TE OGH 2009/4/16 3R31/09i

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Veröffentlicht am 16.04.2009
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Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichtes Dr. Jelinek als Vorsitzenden sowie die Richter des Oberlandesgerichtes Dr. Herberger und Mag. Guggenbichler in der Rechtssache der klagenden Partei Republik Österreich *****, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) J***** GmbH i.L., *****, 2.) O***** GmbH, *****, beide zuletzt vertreten durch die Dr. Ernst Maiditsch M.B.L-HSG Rechtsanwaltsgesellschaft m.b.H. in Klagenfurt, 3.) M***** SE, *****, vertreten durch Dr. Friedrich Schubert, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 91.942,-- (Erstbeklagte und Drittbeklagte) und EUR 647.758,-- (Zweitbeklagte und Drittbeklagte) s.A. (hier: wegen Akteneinsicht) über den Rekurs der Antragstellerin P***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Roland Gabl ua, Rechtsanwälte in Linz, gegen den Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 13.02.2009, GZ 13 Cg 83/08w-25, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass er zu lauten hat:

„Der Antragstellerin P***** GmbH wird die Einsicht in den Akt 13 Cg 83/08w des Handelsgerichtes Wien gestattet“.

Die Antragstellerin hat ihre Rekurskosten selbst zu tragen. Der Wert des Entscheidungsgegenstandes übersteigt EUR 20.000,--. Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

Text

Begründung:

Mit zur Geschäftszahl 13 Cg 83/08w beim Erstgericht am 21.11.2008 und 31.12.2008 eingebrachten Schriftsätzen beantragte die P***** GmbH die Gewährung der Akteneinsicht in diesen Akt. Als Begründung brachte sie vor, sie führe zu 5 Cg 54/07z des Landesgerichtes Korneuburg gegen die hier Zweitbeklagte einen Prozess auf Zahlung von EUR 62.666,49 an Provision wegen Vermittlung einer Förderzusage. In diesem Verfahren berufe sich die Zweitbeklagte auf den Akt 13 Cg 83/08w des Handelsgerichtes Wien, in dem die Rückforderung der gewährten Förderung prozessgegenständlich sei, als Beweismittel und bringe ua vor, dem von der Antragstellerin geltend gemachten Provisionsanspruch liege eine unrichtige Bemessungsgrundlage zugrunde. Bei der Berechnung der Förderungszusage hätte nur der Bereich Süsswasserproduktion berücksichtigt werden dürfen. Im Verfahren vor dem Handelsgericht Wien werde überprüft, welche Förderung tatsächlich zugesagt werden hätte dürfen bzw ob die zugesagte Förderung auf richtigen Angaben beruhe. Die Zweitbeklagte habe – so deren Standpunkt im Verfahren vor dem Landesgericht Korneuburg – nach Zusage der Förderung bemerkt, dass Gegenstand der Förderungszusage auch der nicht förderbare Produktionsbereich Salzwasserfisch sei, und aus diesem Grund keine weiteren Förderungen mehr abgerufen. Sie habe einen von der Antragstellerin zu vertretenden Schaden erlitten, weil die Förderstelle vorgeschrieben habe, dass die Halle von den Maschinen zur Makrelenverarbeitung zu räumen sei, weshalb diesbezüglich die Produktion eingestellt werden habe müssen. Den dadurch behauptetermaßen bewirkten Umsatzverlust mache die Zweitbeklagte als Gegenforderung geltend. In diesem Zusammenhang werde der Antragstellerin eine Fehlberatung vorgeworfen. Gestützt auf ihr Vorbringen stehe die (hier) Zweitbeklagte im Verfahren vor dem Landesgericht Korneuburg sogar auf dem Standpunkt, das Verfahren vor dem Handelsgericht Wien sei für das dortige Verfahren präjudiziell.

Die Antragstellerin habe daher ein rechtliches Interesse, in den Akt 13 Cg 83/08w des Handelsgerichtes Wien Einsicht zu nehmen. Insbesondere aus dem Förderungsakt müsse sich ergeben, welche Mitteilungen gegenüber der Förderungsabwicklungsstelle ergangen seien und wie der Kenntnisstand der Förderstelle jeweils gewesen sei. Die Antragstellerin verfüge nicht über die zwischen der Zweitbeklagten und den Förderstellen geführte Korrespondenz, weil sie diese seinerzeit für die Zweitbeklagte nur vorbereitet habe und im Übrigen der Beratungsvertrag von der Zweitbeklagten zum 1.4.2006 aufgelöst worden sei. Diese Korrespondenz müsse sich bei den Förderungsakten befinden.

