Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Dr. Schramm sowie die fachkundigen Laienrichter ADir Brigitte Augustin (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Canan Aytekin-Yildirim (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in den verbundenen Sozialrechtssachen der klagenden Partei Ayse E*****, vertreten durch Summer/Schertler/Stieger/Droop, Rechtsanwälte in Bregenz, gegen die beklagte Partei Vorarlberger Gebietskrankenkasse, 6850 Dornbirn, Jahngasse 4, vertreten durch Hoffmann & Brandstätter Rechtsanwälte KEG in Innsbruck, wegen Rückforderung des Zuschusses zum Kinderbetreuungsgeld (Streitwert: 2.205,84 EUR und 2.211,90 EUR), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 18. März 2008, GZ 25 Rs 18/08w-11, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Arbeits- und Sozialgericht vom 22. Oktober 2007, GZ 35 Cgs 159/07k-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:
Spruch
Das Revisionsverfahren wird von Amts wegen fortgesetzt. Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat ihre Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin ist die Mutter der am 10. 2. 1991 geborenen Derya und der am 2. 1. 2002 geborenen Güzide. Ihr Sohn Mehmet absolviert eine Lehrausbildung und lebt mit seiner Mutter im gemeinsamen Haushalt. Sie bezog von der beklagten Partei anlässlich der Geburt ihrer Tochter Güzide einen Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld von 2.205,84
EUR für den Zeitraum vom 2. 1. 2002 bis 31. 12. 2002 und von 2.211,90
EUR für den Zeitraum vom 1. 1. 2003 bis 31. 12. 2003. Der Ehemann der Klägerin, Ali E*****, bezog im Jahr 2002 ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen von 1.240 EUR und im Jahr 2003 eines von 1.400 EUR. Seine in Anwendung des § 8 KBGG berechneten Einkünfte beliefen sich im Anspruchszeitraum des Jahres 2002 auf 22.303,74 EUR und in jenem des Jahres 2003 auf 23.300,50
EUR.
Mit Bescheiden vom 27. 6. 2007 widerrief die beklagte Partei die Zuerkennung des Zuschusses zum Kinderbetreuungsgeld für den Zeitraum vom 2. 1. 2002 bis 31. 12. 2002 und vom 1. 1. 2003 bis 31. 12. 2003 und verpflichtete die Klägerin zum Rückersatz des Zuschusses zum Kinderbetreuungsgeld von insgesamt 4.417,74 EUR.
Gegen diese Bescheide erhob die Klägerin rechtzeitig Klagen, mit denen sie die Feststellung begehrte, der Anspruch auf Rückforderung des Zuschusses zum Kinderbetreuungsgeld für die Zeit vom 2. 1. 2002 bis 31. 12. 2002 und vom 1. 1. 2003 bis 31. 12. 2003 in Höhe von insgesamt 4.417,74 EUR bestehe nicht zu Recht.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klagebegehren. Das Erstgericht hat mit Urteil festgestellt, dass der Anspruch der Klägerin auf Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld für die Zeiträume vom 2. 1. 2002 bis 31. 12. 2002 und vom 1. 1. 2003 bis zum 31. 12. 2003 nicht zu Recht bestehe, und die Klägerin zur Rückzahlung des in diesen Zeiträumen bezogenen Zuschusses zum Kinderbetreuungsgeld von 4.417,74 EUR in 37 Monatsraten verpflichtet. Es vertrat in rechtlicher Hinsicht im Wesentlichen die Auffassung, das gemäß § 8 Abs 1 Z 1 KBGG maßgebliche Einkommen des Ehemanns der Klägerin habe im Jahr 2002 22.303,74 EUR und im Jahr 2003 23.300,50 EUR betragen. Diese Beträge überschritten die Freigrenze von 18.000 EUR (§ 12 KBGG). Die Unterschiedsbeträge seien gemäß § 12 Abs 2 KBGG auf den in den Jahren 2002 und 2003 bezogenen Zuschuss anzurechnen, sodass gemäß § 31 KBGG die Rückforderung des gesamten Zuschusses rechtens sei. § 31 Abs 2 KBGG normiere eine verschuldensunabhängige Rückforderung. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Es schloss sich im Wesentlichen der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichts an. Eine Berücksichtigung des von der Klägerin in ihrer Berufung behaupteten gutgläubigen Verbrauchs komme nicht in Betracht. Schließlich teilte das Berufungsgericht auch nicht die von der Klägerin gegen die maßgebliche Gesetzeslage vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken. Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Bestimmung des § 8 KBGG noch nicht vorliege.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinn einer Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Weiters wurde die Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens betreffend die Bestimmungen der §§ 8, 12 und 31 KBGG beim Verfassungsgerichtshof angeregt.
Die beklagte Partei beantragt, in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Oberste Gerichtshof hat mit Beschluss vom 23. 9. 2008 an den Verfassungsgerichtshof den Antrag gestellt
1. § 31 Abs 2 zweiter Satz KBGG in der Stammfassung (BGBl I 2001/103) als verfassungswidrig aufzuheben und
2. auszusprechen, dass
a) § 8 KBGG in der Stammfassung (BGBl I 2001/103),
in eventu § 8 Abs 1 KBGG in der Stammfassung (BGBl I 2001/103),
b) in § 12 Abs 1 KBGG in der Stammfassung (BGBl I 2001/103) die Wortfolge „ , sofern ihr Ehegatte kein Einkommen erzielt oder der maßgebliche Gesamtbetrag der Einkünfte (§ 8) nicht mehr als 7.200 EUR (Freigrenze) beträgt. Die Freigrenze erhöht sich für jede weitere Person, für deren Unterhalt der Ehepartner aufgrund einer rechtlichen oder sittlichen Pflicht tatsächlich wesentlich beiträgt, um 3.600 EUR" und
c) § 12 Abs 2 KBGG in der Stammfassung (BGBl I 2001/103) verfassungswidrig waren.
Mit Erkenntnis vom 26. 2. 2009, G 134/08-6, hat der Verfassungsgerichtshof diesen Antrag abgewiesen. Er teilte die Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit der genannten Bestimmungen nicht.
Nach der Zustellung dieses Erkenntnisses war das Revisionsverfahren von Amts wegen fortzusetzen.
Da die Begründung des angefochtenen Urteils unter Zugrundelegung der maßgeblichen Gesetzeslage zutreffend ist, reicht der Hinweis auf deren Richtigkeit aus (§ 510 Abs 3 ZPO). Der Standpunkt der Revisionswerberin, § 8 KBGG sei so auszulegen, dass das nach dieser Gesetzesstelle fiktiv ermittelte Einkommen jedenfalls mit dem tatsächlichen Einkommen begrenzt sei und eine Rückzahlungsverpflichtung daher nur dann entstehen könne, wenn das tatsächliche Einkommen, falls dieses niedriger als das fiktiv ermittelte sei, ebenfalls über der Zuverdienstgrenze liege, entspricht offenkundig nicht dem Gesetz.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 2 lit b ASGG. Aktuelle Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Klägerin, die ausnahmsweise einen Kostenersatz nach Billigkeit zuließen, sind weder bescheinigt noch aus der Aktenlage ersichtlich.
Anmerkung
E9074910ObS50.09iEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2009:010OBS00050.09I.0421.000Zuletzt aktualisiert am
10.06.2009