Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G ***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Martin Leitner und Dr. Ralph Trischler, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1, Singerstraße 17-19, wegen Unterlassung, Widerruf, Rechnungslegung und Zahlung (Streitwert im Sicherungsverfahren 36.000 EUR), über die außerordentlichen Revisionsrekurse beider Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 20. November 2008, GZ 1 R 191/08b-13, mit welchem der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 27. August 2008, GZ 39 Cg 52/08b-7, teilweise abgeändert wurde, den Beschluss
gefasst:
Spruch
1. Der außerordentliche Revisionsrekurs der klagenden Partei wird gemäß § 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
2. Der außerordentliche Revisionsrekurs der beklagten Partei wird zurückgewiesen, soweit er sich gegen die Verwerfung der Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs richtet.
Im Übrigen wird dem Revisionsrekurs der beklagten Partei Folge gegeben. Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass die Entscheidung des Erstgerichts zur Gänze wiederhergestellt wird. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen einen mit 3.265,14 EUR bestimmten Anteil an den Kosten des Sicherungsverfahrens aller drei Instanzen zu ersetzen.
3. Die Revisionsrekursbeantwortungen beider Parteien werden als verspätet zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Die Klägerin hatte von 2004 bis 2006 Dienststellen des (damaligen) Bundesministeriums für Landesverteidigung (BMLV) mit Hygienepapier beliefert. Grundlage dafür waren Zuschläge in Vergabeverfahren gewesen, die die Bundesbeschaffung GmbH (BB-GmbH) für die beklagte Republik Österreich durchgeführt hatte.
Im Jahr 2007 nahm die Klägerin neuerlich an einem solchen Vergabeverfahren teil. Ziel war der Abschluss eines bis zum 31. Dezember 2008 geltenden Rahmenvertrags für die Belieferung von Dienststellen des Bundes und anderer Abnehmer mit Hygienepapier. Die Ausschreibung sah die Vorlage eines Prüfzeugnisses über bestimmte technische Merkmale des Papiers vor. Diese Merkmale bezogen sich allerdings nicht auf die Umweltverträglichkeit. Insofern enthielt die Ausschreibung zwar ebenfalls Kriterien, dafür wurde jedoch kein Nachweis verlangt.
Die Klägerin ließ ihr Papier prüfen, entschloss sich jedoch wegen „ihrer bereits aussichtslosen Platzierung in der Bieterrangliste", die Ergebnisse nicht an die BB-GmbH weiterzuleiten. Aus diesem Grund, nicht aber wegen der Nichterfüllung von Umweltverträglichkeitskriterien, wurde ihr Angebot aus dem Vergabeverfahren ausgeschieden. Der Rahmenvertrag wurde mit der Bestbieterin geschlossen.
Nach dem Inkrafttreten dieses Vertrags versuchte die Klägerin, ihre Produkte weiterhin an Dienststellen des Bundesministeriums für Landesverteidigung zu verkaufen. Sie verwies dabei auf § 4 Abs 2 BB-GmbH-Gesetz, wonach die Dienststellen des Bundes zwar grundsätzlich verpflichtet sind, Waren und Dienstleistungen von den Vertragspartnern der BB-GmbH zu beziehen, jedoch unter gewissen Umständen auch auf andere Lieferanten zurückgreifen können. Daraufhin erteilte der Bundesminister für Landesverteidigung, vertreten durch einen Beamten der Zentralstelle, eine Weisung an mehrere Dienststellen, wonach Bestellungen beim Vertragspartner des Rahmenvertrags durchzuführen seien. Darin hieß es:
„Mit der Ausschreibung sind auch Umweltverträglichkeitserfordernisse auferlegt worden, die durch die TU Graz überprüft wurden. Diese wurden nicht von allen Firmen erfüllt (ua [die Klägerin]), daher hat [der Bestbieter] den Zuschlag erhalten. Die [Klägerin] konnte im Zuge der Ausschreibung die Auflagen der Umweltverträglichkeit nicht nachweisen und hat die geforderten Qualitätsbedingungen nicht gänzlich erfüllt. Nach Rücksprache mit BBG ist daher das Hygienepapier über bestehende Verträge mit dem dafür vorgesehenen Bestellschreiben abzurufen. Bestellungen bei anderen Firmen als der [Bestbieterin] sind nicht statthaft."
