TE OGH 2009/4/21 10Ob9/09k

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Veröffentlicht am 21.04.2009
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schinko als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Hon.-Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj Roksane K*****, geboren am 16. November 1991, vertreten durch das Land Wien als Wohlfahrtsträger (Magistrat der Stadt Wien, Amt für Jugend und Familie Rechtsvertretung, Bezirke 14-16, 1150 Wien, Gasgasse 8-10), infolge Revisionsrekurses der Minderjährigen gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 6. November 2008, GZ 48 R 298/08s-U14, womit infolge Rekurses der Minderjährigen der Beschluss des Bezirksgerichts Hernals vom 25. August 2008, GZ 2 P 111/07p-U5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

Text

Begründung:

Die mj Roksane K***** ist das (eheliche) Kind von Elzbieta C*****-K***** und Arkadiusz C*****. Die Minderjährige und ihre Eltern sind polnische Staatsbürger. Die Ehe der Eltern wurde mit Urteil des Kreisgerichts Swidnica vom 10. 10. 2002 geschieden. Der Mutter steht die Obsorge für die Minderjährige zu. Die Minderjährige und ihre Mutter wohnen im gemeinsamen Haushalt in Österreich. Am 22. 8. 2008 beantragte die Minderjährige, vertreten durch das Land Wien als Jugendwohlfahrtsträger, die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen nach §§ 3, 4 Z 1 UVG in Höhe von 60 EUR monatlich. Sie brachte dazu vor, dass ihr Vater nach dem Urteil des Kreisgerichts Swidnica vom 10. 10. 2002 zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 200 Zloty (= 60 EUR) verpflichtet sei. Eine Exekution erscheine aussichtslos, weil der Vater derzeit unbekannten Aufenthalt sei. Es sei ihm aber möglich, in Polen oder anderen EU-Mitgliedstaaten ein Einkommen von mindestens 1.000 EUR netto monatlich zu erzielen.

Das Erstgericht wies den Antrag der Minderjährigen mit der Begründung ab, dass weder die Mutter noch der Vater in Österreich zur Sozialversicherung gemeldet seien. Sie seien daher keine Arbeitnehmer im Sinne der „Wanderarbeitnehmer-Verordnung", weshalb die Minderjährige als polnische Staatsangehörige keinen Anspruch auf Unterhaltsvorschüsse habe.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Minderjährigen keine Folge. Es hielt dem Vorbringen im Rekurs, wonach die Mutter bereits seit 2002 in Österreich unselbständig beschäftigt und sozialversichert und die Minderjährige im Hinblick auf ihren Schulbesuch noch nicht selbsterhaltungsfähig sei, entgegen, dass nach der jüngeren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (4 Ob 4/07b, 6 Ob 121/07y, 1 Ob 267/07g) der Anspruch auf Unterhaltsvorschüsse als Familienleistungen im Sinn der Verordnung (EWG) Nr 1408/71 an die Rechtsstellung des Unterhaltsschuldners anknüpfe, da nur dessen Leistungen durch die Vorschüsse substituiert würden. Es komme daher für eine Anwendung der VO 1408/71 allein darauf an, ob der Geldunterhaltsschuldner dieser Verordnung unterliege. Da die Minderjährige den Nachweis, dass der Vater als geldunterhaltspflichtiger Elternteil diese Voraussetzungen erfülle, nicht erbracht habe, bestehe kein Anspruch auf Gewährung österreichischer Unterhaltsvorschüsse.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil zur Frage, ob die Anwendbarkeit der VO 1408/71 bereits dann zu bejahen sei, wenn ein Elternteil als Arbeitnehmer zu qualifizieren sei, eine unterschiedliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliege.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der Minderjährigen mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne einer Stattgebung ihres Antrags auf Gewährung von Unterhaltsvorschüssen. Der Präsident des Oberlandesgerichts Wien und der Vater der Minderjährigen haben keine Revisionsrekursbeantwortung erstattet. Der Revisionsrekurs der Minderjährigen wurde entsprechend dem Auftrag des erkennenden Senats vom 24. 2. 2009 auch der Mutter zur allfälligen Erstattung einer Revisionsrekursbeantwortung zugestellt. Die Mutter hat ebenfalls keine Revisionsrekursbeantwortung erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig und im Sinne der beschlossenen Aufhebung auch berechtigt. Die Revisionsrekurswerberin macht im Wesentlichen geltend, ihre Mutter sei in Österreich als Arbeitnehmerin im Sinn der VO 1408/71 beschäftigt. Dies allein müsste schon ein ausreichender Anknüpfungspunkt sein, um ihr in Österreich Unterhaltsvorschuss zu gewähren. Im Übrigen arbeite auch der unterhaltspflichtige Vater schon seit Jahren - allerdings illegal - in Österreich. Es könne nicht zum Nachteil des Kindes sein, wenn sich sein Vater nicht ausreichend bemühe, die rechtlichen Voraussetzungen für eine legale Beschäftigung in Österreich zu schaffen.

