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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
ABGB §1151;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Blaschek und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Flendrovsky, über die Beschwerde des J in R, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. Klaus Reisch und Dr. Anke Reisch in 6370 Kitzbühel, Franz-Reisch-Straße 11a, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 11. November 1997, Zl. 1997/2/31-3, betreffend Bestrafung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (weitere Partei: Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 11. November 1997 wurde der Beschwerdeführer der Begehung einer Verwaltungsübertretung nach § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) dahingehend schuldig erkannt, er habe in seinem Gasthof "Rei" in R innerhalb des Zeitraumes 22. Juni 1996 bis 22. Juli 1996 zeitweise den kroatischen Staatsangehörigen D ohne die erforderlichen arbeitsmarktbehördlichen Genehmigungen als Hilfsarbeiter beschäftigt. Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurden über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe von S 20.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 10 Tage) und Kostenbeiträge von S 2.000,-- für das erstinstanzliche Verfahren sowie S 4.000,-- für das Berufungsverfahren verhängt.
Zur Begründung ihrer Entscheidung führte die belangte Behörde nach Darstellung der maßgebenden Rechtslage und des Verfahrensverlaufes wie folgt aus:
"Die erkennende Behörde nimmt den Tatbestand der dem Beschuldigten zur Last gelegten Verwaltungsübertretung auf Grund der Aussagen der Zeugen Mag. Z und U als erwiesen an. Insbesondere der Arbeitsinspektor hatte keinerlei Veranlassung den Berufungswerber wider besseren Wissens der Begehung einer strafbaren Handlung zu bezichtigen. Wenngleich die Gattin des Beschuldigten im Verfahren versucht hat, die gegenüber dem Arbeitsinspektor getätigten Angaben zu relativieren, so konnte sie doch die Tatsache nicht in Abrede stellen, dass der Ausländer tatsächlich Hilfstätigkeiten im Betrieb verrichtet hat. Tatsache ist weiters auch, dass D vom Beschuldigten verköstigt wurde. Die letzten Zweifel an der Tatbestandsmäßigkeit werden durch die Aussage des bereits in erster Instanz einvernommenen Zeugen U beseitigt. Dass der genannte Zeuge vorsätzlich falsche Angaben gemacht hat, schließt die erkennende Behörde aus. Es gibt dafür keinerlei Hinweise. Bloße Eifersüchteleien unter den Bediensteten können einen solchen Verdacht noch nicht rechtfertigen. Dass U drei Tage nach seiner Aussage bei der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel seinen Dienst beim Beschuldigten quittiert hat, mag damit zusammenhängen, dass er ob seiner (wenngleich wahrheitsgemäßen, so doch belastenden) Aussage negative Konsequenzen seitens des Arbeitgebers befürchtete.
Der Sachverhaltsdarstellung der Zeugin M D ist auf Grund ihrer wirtschaftlichen Abhängigkeit vom Beschuldigten nicht jener Beweiswert beizumessen, der erforderlich wäre, um die erkennende Behörde von der Unschuld des Berufungswerbers zu überzeugen.
Aktenkundig ist, dass der Beschuldigte mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel vom 27.7.1995, Zl. 4-St- 165/2, rechtskräftig wegen einer einschlägigen Verwaltungsübertretung bestraft wurde. Demgemäß ist im Anlassfall von einem Strafrahmen von S 20.000,-- bis S 120.000,-- auszugehen. Da über den Berufungswerber die gesetzliche Mindeststrafe verhängt wurde, erübrigen sich Ausführungen zur Strafbemessung. Die Voraussetzungen für eine außerordentliche Milderung der Strafe liegen nicht vor. Die Berufung war daher als unbegründet abzuweisen."
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte jedoch mit Beschluss vom 9. Juni 1998, B 360/98-5, die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie entsprechend dem Eventualantrag des Beschwerdeführer gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer nach seinem gesamten Beschwerdevorbringen durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht verletzt, nicht der ihm nach dem AuslBG zur Last gelegten Verwaltungsübertretung schuldig erkannt und dafür bestraft zu werden. Er beantragt, den angefochtenen Bescheid kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Das AuslBG regelt die Beschäftigung von Ausländern im Bundesgebiet. Nach § 2 Abs. 2 AuslBG gilt als Beschäftigung die Verwendung
a)
in einem Arbeitsverhältnis,
b)
in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis, sofern die Tätigkeit nicht auf Grund gewerberechtlicher oder sonstiger Vorschriften ausgeübt wird,
c) in einem Ausbildungsverhältnis einschließlich der Tätigkeiten nach § 3 Abs. 5 ,
d)
nach dem Bestimmungen des § 18 oder
e)
überlassener Arbeitskräfte im Sinne des § 3 Abs. 4 des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes, BGBl. Nr. 196/1998.