Diese Weisung wurde von den nachgeordneten Dienststellen befolgt. Zur Sicherung ihres mit Klage geltend gemachten Unterlassungsanspruchs begehrt die Klägerin, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu untersagen,
(a) zu behaupten, die Klägerin erfülle bei näher genannten Produkten Umweltverträglichkeitserfordernisse nicht oder habe im Ausschreibungsverfahren der Republik Österreich mit dem Titel „Beschaffung von Hygienepapier 2008" Auflagen zur Umweltverträglichkeit nicht nachgewiesen;
(b) Dienststellen, sei es direkt durch eigene Handlungen oder indirekt über Anweisung durch die BB-GmbH, anzuweisen oder diesen gegenüber in ähnlicher Form zu untersagen, Bestellungen aus bestehenden Vergabeverträgen zwingend nicht bei der Klägerin zu tätigen;
hilfsweise
Dienststellen, sei es direkt durch eigene Handlungen oder indirekt über Anweisung durch die BB-GmbH, in Form einer Weisung oder einer ähnlichen Form Bestellungen aus bestehenden Vergabeverträgen derart zu „verbieten" (gemeint offenkundig: aufzutragen), dass diese nicht auf die gesetzlichen Ausnahmebestimmungen des § 4 Abs 2 BB-GmbH-Gesetz hingewiesen würden.
Die Weisung erstrecke sich auch auf die in § 4 Abs 2 BB-GmbH-Gesetz vorgesehenen Ausnahmen von der Beschaffung über die BB-GmbH. Sie habe der Klägerin jede Absatzchance genommen. Nach dem Gleichheitsgrundsatz hätte die Beklagte den Bezug bei allen anderen Anbietern (nicht nur bei der Klägerin) untersagen müssen; diese hätte nicht namentlich genannt werden dürfen. Die Beklagte habe sich durch die Weisung in ein Wettbewerbsverhältnis zur Klägerin gestellt, jedenfalls aber einen Mitbewerber (die Bestbieterin) zum Nachteil der Klägerin gefördert. Da die Dienststellen des BMLV die Weisung befolgt hätten, sei sie auch geeignet gewesen, die Marktverhältnisse zu beeinflussen. Die Weisung komme einem Aufruf zum Boykott der Klägerin gleich. Letzteres ergebe sich insbesondere aus einem dem Militärkommando Steiermark erteilten „Befehl", wonach Hygienepapier bei der Bestbieterin zu beziehen sei; für den Fall, dass der Bedarf dort nicht gedeckt werden könne, sei es bei einem anderen konkret genannten Unternehmen (nicht der Klägerin) zu kaufen. Die von der Klägerin angebotenen Produkte hätten alle in der Ausschreibung genannten Umweltverträglichkeitskriterien erfüllt; die Nichterfüllung dieser Kriterien sei daher nicht der Grund für die Nichterteilung des Zuschlags gewesen. Die insofern in der Weisung enthaltenen Behauptungen erfüllten den Tatbestand der §§ 2 und 7 UWG. Sie führten dazu, dass die Mitarbeiter in den nachgeordneten Dienststellen auch solchen Produkten der Klägerin misstrauten, die nicht vom Rahmenvertrag erfasst seien.
