Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Spenling und Hon.-Prof. Dr. Kuras und die Hofrätinnen Dr. Lovrek und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. E*****, vertreten durch Mag. Wolfgang Gartner, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei S***** GmbH, *****, vertreten durch Brauneis Klauser Prändl, Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 1.209.282,09 EUR sA und Zwischenanträgen auf Feststellung,
über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 22. Juli 2008, GZ 1 R 96/08g, 1 R 97/08d-56, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 18. Dezember 2007, GZ 35 Cg 184/05f-39, im Umfang der Abweisung des Zahlungsbegehrens von 1.209.282,09 EUR sA aufgehoben wurde,
sowie über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 22. Juli 2008, GZ 1 R 96/08g, 1 R 97/08d-56, womit Zwischenfeststellungsanträge der beklagten Partei zurückgewiesen wurden, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
1. Dem Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts wird nicht Folge gegeben.
Die darauf entfallenden Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
2. Dem Rekurs gegen die Zurückweisung der von der beklagten Partei gestellten Zwischenfeststellungsanträge wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.046,88 EUR (darin enthalten 174,48 EUR USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Aufgrund eines zwischen den Streitteilen am 9. 7. 2003 geschlossenen Generalunternehmer-(werk-)vertrags war die Klägerin verpflichtet, ein Seniorenheim teilweise zu sanieren bzw teilweise neu zu errichten. Es wurde ein Pauschalpreis von 3,6 Mio EUR brutto vereinbart. Die Klägerin verzichtete ausdrücklich auf die Geltendmachung von Nachforderungen, ausgenommen bei geänderten oder zusätzlichen Leistungen im Sinne der von der Beklagten vorformulierten Allgemeinen Vertragsbedingungen (in der Folge immer: AVB).
Vor Abschluss des Werkvertrags „gingen die Geschäftsführer beider Parteien die einzelnen Punkte des Werkvertrags und der AVB durch".
Die einen Bestandteil des Werkvertrags bildenden AVB der Beklagten lauten in Punkt 00.15600 wie folgt:
„Nach Korrektur der Schluss- und Regierechnungen wird ein Schlussabrechnungsblatt durch den Rechnungsprüfer ausgefüllt und zur Anerkennung an den Auftragnehmer geschickt. Sollte binnen 14 Tagen nach Ausgang des Schlussabrechnungsblatts durch den Auftragnehmer nicht retourniert werden, dann werden die Rechnungen mit Beträgen gemäß der Aufstellung im Schlussabrechnungsblatt beglichen; es werden keinerlei Einwendungen nachträglich akzeptiert."
Diese Klausel stammt aus einem Standardvertrag und kommt in der Praxis auch in anderen Generalunternehmerverträgen vor.
Die Beklagte erteilte vom ursprünglich vereinbarten Leistungsumfang nicht umfasste Zusatzaufträge. Die Klägerin legte am 1. 12. 2004 Schlussrechnung über einen rechnerisch offenen Restbetrag über rund 1.731.000 EUR. Nach Gesprächen über die offenen Forderungen gingen die Streitteile gegen Ende Juni 2005 auseinander, ohne dass ihre unterschiedlichen Vorstellungen hinsichtlich der Leistungssumme in Übereinstimmung gebracht worden wären. Der von der Beklagten eingesetzte Bauleiter überwachte ua die Ausführung der getroffenen Vereinbarungen zwischen den Streitteilen. Er erstellte einen Abschlussbericht mit einer Aufstellung der Mehr- und Minderkosten der Arbeiten am Seniorenheim. Diese Unterlagen erhielt der Geschäftsführer der Klägerin per Fax am 1. 8. 2005. Der Bericht war für den Geschäftsführer der Klägerin insofern überraschend, als der Bauleiter darin von schon getroffenen Abstimmungen wieder abwich.
