Anwendung des § 1486 Z 5 ABGB nach drei Jahren verjähre (9 ObA 39/00a, 9 Ob 291/01m = RIS-Justiz RS0021868 [T1]). Auch ein bereicherungsrechtlicher Rückforderungsanspruch nach § 1435 ABGB unterliegt der dreijährigen Verjährungsfrist, wenn er dem in § 1486 Z 6 ABGB genannten Anspruch auf Rückforderung eines Vorschusses vergleichbar ist (RIS-Justiz RS0120486 [T1]). Zu § 1486 Z 1 ABGB wurde judiziert, die Bestimmung umfasse ihrem Wortlaut nach nicht nur (vertragliche) Entgeltansprüche, sondern alle Forderungen, die durch die in einem geschäftlichen Betrieb erfolgte Lieferung von Sachen oder Ausführungen von sonstigen Leistungen begründet worden seien. Es seien auch Kondiktionsansprüche wegen einer irrtümlichen Mehrlieferung von Waren in vermeintlicher Erfüllung bestehender vertraglicher Verbindlichkeiten der kurzen Verjährungsfrist des § 1486 Z 1 ABGB zu unterwerfen und damit dem Bedürfnis des täglichen Lebens nach Rechtssicherheit Rechnung zu tragen (1 Ob 32/08z = RIS-Justiz RS0123539). Die Frist für die Geltendmachung des Bereicherungsanspruchs beginne mit Eintritt der Bereicherung (1 Ob 32/08z mwN).

Die Entscheidung 1 Ob 92/08y erging zur Rückforderung von Stranded Costs-Beiträgen. Es wurde vertreten, dass die Anwendung des § 1480 ABGB für die Rückforderung schon daran scheitere, dass es sich dabei nicht um „(jährliche) wiederkehrende Leistungen" im Sinn dieser Bestimmung handle, sei doch die Pflicht zur Zahlung dieser Beiträge davon abhängig, ob und wieviel elektrische Energie bezogen werde, sodass im Hinblick auf die Ungewissheit der Zahlungspflicht von einer „periodischen Wiederkehr" nicht gesprochen werden könne. Der bereicherungsrechtliche Rückforderungsanspruch von Stranded Costs-Beiträgen könne daher innerhalb der allgemeinen langen Verjährungsfrist von dreißig Jahren gemäß § 1478 ABGB geltend gemacht werden.

Eine zu Unrecht eingehobene Gebrauchsabgabe ist mit Stranded Costs-Beiträgen nicht vergleichbar. Die Stranded Costs-Beiträge haben ihre Rechtsgrundlage in dem nur befristet (§ 69 Abs 8 ElWOG) geltenden § 69 Abs 6 ElWOG iVm der danach erlassenen Verordnung und schaffen einen Ausgleich für aufgrund der Öffnung des Energiemarkts nicht mehr rentable Investitionen (7 Ob 176/07v). Die Gebrauchsabgabe hingegen wird prozentuell vom monatlich zu entrichtenden Systemnutzungsentgelt berechnet und verlangt. Auch wenn die Gebrauchsabgabe nicht ausdrücklich in § 25 ElWOG genannt ist, so ist sie doch, auch im Hinblick auf die oben dargelegte Judikatur des Verfassungsgerichtshofs, als Teil des Systemnutzungsentgelts zu beurteilen und damit als monatliches Entgelt für die Netznutzung, somit als eine Forderung für eine Leistung im geschäftlichen Betrieb. Forderungen auf Entrichtung des Netznutzungsentgelts unterliegen daher ebenso wie Forderungen aufgrund von Lieferungen von Energie (RIS-Justiz RS0122723) der kurzen Verjährungsfrist des § 1486 Z 1 ABGB. Im Hinblick auf die oben dargestellte Rechtsprechung verjährt daher der bereicherungsrechtliche Rückforderungsanspruch nach § 1431 ABGB genauso innerhalb von drei Jahren.

Es steht noch nicht fest, welche Beträge auf den noch nicht verjährten Teil des Rückforderungsanspruchs entfallen. Es muss daher die Rechtssache zur Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen werden.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

Textnummer

E90472

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0070OB00269.08X.0330.000

Im RIS seit

29.04.2009

Zuletzt aktualisiert am

20.02.2012
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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