Die Beklagte wendet die Unzulässigkeit des Rechtswegs ein. Weisungen seien Hoheitsakte, sodass zivilrechtliche Ansprüche nur im Rahmen des Amtshaftungsgesetzes geltend gemacht werden könnten. Eine einstweilige Verfügung, mit der der Verwaltung die Erlassung einer Weisung untersagt würde, verstieße gegen die Trennung der Justiz von der Verwaltung. Der Anspruch sei auch in der Sache unbegründet. Die Klägerin habe versucht, den mit der Bestbieterin geschlossenen Vertrag unter Hinweis auf § 4 Abs 2 BB-GmbH-Gesetz zu unterlaufen. Der Bundesminister für Landesverteidigung habe daher die nachgeordneten Dienststellen mit der strittigen Weisung verpflichtet, ihren Bedarf aus dem bestehenden Rahmenvertrag zu decken. Zweck der Weisung sei die Organisation des Einkaufsverhaltens der Beklagten und die Verhinderung von Verletzungen des Rahmenvertrags gewesen. § 4 Abs 2 BB-GmbH-Gesetz enthalte bloß eine Ermächtigung für den Bund, unter bestimmten Voraussetzungen Beschaffungen außerhalb von bestehenden Rahmenverträge durchzuführen; eine Verpflichtung oder ein durch Weisung nicht beschränkbares Ermessen folge daraus nicht. Die Weisung habe keine Außenwirkung gehabt.
Das Erstgericht verwarf die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs und wies den Sicherungsantrag ab. Die Beschaffung von Hygienepapier gehöre zur Privatwirtschaftsverwaltung; hier sei das Erteilen einer Weisung kein Hoheitsakt. Der Rechtsweg sei daher zulässig. Außerhalb bestehender Verträge und unter Beachtung des Vergaberechts stehe dem BMLV die Wahl des Lieferanten von Hygienepapier frei. Die interne Entscheidung des BMLV, Hygienepapier bei einem anderen Anbieter als der Klägerin zu beschaffen, sei nicht rechtswidrig. Die ebenfalls interne Bekanntmachung dieser Entscheidung in Form der gegenständlichen Weisung beeinflusse, auch wenn sie objektiv unrichtige Behauptungen über die Umweltverträglichkeit der klägerischen Produkte enthalten sollte, als solche nicht die Marktverhältnisse. Sie entfalte daher keine Außenwirkung. Die beanstandeten Handlungen der Beklagten seien nicht im geschäftlichen Verkehr und nicht zu Zwecken des Wettbewerbs erfolgt. Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Beklagten nicht Folge und bestätigte die Entscheidung über die Prozesseinrede. Hingegen gab es dem Rekurs der Klägerin teilweise Folge und erließ eine einstweilige Verfügung im Sinn von Punkt (b) des Sicherungsbegehrens (Weisung). Weiters sprach es aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
Die Weisung habe sich auf privatwirtschaftliches Handeln der Beklagten bezogen und sei damit nicht in Ausübung staatlicher Hoheitsgewalt ergangen. Der Rechtsweg sei daher zulässig. Eine irreführende oder sonst unlautere Geschäftspraktik habe nicht vorgelegen, da die Beklagte nicht für eigene Produkte geworben habe. Der Tatbestand des § 7 UWG sei nur erfüllt, wenn die strittige Behauptung Außenwirkung habe. Das treffe bei einer Mitteilung an eigene Mitarbeiter nicht zu. Dass die Dienststellen der strittigen Weisung Folge geleistet hätten, folge aus der Weisung als solcher, nicht aus deren Begründung.