Am selben Tag erhielt der Geschäftsführer der Klägerin das Schlussrechnungsprüfblatt vom 1. 8. 2005. Er unterschrieb dieses nicht, somit auch nicht das darin vorgesehene Anerkenntnis der Schlussabrechnung „ohne Vorbehalt und unter ausdrücklicher Verzichtsleistung auf Nachforderungen". Vielmehr setzte sich der Geschäftsführer der Klägerin mit verschiedenen Professionisten (Subunternehmen) zusammen und ging mit diesen die Leistungen durch. Nach Verstreichen der 14-Tage-Frist laut Punkt 00.15600 der AVB teilte der Geschäftsführer der Klägerin mit Schreiben vom 26. 8. 2005 dem Bauleiter der Beklagten mit, dass die Klägerin die vorgenommenen Rechnungsabstriche und Auflistungen sowie die Pönaleforderungen und bestimmte Abzüge nicht anerkenne. Eine Kopie dieses Schreibens wurde am gleichen Tag dem Geschäftsführer der Beklagten übermittelt. Eine detaillierte Antwort der Klägerin auf das Ergebnis der Schlussrechnungsprüfung durch die Beklagte bzw „klare Einwendungen" der Klägerin wurden vor der Klageeinbringung am 25. 11. 2005 nicht erstattet.
Unstrittig ist, dass die (verminderte) Schlusszahlung am 16. 11. 2005 einlangte.
Mit der am 25. 11. 2005 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte die Klägerin im Zuge des Verfahrens näher aufgeschlüsselte 1.209.282,09 EUR sA als Entgelt für ihre Leistungen als Generalunternehmerin. Im Zuge der Ausführung des Bauvorhabens sei es zur Beauftragung und Durchführung von zusätzlichen Leistungen gekommen. Daraus resultiere eine Schlussrechnungshöhe von gesamt 4.806.312,11 EUR brutto. Aufgrund der Vereinbarung eines 5%igen Haftrücklasses (240.315,60 EUR), der bisherigen Teilzahlungen (3.287.512,60 EUR) und der von der Klägerin akzeptierten Schlussrechnungskorrektur im Ausmaß von 69.201,80 EUR ergebe sich die rechnerische Höhe des Zahlungsbegehrens.
Die Beklagte wendete zusammengefasst ein, dass der vereinbarte Gesamtpreis von 3,6 Mio EUR ausdrücklich als unveränderlicher Pauschalfestpreis vereinbart worden sei. Die Schlussrechnungssumme sei aufgrund eines vereinbarten Pauschalabzugs, einer Pönale von 5 % des Haftrücklasses, diverser Gegenforderungen und aufgrund von Abzügen für Mängel und fehlende Preisnachweise auf den Betrag von 3.550.346,27 EUR reduziert worden. Abzüglich der bisher geleisteten Zahlungen im selben Ausmaß bestünde das Zahlungsbegehren nicht zu Recht. Vertraglich sei die Geltung der ÖNORM B 2110, Stand 1. 3. 2002, vereinbart worden, soweit nicht in den AVB abweichende Regelungen enthalten seien. Das gelte allerdings für Punkt 00.15600 der AVB, der in Abweichung von Punkt 5.30.2 der ÖNORM B 2110 vorsehe, dass für den Fall der Nichtretournierung des Schlussabrechnungsblatts durch den Auftragnehmer binnen 14 Tagen sämtliche Nachforderungen explizit ausgeschlossen seien. Die Beklagte habe der Klägerin das Schlussabrechnungsblatt am 1. 8. 2005 übermittelt. Dieses sei von der Klägerin nicht fristgerecht retourniert worden. Die Klägerin habe daher sämtliche Ansprüche auf Nachforderungen aus der Schlussrechnung endgültig verwirkt.
Die Klägerin replizierte, dass die entsprechende Klausel in den AVB, wonach die Beklagte 14 Tage nach Abfertigung des Schlussabrechnungsblatts mangels Einwendungen von einer Akzeptanz der Klägerin ausgehen könne, sittenwidrig sei. Solche Ausschlüsse von Nachforderungen innerhalb eines so kurz bemessenen Rahmens, der an der Größe des Bauvorhabens gemessen werden müsse, seien ungültig.