Gemäß § 3 Abs. 1 AuslBG darf ein Arbeitgeber, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, einen Ausländer nur beschäftigen, wenn ihm für diesen eine Beschäftigungsbewilligung oder Entsendebewilligung erteilt oder eine Anzeigebestätigung oder eine EU-Entsendebestätigung ausgestellt wurde, oder wenn der Ausländer eine für diese Beschäftigung gültige Arbeitserlaubnis oder einen Befreiungsschein besitzt.
Eine Verwaltungsübertretung gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG begeht, wer entgegen dem § 3 einen Ausländer beschäftigt, für den weder einen Beschäftigungsbewilligung (§§ 4 und 4c) erteilt noch eine Anzeigebestätigung (§ 3 Abs. 5) oder eine Arbeitserlaubnis (§ 14a) oder ein Befreiungsschein (§§ 15 und 4c) ausgestellt wurde.
Im Beschwerdefall hätte die belangte Behörde untersuchen und feststellen müssen, ob der Beschwerdeführer Arbeitgeber des D gewesen ist, bzw. ob die Betätigung des D als eine bewilligungspflichtige Beschäftigung zu beurteilen sei, verantwortete der Beschwerdeführer sich doch damit, D sei zu ihm in keinem Beschäftigungsverhältnis gestanden, sondern habe lediglich der Ehegattin M D bei Reinigungsarbeiten geholfen; M D habe er in seinem Betrieb rechtmäßig beschäftigt
Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 18. Dezember 1998, Zl. 98/09/0290, und vom 3. Juli 2000, Zl. 99/09/0037) dargelegt hat, fallen Gefälligkeitsdienste nicht unter die bewilligungspflichtige Beschäftigung des AuslBG. Als Gefälligkeitsdienste können kurzfristige, freiwillige und unentgeltliche Dienste anerkannt werden, die vom Leistenden auf Grund spezifischer Bindungen zwischen ihm und dem Leistungsberechtigten erbracht werden. Der Übergang zwischen Gefälligkeitsdienst und kurzfristiger Beschäftigung im Sinne des AuslBG ist fließend. Es ist eine Würdigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmen, um einen Gefälligkeitsdienst annehmen zu können. So hat der Verwaltungsgerichtshof etwa in seinem Erkenntnis vom 11. Juli 1990, Zl. 90/09/0062, ausgesprochen, dass der Umstand der stundenweise Aushilfe (in der Landwirtschaft und im Gastbetrieb) eines Ausländers, der bei einem Arbeitgeber freies Quartier und freie Kost hat, alleine für sich nicht die Annahme einer Beschäftigung im Sinne des AuslBG rechtfertigt. Auch die Mithilfe eines Dauergastes im Haushalt oder die Dienste eines Flüchtlings für Quartier und Kost können Gefälligkeitsdienste darstellen. Bedenken sind jedoch dann angebracht, wenn die Tätigkeit in einem Gewerbebetrieb erfolgen soll. Wesentlich ist in einem solchen Fall die Freiwilligkeit der Leistung. Freiwilligkeit ist in diesem Zusammenhang nur dann anzunehmen, wenn nicht versteckter oder offener Zwang vorliegt.
Die belangte Behörde hat sich mit diesen Rechtfragen nicht auseinander gesetzt. Soweit dem angefochtenen Bescheid Sachverhaltsfeststellungen entnehmbar sind (und nicht bloß Verwaltungsgeschehen referiert bzw. Ergebnisse der Beweiswürdigung kundgemacht werden), hat die belangte Behörde ihrer Entscheidung zugrunde gelegt, dass der Ausländer (nach dem Spruch des Bescheides im Tatzeitraum "zeitweise") Hilfstätigkeiten "im Betrieb" verrichtet habe. Dass diese - in zeitlicher Hinsicht nicht näher konkretisierten - Tätigkeiten für den Beschwerdeführer und auf der Grundlage eines wenigstens stillschweigend zwischen dem Ausländer und dem Beschwerdeführer vereinbarten Vertrages erbracht worden seien, hat die belangte Behörde nicht festgestellt. Die "Tatsache der Verköstigung" rechtfertigt nämlich für sich genommen nicht die Schlussfolgerung, der Ausländer sei "dafür" verpflichtet gewesen, dem Beschwerdeführer Hilfstätigkeiten zu erbringen. Dass der Ausländer die Tätigkeiten (für seine Ehegattin) nicht freiwillig erbrachte, ist nicht hervorgekommen.
Geht man von dem im angefochtenen Bescheid zu Grunde gelegten Sachverhalt aus, dann steht entgegen der Ansicht der belangten Behörde nicht fest, dass der Ausländer vom Beschwerdeführer bzw.
in einer dem AuslBG unterliegenden Beschäftigung verwendet wurde.