Der erkennende Senat, der nach der Geschäftsverteilung des Obersten Gerichtshofs seit 1. 1. 2008 als Fachsenat für Rechtssachen nach dem UVG (ausschließlich) zuständig ist, hat erst jüngst in den Entscheidungen 10 Ob 75/08i, 10 Ob 78/08f, 10 Ob 83/08s ua, jeweils vom 27. 1. 2009, zur Frage des Anspruchs eines Minderjährigen auf Unterhaltsvorschuss nach der Verordnung (EWG) Nr 1408/71 idgF (im Folgenden: VO 1408/71) im Wesentlichen wie folgt Stellung genommen:

Nach § 2 Abs 1 UVG haben minderjährige Kinder mit gewöhnlichem Aufenthalt in Österreich Anspruch auf Unterhaltsvorschuss, wenn sie entweder österreichische Staatsbürger oder staatenlos sind. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) ist eine Leistung wie der Unterhaltsvorschuss nach dem österreichischen UVG eine Familienleistung iSd Art 4 Abs 1 lit h der VO 1408/71 (vgl Urteil vom 15. 3. 2001, Rs C-85/99, Offermanns, Slg 2001, I-2261; Urteil vom 5. 2. 2002, Rs C-255/99, Humer, Slg 2002, I-1205; Urteil vom 20. 1. 2005, Rs C-302/02, Effing, Slg 2005, I-553).

Nach Art 3 Abs 1 der VO 1408/71 haben die Personen, die im Gebiet eines Mitgliedstaats wohnen und für die diese Verordnung gilt, die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie die Angehörigen dieses Staats, soweit besondere Bestimmungen dieser Verordnung nichts anderes vorsehen. In den persönlichen Geltungsbereich dieser Verordnung fallen nach Art 2 Abs 1 der VO 1408/71 „Arbeitnehmer und Selbständige ..., für welche die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, soweit sie Staatsangehörige eines Mitgliedsstaats sind ..., sowie für deren Familienangehörige ...".

Der Begriff „Arbeitnehmer" und „Selbständiger" wird in Art 1 lit a der VO 1408/71 definiert. Nach dessen Z i ist „Arbeitnehmer" oder „Selbständiger" jede Person, die gegen ein Risiko oder gegen mehrere Risiken, die von den Zweigen eines Systems der sozialen Sicherheit für Arbeitnehmer oder Selbständige oder einem Sondersystem für Beamte erfasst werden, pflichtversichert oder freiwillig weiterversichert ist.

Der Begriff „Familienangehöriger" wird in Art 1 lit f Z i der VO 1408/71 definiert als jede Person, die in den Rechtsvorschriften, nach denen die Leistungen gewährt werden, als Familienangehörige bestimmt, anerkannt oder als Haushaltsangehöriger bezeichnet wird. Da nach der Rechtsprechung des EuGH die Unterscheidung zwischen eigenen und abgeleiteten Rechten grundsätzlich nicht für Familienleistungen gilt (vgl EuGH, 15. 3. 2001, Rs C-85/99, Offermanns, Slg 2001, I-2261 Rz 34 mwN), kommt es für die unterhaltsberechtigte Antragstellerin, um in den persönlichen Anwendungsbereich der VO 1408/71 zu fallen, nur mehr darauf an, ob sie ihre Stellung von einem Elternteil ableiten kann (vgl Schlussanträge des Generalanwalts Alber vom 28. 9. 2000, Rs C-85/99, Offermanns, Slg 2001, I-2261 Rz 55). Der persönliche Anwendungsbereich nach Art 2 der VO 1408/71 ist daher eröffnet, wenn die Antragstellerin als Familienangehörige eines Arbeitnehmers oder Selbständigen anzusehen ist. Nach der Rechtsprechung des EuGH und der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fällt somit eine Person, die einen Elternteil hat, der tätiger oder arbeitsloser Arbeitnehmer oder Selbständiger iSd Art 2 Abs 1 iVm Art 1 Abs 1 lit f Z i der VO 1408/71 ist, in den persönlichen Geltungsbereich dieser Verordnung (EuGH 5. 2. 2002, Rs C-255/99, Humer, Slg 2002, I-1205 Rz 54; RIS-Justiz RS0116311). Dieser Grundsatz wurde auch in der vom Rekursgericht zitierten jüngeren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (4 Ob 4/07b, 6 Ob 121/07y, 1 Ob 267/07g) ausdrücklich aufrechterhalten. Eine weitere Voraussetzung für die Anwendung der VO 1408/71 ist das Vorliegen eines grenzüberschreitenden Sachverhalts. Diese Voraussetzung ist dahin zu verstehen, dass eine Anwendung der Vorschriften über die Koordination von Leistungen der sozialen Sicherheit nur auf grenzüberschreitende Sachverhalte in Betracht kommt. Der danach als Grundvoraussetzung für die Anwendung des Gemeinschaftsrechts zu fordernde gemeinschaftliche, grenzüberschreitende Bezug setzt also voraus, dass Personen, Sachverhalte oder Begehren eine rechtliche Beziehung zu einem anderen Mitgliedstaat aufweisen. Diese Umstände können in der Staatsangehörigkeit, dem Wohn- oder Beschäftigungsort, dem Ort eines die Leistungspflicht auslösenden Ereignisses, vormaliger Arbeitstätigkeit unter dem Recht eines anderen Mitgliedstaats oder ähnlichen Merkmalen gesehen werden (10 Ob 36/08d mwN; 10 Ob 60/03a; vgl Eichenhofer in Fuchs, Europäisches Sozialrecht4 Art 2 VO 1408/71 Rz 6 und 14 mwN). Dieser notwendige grenzübschreitende Bezug kann daher nicht nur dadurch zustandekommen, dass der Unterhaltsschuldner von der Freizügigkeit als tätiger oder arbeitsloser Arbeitnehmer oder Selbständiger Gebrauch macht oder Grenzgänger ist, sondern auch dadurch, dass dies der Elternteil tut, bei dem sich das Kind aufhält (Neumayr in Schwimann, ABGB3 § 1 UVG Rz 20 mwN).

