Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Rechtsanwälte Tramposch & Partner in Innsbruck, gegen die beklagten Parteien 1.) Daniela M*****, 2.) W***** AG, *****, beide vertreten durch Dr. Franz Dorninger, Rechtsanwalt in Wels, wegen 83.183,36 EUR sA und Feststellung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz vom 17. November 2008, GZ 2 R 96/08p-34, womit das Urteil des Landesgerichts Wels vom 23. April 2008, GZ 31 Cg 105/05i-30, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 2.318,39 EUR (darin 386,40 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 29. 9. 2004 ereignete sich auf der Bundesstraße 145 bei Straßenkilometer 19,2 ein Verkehrsunfall, an dem ein von Robert K***** gelenkter, bei der Klägerin haftpflichtversicherter Klein-LKW und ein von Christian S***** gelenkter PKW beteiligt waren. Durch den Unfall wurden beide Fahrzeuge beschädigt und Christian S***** lebensgefährlich verletzt. Zum Unfallszeitpunkt befand sich auch ein der Erstbeklagten gehöriger, bei der Zweitbeklagten haftpflichtversicherter, PKW ungefähr bei Straßenkilometer 19,2.
Die Unfallstelle befindet sich im Freilandgebiet im Nahbereich des Straßenkilometers 19,2 der Bundesstraße 145. Diese nähert sich in Fahrtrichtung der Erstbeklagten (Richtung Gmunden) über ein Gefälle von knapp 6 % dem Unfallsbereich an. Es sind drei Fahrstreifen vorhanden, davon einer Richtung Gmunden, zwei in die Gegenrichtung (Vöcklabruck). In Fahrtrichtung Gmunden sind 54 m (und nicht - wie im ersten Rechtsgang angenommen - 450 m) vor Straßenkilometer 19,2 übereinander die Vorschriftszeichen „Ende des Überholverbotes" und „Einbiegen nach links verboten" ohne Zusatztafeln aufgestellt. In Fahrtrichtung Gmunden erfolgt die Trennung zwischen den Richtung Gmunden und den Richtung Vöcklabruck führenden Fahrstreifen zunächst durch eine doppelte Sperrlinie, die 2 m nach den beschriebenen Verkehrszeichen endet. In Fahrtrichtung Gmunden ist danach zur Trennung zwischen den beiden bergaufführenden Spuren und der bergabführenden Spur eine Leitlinie angebracht, deren Striche 6 m und deren Zwischenräume ca 1,5 m aufweisen. Die Trennung der beiden Fahrstreifen Richtung Vöcklabruck erfolgt durch Leitlinien mit 6 m langen Strichen und jeweils 9 m Zwischenraum. 25 m vor Straßenkilometer 19,2 beginnt und 2 m vor Straßenkilometer 19,2 endet die in Fahrtrichtung Gmunden gesehen erste Zufahrt zur links gelegenen Tankstelle. Nach einer Grüninsel, die die Fahrbahn vom Tankstellenbereich trennt, beginnt 25 m nach Straßenkilometer 19,2 eine zweite Tankstellenzufahrt, die 50 m nach Straßenkilometer 19,2 endet. In Fahrtrichtung Gmunden gesehen rechts befindet sich ebenfalls eine durch eine Grüninsel von der Fahrbahn getrennte asphaltierte Fläche mit zwei Zufahrten in etwa derselben Höhe wie die gegenüberliegenden Zufahrten; diese Fläche diente ehemals als Tankstelle, wurde aber bereits vor längerer Zeit stillgelegt. Die Sichtweite auf die Unfallstelle beträgt in Fahrtrichtung Gmunden gesehen mehr als 150 m und reicht von der Unfallstelle mehr als 200 m über den Unfallbereich hinaus.
