Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Hon.-Prof. Dr. Neumayr sowie die fachkundigen Laienrichter ADir. Brigitte Augustin (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Canan Aytekin-Yildirim (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Peter R*****, vertreten durch Mag. Michael Hirm, Rechtsanwalt in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, Adalbert Stifter-Straße 65, 1200 Wien, wegen Versehrtenrente, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 23. Oktober 2008, GZ 8 Rs 67/08x-35, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgericht vom 2. April 2008, GZ 32 Cgs 290/05m-31, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Sozialrechtssache wird zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten erster Instanz.
Text
Begründung:
Der am 3. 9. 1962 geborene Kläger verletzte sich im Jahr 1981 bei einem Motorradunfall sehr schwer. In der Folge kam es zu einer Entfernung der Patellasehne rechts, einer Versteifung des rechten Kniegelenks sowie einem neurogenen Klumpfuß rechts mit Krallenzehenbildung. Das linke Bein wurde bei diesem Motorradunfall nicht verletzt. Als der Kläger im Jahr 1987 ein Dienstverhältnis als Hausbesorger in Wiener Neustadt antrat, lag dieser Zustand bereits vor. Die Tätigkeit als Hausbesorger übte der Kläger mehr als 15 Jahre (von 1987 bis 2003) aus.
Der Kläger war für mehrere Wohnblöcke, insgesamt elf Stiegenhäuser à sechs Stiegen und ca 200 Wohneinheiten, sowie darüber hinaus für die damit verbundenen Grünflächen und Gehwege verantwortlich. Für die Schneeräumung stand ihm ein Traktor zur Verfügung. Die Schneeräumung führte er abwechselnd mit einer für andere Teile der Wohnanlage zuständigen Kollegin aus. Weiters reinigte er in der Waschküche die Bereiche hinter den Waschmaschinen und Trockengeräten; dies war pro Monat mit einer hockenden Tätigkeit von etwa ein bis zwei Stunden verbunden.
Die Reinigung der Stiegenhäuser führte er wie folgt durch:
Grundsätzlich wurde das Stiegenhaus zweimal wöchentlich gekehrt und einmal wöchentlich gewaschen, wofür der Kläger insgesamt 25 bis 30 Stunden aufwandte. Die Flachpartien, nämlich die Halb- und Ganzstöcke kehrte und wusch der Kläger mit langstieligem Werkzeug; die Stufen selbst wurden von ihm händisch und ohne Zuhilfenahme langstieliger Werkzeuge gekehrt und gewaschen. Dabei hielt er eine Position dergestalt ein, dass er mit dem abgewinkelten Bein auf der Stufe hockte und den rechten Fuß in einem Winkel von ca 45° nach rechts hinten streckte und zwei Stufen weiter unten aufsetzte. Beim Kehren und Waschen der Stufen beugte der Kläger sein linkes Knie bis zu über 90 %, was einer Hockstellung entspricht, und setzte mit dem Gesäß auf der linken Ferse auf. Rückwärts gerichtet bewegte sich der Kläger die Stufen hinab, wobei er sich bei jeder gekehrten bzw gewaschenen Stufe aufrichtete, am Geländer anhielt, sich eine Stufe nach unten bewegte und wieder zu kehren bzw waschen begann. Dieser Positionswechsel nach jeder Stufe löste die Zwangshaltung wieder auf. Der Belastungszeitraum begann sodann (bei Fortsetzung dieser Tätigkeit) wieder von Neuem. Der Grund für diese vom Kläger aus freien Stücken gewählte, nicht alltägliche Arbeitsweise lag in der unfallbedingten Bewegungseinschränkung des Klägers; der steife Fuß bzw Klumpfuß machte ein Anhalten am Stiegengeländer erforderlich. Dabei war ihm die Verwendung langstieliger Reinigungsgeräte nicht möglich, weil er diese beim Anhalten immer hätte wegstellen müssen; dann wären sie umgefallen und der Kläger hätte sie wieder holen müssen.