Die belangte Behörde hat zudem bei der Beweiswürdigung die
Rechtslage wie folgt verkannt:
Der im § 45 AVG aufgestellt (im Verwaltungsstrafverfahren
gemäß § 24 VStG anzuwendende) Grundsatz der freien Beweiswürdigung bedeutet nicht, dass die Behörde willkürlich vorgehen dürfe, sondern nur, dass sie bei ihrer Beweiswürdigung nicht an Beweisregeln gebunden ist. Alle Beweismittel sind grundsätzlich gleichwertig und haben die gleiche abstrakte Beweiskraft. Dafür, ob eine Tatsache als erwiesen anzusehen ist oder nicht, hat allein der "innere Wahrheitsgehalt" der Ergebnisse des Beweisverfahrens ausschlaggebend zu sein. Die Beurteilung der Aussage der Zeugin Mirjana Dezic durch die belangte Behörde erfolgte jedoch nicht nach deren Inhalt und ohne Bedachtnahme auf den inneren Wahrheitsgehalt dieser Aussage. Die Würdigung einer Zeugenaussage allein wegen eines Naheverhältnisses (hier: Dienstnehmereigenschaft) stellt keine gesetzmäßige Beweiswürdigung dar (vgl. die Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I, zweite Auflage 1998, Seite 657, E 92 wiedergegebene Judikatur).
Die belangte Behörde hat den Beweiswert der Aussage des U verkannt. In seiner am 3. Februar 1997 vor der Bezirkshautmannschaft Kitzbühel niederschriftlich festgehaltenen Aussage hat U - der mangels inländischem Aufenthaltsort danach von der belangten Behörde nicht mehr vernommen werden konnte - ausgesagt, er wisse nicht, ob der Ausländer lediglich seine Gattin besuchte oder im Gasthof angestellt war; er wisse auch nicht, ob der Ausländer einen Lohn erhalten habe; er wisse nicht, wo der Ausländer gewohnt habe und er wisse auch nicht, ob der Ausländer für das ab und zu im Gasthof eingenommene Essen bezahlte; der Zeuge erklärte, der Ausländer habe gewusst, was er arbeiten solle, er nehme an, dass er (der Ausländer) dies entweder von der Chefin oder vom Chef wusste. Welcher für den Beschwerdeführer belastende bzw. den "Tatbestand" erweisende Sachverhalt dieser Aussage zu entnehmen ist, vermag die belangte Behörde nicht darzutun, ist der Aussage des U doch nur zu entnehmen, dass er über die maßgebenden Umstände, die geeignet wären, eine dem Beschwerdeführer zurechenbare Beschäftigung des Ausländers anzunehmen, keine Wahrnehmungen besitzt.
Die Aussage des Zeugen Mag. Z kann nicht allein deshalb gegenüber anderen Beweisergebnissen oder Zeugenaussagen als glaubwürdiger beurteilt werden, weil der Zeuge Arbeitsinspektor ist. Die belangte Behörde hat nicht berücksichtigt, dass die Darstellung des Zeugen Mag. Z nicht auf unmittelbaren Wahrnehmungen des maßgeblichen Sachverhaltes beruht, sondern lediglich die Wiedergabe von Äußerungen beinhaltet, die Personen im Betrieb des Beschwerdeführers angeblich gemacht haben sollen. Auffallend ist dabei, dass keiner der vernommenen Zeugen die Äußerungen inhaltlich bestätigte, wie der Zeuge Mag. Z sie in seiner Aussage wiedergegeben hat. Dass der Zeuge Mag. Z in gleicher Weise, wie er um das Auffinden von Nachweisen für die von ihm vermutete Übertretung der AuslBG bemüht war, auch der Entlastung des Beschuldigten dienende Umstände berücksichtigte, ist nach dem Inhalt seiner Aussage nicht erkennbar. Die belangte Behörde hat nicht berücksichtigt, dass mittelbare Beweise, wie sie die Aussage des Zeugen Mag. Z ("sogenannter Zeuge von Hörensagen") darstellt, insoweit nicht genügen, als der Aufnahme des unmittelbaren Beweises (Vernehmung der unmittelbaren Zeugen) tatsächliche Hindernisse nicht entgegenstehen (vgl. hiezu auch die bei Walter/Thienel, a.a.O., Seite 645 f, E 12 ff wiedergegebene Judikatur).
Eine nachvollziehbare und rechtmäßige Begründung dafür, warum die Aussagen der Zeugen I J und M D sowie die Verantwortung des Beschwerdeführers unbeachtlich (unglaubwürdig) oder als widerlegt angesehen werden müssten, ist dem angefochtenen Bescheid nicht entnehmbar.
Die belangte Behörde hat somit nicht nur die (materielle) Rechtslage verkannt, sondern auch Verfahrensvorschriften außer acht gelassen, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.
Der angefochtene Bescheid war aus den dargelegten Erwägungen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 29. November 2000
Schlagworte
Beweise Beweismittel Zeugen Beweismittel Zeugenbeweis Zeugenaussagen von Amtspersonen Verfahrensgrundsätze im Anwendungsbereich des AVG Unmittelbarkeitsprinzip Gegenüberstellungsanspruch Fragerecht der Parteien VwRallg10/1/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1998090252.X00Im RIS seit
11.07.2001