Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie die Hofräte und Hofrätinnen Hon.-Prof. Dr. Sailer, Dr. Lovrek, Dr. Jensik und Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj 1. Jonathan S*****, 2. Tobias S*****, und 3. Madita S*****, in Pflege und Erziehung der Mutter Anja S*****, vertreten durch den Jugendwohlfahrtsträger Land N***** als besonderer Vertreter in Unterhaltsangelegenheiten, dieser vertreten durch den Magistrat der Stadt K*****, über den Revisionsrekurs des Vaters Andreas S*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Krempl, Rechtsanwalt in St. Pölten, gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Rekursgericht vom 12. November 2008, GZ 23 R 257/08d-U-52, womit über Rekurs des Vaters der Beschluss des Bezirksgerichts St. Pölten vom 4. Juli 2008, GZ 2 P 79/07f-U-49, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, den Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Die Minderjährigen entstammen der geschiedenen Ehe ihrer Eltern. Alle Beteiligten sind deutsche Staatsbürger. Nach der Scheidung lebten die Kinder zunächst im Haushalt des Vaters in Deutschland. Mit Beschluss des Amtsgerichts Hannover vom 10. Jänner 2007 wurde der Mutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Minderjährigen übertragen. Die elterliche Obsorge steht beiden Eltern zu. Seit 8. April 2007 leben die Kinder im Haushalt der Mutter.
Mit am 18. Juni 2007 beim Erstgericht eingelangtem Antrag beantragen die Kinder, den Vater beginnend ab 8. April 2007 zur Leistung eines monatlichen Unterhalts von je 288 EUR für Jonathan und Tobias und von 237 EUR für Madita zu verpflichten. Der Vater verdiene als städtischer Bediensteter 1.736 EUR monatlich netto aliquot. Ihn träfen keine weiteren Sorgepflichten.
Der Vater wendete ein, für die Ausübung des alle sechs Wochen stattfindenden Besuchswochenendes und dem „üblichen Ferienumgang" erhöhte Kosten aufwenden zu müssen: Die einfache Strecke von Hannover nach St. Pölten betrage etwa 1.000 km. Unter Berücksichtigung der Treibstoffkosten und der notwendigen drei Übernachtungen in einer einfachen Pension zu jeweils 43 EUR pro Nacht ergebe sich eine zusätzliche monatliche Belastung von 250 EUR für die Aufrechterhaltung des Umgangsrechts mit den Minderjährigen. Ferner bezog sich der Vater - allerdings in seinem Rekurs gegen die gemäß § 382a EO erlassene Einstweilige Verfügung auf vorläufigen Unterhalt - darauf, dass gegen ihn eine Verbraucherinsolvenz anhängig sei und er „erhöhte Wohnkosten" von 700 EUR monatlich aufzuwenden habe. Das Erstgericht setzte die Unterhaltsbeiträge des Vaters für die mj Jonathan und Tobias vom 8. April 2007 bis 31. Dezember 2007 mit jeweils 260 EUR und ab 1. Jänner 2008 bis auf Weiteres, längstens jedoch bis zur eingetretenen Selbsterhaltungsfähigkeit mit jeweils 250 EUR monatlich fest. Für Madita wurde für den Zeitraum ab 8. April 2007 bis 31. Dezember 2007 ein Unterhaltsbeitrag von 220 EUR und ab 1. Jänner 2008 bis auf Weiteres, längstens jedoch bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit, ein Unterhaltsbeitrag von 237 EUR festgesetzt.
Das Erstgericht traf folgende weitere Feststellungen:
Die im Haushalt der Mutter in Österreich lebenden Kinder haben alterstypische Bedürfnisse. Der Vater bezog vom Februar 2007 bis Jänner 2008 inklusive einer einmaligen Jahressonderzahlung im November 2007 ein Nettoeinkommen von 19.189,43 EUR. Das Kindergeld, das der Vater bis inklusive Juli 2007 bezog, ist dabei nicht eingerechnet. Daraus ergibt sich eine Bemessungsgrundlage von 1.599 EUR. Außer für die Minderjährigen ist der Vater sonst niemandem unterhaltspflichtig.
Mit Beschluss des Amtsgerichts Hannover vom 1. März 2007 wurde über das Vermögen des Vaters das Insolvenzverfahren eröffnet und ein Steuerberater zum Treuhänder bestellt. Dieser bestätigte in einem Schreiben vom 8. Oktober 2007, dass aufgrund des Einkommens des Vaters und der bestehenden Sorgepflichten kein pfändbarer Betrag abgeführt werden könne, sodass dem Schuldner dessen Nettoeinkommen in voller Höhe ausgezahlt wird.
Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, dass ausgehend vom Alter der Kinder der Unterhalt für die beiden Söhne bis 31. Dezember 2007 (Vollendung des 10. Lebensjahres der Tochter) mit 17 % und danach mit 16 % des Einkommens des Vaters festzusetzen sei. Für die mj Madita ergäben sich Prozentsätze von 14 % bis 31. Dezember 2007 und von 16 % ab 1. Jänner 2008. Deren Unterhaltsanspruch ab 1. Jänner 2008 finde jedoch seine Grenze in der beantragten Höhe.
Dem dagegen erhobenen Rekurs des Vaters, der den Rekursantrag stellte, die Unterhaltsbeiträge mögen in Stattgebung des Rekurses „dem tatsächlichen Einkommen des Antragsgegners entsprechend herabgesetzt werden" gab das Rekursgericht teilweise Folge und setzte die Unterhaltsbeiträge des Vaters für die mj Jonathan und Tobias für den Zeitraum 8. April 2007 bis 31. Dezember 2007 mit jeweils 180 EUR und ab 1. Jänner 2008 bis auf Weiteres, längstens jedoch bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit, mit jeweils 170 EUR fest. Für die mj Madita wurde der Unterhaltsbeitrag vom Rekursgericht für den Zeitraum 8. April 2007 bis 31. Dezember 2007 mit 150 EUR und ab 1. Jänner 2008 bis auf Weiteres, längstens jedoch bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit, mit 170 EUR festgesetzt. Die Unterhaltsmehrbegehren der Kinder wies das Rekursgericht ab und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil sowohl die Frage der Berücksichtigung von Wohnungskosten eines im Ausland lebenden Unterhaltspflichtigen als auch die Frage, ob erhöhten Besuchsrechtskosten für die Unterhaltsbemessungsgrundlage Bedeutung zukomme, erhebliche Rechtsfragen darstellten.
Rechtlich ging das Rekursgericht zusammengefasst davon aus, dass nach dem Haager Unterhaltsstatutübereinkommen der gewöhnliche Aufenthaltsort des Kindes bestimme, ob, in welchem Ausmaß und von wem das Kind Unterhaltsleistungen verlangen könne. Die Ermittlung der Leistungsfähigkeit des Vaters sei als Bemessungsfrage nach österreichischem Recht vorzunehmen. Auch die Belastbarkeitsgrenze bestimme sich nach österreichischem Recht. Allerdings sei nicht ausgeschlossen, dass unter Umständen die Lebenshaltungskosten am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Vaters berücksichtigungswürdig seien. Die Kosten der Wohnversorgung stellten grundsätzlich Kosten des täglichen Lebens dar, die auf die Unterhaltsbemessung keinen Einfluss hätten. Das gelte auch für überdurchschnittlich hohe Wohnungskosten. Allerdings müsse im konkreten Fall berücksichtigt werden, dass die Wohnungskosten in Deutschland „erfahrungsgemäß" deutlich höher seien als in Österreich. Lägen nun bestimmte Teilbereiche der Lebenshaltungskosten aufgrund des Wohnorts des Unterhaltspflichtigen deutlich über jenen, die einen in Österreich lebenden Unterhaltspflichtigen treffen würden, werde das durch die Anwendung der Prozentsatzmethode nicht angemessen berücksichtigt. Der Vater verfüge nach der Aktenlage (Verfahrenshilfeantrag ON U-9, AS 93) über eine Mietwohnung in Größe von 85,13 m²; die Miete inklusive Betriebskosten betrage 685,57 EUR. Das entspreche durchaus dem üblichen Preisniveau. Der Vater könnte zwar eine kleinere Wohnung nützen. Allerdings sei zu berücksichtigen, dass der Vater bis zur Übersiedlung der drei Kinder mit diesen gemeinsam gewohnt habe. Für die Wohnversorgung der damals vierköpfigen Familie sei die Wohnung nicht unangemessen groß. Nach der Übersiedlung der Kinder zur Mutter müsse ihm jedenfalls eine Übergangsfrist zur Auffindung einer neuen Wohnung eingeräumt werden. Dazu komme, dass der Vater von Anfang an mit der Übersiedlung der Kinder nicht einverstanden gewesen sei. Er habe im Personensorgeteilakt beantragt, dass die Kinder wieder zu ihm zurückkehrten. Würde er jetzt die Wohnung aufgeben, könnte das ein Präjudiz im Obsorgeverfahren darstellen.
Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs sei die Belastbarkeitsgrenze mit dem Grundbetrag des Unterhaltsexistenzminimums gleichzusetzen, das derzeit bei 653 EUR liege. Im konkreten Fall seien die reinen Wohnungsfixkosten bereits durch Abzug von der Unterhaltsbemessungsgrundlage berücksichtigt worden. Es sei daher nicht das Unterhaltsexistenzminimum als Belastbarkeitsgrenze anzusetzen, sondern der Grundbedarf des Unterhaltspflichtigen ohne Wohnungskosten, den das Rekursgericht mit 400 EUR monatlich als angemessen erachtete. Nach Abzug der Wohnungskosten und der Grundbedürfnisse verbleibe nur noch ein Betrag von 513,43 EUR, der dem Vater zur Erfüllung seiner Unterhaltsverpflichtungen zur Verfügung stehe. Teile man diesen Betrag im Verhältnis zu den den Minderjährigen zustehenden Prozentsätzen auf, so ergebe sich ein monatlicher Unterhalt für Jonathan und Tobias von jeweils 180 EUR und für Madita von 150 EUR. Ab Jänner 2008 seien alle Kinder in der Altersgruppe zwischen 10 und 15 Jahren, ihr Unterhaltsanspruch sei somit ab diesem Zeitpunkt rechnerisch gleich hoch. Daraus ergebe sich ab diesem Zeitpunkt ein Unterhaltsbeitrag für jedes Kind von 170 EUR. Die vom Vater ins Treffen geführte Besuchsrechtskosten seien jedoch zu vernachlässigen. Im konkreten Fall lägen schon die vom Erstgericht festgesetzten Unterhaltsbeiträge unter den Regelbedarfsätzen. Durch die Berücksichtigung der Wohnungskosten würde die Differenz zum Regelbedarf noch deutlicher. Jede weitere Reduktion der Unterhaltsbeiträge könnte eine direkte Gefährdung des Kindeswohls bedeuten. Ziehe man nämlich auch noch die behaupteten Besuchsrechtskosten von 250 EUR monatlich von der Bemessungsgrundlage ab, verbliebe rechnerisch bloß ein Betrag von jeweils 87,81 EUR an Unterhalt pro Kind. Damit könnten die Bedürfnisse eines Kindes zwischen 10 und 15 Jahren auch nicht annähernd befriedigt werden. Führe die Berücksichtigung der Besuchsrechtskosten zu einer Schmälerung des Unterhalts in einem Maß, die für das Kind existenzgefährdend wäre, müsste die Existenzsicherung des Kindes vorrangig behandelt werden.
Gegen den Beschluss des Rekursgerichts, den die Minderjährigen im Umfang der Abweisung der Unterhaltsmehrbegehren unbekämpft ließen, wendet sich der Revisionsrekurs des Vaters mit dem Antrag, die Unterhaltsbeiträge auf 80 EUR monatlich für Jonathan, 70 EUR monatlich für Tobias und 60 EUR monatlich für Madita herabzusetzen. Die Kinder beteiligten sich am Revisionsrekursverfahren nicht.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig; er ist jedoch im Ergebnis nicht berechtigt. Das zentrale Argument im Revisionsrekurs zielt darauf ab, dass das Besuchsrecht einen elementaren Teil der Eltern-Kind-Beziehung darstelle; ebenso wichtig wie der Unterhalt sei die persönliche Zuwendung eines Elternteils. Leiste der Vater Unterhalt in der nunmehr festgesetzten Höhe, sei ihm die Aufrechterhaltung des persönlichen Kontakts mit den Kindern wirtschaftlich nicht mehr möglich. Unterhaltsrechtlich seien beide Elternteile verpflichtet, bestmöglich für ihre Kinder zu sorgen. Eine Mutter sorge dann nicht bestmöglich für ihre Kinder, wenn sie - wie hier - ohne besondere zwingende Gründe und offensichtlich aufgrund persönlicher Veränderungswünsche dem Vater durch Schaffung einer großen räumlichen Distanz zu den Kindern die Kontaktaufnahme erschwere. Im Interesse der Kinder müsse daher eine Lösung gefunden werden, die dem Vater die Ausübung des Besuchsrechts ermögliche, den Kindern aber den notwendigen Unterhalt sichere. Das könne etwa dadurch gewährleistet werden, dass die Mutter einen erhöhten Eigenanteil an Unterhaltsaufwand zu tragen habe.
