TE OGH 2009/4/15 15Os40/09k

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Veröffentlicht am 15.04.2009
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Der Oberste Gerichtshof hat am 15. April 2009 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Danek, Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Hofmann als Schriftführerin in der Strafsache gegen Rafael K***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Kim R***** gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Geschworenengericht vom 13. Jänner 2009, GZ 31 Hv 140/08h-84, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde und aus deren Anlass werden die Wahrsprüche der Geschworenen zu den Hauptfragen 3./ bis 14./ und das darauf beruhende Urteil, das im Übrigen, also in Ansehung der Punkte 1./a./ und 1./b./, unberührt bleibt, in den die Angeklagten Rafael K*****, Leo Kr***** und Kim R***** betreffenden Schuldsprüchen 2./ bis 7./ wegen der Verbrechen des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB, 8./ bis 10./ wegen des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB sowie 11./ bis 13./ wegen des Vergehens der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 3 StGB, weiters im die drei Angeklagten betreffenden Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) und der zugleich verkündete, den Angeklagten Leo Kr***** betreffende Beschluss nach § 494a Abs 1 Z 2 StPO aufgehoben. Insoweit wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Salzburg als Schöffengericht verwiesen. Der Angeklagte Kim R***** wird mit seiner darüber hinausgehenden Nichtigkeitsbeschwerde und seiner Berufung auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden, auch in Rechtskraft erwachsene Schuldsprüche des Rafael K***** und des Leo Kr***** umfassenden Urteil wurden Rafael K*****, Leo Kr***** und Kim R***** der Verbrechen des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (Schuldspruchpunkte 2./ bis 7./) sowie der Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (Schuldspruchpunkte 8./ bis 10./) und der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 3 StGB (Schuldspruchpunkte 11./ bis 13./), Rafael K***** darüber hinaus des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (Schuldspruchpunkt 1./b./) und des Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB (Schuldspruchpunkt 1./a./) schuldig erkannt.

Danach haben - zusammengefasst dargestellt - am 3. Mai 2008 in Salzburg

Rafael K***** (alleine)

fremde bewegliche Sachen, nämlich einen Bargeldbetrag in Höhe von 35 Euro dem Daniel E***** mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen (Schuldspruchpunkt 1./a./);

Daniel E***** durch die Äußerung, dass er ihn umbringen werde, wenn er nicht die „Gosch'n" halte, sohin durch gefährliche Drohung mit dem Tod zu einer Unterlassung, nämlich zur Abstandnahme von der Erstattung einer Anzeige zu nötigen versucht (Schuldspruchpunkt 1./b./);

Rafael K*****, Leo Kr***** und Kim R***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB)

„dem Daniel E***** mit Gewalt seine Jacke der Marke R***** im Wert von 150 Euro, einen MP3-Player im Wert von 40 Euro sowie ein Handy der Marke S***** in unbekanntem Wert und eine Packung Zigaretten der Marke Ch*****, sohin mit Gewalt gegen seine Person, wobei Kim R***** nochmals verbal den Daniel E***** zur Herausgabe der obgenannten Objekte aufforderte und sodann diese Gegenstände dem Daniel E***** abnahm, eine fremde bewegliche Sache mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern" (Schuldspruchpunkte 2./, 4./ und 6./);

„dem Fabian L***** durch Gewalt" und durch die Aufforderung, „dass er seine Jacke der Marke F***** im Wert von 50 Euro, seine schwarze Lederbrieftasche im Wert von 10 Euro, Bargeld in Höhe von 2 Euro, sein Handy der Marke S***** im Wert von 100 Euro sowie seine Weste der Marke K***** im Wert von 70 Euro herausgeben solle, wobei Kim R***** nochmals verbal den Fabian L***** zur Herausgabe der obgenannten Objekte aufforderte und sodann sämtliche Gegenstände dem Fabian L***** abnahm, eine fremde bewegliche Sache mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern" (Schuldspruchpunkte 3./, 5./ und 7./);

die E-Card des Fabian L*****, mithin eine Urkunde, über welche sie nicht alleine verfügen durften, mit dem Vorsatz unterdrückt, zu verhindern, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis der Berechtigung zur Inanspruchnahme einer Krankenversicherungsleistung gebraucht werde (Schuldspruchpunkte 8./, 9./ und 10./);