Beim Jäten des Unkrauts hockte der Kläger ebenfalls. Diese Aufgabe nahm er in den Monaten April bis Oktober in einem Ausmaß von insgesamt zehn Stunden pro Monat wahr. Der Arbeitsprozess lief dergestalt ab, dass der Kläger etwa zwei bis drei Meter jätete und dann das Jätgut zusammenkehrte. Wiederum nahm er eine Hockstellung ein und streckte das linke (richtig wohl: rechte) Bein nach hinten weg.
Ab dem Jahr 2002 oder Anfang 2003 bekam der Kläger Probleme mit dem linken Knie. Für Urlaubs- und Krankenstandszeiten engagierte er Vertretungen, wie es in seinem Arbeitsvertrag und im Hausbesorgergesetz vorgesehen war. Um 2003 befand er sich ein Jahr im Krankenstand; das Arbeitsverhältnis wurde vor dem Hintergrund eines arbeitsrechtlichen Entlassungsverfahrens letztlich zum 31. 12. 2003 einvernehmlich gelöst.
Im Jahr 2003 wandte sich der Kläger erstmalig wegen seiner Beschwerde im linken Knie, die er auf das Anheben eines Salzsackes zurückführte, an die beklagte Partei. Das sozialgerichtliche Verfahren (Arbeitsunfall) endete mit Klagsrückziehung.
Das Berufsbild des Hausbesorgers ist aus berufskundlicher Sicht durch die im Auftrag des Hauseigentümers durchgeführte Reinhaltung, Wartung und Beaufsichtigung der Immobilie und ihres Nahebereichs sowie in den Wintermonaten durch Schneeräumung charakterisiert. Abhängig von der Größe der betreuten Objekte erfolgt die Arbeit unter Zuhilfenahme von verschiedensten Geräten und Maschinen, bis hin zu Traktoren und Schneepflügen. Zum Reinigen kommen im Wesentlichen Scheuerlappen, Besen und langstielige Wischmopps etc in Frage. Bei Außenarbeiten ist das Kehren von Gehwegen berufstypisch, saisonal bedingt im Winter die Schneeräumung, die Sand- und Kiesstreuung sowie das Salzen. Die Sommersaison bringt das Unkrautjäten, das Mähen von Rasenflächen, das Schneiden von Hecken, die Entfernung von Schnittgut und das Säubern von Steinböden mit sich. Im Allgemeinen kommen Zwangshaltungen hockender oder kniender Art nur fallweise vor, besonders dann, wenn in Ecken oder hinter Geräten gekehrt wird. Insgesamt können Hausbesorger ihre Körperhaltung bei der Arbeit selbst wählen.
Typischerweise durch Hocken und Knien charakterisierte Berufsbilder sind die des Pflasterers, des Platten- oder Bodenlegers und des Fliesenlegers. Die Angehörigen dieser Berufsgruppen hocken bzw knien fast die ganze Zeit, wobei die Zwangshaltung kaum durch Entlastungsphasen unterbrochen wird. Beispielsweise findet beim Fliesenleger der gesamte Arbeitsprozess - vom Herrichten des Untergrunds, Säubern und Entfetten, Ausgleichen von Unebenheiten mit speziellen Ausgleichsmassen, Isolieren mit Voranstrichen in Feuchträumen, Auftragen des Klebemörtels mit gezahnten Spachteln, Aufbringen der Fliesen auf die Klebeschicht, Verfugen, Reinigung der Fliesenflächen nach Aushärtung mit einem Schwamm - in überwiegend hockender und kniender Zwangshaltung statt.