Im Zuge des Verfahrens stellten beide Parteien mehrere Zwischenanträge auf Feststellung. Gegenstand des Rekursverfahrens vor dem Obersten Gerichtshof sind nur noch folgende, als Eventualanträge formulierte Zwischenanträge auf Feststellung der Beklagten:
„Es möge festgestellt werden, dass die Forderung der Klägerin dem Grunde nach nicht zu Recht bestehe, weil
a) die Parteien einen unveränderlichen Pauschalfestpreis in Höhe von 3 Mio EUR (zuzüglich USt) für die Leistungen der Klägerin im Zusammenhang mit der Errichtung des Bauwerks sowie
b) Kostenneutralität für Leistungsänderungen vereinbarten und die Beklagte die der klagenden Partei gemäß dem Schlussrechnungsprüfblatt zustehenden Betrag in Höhe von 3.550.346,27 EUR (inkl USt) bezahlte;
c) die Parteien betreffend Zusatzleistungen, die zu einer Erhöhung des Pauschalfestpreises führen würden, vereinbarten, dass solche nach Legung eines Anbots durch die Klägerin von der Beklagten ausdrücklich in Auftrag gegeben werden müssen und die Beklagte sämtliche von ihr in Auftrag gegebenen Zusatzleistungen bezahlte;
d) die Klägerin etwaige Ansprüche, die über den von der Beklagten gemäß dem Schlussrechnungsprüfblatt bezahlten Betrag in Höhe von 3.550.346,27 EUR (inkl USt) hinausgehen, aufgrund der nicht fristgemäßen Retournierung des Schlussrechnungsprüfblatts gemäß Punkt 00.15600 der AVB bzw aufgrund der nicht fristgemäßen Erhebung substantiierter Einwendungen gegen das Schlussrechnungsprüfblatt gemäß Punkt 5.30.2 der ÖNORM B 2110 jedenfalls verwirkte."
Diese Eventualanträge unterscheiden sich - von geringfügigen sprachlichen Abweichungen abgesehen - von insgesamt vier von der Beklagten gestellten Zwischenanträgen auf Feststellung - die nicht mehr Gegenstand des Verfahrens vor dem Obersten Gerichtshof sind (s dazu I.3) - ausschließlich durch den vorangestellten Einleitungssatz, „dass die Forderung der Klägerin dem Grunde nach nicht zu Recht besteht, weil ...".
Die Beklagte brachte dazu im Wesentlichen vor, dass die von ihr gestellten Zwischenfeststellungsanträge präjudiziell seien. Überdies mache die Klägerin in einem Parallelverfahren Forderungen aus Regierechnungen geltend. Die Frage, ob ein Pauschalfestpreis vereinbart worden sei, sei auch für dieses Verfahren präjudiziell.
Das Erstgericht wies mit Beschluss (I.a bis g) verschiedene von beiden Parteien gestellte Zwischenanträge auf Feststellung, die nicht mehr Gegenstand des Verfahrens vor dem Obersten Gerichtshof sind, zurück; entschied inhaltlich teils stattgebend und teils abweislich (II.1 und II.2 und II.3) über weitere von beiden Parteien gestellte Zwischenfeststellungsanträge und wies in Punkt II.4 seines Urteils das Zahlungsbegehren der Klägerin über 1.209.282,09 EUR sA ab. Über die zuvor wiedergegebenen Eventualanträge der Beklagten traf das Erstgericht keine Entscheidung.
