TE OGH 2009/4/22 3Ob13/09x

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Veröffentlicht am 22.04.2009
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie die Hofräte und Hofrätinnen Hon.-Prof. Dr. Sailer, Dr. Lovrek, Dr. Jensik und Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei R***** regGenmbH, *****, vertreten durch Wetzl & Partner Rechtsanwälte GmbH in Steyr, gegen die verpflichtete Partei Dr. jur. Ferdinand ***** B*****, Tschechische Republik, vertreten durch Dr. Heinz-Peter Wachter, Rechtsanwalt in Wien, wegen 150.000 EUR sA, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der verpflichteten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Krems an der Donau als Rekursgericht vom 16. Oktober 2008, GZ 1 R 266/08k-53, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Waidhofen an der Thaya vom 8. August 2008, GZ 7 E 524/07y-40, abgeändert wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Der als Rekurs bezeichnete außerordentliche Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Das von der betreibenden Partei angerufene Bezirksgericht Graz-West bewilligte der betreibenden Partei aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs gegen den Verpflichteten die Zwangsversteigerung zweier Liegenschaften zur Hereinbringung von 150.000 EUR sA. Das Verfahren betreffend die gegenständliche Liegenschaft trat es an das nunmehrige Exekutionsgericht ab.

Dieses schob mit dem auf den 8. August 2008 datierten Beschluss auf Antrag des Verpflichteten die Exekution nach § 42 Abs 1 Z 5 EO gegen Erlag einer Sicherheitsleistung von 10.000 EUR bis zur rechtskräftigen Erledigung einer von ihm eingebrachten Oppositionsklage auf.

Darin hatte er ua vorgebracht, eine GmbH mit Sitz in Liechtenstein habe durch Zahlung von 65.000 EUR die Verpflichtung von zwei Bürgen für die betriebene Forderung erfüllt. Die betreibende Partei habe die Forderung der GmbH auf Herausgabe der Sicherheiten nicht erfüllt. Vom Verpflichteten verpfändete Wertpapiere im Nominale von 100.000 USD seien durch deren Verschulden unwiederbringlich verloren gegangen. Außerdem habe sie ohne Zustimmung der Bürgen und des Verpflichteten eine Lebensversicherung verwertet und einen Teilerlös von 24.640 EUR nicht dessen Konto gutgeschrieben.

Die GmbH habe für den Fall nicht fristgerechter Herausgabe der Wertpapiere gefordert, die betreibende Partei müsse ihr aus dem Titel des Schadenersatzes insgesamt 118.000 USD „anschaffen". Mangels fristgerechter Herausgabe des Originals der Versicherungspolizze habe sie ihr insgesamt 50.000 EUR „anzuschaffen". Die GmbH habe auch angekündigt, sie werde sodann mit diesen ihr zustehenden Forderungen gemäß § 1422 ABGB im Wege der Verrechnung die weiteren Kapitalforderungen der betreibenden Partei von restlich 85.000 EUR aus dem Titelvergleich und auch alle weiteren titulierten oder nicht titulierten Forderungen derselben gegen den Verpflichteten einlösen. Mangels Herausgabe der Urkunden binnen der gesetzten Frist seien die angekündigten Rechtsfolgen mit der Wirkung eingetreten, dass er der betreibenden Bank nichts mehr schulde.

Zur Begründung seiner Entscheidung führte das Erstgericht aus, die Oppositionsklage sei nicht von vornherein aussichtslos, weil der Sachverhalt erst im Prozess zu klären sein werde. Da die vorgelegten Urkunden das Nichtmehrbestehen der betriebenen Forderung nicht bescheinigten, sei die Aufschiebung nach § 44 Abs 2 Z 1 EO von einer Sicherheitsleistung abhängig zu machen.

Das Gericht zweiter Instanz gab dem Rekurs der betreibenden Partei dahin Folge, dass es den Aufschiebungsantrag abwies. Den Verpflichteten verwies es mit seinem Rekurs auf diese Entscheidung. Es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Abgesehen davon, dass der Verpflichtete keine mit einer Einlaufstampiglie des angerufenen Gerichts versehene (Kopie der) Gleichschrift der Klage vorgelegt habe, ergebe sich aus dieser nur die Einlösung eines Teilbetrags der betriebenen Forderung von 65.000 EUR. Nur in diesem Umfang könne sie durch den behaupteten (teilweisen) Verlust von Sicherheiten geschädigt sein. Auch insoweit gelte aber „nihil ipso iure compensatur". Bei bloß teilweisem Verlust der Gläubigerschaft bestehe kein Anlass für die Aufschiebung der Exekution.

Rechtliche Beurteilung

Der unrichtig als Rekurs bezeichnete, der Sache nach außerordentliche Revisionsrekurs (RIS-Justiz RS0044507 [T6 und T8]) des Verpflichteten ist nicht zulässig. Die Fehlbezeichnung schadet nach § 78 EO iVm § 84 Abs 2 zweiter Satz ZPO nicht. Der Verpflichtete hat auch im Sinn von § 528 Abs 3 iVm § 506 Abs 1 Z 5 ZPO gesondert ausgeführt, weshalb er den Revisionsrekurs entgegen der Auffassung des Rekursgerichts für zulässig erachte.