Im vorliegenden Fall sind daher eindeutige Feststellungen darüber erforderlich, ob die Mutter, mit der die Minderjährige in häuslicher Gemeinschaft lebt, seit dem Zeitpunkt der gegenständlichen Antragstellung auf Gewährung von Unterhaltsvorschüssen (22. 8. 2008) - entsprechend den Behauptungen der Antragstellerin - in Österreich als Arbeitnehmerin unselbständig oder selbständig erwerbstätig oder als arbeitslose Arbeitnehmerin sozialversichert ist. Als tätige oder arbeitslose EWR-Arbeitnehmerin oder Selbständige, die einem Zweig der sozialen Sicherheit iSd Art 3 der VO 1408/71 untersteht, würde sie und damit auch die Antragstellerin als ihre Familienangehörige in den persönlichen Anwendungsbereich der VO 1408/71 fallen. Der grenzüberschreitende Gesichtspunkt würde nach den Behauptungen der Antragstellerin darin bestehen, dass ihre Mutter, die eine polnische Staatsangehörige ist, in Österreich arbeitet und somit von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht hat.

Weiters hat der erkennende Senat in den erwähnten Entscheidungen 10 Ob 75/08i, 10 Ob 78/08f, 10 Ob 83/08s ua jeweils vom 27. 1. 2009 im Wesentlichen noch Folgendes ausgeführt:

Das in Art 3 Abs 1 der VO 1408/71 normierte Gleichbehandlungsgebot steht unter dem Vorbehalt „soweit besondere Bestimmungen dieser Verordnung nichts anderes vorsehen". Es führt daher nicht zu einem Verbot einer unterschiedlichen Behandlung, die sich gegebenenfalls aus Unterschieden der aufgrund von Kollisionsnormen wie Art 13 Abs 2 der VO 1408/71 anzuwendenden nationalen Rechtsvorschriften über Familienleistungen ergibt (EuGH, 20. 1. 2005, Rs C-302/02, Effing, Slg 2005, I-553 Rz 51; 4 Ob 4/07b).

Die Zuständigkeit eines Mitgliedstaats für Familienleistungen und damit auch für den österreichischen Unterhaltsvorschuss richtet sich grundsätzlich nach den Kollisionsnormen der Art 13 ff der VO 1408/71. Ziel dieser Bestimmungen ist es, dass jede Person einer einzigen bestimmten Sozialrechtsordnung unterliegt; es sollen daher durch die Verordnung weder Versicherungslücken noch Doppelversicherung oder Doppelleistungen entstehen (vgl Steinmeyer in Fuchs, Europäisches Sozialrecht4 Art 13 VO 1408/71 Rz 1).