Hingegen habe die Weisung der Beklagten sehr wohl nach außen gewirkt. Nach § 4 Abs 2 BB-GmbH-Gesetz seien die Dienststellen berechtigt, unter bestimmten Voraussetzungen bei anderen Lieferanten als den Vertragspartnern der BB-GmbH zu kaufen. Auf dieser Grundlage sei es nicht mit guten Gründen vertretbar, die Klägerin von vornherein von solchen Direktbezügen auszuschließen, wenn nicht gleichzeitig bescheinigt sei, dass sachliche Gründe für einen solchen Ausschluss vorlägen. Derartiges habe die Beklagte nicht behauptet. Da die Weisung geeignet sei, den Wettbewerb zum Nachteil der Klägerin zu beeinflussen, habe die Beklagte damit gegen § 1 Abs 1 Z 1 UWG verstoßen (Wettbewerbsvorsprung durch Rechtsbruch). Gegen diese Entscheidung richten sich außerordentliche Revisionsrekurse beider Parteien. Die Klägerin strebt eine einstweilige Verfügung auch im Sinn von Punkt (a) des Sicherungsbegehrens an (§ 7 UWG). Die Beklagte begehrt die Zurückweisung des Sicherungsantrags, hilfsweise die Wiederherstellung der zur Gänze abweisenden Entscheidung des Erstgerichts.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der Beklagten ist jedenfalls unzulässig, soweit er die übereinstimmenden Entscheidungen der Vorinstanzen über die Prozesseinrede bekämpft; im Übrigen ist er zulässig und berechtigt. Der Revisionsrekurs der Klägerin macht keine erhebliche Rechtsfrage geltend und ist daher unzulässig. Die Revisionsrekursbeantwortungen sind verspätet.
A. Zum Revisionsrekurs der Beklagten
1. Die Vorinstanzen haben die Zulässigkeit des Rechtswegs übereinstimmend bejaht. Diese Entscheidung ist nach §§ 402 Abs 4, 78 EO iVm § 528 Abs 2 Z 2 ZPO unanfechtbar.
1.1. Zwar ordnet § 402 Abs 1 EO an, dass Revisionsrekurse gegen einen Beschluss über einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung nicht (allein) deshalb unzulässig sind, weil das Gericht zweiter Instanz den angefochtenen Beschluss zur Gänze bestätigt hat. Diese Bestimmung erfasst jedoch nach ständiger Rechtsprechung nur Sachentscheidungen, nicht jedoch Entscheidungen über Prozesshindernisse (5 Ob 2008/96x = RdW 1996, 476; 4 Ob 118/06s = SZ 2006/141; RIS-Justiz RS0097225). Darauf sind nach den Verweisungen der §§ 402 Abs 4, 78 EO die allgemeinen Regelungen über den Revisionsrekurs anzuwenden.
1.2. Nach § 528 Abs 2 Z 2 ZPO ist der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig, wenn der angefochtene erstrichterliche Beschluss zur Gänze bestätigt worden ist, es sei denn, dass die Klage ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen zurückgewiesen worden ist. Die letztgenannte Einschränkung ist auf Aussprüche über die Verwerfung der Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs nicht anwendbar (1 Ob 88/00y = SZ 73/103; 6 Ob 189/08z; Zechner in Fasching/Konecny² IV/1 § 528 ZPO Rz 103); insofern bestätigende Beschlüsse sind daher unanfechtbar.
1.3. Aus diesem Grund ist der Revisionsrekurs der Beklagten als jedenfalls unzulässig zurückzuweisen, soweit er die bestätigende Entscheidung des Rekursgerichts über die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs bekämpft.
2. Das Rekursgericht hat die strittige Weisung zu Unrecht als Verstoß gegen § 4 Abs 2 BB-GmbH-Gesetz gewertet.
2.1. § 4 Abs 2 BB-GmbH-Gesetz lautet:
„(2) Die Dienststellen des Bundes haben diejenigen von ihnen benötigten Waren und Dienstleistungen, die aus den in den Verzeichnissen gemäß § 2 Abs. 2 Z 4 aufgeführten Verträgen bezogen werden können, von den darin genannten Vertragspartnern zu beziehen. Hievon ausgenommen sind Beschaffungsvorgänge
1. zur Deckung eines unmittelbar notwendigen Bedarfes, wenn dringliche, zwingende Gründe, die nicht dem Verhalten der Dienststelle zuzuschreiben sind, im Zusammenhang mit Ereignissen, die die Dienststelle nicht voraussehen konnte, es nicht zulassen, die Leistungen in der im ersten Satz vorgegebenen Weise zu beziehen, oder
2. wenn die von der Dienststelle benötigten Waren oder Dienstleistungen bei gleichem Leistungsinhalt und gleichen sonstigen vertraglichen Konditionen im Vergleich zu den in § 4 Abs. 2 Satz 1 genannten Vertragspartnern von einem Dritten günstiger angeboten werden, oder
3. soweit sie zumindest zu 50 vH aus Geldzuwendungen Privater finanziert werden, oder in Erfüllung von Auflagen für Sachzuwendungen erfolgen, höchstens jedoch im Gegenwert der erhaltenen Zuwendungen."