ein unbares Zahlungsmittel, über das sie nicht alleine verfügen durften, nämlich die Bankomatkarte der Volksbank Sch***** des Fabian L***** mit dem Vorsatz, deren Verwendung im Rechtsverkehr zu verhindern, unterdrückt (Schuldspruchpunkte 11./, 12./ und 13./). Die Geschworenen haben die anklagekonform gestellte Hauptfrage 1./ nach Diebstahl durch Rafael K*****, die Hauptfrage 2./ nach schwerer Nötigung durch Rafael K***** sowie die getrennt für jeden Angeklagten gestellten Hauptfragen 3./ bis 8./ nach schwerem Raub bejaht, jedoch dabei in der Hauptfrage 2./ das Anhalten eines Messers in die Bauchgegend des Daniel E*****, in den Hauptfragen 3./, 5./ und 7./ das Ausdämpfen einer Zigarette am Hals des Daniel E***** und das anschließende Vorhalten eines Messers sowie in den Hauptfragen 4./, 6./ und 8./ das Richten eines Messers und eines Schlagrings gegen Fabian L***** verneint.

Hingegen bejahten die Geschworenen die ebenfalls für jeden Angeklagten getrennt gestellten Hauptfragen 9./, 10./ und 11./ nach dem Vergehen der Urkundenunterdrückung und die Hauptfragen 12./, 13./ und 14./ nach dem Vergehen der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 3 StGB.

Die jeweils nur hinsichtlich Rafael K***** gestellten Eventualfragen 1./ nach dem Verbrechen des räuberischen Diebstahls sowie 2./ und 3./ nach dem Vergehen des Diebstahls zum Nachteil des Daniel E***** und des Fabian L***** blieben unbeantwortet.

Nach Zurückziehung der von Rafael K***** ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerde mit Schriftsatz vom 24. März 2009 bekämpft nur der Angeklagte Kim R***** den Schuldspruch mit auf § 345 Abs 1 Z 6 und 11 lit a StPO gestützter Nichtigkeitsbeschwerde.

Rechtliche Beurteilung

In seiner nur gegen die Schuldsprüche wegen der Verbrechen des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB gerichteten Rechtsrüge (Z 11 lit a) weist der Beschwerdeführer im Ergebnis zutreffend darauf hin, dass die im Wahrspruch in den Hauptfragen 7./ und 8./ angenommene Ausübung von Gewalt zur Sachwegnahme jegliche Konkretisierung vermissen lässt. Im geschworenengerichtlichen Verfahren sind jedoch gemäß § 312 StPO alle gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung in die (Haupt-)Frage aufzunehmen, und zwar dergestalt, dass nicht nur die Individualisierung (nach Ort, Zeit, Gegenstand udgl) der dem Täter angelasteten Tat(en) zum Zwecke der Ausschaltung der Gefahr der neuerlichen Verfolgung und Verurteilung wegen derselben Tat sichergestellt ist, sondern auch deren Konkretisierung durch Aufnahme der den Deliktsmerkmalen entsprechenden tatsächlichen Gegebenheiten, die die Subsumtion des von den Geschworenen ihrem Wahrspruch zugrunde gelegten Sachverhalts überhaupt erst ermöglicht und andererseits die Überprüfung dieser Subsumtion durch den Obersten Gerichtshof im Rechtsmittelverfahren (§ 345 Abs 1 Z 11 lit a, 12, 13 StPO) gewährleistet (RIS-Justiz RS0119082).

Das Versäumnis des Schwurgerichtshofs, im Rahmen der Schuldfrage nach einem konkreten historischen Geschehen zu fragen, begründet zwar prinzipiell Nichtigkeit aus Z 6 des § 345 Abs 1 StPO (Ratz, WK-StPO § 345 Rz 40 f), Rechtsfehler unter dem Gesichtspunkt fehlender Feststellungen - wie hier der Fall - werden jedoch von Z 11 lit a erfasst (RIS-Justiz RS0120637, 12 Os 61/06x).

Dies zwingt zur Aufhebung des betroffenen Schuldspruchs und Anordnung einer neuen Hauptverhandlung und Entscheidung bereits bei der nichtöffentlichen Beratung (§§ 285e, 344 StPO). Das übrige aus Z 6 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Beschwerdevorbringen bedurfte daher keiner Erörterung.

