Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling, Dr. Hradil, Dr. Hopf und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei Jan E*****, Pensionist, *****, vertreten durch den Sachwalter Dr. Walter Mardetschläger, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte und gefährdende Partei Ekaterina E*****, Angestellte, pA *****, vertreten durch Dr. Maria-Christina Engelhardt, Rechtsanwältin in Wien, wegen einstweiligem Unterhalt (Streitwert 3.420 EUR sA), über den Revisionsrekurs der klagenden und gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 6. Juni 2008, GZ 43 R 364/08k-27, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Josefstadt vom 9. April 2008, GZ 25 C 45/07w-21, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Die klagende und gefährdete Partei ist schuldig, der beklagten und gefährdenden Partei die mit 371,52 EUR (darin 61,92 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Mit der am 19. 10. 2007 beim Erstgericht eingebrachten Klage begehrte der Kläger bei noch aufrechter Ehe den Zuspruch eines monatlichen Unterhaltsbetrags von 180 EUR ab 1. 5. 2006 sowie eines einstweiligen Unterhalts in der gleichen Höhe ab 1. 11. 2007. Die Beklagte bestritt ihre Unterhaltsverpflichtung. Das Erstgericht wies den auf § 382 Abs 1 Z 8 lit a EO gestützten Antrag des Klägers auf Gewährung einstweiligen Unterhalts ab. Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss, ließ aber den Revisionsrekurs mit der Begründung zu, dass Rechtsprechung zum Ehegattenunterhalt bei gleichzeitiger Verpflichtung zur Leistung eines Unterhaltsbeitrags für Eltern fehle. Gegen diesen Beschluss richtet sich der am 8. 7. 2008 zur Post gegebene Revisionsrekurs des Klägers mit dem Antrag, seinem Begehren auf einstweiligen Unterhalt stattzugeben, hilfsweise mit einem Aufhebungsantrag.
Am 10. 7. 2008 kam es im parallel anhängigen Scheidungsverfahren zu einer Scheidung im Einvernehmen gemäß § 55a EheG. Im abgeschlossenen Scheidungsvergleich heißt es unter anderem: „I. Ehegattenunterhalt 1. Die Ehegatten verzichten wechselseitig auf Unterhalt, auch für den Fall geänderter Verhältnisse, geänderter Rechtslage, bei Krankheit und unverschuldeten Not." Punkt V. der Vereinbarung lautet: „... 5. Die Parteien vereinbaren im Verfahren 25 C 45/07w ewiges Ruhen und verpflichten sich, von einer im Revisionsverfahren ergehenden Entscheidung nicht Gebrauch zu machen."
Die pflegschaftsbehördliche Genehmigung dieses Vergleichs (- der Kläger steht unter Sachwalterschaft -) ist mittlerweile rechtskräftig geworden.
Nach ständiger Rechtsprechung setzt jedes Rechtsmittel eine Beschwer voraus, wobei die materielle Beschwer maßgeblich ist. Sie muss auch noch im Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel vorliegen. Fehlt die Beschwer, so ist das Rechtsmittel als unzulässig zurückzuweisen (RIS-Justiz RS0041770). Das bloße Interesse an einer günstigen Kostenentscheidung begründet keine Beschwer als Voraussetzung der Zulässigkeit eines Rechtsmittels an den Obersten Gerichtshof (4 Ob 21/07b mwN). Zunächst kann dahingestellt bleiben, ob das im Scheidungsvergleich vereinbarte ewige Ruhen im Unterhaltsverfahren die Ruhenswirkungen erzielen konnte, zumal eine gemeinsame Anzeige der Parteien im betroffenen Verfahren nicht aktenkundig ist (RIS-Justiz RS0036770). Dies ist deshalb ohne Belang, weil sich der Eintritt des Ruhens nur auf das Haupt-, nicht aber auf das Provisorialverfahren beziehen kann (Fink in Fasching/Konecny2 II/2 Vor §§ 168-170 ZPO Rz 7; Gitschthaler in Rechberger ZPO3 §§ 168-170 ZPO Rz 1). Aus dem Scheidungsvergleich ergibt sich jedoch eindeutig, dass die Streitteile wechselseitig auf Unterhalt verzichteten. Dazu kommt, dass die Streitteile im Scheidungsvergleich ausdrücklich vereinbarten, „von einer im Revisionsverfahren ergehenden Entscheidung nicht Gebrauch zu machen". Es kann kein Zweifel bestehen, dass damit der vorliegende Revisionsrekurs gemeint ist, zumal eine Revision mangels Entscheidung in der Hauptsache noch gar nicht anhängig sein konnte. Aus dem Zusammenhalt von Unterhaltsvergleich und Verzicht auf einen Gebrauch der Entscheidung im „Revisionsverfahren" wird klar, dass auf eine Durchsetzung auch des Provisorialunterhalts jedenfalls verzichtet werden soll. Damit fehlt es dem Kläger aber an einer materiellen Beschwer, die Lösung der im Revisionsrekurs aufgeworfenen Rechtsfrage wäre eine rein theoretisch-abstrakte (RIS-Justiz RS0002495).
Auch stellt sich die Frage eines allfälligen Kostenzuspruchs nach § 50 Abs 2 ZPO nicht. Wer nämlich den Wegfall des Rechtsschutzinteresses (der Beschwer) selbst zu vertreten hat, hat keinen Kostenersatzanspruch für das unzulässig gewordene Rechtsmittel (RIS-Justiz RS0114749). Davon ist auch hier auszugehen, weil der Kläger durch seinen umfassenden Unterhaltsverzicht den Wegfall der Beschwer mit zu vertreten hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 402, 78 EO und §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels, insbesondere wegen des Unterhaltsverzichts, hingewiesen. Ihr Schriftsatz diente daher der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung.
Anmerkung
E905599Ob65.08mSchlagworte
Kennung XPUBLDiese Entscheidung wurde veröffentlicht iniFamZ 2009/171 S 242 - iFamZ 2009,242XPUBLENDEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2009:0090OB00065.08M.0401.000Zuletzt aktualisiert am
11.08.2009