Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. Grohmann und Dr. E. Solé als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Reinhard R*****, vertreten durch Mag. Robert Stadler, Rechtsanwalt in Gallneukirchen, gegen die beklagte Partei Gertrud R*****, vertreten durch Dr. Herbert Heigl, Mag. Willibald Berger und Dr. Georg Lehner, Rechtsanwälte in Marchtrenk, wegen Ehescheidung, über den Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Wels als Rekurs- und Berufungsgericht vom 20. August 2008, GZ 21 R 159/08v, 21 R 160/08s-36, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Eferding vom 26. März 2008, GZ 3 C 56/06s-26, abgeändert wurde und die Streitteile mit ihren Rechtsmittelschriftsätzen zum Urteil des Bezirksgerichts Eferding vom 26. Februar 2008, GZ 3 C 56/06s-27, auf diese Entscheidung verwiesen wurden, den Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der Beschluss des Rekursgerichts (Punkt 1.) wird dahin abgeändert, dass die Entscheidung des Erstgerichts (ON 26) wiederhergestellt und ausgesprochen wird, dass die klagende Partei die Kosten ihres Berichtigungsantrags und ihres Rekurses selbst zu tragen hat, sowie dass die Rekursbeantwortung der beklagten Partei zurückgewiesen wird. Der Beschluss des Berufungsgerichts (Punkt 2.) wird ersatzlos aufgehoben.
Dem Berufungsgericht wird die (neuerliche) Entscheidung über die gegen das Urteil des Erstgerichts in der Fassung vom 26. Februar 2008 (ON 27) gerichteten Rechtsmittel aufgetragen.
Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Im Spruch seines Urteils ON 24 sprach das Erstgericht die Scheidung der Ehe der Streitteile aus dem überwiegenden Verschulden des Klägers aus. In den Entscheidungsgründen brachte es dagegen zum Ausdruck, dass der Ausspruch überwiegenden Verschuldens bei Abwägung des Gesamtverhaltens der Streitteile weder beim Kläger noch bei der Beklagten gerechtfertigt sei, was zum Ausspruch gleichteiligen Verschuldens führe.
Hinsichtlich dieser Entscheidung stellte der Kläger den Urteilsberichtigungsantrag, das gleichteilige Verschulden auch in den Spruch aufzunehmen; hilfsweise erhob er Berufung in diesem Sinne. Mit dem Beschluss ON 26 wies das Erstgericht den Urteilsberichtigungsantrag des Klägers ab und berichtigte von Amts wegen das Urteil dahingehend, dass die Begründung dem Spruch angepasst, also auch in der Begründung das überwiegende Verschulden des Klägers dargestellt wurde.
Dagegen erhob der Kläger Rekurs und in eventu eine als „Berufungsergänzung" bezeichnete Berufung gegen die berichtigte Version des Urteils (ON 27). Die Beklagte erhob Berufung (und „Kostenrekurs") gegen das berichtigte Urteil.
Das Gericht zweiter Instanz gab mit der angefochtenen Entscheidung dem Rekurs des Klägers gegen den Berichtigungsbeschluss des Erstgerichts Folge und änderte die Entscheidung dahin ab, dass nunmehr im Wege der Berichtigung der Spruch den Entscheidungsgründen angepasst, also auch im Spruch das gleichteilige Verschulden der Streitteile ausgesprochen wurde. Es sprach aus, dass der Kläger seine Rekurskosten selbst zu tragen habe und wies die Rekursbeantwortung der Beklagten zurück (Punkt 1.). Mit ihren Berufungen gegen das berichtigte Urteil ON 27 wurden die Streitteile auf diese Entscheidung verwiesen (Punkt 2.).
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen erhobene Revisionsrekurs der Beklagten ist zulässig und berechtigt.
Gemäß § 419 ZPO kann das Gericht, das das Urteil gefällt hat, jederzeit Schreib- und Rechenfehler oder andere offenbare Unrichtigkeiten im Urteil berichtigen.
Ist die offenbare Unrichtigkeit im Urteil oder in der Urteilsausfertigung aus dem Zusammenhang des Urteils für jedermann erkennbar, kann sie jederzeit - von Amts wegen oder auf Antrag - berichtigt werden (Rechberger in Rechberger ZPO3 § 419 Rz 1). Dies findet seine theoretische Grundlage in der Tatsache, dass der materielle Gehalt der Entscheidung durch den Entscheidungswillen des Gerichts bestimmt wird. Die einer Berichtigung im Sinne des § 419 Abs 1 ZPO zugängliche Unrichtigkeit darf daher nur die Wiedergabe des zur Zeit der Entscheidung bestehenden Entscheidungswillens des erkennenden Richters nach außen betreffen, es muss sich also um eine Diskrepanz zwischen dem Gewollten und dem Erklärten handeln (RIS-Justiz RS0041489). Die Unrichtigkeit muss „dem Grunde nach" offen zu Tage treten; es muss nicht eindeutig sein, welcher konkrete Ausspruch statt dessen beabsichtigt war (Bydlinski in Fasching/Konecny2 III § 419 Rz 2).
Hier ist die Diskrepanz zwischen Spruch und Begründung der ersten Entscheidung (ON 24) offensichtlich. Die Berichtigung im Sinne des vom Erstgericht tatsächlich Gewollten war daher zulässig. Nicht zulässig ist aber die Vorgangsweise des zweitinstanzlichen Gerichts, das aus der Verschuldensgewichtung in der Begründung, die das Erstgericht in seinem Berichtigungsbeschluss ausdrücklich als nicht gewollt bezeichnete, auf den „wahren Entscheidungswillen" des Erstgerichts zu schließen versuchte. Dass sich bei einer Unrichtigkeit des Spruchs der Entscheidung dessen Unrichtigkeit aus den Entscheidungsgründen ergeben muss (RIS-Justiz RS0041362), kann nicht dahingehend interpretiert werden, dass immer der Spruch den Entscheidungsgründen angeglichen werden müsste. Dies hat nur für jene Fälle Gültigkeit, in denen tatsächlich der Spruch der Entscheidung unrichtig gefasst wurde.
Zumal die amtswegige Berichtigung des Urteils ON 24 durch das Erstgericht zulässig war, diese aber nicht im Sinne des Berichtigungsantrags des Klägers erfolgte, ist in Stattgebung des Revisionsrekurses der Beklagten die berichtigende Entscheidung des Erstgerichts (ON 26) zur Gänze wiederherzustellen. Dabei ist klarzustellen, dass der Kläger die Kosten seiner erfolglosen Schriftsätze selbst zu tragen hat. Die Rekursbeantwortung der Beklagten wurde wegen Einseitigkeit des Rekursverfahrens schon vom Rekursgericht richtigerweise und unbekämpft zurückgewiesen. Punkt 2. der angefochtenen Entscheidung ist aufgrund der Zulässigkeit der Berichtigung durch das Erstgericht ersatzlos zu beheben. Der dem Berufungsgericht erteilte Auftrag ergibt sich als Konsequenz der obigen Ausführungen.
Der Kostenvorbehalt beruht mangels Vorliegens eines Zwischenstreits (vgl Bydlinski in Fasching/Konecny² II/1 § 48 ZPO Rz 13) auf § 52 ZPO.
Anmerkung
E906091Ob227.08aEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2009:0010OB00227.08A.0331.000Zuletzt aktualisiert am
04.06.2009