Das Erstgericht vertrat zusammengefasst die Auffassung, dass die vereinbarte Klausel 00.15600 der AVB weder objektiv ungewöhnlich iSd § 864a ABGB noch sittenwidrig iSd § 879 Abs 3 ABGB sei. Eine Sittenwidrigkeit sei nicht zu erkennen, weil ausreichend gewesen wäre, dass die Klägerin innerhalb von 14 Tagen das Schlussabrechnungsblatt mit dem deutlichen Ausdruck des Nichteinverständnisses retourniert hätte. Eine spezifische Ungleichgewichtslage der Vertragspartner liege nicht vor.
Soweit für das Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof noch maßgeblich, gab das Berufungsgericht der Berufung der Klägerin im Umfang der Abweisung des Zahlungsbegehrens Folge, hob das Ersturteil auf und verwies die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss zulässig sei.
Infolge der in der Berufung der Beklagten erhobenen Rüge der Nichtentscheidung des Erstgerichts über die von der Beklagten gestellten Eventualzwischenanträge auf Feststellung (Punkt 2 in ON 19) ergänzte das Berufungsgericht die Entscheidung des Erstgerichts dahin, dass es diese Eventualzwischenfeststellungsanträge der Beklagten zur Gänze zurückwies.
Rechtlich ging das Berufungsgericht zusammengefasst davon aus, dass die in Punkt 00.15600 enthaltene Klausel in den AVB der Beklagten nach § 879 Abs 3 ABGB sittenwidrig bzw nichtig sei und daher die Klägerin nicht binde. Unter Berücksichtigung aller Umstände sei anhand der von der Gesamtrechtsordnung geschützten Interessen zu beurteilen, ob Sittenwidrigkeit vorliege, wobei es auf Inhalt, Zweck und Beweggrund des Geschäfts, also auf den Gesamtcharakter der Vereinbarung, ankomme. Wegen des Grundsatzes der Privatautonomie werde die Rechtswidrigkeit wegen eines Verstoßes gegen die guten Sitten nur dann bejaht, wenn eine Interessenabwägung eine grobe Verletzung rechtlich geschützter Interessen ergebe, oder wenn bei einer Interessenkollision ein grobes Missverhältnis zwischen den durch die Handlung verletzten und den durch sie geförderten Interessen bestehe. Die für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit maßgebenden Wertungsgesichtspunkte müssten aus der Gesamtrechtsordnung und deren allgemeinen Wertprinzipien ableitbar sein. Der Umstand, dass die Vertragspartner Unternehmer seien, stünde der Beurteilung einer vertraglichen Abrede als sittenwidrige Bestimmung nicht grundsätzlich entgegen. Je weniger die Bevorzugung eines Vertragspartners - gemessen am dispositiven Recht - sachlich gerechtfertigt sei, desto eher sei auch im Handelsverkehr die Sittenwidrigkeit zu bejahen. § 879 Abs 3 ABGB konkretisiere die Generalklausel des § 879 Abs 1 ABGB. Die in einem beweglichen System vorzunehmende Beurteilung orientiere sich auch bei der Frage nach der gröblichen Benachteiligung am dispositiven Recht als dem Leitbild eines ausgewogenen Interessenausgleichs. Im konkreten Fall sei zu prüfen, ob sich die Position des Werkunternehmers nach der konkreten Vereinbarung noch erheblich weiter vom dispositiven Recht entferne als nach den Regelungen der einschlägigen ÖNORM. Die hier einschlägige ÖNORM schließe nachträgliche Forderungen für die vertragsgemäß erbrachten Leistungen aus, wenn nicht ein Vorbehalt in der Rechnung enthalten sei oder binnen drei Monaten nach Erhalt der Zahlung schriftlich erhoben werde.