2.2. Unstrittig ist, dass die Klägerin über keinen in § 2 Abs 2 Z 4 BB-GmbH-Gesetz genannten Vertrag verfügt. Sie vertritt jedoch die Auffassung, dass es den einzelnen Dienststellen des BMLV freistehen müsse, bei Vorliegen einer der in § 4 Abs 2 BB-GmbH-Gesetz genannten Ausnahmen die Ware bei ihr zu beziehen. Die dies verhindernde Weisung beruhe auf einer unvertretbaren Auslegung des § 4 Abs 2 BB-GmbH-Gesetz.
Damit beruft sich die Klägerin auf die lauterkeitsrechtliche Fallgruppe „Wettbewerbsvorsprung durch Rechtsbruch". Zu deren Beurteilung nach neuem Recht hat der Senat bereits mehrfach Stellung
genommen (grundlegend 4 Ob 225/07b = MR 2008, 114 [Heidinger] = ÖBl
2008, 237 [Mildner] = ecolex 2008, 551 [Tonninger] -
Stadtrundfahrten; seither etwa 4 Ob 48/08z, 4 Ob 27/08m und 4 Ob 167/08z; RIS-Justiz RS0123239). Danach ist ein Verstoß gegen eine nicht dem Lauterkeitsrecht im engeren Sinn zuzuordnende generelle Norm (nur) dann als unlautere Geschäftspraktik oder als sonstige unlautere Handlung iSv § 1 Abs 1 Z 1 UWG zu werten, wenn die Norm nicht auch mit guten Gründen in einer Weise ausgelegt werden kann, dass sie dem beanstandeten Verhalten nicht entgegensteht. Die Unvertretbarkeit einer Rechtsansicht kann sich dabei aus dem eindeutigen Wortlaut und Zweck der angeblich verletzten Regelungen sowie aus dazu ergangenen höchstgerichtlichen Entscheidungen und allenfalls einer beständigen Verwaltungspraxis ergeben. Der Unterlassungsanspruch setzt ferner voraus, dass das beanstandete Verhalten geeignet ist, den Wettbewerb zum Nachteil von rechtstreuen Mitbewerbern nicht bloß unerheblich zu beeinflussen.
2.3. § 4 Abs 2 BB-GmbH-Gesetz sieht vor, dass die Dienststellen der öffentlichen Verwaltung Waren und Dienstleistungen grundsätzlich aufgrund von Verträgen zu beziehen haben, die von der BB-GmbH geschlossen wurden. Diese Verpflichtung dient dazu, durch Bündelung des Einkaufs Preisvorteile erzielen zu können (486 BlgNR XXI. GP, zu § 4; Nemec in Sachs [Hrsg], Handbuch Beschaffung und Auftragsvergabe, Kap 4.10.1).
§ 4 Abs 2 BB-GmbH-Gesetz sieht zwar Ausnahmen von dieser Abnahmepflicht vor. Das bedeutet aber nicht, dass die Dienststellen in solchen Fällen nicht mehr auf die von der BB-GmbH geschlossenen Verträge zurückgreifen dürften. Denn Ausnahmen von einer Verpflichtung führen schon aus systematischen Erwägungen nicht dazu, dass ein deswegen nicht mehr obligatorisches Verhalten zugleich auch nicht mehr zulässig wäre. Die Beschaffung des Hygienepapiers über die BB-GmbH war daher keinesfalls ausgeschlossen.