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde war gemäß § 290 Abs 1 StPO auch hinsichtlich der Angeklagten Rafael K***** und Leo Kr***** der von ihnen nicht geltend gemachte, sich jedoch zu ihrem Nachteil auswirkende Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs 1 Z 11 lit a StPO hinsichtlich der Hauptfragen 3./ bis 6./ von Amts wegen wahrzunehmen, weil auch in diesen keine Konkretisierung durch Aufnahme der tatsächlichen Gegebenheiten erfolgte, sodass eine Überprüfung der rechtlichen Beurteilung durch den Obersten Gerichtshof nicht möglich ist.

Der von der Generalprokuratur in ihrer Stellungnahme vertretenen Ansicht, auf Basis der im Wahrspruch getroffenen Konstatierungen, gegen die die Staatsanwaltschaft - infolge anklagekonformer Fragestellung und zulässiger Streichungen seitens der Geschworenen - nichts unternehmen habe können (Ratz WK-StPO § 349 Rz 8, § 281 Rz 415 ff), entsprächen die festgestellten Tathandlungen der Angeklagten dem gegenüber dem Verbrechen des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB gelinder pönalisierten Vergehen des Diebstahls nach § 127 StGB, und der daraus gezogenen Schlussfolgerung, die Angeklagten wären im Umfang der Urteilsaufhebung gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO dieses Vergehens schuldig zu erkennen, konnte nicht beigetreten werden, weil sie auf der nicht relevanten (vgl § 335 StPO; auch Danek, WK-StPO § 268 Rz 11) Annahme beruht, nach zulässiger Streichung der Elemente der Gewaltausübung sei auf die Streichung auch der bezughabenden verba legalia („mit Gewalt gegen seine Person" bzw „durch Gewalt") vergessen worden. Von der Nichtigkeit der Hauptfragen 2./ bis 8./ wären zwar - isoliert betrachtet - die Hauptfragen 9./, 10./ und 11./ nach Urkundenunterdrückung und 12./, 13./ und 14./ nach Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nicht betroffen, doch stehen sie angesichts dessen, dass sich die E-Card und die Bankomatkarte des Fabian L***** bei der Raubbeute befunden haben, für den Fall der Verneinung des Raubvorwurfs und einer allfälligen Sachwegnahme durch Diebstahl bei einem oder mehreren Angeklagten im zweiten Rechtsgang in einem derartig engen beweismäßigen Zusammenhang, dass sich im Interesse einer umfassenden Beweiswürdigung im erneuerten Verfahren eine dazu nur teilweise Urteilsaufhebung (§ 349 Abs 2 StPO) verbietet (vgl Ratz, WK-StPO § 289 Rz 3).

Es zeigt sich somit, dass in Ansehung der Schuldspruchsfakten 2./ bis 13./ die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist, eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs in der Sache selbst aber noch nicht einzutreten hat (§§ 285e, 344 StPO), sodass es die aufgezeigten Mängel erforderlich machen, schon bei nichtöffentlicher Sitzung die Wahrsprüche zu den Hauptfragen 3./ bis 14./ und das darauf beruhende Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den die Angeklagten betreffenden Schuldsprüchen 2./ bis 7./ wegen der Verbrechen des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB, 8./ bis 10./ wegen Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB sowie 11./ bis 13./ wegen der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 3 StGB, weiters im die drei Angeklagten betreffenden Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) und der zugleich verkündete, den Angeklagten Leo Kr***** betreffende Beschluss nach § 494a Abs 1 Z 2 StPO unter Anordnung der Verfahrenserneuerung vor dem nunmehr sachlich zuständigen Schöffengericht (14 Os 103/06p mwN, RIS-Justiz RS0101029) aufzuheben. Im zweiten Rechtsgang wird der Entscheidung (auch) der unberührt gebliebene Teil des Wahrspruchs (zu den Hauptfragen 1./ und 2./) und der diesbezügliche Schuldspruch zugrunde zu legen sein.

Anmerkung

E9058315Os40.09k

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0150OS00040.09K.0415.000

Zuletzt aktualisiert am

02.06.2009
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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