Davon weiche die hier zu beurteilende Klausel in mehrfacher Hinsicht massiv ab. Zum einen zwinge die Klausel den Auftragnehmer (Klägerin) dazu, bereits14 Tage nach Absendung eines Schlussrechnungsprüfblatts zu reagieren. Damit werde die einschlägige Frist nach der ÖNORM B 2110 von drei Monaten um fast 85 % reduziert. Auch die in der Entscheidung 7 Ob 68/98w akzeptierte Frist von sechs Wochen wäre deutlich unterschritten. Hiezu komme, dass die 14-Tage-Frist nicht erst ab Erhalt des Prüfungsblatts, sondern bereits ab dessen Absendung durch die Gegenseite zu laufen beginne. Damit habe es der Auftraggeber in der Hand, diese Frist geradezu willkürlich noch deutlich zu verkürzen, wenn er zB die Postaufgabe Ende der Woche vornehme. Auch dieser Umstand spreche für die Unsachlichkeit der Klausel. Außerdem bringe die Klausel den Empfänger des Schlussabrechnungsblatts in doppelten Zugzwang. Das Schlussabrechnungsblatt werde „zur Anerkennung" an den Auftragnehmer geschickt. Für den Auftragnehmer bestehe die Gefahr, dass sein Vertragspartner ein Anerkenntnis ableiten wolle, wenn er das Blatt an diesen retourniere. Andererseits sei der Auftragnehmer geradezu genötigt, das Schlussabrechnungsblatt kurzfristig zu retournieren, um sich inhaltliche Einwendungen gegen Kürzungen zu sichern. Schließlich sei die Klausel auch im engen Zusammenhang mit dem Werkvertrag zu betrachten, vor allem mit dessen Umfang. Nach Ansicht des Berufungsgerichts könne ein Schlussrechnungsblatt „bei einem Millionenauftrag in der Regel nicht in 14 Tagen (abzüglich Postlauf) fundiert geprüft" werden. Die Regelung verführe geradezu dazu, dass ein Werkunternehmer automatisch bzw reflexartig das Schlussabrechnungsblatt mit „leeren Einwendungen" zurücksende, um die Präklusion zu verhindern. Damit „verkomme" die Rücksendung des Schlussabrechnungsblatts zu einem bloßen Formalakt, der nichts zur Klärung der Rechtslage beitrage. Gerade das konterkariere aber den grundsätzlich anzuerkennenden Zweck von Präklusionsregelungen, nämlich die Rechtslage bei Bauprojekten mit meist hohen Auftragssummen möglichst innerhalb kurzer Frist zu klären. Es erscheine nicht gerechtfertigt, den Auftragnehmer nur wegen eines geringfügigen Versäumnisses berechtigter Ansprüche verlustig gehen zu lassen. Der Umstand, dass derartige Klauseln in Österreich auch von anderen Unternehmen verwendet würden, reiche nicht hin, die Sittenwidrigkeit nach § 879 Abs 3 ABGB zu verneinen. Schon aufgrund dieser Erwägungen sei das angefochtene Urteil im Umfang der Klageabweisung aufzuheben und dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung über das Leistungsbegehren nach Verfahrensergänzung aufzutragen.
Aber auch auf eine Verwirkung der Ansprüche der Klägerin infolge der Bestimmung der ÖNORM - deren Geltung im Übrigen nicht geprüft worden sei - könne sich die Beklagte nicht stützen: Die Dreimonatsfrist der ÖNORM B 2110 laufe nicht ab Erhalt des Schlussrechnungsblatts, sondern erst ab 16. 11. 2005 (Erhalt der Schlusszahlung).
Die Zurückweisung der vom Erstgericht nicht behandelten Eventualzwischenfeststellungsanträge begründete das Berufungsgericht damit, dass diese Eventualanträge trotz der teilweise sprachlich unterschiedlichen Formulierungen mit den Hauptbegehren ident seien und Streitanhängigkeit vorliege; andererseits bestehe auch kein rechtliches Interesse an einer „doppelten" Feststellung, weshalb das Eventualbegehren zur Gänze zurückzuweisen gewesen sei.