Dazu wurde erwogen:
1. Zutreffend ist das Rekursgericht davon ausgegangen, dass bei einem gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes in Österreich gemäß Art 1 Abs 1 des Übereinkommens über das auf Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern anzuwendende Recht (BGBl 1961/293) nicht nur der Unterhaltsanspruch des Kindes als solcher, sondern auch die Unterhaltshöhe ausschließlich nach materiellem österreichischem Recht zu beurteilen ist, da sich die Unterhaltsbedürfnisse nach den Lebenshaltungskosten des Kindes richten, die am besten vom Recht des Orts, wo das Kind lebt, berücksichtigt werden können (7 Ob 290/00y = SZ 73/191; RIS-Justiz RS0106532).
2. Richtig ist auch, dass durch den zu 1. dargelegten Grundsatz nicht ausgeschlossen ist, dass unter Umständen die Lebenshaltungskosten des Vaters, die sich nach dem Lohnniveau, den Preisverhältnissen und den gesetzlichen Steuerbestimmungen des gewöhnlichen Aufenthaltsorts richten, zu berücksichtigen sind (6 Ob 233/00h; 10 Ob 56/06t). Das Rekursgericht ist nun davon ausgegangen, dass „erfahrungsgemäß" die Wohnungskosten in Deutschland höher seien. Auf einer konkreten Sachverhaltsgrundlage - etwa auf einer Gegenüberstellung der Durchschnittsmietzinse vergleichbarer Wohngegenden in Österreich und Deutschland - beruht diese Annahme nicht. Für eine Offenkundigkeit höherer Wohnungskosten in Deutschland iSd § 33 Abs 1 AußStrG (Fucik/Kloiber, AußStrG § 33 Rz 1) fehlt es an Anhaltspunkten:
Allgemeinkundig sind nach der sinngemäß heranzuziehenden Rechtsprechung zu § 269 ZPO nur jene Tatsachen, die einer beliebig großen Anzahl von Menschen bekannt oder doch ohne Schwierigkeiten jederzeit zuverlässig wahrnehmbar sind (RIS-Justiz RS0110714). Davon kann hier nicht ausgegangen werden. Auch die Aktenlage selbst stützt die Annahme des Rekursgerichts nicht: Nach dem eigenen Vorbringen des Vaters in seinem Verfahrenshilfeantrag (U-10, AS 93) betragen seine Wohnungskosten (Miete inklusive Betriebs-, Heiz- und Warmwasserkosten) für die 85,13 m² große Mietwohnung 685,57 EUR monatlich. Vergleicht man diese Kosten mit den Kosten einer „mietrechtlichen Normwohnung" in Österreich (§ 2 RichtWG), ergibt sich als Nettohauptmiete für eine 85,13 m² große Mietwohnung zum Stichtag ab 1. April 2006 als Mittelwert sämtlicher für alle Bundesländer verlautbarten Richtwertänderungen ab 1. April 2006 (BGBl II 2006/101) ein Betrag von 462,25 EUR („Durchschnittsrichtwert" für alle österreichischen Bundesländer 5,43 EUR/m²). Rechnet man noch durchschnittliche Heiz-, Betriebs- und Warmwasserkosten sowie die USt (§ 15 Abs 2 MRG) hinzu, ist die vom Rekursgericht angenommene „Notorietät" erhöhter Wohnungskosten in Deutschland bereits widerlegt.
Die auf keiner Sachverhaltsgrundlage und auf keiner allgemeinkundigen Tatsache basierende Annahme höherer Wohnungskosten in Deutschland rechtfertigt schon aus diesem Grund den Abzug sämtlicher Wohnungskosten des Vaters von der Unterhaltsbemessungsgrundlage nicht. Ein Eingehen darauf, welche Parameter für die Überprüfung, ob einen im Ausland lebenden Unterhaltspflichtigen erhöhte Wohnungskosten treffen, heranzuziehen sind und in welcher Form feststehende erhöhte Lebenshaltungskosten bei der Unterhaltsfestsetzung zu berücksichtigen sind, erübrigt sich daher.