2.4. Die Auffassung, den (nachgeordneten) Dienststellen stünde bei Vorliegen eines Ausnahmetatbestands ein Ermessensspielraum zu, der durch Weisung nicht beschränkt werden könne, steht im Widerspruch zu den verfassungsrechtlichen Grundlagen der Verwaltung.
2.4.1. Nach Art 20 Abs 1 B-VG sind die Organe der Verwaltung den ihnen vorgesetzten Organen für ihre amtliche Tätigkeit verantwortlich und, soweit in Gesetzen gemäß Abs 2 nicht anderes bestimmt ist, an deren Weisungen gebunden. Diese Bestimmung betont den Weisungszusammenhang als zentrales Element jenes Leitungs- und Verantwortungszusammenhangs, der für das Demokratiemodell der österreichischen Bundesverfassung systemprägend ist: Von verfassungsrechtlich vorgesehenen Ausnahmen abgesehen sind alle Verwaltungsorgane an die Weisungen ihrer Vorgesetzten und damit letztlich der obersten Organe gebunden, die ihrerseits dem jeweils zuständigen Vertretungskörper für das Führen der Verwaltung rechtlich und politisch verantwortlich sind (Raschauer in Korinek/Holoubek [Hrsg], Österreichisches Bundesverfassungsrecht, Art 20 B-VG Rz 69; Öhlinger, Verfassungsrecht7 [2007] Rz 519; beide mwN). Nach Art 20 Abs 2 B-VG idF des BVG BGBl I 2008/2 können zwar Organe durch Gesetz weisungsfrei gestellt werden. Dies gilt jedoch nur für bestimmte, in Art 20 Abs 2 B-VG abschließend genannte Zwecke; weiters ist in einem solchen Gesetz ein der Aufgabe des weisungsfreien Organs angemessenes Aufsichtsrecht der obersten Organe vorzusehen.
2.4.2. Auf dieser Grundlage ist die Auffassung der Klägerin geradezu absurd, § 4 Abs 2 BB-GmbH-Gesetz ordne eine Weisungsfreistellung der Dienststellen(-leiter) an. Aus dem Wortlaut der Bestimmung lässt sich diese Rechtsfolge nicht ableiten, ist dort doch nur eine Ausnahme von einer ansonsten bestehenden gesetzlichen Verpflichtung vorgesehen; die Frage der Weisungsbindung wird damit nicht geregelt. Die Weisungsfreiheit stünde zudem in diametralem Widerspruch zu Art 20 Abs 1 B-VG, ohne dass die Bedingungen des (zudem jüngeren) Art 20 Abs 2 B-VG erfüllt wären. Auch inhaltlich entbehrte es jeder sachlichen Rechtfertigung, die Leiter aller Dienststellen der österreichischen Verwaltung für bestimmte Beschaffungsvorgänge von jeglichen Weisungen ihrer vorgesetzten Organe freizustellen und damit die Weisungsbindung der Verwaltung mit einfachem Gesetz flächendeckend abzuschaffen.
2.4.3. Dass auch der Gesetzgeber keine solche Weisungsfreistellung anordnen wollte, ergibt sich aus den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage des BB-GmbH-Gesetzes (486 BlgNR XXI. GP). Denn dort heißt es zu § 4 BB-GmbH-Gesetz:
„In den in § 3 Abs 1 und § 4 Abs 2 genannten Ausnahmefällen oder wenn ein entsprechender Rahmenvertrag von der Gesellschaft überhaupt nicht abgeschlossen wurde, kann die jeweilige Dienststelle - unter Beachtung der einschlägigen Vergabebestimmungen sowie sonstiger gesetzlicher und verwaltungsinterner Regelungen - die benötigte Leistung selbständig vergeben"
Der Wegfall der gesetzlichen Bindung an den Bezug über die BB-GmbH bedeutet daher auch nach dem Willen des Gesetzgebers gerade nicht die Freiheit von verwaltungsinternen Regelungen. Solche Regelungen sind nichts anderes als individuelle oder generelle Weisungen.