Aufgrund des vom Kläger durchgeführten Positionswechsels (Aufstehens) liegt ein fundamentaler Unterschied zu den Tätigkeiten eines Pflasterers oder Fliesenlegers vor, die überwiegend unter Hockbelastung arbeiten und nicht wie etwa der Kläger nach jeder Stufe das angespannte Bein entlasten können. Selbst eine umfangreiche Reinigungstätigkeit im Stiegenhaus kommt aufgrund der regelmäßigen Unterbrechungen der Belastungsphasen nicht an die Intensität der Belastung eines Pflasterers oder Fliesenlegers heran. Beim Kläger war keine überwiegend durchgehende Zwangshaltung gegeben. Das verkehrte Hinuntergehen einer Stiege samt Reinigung stellte auch keine fixierte Haltung dar; vielmehr wurde durch die Streckphase das linke Knie des Klägers entlastet und aufgelockert, was die Zwangshaltung auflöste.
Aus orthopädischer Sicht liegt beim Kläger ein Meniskusschaden vor, der eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 vH mit sich brächte. Der Kläger weist im linken Knie, in dem der Meniskusschaden vorliegt, noch eine Beweglichkeit dergestalt auf, dass unter Abspreizen des rechten Beines das Kniegelenk bis etwa 160° gebeugt werden kann. Bereits im Jahr 2005 wurde beim Kläger überdies eine vordere Kreuzbandläsion links diagnostiziert, wobei die Möglichkeit besteht, dass diese bereits seit dem Motorradunfall im Jahr 1981 vorlag, aufgrund der massiven anderweitigen Verletzungen jedoch nicht diagnostiziert und vom Kläger in weiterer Folge muskulär kompensiert wurde.
Mit Bescheid vom 18. 10. 2005 sprach die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt aus, dass die beim Kläger diagnostizierte Erkrankung (Meniskusschaden im linken Kniegelenk) nicht als Berufskrankheit gemäß § 177 Abs 1 ASVG anerkannt wird und ein Anspruch auf Leistungen gemäß § 173 ASVG nicht besteht.
Das Erstgericht wies das auf Zuerkennung einer Versehrtenrente im gesetzlichen Ausmaß ab 21. 2. 2003 gerichtete Klagebegehren ab. Die Berufskrankheit Nr 25 liege mangels Erfüllung des Tatbestandsmerkmals der Regelmäßigkeit der knienden bzw hockenden Tätigkeit nicht vor. Dieser Begriff drücke ein Immer-Wiederkehren und auch eine gewisse Häufigkeit der Arbeitshaltung aus. Die beim Kläger aufgetretene Belastung sei im Gegensatz zu jenen Berufsgruppen, die der Gesetzgeber offenbar im Auge gehabt habe (Fliesenleger und Pflasterer), durch regelmäßige Entlastungsphasen unterbrochen gewesen, bei denen sich das Knie entspannen habe können und die Zwangshaltung aufgelöst worden sei.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Nicht jede Krankheit, die als Folge arbeitsbedingter Einwirkungen auftreten könne, werde als Berufskrankheit anerkannt. Die Berufskrankheit Nr 25 (idF der 50. ASVG-Novelle) betreffe Meniskusschäden bei Bergleuten nach mindestens dreijähriger regelmäßiger Tätigkeit unter Tag und bei anderen Personen nach mindestens dreijähriger regelmäßiger Tätigkeit in kniender oder hockender Stellung. Die Tätigkeit des Klägers falle nicht unter den Schutzbereich der Berufskrankheit Nr 25. Mit der Verwendung des Begriffs der „Regelmäßigkeit" werde ein Immer-Wiederkehren oder auch eine gewisse Häufigkeit der Arbeitshaltung ausgedrückt, wenn auch der Gesetzgeber davon Abstand genommen habe, den Begriff „überwiegend" zu verwenden. Jedenfalls gehe aus der Intention des Gesetzgebers hervor, dass die schädigenden Einwirkungen der Tätigkeit auf den Meniskus in den unter die Bestimmung fallenden Berufen ähnlich sein müssten. Typische Beispiele für Berufe, bei denen Meniskusschäden auftreten, seien die Berufe Fliesenleger und Bodenleger. Nach den Feststellungen würden etwa Pflasterer, Platten- und Bodenleger sowie Fliesenleger fast die ganze Zeit hocken bzw knien, wobei die Zwangshaltung kaum durch Entlastungsphasen unterbrochen werde. Eine diesen Kriterien entsprechende Tätigkeit des Klägers liege nicht vor, weil die typischen Tätigkeiten eines Hausbesorgers nur fallweise mit knienden oder hockenden Tätigkeiten verbunden seien; im Übrigen könne die Arbeitshaltung frei gewählt werden.