Das rechtliche Interesse der Antragstellerin an der Akteneinsicht sei noch aus einem weiteren Grund gegeben. Die Klägerin im Verfahren vor dem Handelsgericht Wien berufe sich darauf, dass die Haftung der Drittbeklagten für sämtliche förderungsrelevanten Ansprüche gemäß § 38 UGB bzw § 1409 ABGB gegeben sei. Dies betreffe auch die Ansprüche der Antragstellerin gegen die Zweitbeklagte und gegen die Erstbeklagte. Letztere seien Gegenstand des Verfahrens 1 Cg 135/07t des Landesgerichtes St.Pölten. Auch hier gehe es um Ansprüche im Zusammenhang mit Beratungsleistungen der Antragstellerin bei der Abwicklung der Förderung der Erstbeklagten. Auch die Antragstellerin könne sich auf die Nachfolgehaftung der Drittbeklagten berufen und habe auch mit Schreiben vom 27.10.2008 diese Haftung gegenüber der Drittbeklagten geltend gemacht. Die Drittbeklagte habe bislang nicht reagiert, sodass die Antragstellerin zur Klagsführung genötigt sei. Es sei davon auszugehen, dass die im Verfahren 13 Cg 83/08w des Handelsgerichtes Wien strittige Nachfolgehaftung der Drittbeklagten abschließend geklärt werde, sodass der Ausgang des Verfahrens vor dem Handelsgericht Wien auch präjudiziell für den unmittelbar vor der Einleitung stehenden Rechtsstreit der Antragstellerin gegen die Drittbeklagte wäre.

Die Klägerin sprach sich gegen die Gewährung der Akteneinsicht aus. Die Antragstellerin lege nur ein wirtschaftliches Interesse an der Akteneinsicht dar. Dem Gerichtsakt lägen der Amtsverschwiegenheit unterliegende Verwaltungsakten bei, die in keinem Zusammenhang mit der Antragstellerin stünden. Darüber hinaus sei das BMLFUW zur vertraulichen Behandlung der personenbezogenen Daten schon nach der Sonderrichtlinie verpflichtet, eine Herausgabe an Dritte über den Umweg der Einsicht in die Prozessakten sei unzulässig. Es sei auch das Grundrecht auf Datenschutz zu berücksichtigen. In der Sonderrichtlinie seien datenschutzrechtliche Gesichtspunkte besonders hervorgehoben (Pkt 1.10 der SRL), sodass auch aus datenschutzrechtlichen Gründen eine Einsichtnahme in die Prozessakten, die auch Verwaltungsakten des Bundes enthielten, nicht zulässig erscheine.

Auch die Erstbeklagte sprach sich dagegen aus, der Antragstellerin Akteneinsicht zu gewähren. Die Antragstellerin habe daran lediglich ein wirtschaftliches Interesse. Sie prozessiere um ein angeblich offenes Honorar. Im gegenständlichen Verfahren gehe es darum abzuklären, ob die Förderungszusagen zu Recht erfolgt seien oder nicht. Weiters sprächen Gründe des Datenschutzes gegen eine Einsichtnahme, weshalb dem Antrag entgegengetreten werde. Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht den Antrag auf Akteneinsicht ab. Ohne Zustimmung der Parteien stehe einem Dritten gemäß § 219 Abs 2 ZPO Akteneinsicht- und Abschriftnahme nur insoweit zu, als er ein rechtliches Interesse glaubhaft mache. Das Recht auf Datenschutz stehe der Akteneinsicht durch die Antragstellerin nicht entgegen, weil dieses nur personenbezogene Daten betreffe, die in einer Datei, also in einer strukturierten Sammlung von Daten, die nach mindestens einem Suchkriterium zugänglich sei, aufschienen. Akten fielen nicht darunter.