2.5. Auf dieser Grundlage war die Auffassung der Beklagten, dass oberste Organe auch bei Vorliegen eines Ausnahmetatbestands nach § 4 Abs 2 BB-GmbH-Gesetz eine Weisung über den Bezug von Waren oder Dienstleistungen erteilen könnten, alles andere als unvertretbar. Die vom Rekursgericht herangezogene Begründung trägt die zu Punkt (b) des Begehrens erlassene einstweilige Verfügung daher nicht.
3. Auch sonst sind keine Gründe für das von der Klägerin angestrebte Verbot zu erkennen.
3.1. Eine Weisung darf zwar nicht gegen das Vergaberecht verstoßen. Auf eine bestimmt genannte Verletzung vergaberechtlicher Vorschriften - etwa eine unzulässige Direktvergabe - hat sich die Klägerin aber nicht gestützt. Zudem ist die Weisung selbst ein rein interner Akt (Mayer, Das österreichische Bundes-Verfassungsrecht, Kurzkommentar4 [2007] Art 20 Anm II.1; Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Grundriss des österreichischen Bundesverfassungsrechts10 [2007] Rz 612; beide mwN). Lauterkeitsrechtlich relevant könnte daher erst die Außenwirkung einer solchen Weisung werden, also ein damit angeordnetes vergaberechtswidriges Verhalten. Das allein auf die Weisung abzielende Begehren ist daher jedenfalls verfehlt.
Nur zur Klarstellung ist in diesem Zusammenhang festzuhalten, dass eine auf das UWG gestützte Klage wegen eines Vergaberechtsverstoßes nach § 341 Abs 2 BVergG 2006 die Feststellung der Rechtswidrigkeit durch die zuständige Vergabekontrollbehörde voraussetzt (4 Ob 23/06w = SZ 2006/77 - Direktvergabe).
3.2. Boykott im lauterkeitsrechtlichen Sinn ist die von einer oder mehreren Personen ausgehende, durch dritte Personen ausgeübte planmäßige Absperrung eines Gegners vom Geschäftsverkehr (4 Ob 339/73 = ÖBl 1974, 105 - Einheitsmineralwasserflaschen; RIS-Justiz RS0078012). Der Adressat einer Boykott-Aufforderung kann nur dann als Dritter angesehen werden, wenn ihm eine funktionell selbständige Stellung zukommt, die ihm die Freiheit seiner Entscheidung gewährleistet (4 Ob 353/74 = ÖBl 1975, 109 - Badeausstattungs-Liefersperre; RIS-Justiz RS0078024). Bei nachgeordneten Dienststellen trifft das aus den oben angeführten Gründen nicht zu.
4. Dem Anspruch der Klägerin auf Unterlassung der Weisung fehlt daher eine lauterkeitsrechtliche Grundlage. Aus diesem Grund ist dem Revisionsrekurs der Beklagten in der Sache Folge zu geben und die abweisende Entscheidung des Erstgerichts auch zu Punkt (b) des Sicherungsbegehrens wiederherzustellen.
Allgemein gilt: Weisungen vorgesetzter Organe an Leiter von Dienststellen über die Vergabe von Aufträgen, für die ein Vertrag iSv § 4 Abs 2 BB-GmbH-Gesetz besteht, sind auch dann zulässig, wenn einer der Ausnahmetatbestände dieser Bestimmung erfüllt ist.
5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 393 Abs 1 EO iVm § 43 Abs 1 ZPO. Die Beklagte hat sich mit der Äußerung zum Sicherungsantrag und der Rekursbeantwortung zur Gänze und mit dem auch die Zurückweisung des gesamten Sicherungsantrags anstrebenden Revisionsrekurs zur Hälfte durchgesetzt. Ihr eigener Rekurs blieb erfolglos.