Weder die typischerweise von Hausbesorgern ausgeübte Tätigkeit noch die konkret vom Kläger durchgeführte Tätigkeit, die in Bezug auf die Arbeitshaltung Hocken und Knien bei weitem nicht an die vom Gesetzgeber ins Auge gefassten Tätigkeiten wie die eines Plattenlegers, Boden- oder Fliesenlegers heranreiche, würden die Kriterien des regelmäßigen Kniens und Hockens im Sinne der Berufskrankheit Nr 25 aufweisen.
Die Revision sei zulässig, weil keine Judikatur zur Auslegung der Voraussetzungen der Berufskrankheit Nr 25 der Anlage 1 zum ASVG vorhanden sei.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichts richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens mit dem Antrag auf Abänderung im klagsstattgebenden Sinn. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, sie ist auch im Sinne einer Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen berechtigt.
Das Revisionsvorbringen lässt sich dahin zusammenfassen, dass zwar die typische Tätigkeit eines Hausbesorgers, der nicht durch eine spezielle Behinderung benachteiligt sei, tatsächlich nicht unter die Definition der Berufskrankheit Nr 25 falle, dass aber der Meniskusschaden beim Kläger - im Hinblick auf die Folgen der Vorverletzung - konkret auf seine regelmäßige Tätigkeit in kniender oder hockender Stellung zurückzuführen sei. Die Möglichkeit von Entlastungsphasen würde die „Regelmäßigkeit" nicht ausschließen. Der Gesetzgeber habe offenbar bewusst nicht das Wort „überwiegend", sondern das Wort „regelmäßig" verwendet, das im Sinne von „immer wiederkehrend" und „mit einer gewissen Häufigkeit auftretend" zu verstehen sei. Ausgehend von dieser Rechtsansicht seien weitere Feststellungen zum Kausalzusammenhang zwischen der hockenden Tätigkeit und den Meniskusschäden im linken Kniegelenk des Klägers erforderlich.
Dazu wurde erwogen:
1. Der Gesetzgeber anerkennt nicht jede Krankheit, die als Folge der Ausübung der Erwerbstätigkeit auftreten kann, als Berufskrankheit; vielmehr werden diese Krankheiten in einer Positivliste (Anlage 1 zum ASVG) taxativ aufgezählt.
2. Der Kläger bezieht sich auf die Berufskrankheit Nr 25.
2.1. Bis zum Inkrafttreten der 50. ASVG-Novelle (BGBl 1991/676) war die Berufskrankheit Nr 25 folgendermaßen definiert: „Meniskusschäden bei Bergleuten nach mindestens dreijähriger regelmäßiger Tätigkeit unter Tag und bei anderen Personen nach mindestens dreijähriger regelmäßiger die Kniegelenke in gleicher Weise in Anspruch nehmender Tätigkeit." Die Anerkennung der Berufskrankheit war beschränkt auf „Unternehmen des Bergbaues, Stollen- oder Tunnelbau".
2.2. Mit der 50. ASVG-Novelle erhielt die Berufskrankheit Nr 25 folgende Definition: „Meniskusschäden bei Bergleuten nach mindestens dreijähriger regelmäßiger Tätigkeit unter Tag und bei anderen Personen nach mindestens dreijähriger regelmäßiger Tätigkeit in kniender oder hockender Stellung"; die Beschränkung auf bestimmte Unternehmen wurde aufgegeben.