Mit seinen Darlegungen vermag der Revisionsrekurswerber aber insgesamt das Vorliegen erheblicher Rechtsfragen nicht aufzuzeigen. Entgegen seiner Ansicht kann von einer „ganz offensichtlichen Aktenwidrigkeit bei der Interpretation des Inhalts einer Oppositionsklage" keine Rede sein. Abgesehen davon, dass er das Wesen der Aktenwidrigkeit nach § 503 Z 3 ZPO verkennt, kann er nicht nachvollziehbar darlegen, weshalb die aus der angefochtenen Entscheidung hervorleuchtende Begründung unrichtig sein solle. Eine Aktenwidrigkeit scheint der Verpflichtete in einer unrichtigen Auslegung, allenfalls noch in einer ebensolchen Wiedergabe des Vorbringens in der Oppositionsklage (allenfalls des Inhalts von wesentlichen Urkunden) zu sehen. Die Auslegung von Urkunden ist aber grundsätzlich als rechtliche Beurteilung zu qualifizieren (E. Kodek in Rechberger³ § 498 ZPO Rz 4 mwN). Die Urkundenauslegung im Einzelfall begründet aber von krasser, hier keinesfalls vorliegender Fehlbeurteilung abgesehen keine erhebliche Rechtsfrage (3 Ob 336/99d). Die unrichtige Wiedergabe von Parteivorbringen bewirkt ebenfalls keine Aktenwidrigkeit (RIS-Justiz RS0041814, zuletzt 7 Ob 136/07m mwN; RS0043203 [T8 und T9], zuletzt 7 Ob 245/03k; Kodek aaO § 503 Rz 18). Selbst wenn in der Klage im Zusammenhang mit den angeschlossenen Urkunden vorgebracht wurde, dass die GmbH eine Einlösung „im Verrechnungsweg" vorgenommen hätte, ist die Beurteilung, daraus sei die Behauptung einer Kompensationserklärung nicht abzuleiten, Ergebnis eines Auslegungsvorgangs und kann damit schon begrifflich nicht aktenwidrig sein. Auch die Auslegung von Parteivorbringen wirft regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage auf (RIS-Justiz RS0042828 ua). Mögen auch die betreffenden Passagen der Rekursentscheidung sehr knapp ausgefallen sein, ist ihnen doch hinreichend deutlich zu entnehmen, dass das Gericht zweiter Instanz die Klage nach § 35 EO insoweit als unschlüssig ansah, als darin das Erlöschen der betriebenen Forderung über 65.000 EUR hinaus geltend gemacht wurde, weil eine wirksame Aufrechnung gar nicht behauptet worden sei und sich auch nicht aus den angeschlossenen (und in der Klageschrift zum Teil wörtlich zitierten) Urkunden ergebe. Dass eine Fehlbeurteilung dieses Vorbringens in einem konkreten Einzelfall aus Gründen der Rechtssicherheit aufgegriffen werden müsste, kann nicht damit begründet werden, dass die Ankündigung der GmbH wiedergegeben wird, sie werde „im Wege der Verrechnung" die weitere Kapitalforderung der betreibenden Partei „einlösen". Zudem setzt jede Aufrechnung nach § 1441 ABGB Gegenseitigkeit voraus, weshalb es rechtlich unmöglich ist, dass die Forderung einer betreibenden gegen eine verpflichtete Partei durch Aufrechnung eines Dritten mit einer diesem angeblich zustehenden Forderung erlöschen könnte (RIS-Justiz RS0033791; 7 Ob 511/85 = SZ 58/19; Griss in KBB² § 1441 ABGB Rz 1). Mag auch nach § 43 Abs 3 EO die Aufschiebung nur in Ansehung eines Teils des Anspruchs in Betracht kommen, steht - jedenfalls vor dem Stadium, in dem es um die Verteilung des Meistbots geht - die Ablehnung der Teilaufschiebung bei der Zwangsversteigerung einer Liegenschaft im Einklang mit der dazu ergangenen Rechtsprechung (3 Ob 145/66 = EvBl 1967/175; 3 Ob 804/37 = RZ 1938, 27; ähnlich 3 Ob 104/83), weil aufgrund der Rechtsansicht der zweiten Instanz für den Rest der Forderung die Versteigerung ohnehin durchgeführt werden muss und daher dem Verpflichteten aus der verweigerten Aufschiebung zumindest vorläufig kein Nachteil iSd Aufschiebungsvoraussetzung des § 44 Abs 1 EO droht. Schon deshalb wirft die Ablehnung der Aufschiebung im Umfang von 65.000 EUR keine erhebliche Rechtsfrage auf, die aus Gründen der Rechtssicherheit aufzugreifen wäre. Der Revisionsrekurs ist daher gemäß § 78 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

Anmerkung

E906273Ob13.09x

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0030OB00013.09X.0422.000

Zuletzt aktualisiert am

15.06.2009
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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