Ein rechtliches Interesse sei jedoch nur dann zu bejahen, wenn sich die Kenntnis des Akteninhaltes auf die privat- oder öffentlichrechtlichen Verhältnisse des Dritten günstig auswirke, sei es auch nur dadurch, dass sich eine Beweislage für ihn günstiger gestalte. Die Rechtsprechung gehe von einer weiten Auslegung des Begriffs des „rechtlichen Interesses“ aus. Sie lasse es auch genügen, wenn ein Dritter durch Kenntnis des Akteninhaltes die Beweislage für sich verbessern könne, weil er aus dem Akt etwas erfahre, was er nicht wisse, aber zur Wahrung seiner Interessen wissen müsse. Auch wenn der Akteninhalt den Rechtskreis des Dritten nur mittelbar berühre, sei ein rechtliches Interesse zu bejahen.

Die Antragstellerin habe sich zwar verallgemeinernd auf ein rechtliches Interesse berufen, dieses aber – trotz Aufforderung zur Verbesserung – nicht nachvollziehbar dargelegt. Sie behauptet zwar, dass sie sich durch die begehrte Akteneinsicht in dem beim Landesgericht Korneuburg anhängigen Verfahren 5 Cg 54/07z eine bessere Beweislage erhoffe, habe diese Behauptungen in weiterer Folge aber lediglich durch ihre Vermutung präzisiert, dass sich im Förderakt Korrespondenz zwischen der Zweitbeklagten und der Förderabwicklungsstelle befinde, deren Kenntnis für sie wesentlich sei. Damit habe die Antragstellung nur Bezug auf den vermuteten Inhalt des Förderaktes genommen, dessen Beischaffung im Verfahren 13 Cg 83/08w bisher weder veranlasst worden sei noch bevorstehe. Die von der Antragstellerin behauptete Korrespondenz, in die sie Einsicht nehmen wolle, sei somit nicht Teil des Aktes.

Soweit sich die Antragstellerin darauf berufe, der Ausgang des gegenständlichen Verfahrens sei für ein unmittelbar vor der Einleitung stehendes Verfahren gegen die Drittbeklagte präjudiziell, weil die strittige Nachfolgehaftung der Drittbeklagten im gegenständlichen Verfahren abschließend geklärt werde, habe sie es erneut unterlassen genau anzugeben, die Kenntnis welcher Tatsachen sie sich in diesem Zusammenhang aus der Akteneinsicht erwarte. Die Antragstellerin habe daher insgesamt kein ausreichendes rechtliches Interesse behauptet und glaubhaft gemacht. Ihr Antrag sei weitgehend unbestimmt geblieben und habe sich auf die Verwendung von Rechtsbegriffen beschränkt, sodass der Antrag als Versuch zu werten sei zu erkunden, ob der Förderakt in diesem Verfahren beigeschafft wurde, um in diesen Einsicht zu erhalten. Über ein bloßes Informationsbedürfnis gehe das Interesse der Antragstellerin nicht hinaus, weshalb der Antrag abzuweisen sei.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich der Rekurs der Antragstellerin mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss im antragstattgebendem Sinn abzuändern. Der Rekurs ist berechtigt.

Gem § 219 Abs 2 ZPO können mit Zustimmung der Parteien auch dritte Personen in gleicher Weise wie die Parteien in den Akt Einsicht nehmen und auf ihre Kosten Abschriften (Kopien) und Ausdrucke (Auszüge) erhalten, soweit dem nicht überwiegende berechtigte Interessen eines anderen oder überwiegende öffentliche Interessen im Sinne des § 26 Abs 2 erster Satz DSG 2000 entgegenstehen. Fehlt eine solche Zustimmung, so steht einem Dritten die Einsicht und Abschriftnahme überdies nur insoweit zu, als er ein rechtliches Interesse glaubhaft macht.

Die Rspr zu den Voraussetzungen der Akteneinsicht durch einen Dritten ohne Zustimmung der Parteien wurde vom Erstgericht im Grundsätzlichen richtig dargestellt (§ 500 a ZPO).