B. Zum Revisionsrekurs der Klägerin
1. § 7 UWG erfasst weiterhin nur Handlungen zu Zwecken des Wettbewerbs. Die mit dieser Formulierung umschriebene Wettbewerbsabsicht ist zwar bei abfälligen Äußerungen eines im Wettbewerb stehenden Unternehmens grundsätzlich zu vermuten (RIS-Justiz RS0077686, vgl auch RS0088261). Bei einer (angeblichen) Förderung fremden Wettbewerbs gilt diese Vermutung allerdings nicht. In diesem Fall hat grundsätzlich der Kläger die Absicht des Beklagten nachzuweisen, in den fremden Wettbewerb zugunsten des einen und zum Nachteil eines anderen Mitbewerbers einzugreifen (RIS-Justiz RS0077619). Ein solcher Nachweis ist nur dann entbehrlich, wenn eine typischerweise auf die Förderung fremden Wettbewerbs gerichtete Handlung vorliegt oder die Wettbewerbsabsicht (aus anderen Gründen) offenkundig ist (RIS-Justiz RS0077619 [T7, T10, T12, T13, T15]).
2. Die beanstandete Äußerung diente der Begründung einer Weisung an untergeordnete Organe. Es lag somit keine typischerweise auf die Förderung fremden Wettbewerbs gerichtete Handlung vor. Die Klägerin musste daher die Wettbewerbsabsicht der Beklagten - also deren Bestreben, den Wettbewerb eines dritten Unternehmens zu fördern und nicht bloß die nachgeordneten Dienststellen über die (allenfalls unzutreffenden) Motive der Weisung zu informieren - behaupten und beweisen. Eine solche Absicht ist alles andere als naheliegend.
3. Die Klägerin hat zwar (ohne nähere Ausführungen) Wettbewerbsabsicht behauptet (Klage AS 31), sie hat dafür aber keine (konkreten) Beweise angeboten. Auf dieser Grundlage konnten die Vorinstanzen keine Feststellungen dazu treffen. Daher muss der Sicherungsantrag schon aus diesem Grund scheitern. Auf die vom Rekursgericht mit guten Gründen verneinte und im Revisionsrekurs als erheblich bezeichnete Frage, ob rein verwaltungsinterne Informationen überhaupt den Tatbestand des § 7 UWG erfüllen können, kommt es unter diesen Umständen nicht an. Das Rechtsmittel der Klägerin ist daher zurückzuweisen. Der Beschluss auf Freistellung der Revisionsrekursbeantwortung begründet keine Pflicht zur Sacherledigung (Zechner in Fasching/Konecny2 § 507a ZPO Rz 1).
C. Zu den Revisionsrekursbeantwortungen
1. Nach § 402 Abs 3 EO beträgt die Frist für den Rekurs gegen den Beschluss über den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung und für dessen Beantwortung vierzehn Tage. Das gilt nach ständiger Rechtsprechung nicht nur für den Rekurs gegen die erstinstanzliche Entscheidung, sondern auch für den Revisionsrekurs (4 Ob 121/04d = SZ 2004/126 - Druckerpatronen; RIS-Justiz RS0119289).
2. Der Beschluss auf Freistellung der Revisionsrekursbeantwortung wurde den Parteien jeweils am 26. Februar 2009 zugestellt. Die Frist für die Revisionsrekursbeantwortungen endete daher am 12. März 2009. Beide Revisionsrekursbeantwortungen wurden nach diesem Datum zur Post gegeben. Sie sind daher als verspätet zurückzuweisen.
Anmerkung
E906434Ob10.09pSchlagworte
Kennung XPUBLDiese Entscheidung wurde veröffentlicht inÖBl-LS 2009/235 = ÖBl-LS 2009/236 = bbl 2009,200/159 - bbl 2009/159 =RPA-Slg 2009/40 - Hygienepapier XPUBLENDEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2009:0040OB00010.09P.0421.000Zuletzt aktualisiert am
19.01.2010