Die Beklagte bekämpft folgende Punkte der Rechtsmittelentscheidung jeweils aus dem Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung:
1. Mit Rekurs bekämpft die Beklagte den Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts im Umfang der Entscheidung über das Zahlungsbegehren in Höhe von 1.209.282,09 EUR sA. In diesem Umfang beantragt sie eine Abänderung im Sinne einer Wiederherstellung des erstinstanzlichen klageabweisenden Urteils über das Zahlungsbegehren.
2. Ebenfalls mit Rekurs bekämpft die Beklagte den Ergänzungsbeschluss des Berufungsgerichts, mit welchem die Eventualzwischenfeststellungsanträge der Beklagten (ON 19 2a bis d) zurückgewiesen wurden. Die Beklagte beantragt eine inhaltliche (klagestattgebende) Entscheidung; eventualiter die Aufhebung des berufungsgerichtlichen Zurückweisungsbeschlusses.
Die Klägerin beantragt in ihrer als „Revisionsrekursbeantwortung" bezeichneten Rekursbeantwortung gegen den Rekurs der Beklagten gegen den vom Berufungsgericht gefassten Aufhebungsbeschluss die Zurückweisung, in eventu die „Abweisung" des Rechtsmittels der Beklagten.
In ihrer Rekursbeantwortung, erstattet zum Rekurs der Beklagten gegen die erstmalige Zurückweisung der Eventualanträge auf Zwischenfeststellung durch das Berufungsgericht, beantragt die Klägerin, dem Rekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Das Rechtsmittel der Beklagten ist zur Gänze zulässig, aber nicht berechtigt.
I. Zur Zulässigkeit:
1. Im Umfang des vom Berufungsgericht gefassten Aufhebungsbeschlusses betreffend die abweisende Entscheidung des Erstgerichts über das von der Klägerin gestellte Zahlungsbegehren wurde der Rekurs vom Berufungsgericht ausdrücklich (§ 519 Abs 1 Z 2 ZPO) für zulässig erklärt. Da nach den Feststellungen die in Frage stehende Verfallsbestimmung in der Praxis üblich ist, also die Zulässigkeit dieser Vertragsbestimmung über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat, liegen auch die Zulässigkeitsvoraussetzungen vor.
2. Im Umfang des vom Berufungsgericht gefassten Ergänzungsbeschlusses entschied das Berufungsgericht erstmals über die Eventualzwischenfeststellungsanträge der Beklagten. Diesen Beschluss des Berufungsgerichts kann die Beklagte mit „Vollrekurs" bekämpfen: Ein Zwischenantrag auf Feststellung entspricht verfahrensrechtlich betrachtet einer Klage, weshalb die analoge Anwendung des § 519 Abs 1 Z 1 ZPO geboten ist, der Zurückweisungsbeschluss also ohne Rücksicht auf den Wert des Entscheidungsgegenstands und ohne Rücksicht darauf, ob eine erhebliche Rechtsfrage vorliegt, bekämpfbar ist (RIS-Justiz RS0043894; Zechner in Fasching/Konecny² IV/1 § 519 Rz 3).
3. Klarzustellen ist in diesem Zusammenhang, dass das Berufungsgericht den Wert des Entscheidungsgegenstands „betreffend die Entscheidung über die Berufung der Beklagten", die sich ausschließlich gegen die Entscheidung des Erstgerichts über von ihr gestellte Zwischenfeststellungsanträge richtete, mit „4.000 EUR, nicht aber 20.000 EUR übersteigend" bezifferte und insofern die ordentliche Revision für nicht zulässig erklärte.