Ausgehend von dem durch Vorlage eines Auszugs aus dem Verhandlungsprotokoll vom 5.9.2008 im Verfahren 5 Cg 54/07z des Landesgerichtes Korneuburg sowie zweier von der Zweitbeklagten im dortigen Verfahren erstatteter Schriftsätze bescheinigten Vorbringen der Antragstellerin ist deren rechtliches Interesse an der begehrten Akteneinsicht jedoch zu bejahen. Die Klägerin begehrt in dem Verfahren vor dem LG Korneuburg von der (hier) Zweitbeklagten Vermittlungsprovision für die Vermittlung einer Förderung. In diesem Verfahren ist ihr durch ein entsprechendes Vorbringen der Zweitbeklagten zur Kenntnis gelangt, dass die Republik Österreich im Verfahren 13 Cg 83/08w des Handelsgerichtes Wien ausgezahlte Förderungsbeträge zurückverlange. Die Antragstellerin hat bescheinigt, dass ihr die Zweitbeklagte im Verfahren vor dem LG Korneuburg fehlerhafte Leistungen bei der Vermittlung der Förderung vorwirft und das dortige Klagebegehren aus diesem Grund bestreitet. Damit ist der Antragstellerin aber ein als rechtliches Interesse im Sinne der Rechtsprechung zu wertendes Interesse daran zuzubilligen zu erfahren, aus welchem Grund die Republik Österreich die von der Antragstellerin vermittelte Förderung zurückverlangt und auf welche Beweismittel sie sich dabei stützt.

Der Rekurswerberin ist darin zuzustimmen, dass von ihr nicht verlangt werden könne, genau anzugeben, die Kenntnis welcher Tatsachen sie sich aus der Akteneinsicht erwarte, weil der Zweck der Akteneinsicht gerade darin bestehe, Kenntnis von den relevanten Umständen zu erlangen (vgl 8 Ob 4/03a).

Dass bestimmte Aktenteile im überwiegenden Interesse der Parteien oder eines Dritten oder im überwiegenden öffentlichen Interesse iSd § 26 Abs 2 erster Satz DSG 2000 von der Akteneinsicht auszunehmen wären, ist nach der Aktenlage nicht indiziert. Die Klägerin und die Erstbeklagte haben in diesem Zusammenhang in ihren Äußerungen auch kein substantiiertes Vorbringen erstattet.

Dem Rekurs war daher Folge zu geben.

Ob die Akteneinsicht – wie primär beantragt – durch Übersendung des Aktes an das zuständige Rechtshilfegericht in Linz oder vor dem Handelsgericht Wien gewährt wird, bleibt der Entscheidung durch das Erstgericht vorbehalten.

Für eine Kostenersatzpflicht der Parteien gegenüber einem Akteneinsicht begehrenden Dritten, der nicht Partei des Verfahrens ist, besteht keine gesetzliche Grundlage. Die Bestimmungen der §§ 40 ff ZPO haben den Kostenersatz im Verhältnis zwischen den Verfahrensparteien zum Regelungsgegenstand. Daneben gewährt das Gesetz auch demjenigen, der dem Rechtsstreit als Nebenintervernient beigetreten (§ 41 Abs 1 ZPO) ist (Bydlinski in Fasching/Konecny² II/1 § 41 ZPO Rz 5), und in einigen – hier ebenfalls nicht vorliegenden - Ausnahmefällen auch einem sonstigen Dritten (zu diesen Fällen siehe Rz 15 aaO) eigene Kostenersatzansprüche. Ein Kostenersatzanspruch des außenstehenden Dritten, der - auch gegen den Widerstand der Parteien - erfolgreich sein Recht auf Akteneinsicht durchgesetzt hat, ist dem Gesetz fremd. Die Klägerin hat daher ihre Rekurskosten selbst zu tragen.

Da sich das rechtliche Interesse der Antragstellerin an der Akteneinsicht daraus ergibt, dass sie gegen die Zweitbeklagte in einem anderen Prozess eine Provisionsforderung von EUR 62.666,49 geltend macht, war der Entscheidungsgegenstand mit EUR 20.000,-- übersteigend zu bewerten.

Der ordentliche Revisionsrekurs war nicht zuzulassen, weil eine Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO nicht zu lösen war. Die Beurteilung, ob ein rechtliches Interesse an der Akteneinsicht durch einen Dritten vorliegt, hängt regelmäßig von den Umständen des Einzelfalles ab. Oberlandesgericht Wien

1016 Wien, Schmerlingplatz 11

Anmerkung

EW006813R31.09i

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OLG0009:2009:00300R00031.09I.0416.000

Zuletzt aktualisiert am

08.07.2009
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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