2.3. Die Novellierung wird in den Gesetzesmaterialien (RV 284 BlgNR 18. GP 37) folgendermaßen begründet: „Aufgrund neuer Erkenntnisse treten Meniskusschäden auch bei knienden Tätigkeiten über Tag auf; typisches Beispiel sind die Erkrankungen von Fliesenlegern und Bodenlegern. Aus diesem Grund soll bei Nichtbergleuten, die mindestens drei Jahre regelmäßig eine Tätigkeit in kniender oder hockender Stellung ausüben, diese Tätigkeit im Rahmen einer Berufskrankheit geschützt sein. Eine Einschränkung auf eine bestimmte Berufsgruppe oder bestimmte Unternehmen ist aus arbeitsmedizinischer Sicht nicht sinnvoll."
2.4. In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen dass die entsprechende Berufskrankheit in Deutschland durch die 5. BKVO vom 26. Juli 1952 (BGBl I S 395) als damalige Nr 26 „Meniskusschäden bei Bergleuten nach mindestens dreijähriger regelmäßiger Tätigkeit unter Tage" eingeführt wurde. Mit der 6. BKVO vom 28. 4. 1961 (BGBl I S 505) wurde die Einschränkung auf Bergleute fallen gelassen. Mit der ÄndVO vom 22. 3. 1988 (BGBl I S 400) erhielt die nunmehrige BK Nr 2102 die heutige Bezeichnung „Meniskusschäden nach mehrjährigen andauernden oder häufig wiederkehrenden, die Kniegelenke überdurchschnittlich belastenden Tätigkeiten" (Becker in Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung [157. ErgLfg 2006] § 9 SGB VII 260).
Bereits vor dieser letzten Änderung vertrat das Bundessozialgericht im Jahr 1958 zum Merkmal „regelmäßig" die Ansicht, dass dafür „hin und wieder" nicht genüge, sondern dass der wesentliche Teil der täglichen Arbeitszeit entsprechend qualifiziert sein müsse (BSGE 8, 245 [247]).
3. Das Berufungsgericht hat überzeugend ausgeführt, dass der Gesetzgeber mit der Verwendung des Begriffs „regelmäßig" in beiden Gruppen (einerseits Bergleute, andererseits „andere Personen") zum Ausdruck bringt, dass die Intensität der Einwirkungen auf den Meniskus in diesen beiden Gruppen vergleichbar sein muss. Auch wenn nicht das Wort „überwiegend" verwendet wird, drückt der Begriff „regelmäßig" ein häufiges Immer-Wiederkehren der Zwangsarbeitshaltung aus. Eine „Regelmäßigkeit" in der Form, dass zB eine täglich wiederkehrende Tätigkeit in kniender oder hockender Stellung in der durchschnittlichen Dauer von zwanzig Minuten ausreichen würde, ist offensichtlich nicht gemeint, weil damit keinesfalls eine Intensität der Einwirkung erreicht wird, wie sie bei Bergleuten mit „regelmäßiger Tätigkeit unter Tag" auftritt. Diese Ansicht wird auch durch die Gesetzesmaterialien der 50. ASVG-Novelle bestätigt, in denen als typische Beispiele die Erkrankungen von Fliesenlegern und Bodenlegern genannt werden.
4. Ohne die Vorschädigung, die der Kläger bei der Verletzung seines rechten Beines (beim Motorradunfall 1981) erlitten hat, wäre zweifellos die in der Anlage 1 Nr 25 geforderte Intensität der regelmäßigen Ausübung einer Tätigkeit in kniender oder hockender Stellung nicht gegeben, weshalb die Berufungskrankheit Nr 25 der Anlage 1 zum ASVG zu verneinen wäre.
5. Nach den Feststellungen wandte der Kläger für das Kehren und Waschen der Stiegenhäuser insgesamt 25 bis 30 Stunden pro Woche auf, wobei er zum Teil eine nicht alltägliche hockende Haltung einnahm, die auf die Folgen des 1981 erlittenen Unfalls zurückzuführen ist; diese Folgen waren bei Aufnahme der Hausbesorgertätigkeit bereits vorhanden.