Die Erstbeklagte lenkte ihr Fahrzeug Richtung Gmunden. Etwa bei Straßenkilometer 19,2 bremste sie ihr Fahrzeug langsam ab, da sie beabsichtigte, bei der (in ihrer Fahrtrichtung gesehen zweiten) Zufahrt zur Tankstelle zu gelangen. Wegen Gegenverkehrs konnte sie nicht sofort links abbiegen, sondern musste ihr Fahrzeug zum Stillstand bringen. Unmittelbar hinter ihr brachte Karl Günter B***** sein Fahrzeug ebenfalls langsam zum Stillstand. Auch Johannes S***** hielt sein Fahrzeug dahinter rechtzeitig an. Da diesem schon geraume Zeit die Fahrweise des von Robert K***** gelenkten Pritschenwagens aufgefallen war und sich dieser Wagen plötzlich hinter ihm befand, lenkte Johannes S***** sein Fahrzeug nach rechts, um einen Aufprall des Pritschenwagens auf sein Fahrzeug zu verhindern. Robert K***** gelang es nicht, sein Fahrzeug rechtzeitig anzuhalten, er lenkte es nach links in den Gegenverkehr, wo es zur Frontalkollision mit dem von Christian S***** gelenkten Fahrzeug kam, wodurch dieser lebensgefährlich verletzt wurde und Spät- und Dauerfolgen davontrug. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Erstbeklagte ihr Fahrzeug deshalb zum Stillstand gebracht hat, weil ein vor ihr fahrender Lenker nach links abbiegen wollte und deshalb sein Fahrzeug zum Stillstand brachte.
Gegenstand des Rechtsstreits sind Regressansprüche der Klägerin nach den von ihr aufgrund des Verschuldens von Robert K***** an Christian S***** erbrachten Leistungen.
Zum ersten Rechtsgang in diesem Verfahren wird auf den Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 15. 11. 2007, 2 Ob 101/07b, verwiesen.
Die Klägerin begehrte zuletzt die Zahlung von 83.183,36 EUR sA sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten für 50 % der zukünftigen Schäden aus dem Verkehrsunfall. Soweit für das nunmehrige Revisionsverfahren im zweiten Rechtsgang noch von Bedeutung, brachte die Klägerin vor, unter Berücksichtigung eines 50%igen Mitverschuldens von Robert K***** treffe die Erstbeklagte ein Verschulden am Unfall von 50 %. Diese habe zur links gelegenen Tankstelle zufahren wollen und wegen des Gegenverkehrs abbremsen müssen. Das in Annäherungsrichtung der Unfallsbeteiligten verordnete Abbiegeverbot habe für den gesamten Zufahrtsbereich der Tankstelle gegolten und Straßenbenützer vor Linksabbiegern geschützt. Um die Tankstelle zu erreichen, sähen bauliche Maßnahmen vor, rechts von der Fahrbahn wegzufahren, durch die Seitenfläche durchzufahren und an deren Ende, die Fahrbahn überquerend, zur Tankstelle zuzufahren.
Die Beklagten bestritten und brachten, soweit im zweiten Rechtsgang noch relevant, vor, die Erstbeklagte treffe kein Mitverschulden, weil sich das vor der Tankstelle angebrachte Vorschriftszeichen „Einbiegen nach links verboten" nur auf die erste Linksabbiegemöglichkeit beziehe, mangels Zusatztafel sei ein Linksabbiegen bei der zweiten Tankstellenzufahrt erlaubt gewesen.
Das Erstgericht wies auch im zweiten Rechtsgang das Klagebegehren ab. Es traf die bereits wiedergegebenen Feststellungen und führte in rechtlicher Hinsicht aus, die Erstbeklagte habe ihr Fahrzeug nicht plötzlich und überraschend abgebremst und daher nicht gegen § 21 Abs 1 StVO verstoßen. Der Erstbeklagten werde von der Klägerin angelastet, sie habe mit ihrem PKW trotz des verordneten Linksabbiegeverbots nach links in die zweite Zufahrt zur Tankstelle einbiegen wollen. Da keine Zusatztafeln vorhanden seien, beziehe sich das Vorschriftszeichen „Einbiegen nach links verboten" (nur) auf die nächste Querstraße. Es sei daher lediglich das Linksabbiegen in die erste Zufahrt zur Tankstelle, nicht jedoch in die zweite Zufahrt verboten. Die Erstbeklagte treffe daher kein Verschulden.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge und führte in rechtlicher Hinsicht aus: § 52 Z 3a und 3b StVO („Einbiegen nach links/rechts verboten") besage, dass diese Zeichen je nach der Richtung des Pfeils anzeigen, dass das Einbiegen in die nächste Querstraße nach rechts oder links verboten sei. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs im Zusammenhang mit § 19 Abs 1 StVO und § 2 Abs 1 Z 17 StVO handle es sich unter anderem bei Ausfahrten von Tankstellen nicht um Straßen im Sinne des § 2 Abs 1 Z 1 StVO. Daraus sei für den Standpunkt der Klägerin nichts zu gewinnen, würde doch eine Auslegung dieser Bestimmung nach ihrem Wortlaut dazu führen, dass das Vorschriftszeichen „Einbiegen nach links verboten" überhaupt nicht in Bezug zum Tankstellenbereich zu setzen wäre, nämlich weder auf die erste noch auf die zweite Zufahrt. § 52 Z 3a StVO sei daher so auszulegen, dass das Einbiegen in die nächste Zufahrt verboten sei. Damit werde die vom Linkseinbiegen ausgehende Gefährdung des Verkehrs auf der Bundesstraße im Freilandgebiet insofern verringert, als das Zu- und Abfahren zur und von der Tankstelle dergestalt reguliert werde, dass nicht die erste, sondern nur die zweite an die Bundesstraße anschließende Fläche dem Zufahren zur Tankstelle dienen solle. Dadurch könne ein unnötiges Kreuzen verschiedener Fahrlinien von der und zur Tankstelle hintangehalten werden. Das Gefährdungspotential der beiden Tankstellenzufahrten unterscheide sich daher für den nachfolgenden bzw entgegenkommenden Verkehr. Entgegen der Ansicht der Klägerin sei daher eine differenzierte Behandlung der beiden Tankstellenzufahrten begründbar. Gegen diese Überlegungen spreche auch nicht, dass vom Schutzzweck des Linksabbiegeverbots auch nachfolgende Verkehrsteilnehmer umfasst seien. Auch der Hinweis auf das Vorschriftszeichen gemäß § 52 Z 3c StVO („Umkehren verboten"), das nach dem Gesetzeswortlaut anzeige, dass an der betreffenden „Straßenstelle" oder Kreuzung das Umkehren verboten sei, gehe ins Leere, zumal es sich beim Umkehren darum handle, ohne Wechsel der Fahrbahn eine entgegengesetzte Fahrtrichtung zu gewinnen, während das Einbiegen von einer in eine andere Fahrbahn geschehe. Das von der Erstbeklagten beabsichtigte Linksabbiegen bei der zweiten Tankstellenzufahrt sei daher nicht verboten gewesen, weshalb die Erstbeklagte kein Mitverschulden treffe.
Das Berufungsgericht ließ die Revision zu, weil der Frage der Auslegung eines Abbiegeverbots gemäß § 52 Z 3a und 3b StVO im Zusammenhang mit nicht als Straßen im Sinn des § 2 Abs 1 Z 1 StVO zu qualifizierenden Flächen, nämlich einer Tankstelle und ihren Zufahrten, über den Rechtsstreit hinaus Bedeutung zukomme.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen im Sinne einer Klagsstattgebung abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagten beantragen in der Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.
Die Revisionswerberin vertritt mit verschiedenen Argumenten die Ansicht, das Verkehrszeichen „Einbiegen nach links verboten" gelte für beide Tankstellenzufahrten.
Hiezu wurde erwogen:
Nach § 52 Z 3a und 3b StVO zeigen die dort angeführten Zeichen („Einbiegen nach links bzw rechts verboten") je nach der Richtung des Pfeils an, dass das Einbiegen in die nächste Querstraße nach rechts oder links verboten ist. Gemäß § 2 Abs 1 Z 1 StVO ist eine Straße eine für den Fußgänger- oder Fahrzeugverkehr bestimmte Landfläche samt den in ihrem Zuge befindlichen und diesem Verkehr dienenden baulichen Anlagen.
Ob in § 19 Abs 6 StVO genannte Verkehrsflächen, wozu auch Tankstellenausfahrten gehören, Straßen im Sinn des § 2 Abs 1 Z 1 StVO sind, wird in der Rechtsprechung je nach Zusammenhang und Gesetzeszweck differenzierend beurteilt: In der Entscheidung 2 Ob 249/70 = ZVR 1971/110 wurde etwa im Zusammenhang mit dem Überholverbot gemäß § 16 Abs 2 lit c StVO ausgesprochen, ein Feldweg sei keine Straße gemäß § 2 Abs 1 Z 1 StVO. Für die Frage, wann eine Kreuzung gemäß § 2 Abs 1 Z 17 StVO („eine Stelle, auf der eine Straße eine andere überschneidet oder in sie einmündet, gleichgültig in welchem Winkel") vorliegt, qualifizierte der Oberste Gerichtshof Feldwege, Fußgängerzonen und Wohnstraßen als Straßen im Rechtssinn, verneinte diese Eigenschaft jedoch bei Ausfahrten von Häusern oder Grundstücken, Garagen, Parkplätzen und Tankstellen, bei diesen Verkehrsflächen fehle es regelmäßig am Merkmal einer „anderen" Straße, um mit den Straßen, in die sie einmünden, eine Kreuzung bilden zu können (RIS-Justiz RS0111415).