3. Das Rekursgericht hat jedoch den Gesamtabzug sämtlicher Wohnungskosten von der Bemessungsgrundlage nicht nur mit den angenommenen höheren Lebenshaltungskosten in Deutschland gerechtfertigt, sondern auch damit, dass es dem Vater, in dessen Wohnversorgung die Kinder bis 8. April 2007 standen, aus den vom Rekursgericht genannten Gründen nicht zumutbar sei, sich um eine kleinere (und billigere) Wohnung zu bemühen. Abgesehen davon, dass es sich dabei um eine Beurteilung des Rekursgerichts handelt, der kein Vorbringen des Vaters - der nur im Rahmen seines Rekurses im Provisorialverfahren allgemein auf „erhöhte Wohnungskosten" hinwies - zugrundeliegt, lässt damit das Rekursgericht die von ihm selbst zitierte ständige Rechtsprechung außer Acht, wonach Mietzinse die Unterhaltsbemessungsgrundlage nicht schmälern können (4 Ob 388/97f = SZ 71/9; RIS-Justiz RS0047508). Die vom Rekursgericht gewählte Vorgangsweise, wegen der „Unzumutbarkeit" für den Vater, sich eine kleinere Wohnung zu suchen, seien die gesamten Wohnungsfixkosten von der Bemessungsgrundlage abzuziehen, entspricht somit nicht der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs.
Darauf, dass ihm ein Wohnungswechsel aus bestimmten Umständen nicht möglich oder zumutbar gewesen wäre, hat sich der Vater in erster Instanz nicht berufen. Auch aus dem vom Obersten Gerichtshof beigeschafften Personensorgerechtsakt geht nur hervor, dass die Mutter (S-4) einen Antrag stellte, ihr das elterliche Sorgerecht allein zu übertragen; der Vater (S-22) beantragte, ihm das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu übertragen. Derzeit befindet sich das Verfahren im Stadium der Gutachtenserstattung. Die Beurteilung des Rekursgerichts, dem Vater sei der Bezug einer kleineren und billigeren Wohnung wegen des anhängigen Obsorgestreits unzumutbar, findet in der Aktenlage insofern keine Deckung, wenn man berücksichtigt, dass die Kinder seit April 2007 bei der Mutter in Österreich leben und im Hinblick auf den Verfahrensstand im Personenrechtssorgeverfahren Anhaltspunkte für eine in unmittelbarer Zukunft zu erwartende Änderung des Aufenthaltsortes der Kinder fehlen.
Die im außerstreitigen Verfahren geltende Verpflichtung zur amtswegigen Wahrheitserforschung findet dort eine natürliche Grenze, wenn ein Vorbringen der Parteien überhaupt nicht vorliegt (3 Ob 320/05p; RIS-Justiz RS0069653) und Anhaltspunkte für eine weitere Aufklärungsbedürftigkeit fehlen (RIS-Justiz RS0029344).
4. Damit stellt sich die vom Rekursgericht als erheblich bezeichnete Rechtsfrage, die auch der Vater in seinem Revisionsrekurs releviert, ob und in welchem Umfang erhöhte Besuchsrechtskosten zu berücksichtigen sind (vgl dazu 7 Ob 102/06k einerseits und die bisherige ständige Rechtsprechung andererseits, wonach Besuchsrechtskosten zu keiner Reduktion der Bemessungsgrundlage führen können - RIS-Justiz RS0047452) im vorliegenden Verfahren nicht: Selbst wenn man nämlich die vom Vater behaupteten, von den Vorinstanzen inhaltlich nicht geprüften „erhöhten Besuchsrechtskosten" von 250 EUR monatlich (vgl dagegen aber die aus dem Personensorgerechtsakt hervorgehende vorläufige Regelung des Umgangsrechts S-16, die lediglich ein eintägiges Umgangsrecht alle zwei Monate gewährt) - wie vom Vater gewünscht - von der (mangels Berücksichtigung der Wohnungsfixkosten nicht gekürzten) Unterhaltsbemessungsgrundlage abzieht, ergäbe sich rechnerisch ein höherer Unterhalt als den Kindern mit der bekämpften Rekursentscheidung zugesprochen wurde. Dem Vater verbleiben nach Abzug der zugesprochenen Beträge 1.089 EUR monatlich. Darin sind die behaupteten Besuchsrechtskosten von 250 EUR monatlich gedeckt; dem Vater verbleibt auch unter Berücksichtigung dieser Kosten ein Betrag (839 EUR), der deutlich über dem von der Rechtsprechung als Belastungsgrenze angesehenen Unterhaltsexistenzminimum (Nachweise bei Gitschthaler, Unterhaltsrecht² Rz 268).
Aus den dargelegten Gründen ist dem Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen.
Anmerkung
E906293Ob28.09bEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2009:0030OB00028.09B.0422.000Zuletzt aktualisiert am
15.06.2009