Gemäß Art 13 Abs 1 VO 1408/71 unterliegen Personen, für die die Verordnung gilt, abgesehen von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen, den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats; dieser ist nach Titel II der Verordnung zu bestimmen. Gemäß Art 13 Abs 2 lit a VO 1408/71 unterliegt eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaats abhängig beschäftigt ist, den Rechtsvorschriften dieses Staats und zwar auch dann, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnt. Gemäß Art 73 VO 1408/71 hat ein Arbeitnehmer oder ein Selbständiger, der den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats unterliegt, für seine Familienangehörigen, die im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des ersten Staats (Beschäftigungsstaat) als ob diese Familienangehörigen im Gebiet dieses Staats wohnten. Dabei werden Familienleistungen gemäß Art 75 Abs 1 der VO 1408/71 in dem in Art 73 dieser Verordnung genannten Fall vom zuständigen Träger des Staats gewährt, dessen Rechtsvorschriften für den Arbeitnehmer oder den Selbständigen gelten. Sie werden nach den für diesen Träger geltenden Bestimmungen unabhängig davon gezahlt, ob die natürliche oder juristische Person, an die sie zu zahlen sind, im Gebiet des zuständigen Staats oder in dem eines anderen Mitgliedstaats wohnt oder sich dort aufhält. In der jüngeren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (vgl 4 Ob 4/07b, 6 Ob 121/07y, 1 Ob 267/07g) wurde die Ansicht vertreten, dass der Anspruch auf Unterhaltsvorschüsse als Familienleistungen im Sinn der VO 1408/71 an die Rechtsstellung des Unterhaltsschuldners anknüpfe, in dessen Haushalt das Kind nicht lebe und der den ihm auferlegten Geldunterhalt als Familienlast nicht tragen könne oder wolle. Es sei daher für das Bestehen eines solchen Anspruchs nach den Kollisionsregeln der VO 1408/71 (nur) jenes System sozialer Sicherheit maßgebend, in das der Geldunterhaltsschuldner eingebunden sei.

Dieser Ansicht, die im Widerspruch zur früheren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs in vergleichbaren Fällen (4 Ob 117/02p = SZ 2002/77; 9 Ob 157/02g ua) steht, vermag sich der erkennende Senat nicht anzuschließen. Es ist nach den zitierten Kollisionsnormen der VO 1408/71 vielmehr davon auszugehen, dass grundsätzlich das Recht des Mitgliedstaats anwendbar ist, in dem der Arbeitnehmer oder Selbständige beschäftigt ist, der die Anwendung der VO 1408/71 begründet. Eine solche Anknüpfung an den versicherungspflichtigen Arbeitnehmer oder Selbständigen ist im Rahmen der VO 1408/71 grundsätzlich auch sachlich gerechtfertigt, weil der überwiegende Teil der erfassten Sozialleistungen auf Versicherungssystemen beruht (vgl Schlussanträge der Generalanwältin Kokott vom 25. 5. 2004, Rs C-302/02, Effing, Slg 2005, I-553 Rz 32 f). Eine Einschränkung der Anknüpfung ausschließlich an die Stellung des Vaters als Geldunterhaltsschuldner ist den zitierten Koordinierungsregelungen nicht zu entnehmen und würde überdies auch mit den oben dargelegten Ausführungen, wonach sowohl die Rechtsstellung des Vaters als Arbeitnehmer oder Selbständiger als auch jene der Mutter als Selbständige oder Arbeitnehmerin iSd VO 1408/71 die Anwendung dieser Verordnung zu begründen vermag, im Widerspruch stehen. Familienleistungen werden daher in der Regel nach den Vorschriften des Mitgliedstaats gewährt, in dem der Arbeitnehmer bzw Selbständige beschäftigt ist, durch den der Anspruch auf Familienleistungen vermittelt wird (Neumayr aaO § 1 UVG Rz 39).

Im Anlassfall würde die nach den Behauptungen der Antragstellerin in Österreich unselbständig tätige Mutter nach den dargestellten Kollisionsnormen allein österreichischem Recht unterliegen. Davon ausgehend hätte die Antragstellerin einen Anspruch auf Gewährung von Unterhaltsvorschüssen nach dem österreichischen UVG. In den vom Anwendungsbereich der VO 1408/71 erfassten Fällen ist - entgegen § 2 Abs 1 UVG - die österreichische Staatsbürgerschaft des antragstellenden minderjährigen Kindes nicht Anspruchsvoraussetzung (10 Ob 36/08d mwN).

Das Verfahren erweist sich daher insoweit als ergänzungsbedürftig, als eindeutige Feststellungen darüber erforderlich sind, ob die Mutter seit dem Zeitpunkt der gegenständlichen Antragstellung (22. 8. 2008) in Österreich als Arbeitnehmerin unselbständig oder als Selbständige erwerbstätig oder als arbeitslose Arbeitnehmerin sozialversichert ist. Dem Revisionsrekurs der Minderjährigen ist daher Folge zu geben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen.

Anmerkung

E9073610Ob9.09k-2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0100OB00009.09K.0421.000

Zuletzt aktualisiert am

10.06.2009
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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