5.1. Geht man fiktiv davon aus, dass ein im naturwissenschaftlichen Sinn kausaler Zusammenhang zwischen der hockenden Arbeitshaltung und der Meniskusschädigung besteht (entsprechende Feststellungen wurden von den Vorinstanzen im Hinblick auf ihre Rechtsansicht nicht getroffen), ist zu fragen, ob die Meniskusschädigung der Risikosphäre der Unfallversicherung zuzurechnen ist oder nicht. Die Judikatur verwendet dabei - auch bei der Zurechnung von Berufskrankheiten (10 ObS 161/94 = SSV-NF 8/66 = RIS-Justiz RS0084308 [T7]; 10 ObS 29/95 = SSV-NF 9/23 = RIS-Justiz RS0084290 [T6]) - die „Theorie der wesentlichen Bedingung": Die Zurechnung zur Unfallversicherung unterbleibt, wenn die aus der Risikosphäre der Unfallversicherung stammende Ursache im Hinblick auf andere mitwirkende Ursachen als unwesentlich erscheint; ist sie dagegen auch unter Berücksichtigung dieser weiteren Ursachen als wesentlich anzusehen, erfolgt die Zurechnung (Tomandl in Tomandl, SV-System [8. ErgLfg] 305 [2.3.2.4.1.4.]; Krasney in Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung [165. ErgLfg 2007] § 8 SGB VII 161 [Rz 309 ff]).
5.2. Unter der eingangs von Punkt 5.1. genannten Prämisse ist die berufliche Tätigkeit des Klägers als Hausbesorger für eine Meniskusschädigung keine von vornherein nur unwesentliche Bedingung, sofern die Schädigung auf eine in zeitlicher Hinsicht bedeutsame (siehe 3.) regelmäßige Hockstellung zurückzuführen ist, die vom Kläger zur Verrichtung der Tätigkeiten als Hausbesorger notwendigerweise (wenn auch im Hinblick auf die Folgen der Vorverletzung) eingenommen wurde.
5.3. Damit ist noch zu klären,
- in welchem Ausmaß der Kläger tatsächlich die festgestellte Hockstellung eingenommen hat (das Berufungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass in den vom Erstgericht festgestellten 25 - 30 Stunden pro Woche auch Zeiten enthalten sind, in denen der Kläger ganz offensichtlich nicht diese Zwangshaltung einnehmen musste),
- ob diese Zwangshaltung angesichts der Vorschädigung zur Verrichtung der beruflichen Tätigkeiten erforderlich war (nach den erstgerichtlichen Feststellungen war diese Haltung „frei gewählt", sodass der mögliche Zusammenhang mit der Vorschädigung nicht klar zum Ausdruck kommt) und
- ob die beim Kläger vorhandene Meniskusschädigung im naturwissenschaftlichen Sinn auf die Hockstellung zurückzuführen ist.
5.4. War die Erwerbsfähigkeit des Klägers durch das vorherige Leiden bereits messbar gemindert, so ist im Rahmen der gesetzlichen Unfallversicherung nur die durch die Verschlimmerung verursachte Steigerung des Grades der Erwerbsunfähigkeit, also der Verschlimmerungsanteil an dem Gesamtzustand zu entschädigen. Das Gesamtleiden ist in den beruflich bedingten und den davon unabhängigen, auf die Vorschädigung zurückzuführenden Teil zu zerlegen; der verschlimmerungsbedingte Anteil wird abgegrenzt und - unter Berücksichtigung des Vorschadens - allein entschädigt, da nur dieser der schädigenden Einwirkung zuzurechnen ist (10 ObS 161/94 = SSV-NF 8/66; 10 ObS 187/01z; RIS-Justiz RS0084351).
6. Da es somit einer Verhandlung in erster Instanz bedarf, um die Sache spruchreif zu machen, sind die Entscheidungen der Vorinstanzen zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung aufzuheben.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.
Textnummer
E90741European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2009:010OBS00022.09X.0421.000Im RIS seit
21.05.2009Zuletzt aktualisiert am
17.03.2011