Eine derart nicht am Gesetzeswortlaut haftende Auslegungsmethode hat, den Gesetzeszweck berücksichtigend, im vorliegenden Fall auch das Berufungsgericht angewendet, indem es § 52 Z 3a StVO so ausgelegt hat, das Einbiegen sei im vorliegenden Fall in die nächste Zufahrt, nicht bloß in die nächste „Querstraße" verboten.
Ob im Zusammenhang mit einem durch das Vorschriftszeichen „Einbiegen nach links verboten" (§ 52 Z 3a StVO) verordneten Linksabbiegeverbot eine Tankstellenzufahrt als „Querstraße" im Sinne dieser Gesetzesbestimmung anzusehen ist oder nicht, kann im vorliegenden Fall jedoch dahingestellt bleiben.
Mag auch bei der Interpretation des Begriffs „(Quer-)Straße" ein gewisser Spielraum vorhanden sein, so teilt der Oberste Gerichtshof die Ansicht der Vorinstanzen, dass das Gesetz insoweit eindeutig ist, wenn es auf die nächste Querstraße abstellt. Es kann durchaus sein, dass im vorliegenden Fall die Behörde mit dem durch das Vorschriftszeichen verordneten Linksabbiegeverbot ein Linksabbiegen zur Tankstelle bei beiden Zufahrten verbieten wollte. Dass es auf die Absicht der verordnenden Behörde aber nicht ankommt, hat der Oberste Gerichtshof bereits im Aufhebungsbeschluss im ersten Rechtsgang (2 Ob 101/07b) ausgeführt. Wollte man wie die Revisionswerberin das Vorschriftszeichen auch auf die übernächste „Querstraße" (Abbiegemöglichkeit) beziehen, entstünde eine Ungewissheit, auf welche und wieviele nachfolgende Querstraßen sich das Verbotszeichen noch beziehen könnte. Aus Gründen der Rechtssicherheit ist daher festzuhalten, dass sich die Verbotszeichen „Einbiegen nach links/rechts verboten" immer nur auf eine, nämlich auf die nächste, „Querstraße" beziehen.
Die dagegen von der Revisionswerberin vorgebrachten Argumente können nicht überzeugen: Dass kein „Ende" des Linksabbiegeverbots zumindest bis zur zweiten Tankstellenzufahrt verordnet wurde, geht am eindeutigen, bereits referierten Gesetzeswortlaut vorbei, der nur auf die nächste Querstraße abstellt, weshalb die Verordnung eines Endes des Linksabbiegeverbots im Gesetz nicht vorgesehen ist. Der Verweis der Revisionswerberin auf § 51 Abs 1 StVO, wonach Vorschriftszeichen vor der entsprechenden „Stelle" anzubringen seien, geht fehl, weil diesbezüglich § 51 Abs 2 StVO die speziellere Vorschrift gerade für das hier gegenständliche Verkehrszeichen „Einbiegen verboten" ist. Danach ist dieses Vorschriftszeichen „in angemessenem Abstand vor der betreffenden Kreuzung" anzubringen. Wie die Vorinstanzen bereits zutreffend beurteilt haben, ist im vorliegenden Fall von einem angemessenen Abstand vor der ersten Tankstellenzufahrt, die nach den Feststellungen 29 m nach dem Verkehrszeichen beginnt, auszugehen.
Das von der Erstbeklagten beabsichtigte Linksabbiegen war daher nicht rechtswidrig, weshalb die Vorinstanzen das Klagebegehren zutreffend abgewiesen haben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50, 41 ZPO.
Textnummer
E90831European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2009:0020OB00008.09D.0416.000Im RIS seit
16.05.2009Zuletzt aktualisiert am
29.10.2010