Dieser Bewertungsausspruch des Berufungsgerichts erfolgte unrichtig: Nach ständiger Rechtsprechung ist der gesamte Entscheidungsgegenstand des Berufungsverfahrens für die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision iSd § 500 Abs 2 ZPO maßgebend (RIS-Justiz RS0042408). Dabei kommt es entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auf den gesamten Gegenstand der berufungsgerichtlichen Entscheidung an Geld und sonstigen Ansprüchen in Zusammenfassung aller bestätigenden, abändernden und aufhebenden Teile an (RIS-Justiz RS0042408 [T1]). Insoweit das Berufungsgericht eine meritorische Entscheidung über von der Beklagten gestellte Zwischenfeststellungsanträge fällte (in concreto: diese in teilweiser Bestätigung und teilweiser Abänderung der erstgerichtlichen Entscheidung zur Gänze abwies), sind die Streitwerte der Klage und der Zwischenanträge auf Feststellung zusammenzurechnen (RIS-Justiz RS0039661). Eine gesonderte Bewertung jener Entscheidungsteile des Berufungsgerichts, die die von der Beklagten gestellten Zwischenfeststellungsanträge meritorisch behandelten, war im Hinblick auf den anzuwendenden Grundsatz der Zusammenrechnung entbehrlich, weil allein das von der Klägerin gestellte Zahlungsbegehren einen über 20.000 EUR übersteigenden Streitwert aufweist.
Allerdings wies das Berufungsgericht mit Beschluss vom 25. 11. 2008 die Revision der Beklagten (I. des Rechtsmittels der Beklagten, womit die Beklagte in Ansehung des vom Berufungsgericht gefassten Teilurteils betreffend die genannten zwei von der Beklagten gestellten Zwischenfeststellungsanträge einen Abänderungsantrag iSd § 508 Abs 1 ZPO, verbunden mit einer ordentlichen Revision gegen das Teilurteil, stellte) samt dem Abänderungsantrag zurück. Diese Vorgangsweise widersprach zwar dem Gesetz, weil die Revision der Beklagten - ausgehend von einem über 20.000 EUR übersteigenden Gesamtstreitwert - richtigerweise als außerordentliche Revision zu verstehen war (RIS-Justiz RS0122264); allerdings wurde dieser Beschluss des Berufungsgerichts beiden Parteienvertretern am 23. 12. 2008 zugestellt und erwuchs in Rechtskraft. Da der Rechtsmittelausschluss des § 508 Abs 4 letzter Satz ZPO für die Zurückweisung einer (in Wahrheit) außerordentlichen Revision nicht gilt (RIS-Justiz RS0122264; Zechner aaO § 508 Rz 13, 15), wäre der Zurückweisungsbeschluss mit Rekurs an den Obersten Gerichtshof bekämpfbar gewesen. Unterbleibt aber - wie hier - eine Bekämpfung des Zurückweisungsbeschlusses, erwächst die Zurückweisung der Revision in Rechtskraft (2 Ob 82/07h); insofern liegt ein Rechtsmittel, über das der Oberste Gerichtshof entscheiden könnte, nicht (mehr) vor.
II. Zum Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss:
Die Beklagte steht - wie schon in erster Instanz - auf dem Standpunkt, dass die Verfallsregel in den AVB wirksam vereinbart und nicht sittenwidrig iSd § 879 Abs 3 ABGB sei. Jedenfalls aber müsste die Verfallsbestimmung des Punkts 5.30.2 der ÖNORM B 2110 - sei es auch im Weg einer geltungserhaltenden Reduktion - Anwendung finden. Davon ausgehend wären die Ansprüche der Klägerin ebenfalls präkludiert, weil die Klägerin nicht innerhalb von drei Monaten einen „begründeten Vorbehalt" erhoben habe. Die in der ÖNORM geregelte Dreimonatsfrist sei entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht ab Annahme der (verminderten) Schlusszahlung ausgelöst worden, sondern ab dem Zeitpunkt, zu dem die Beklagte begründet und nachvollziehbar ihre Rechnungsabstriche mitgeteilt habe. Das sei spätestens am 1. 8. 2005 durch den Abschlussbericht der Beklagten mit der Mehr- und Minderkostenaufstellung und dem Schlussrechnungsprüfblatt geschehen. Selbst wenn man aber davon ausgehen wollte, dass der Zahlungszeitpunkt (16. 11. 2005) maßgeblich sei, sei die Dreimonatsfrist der ÖNORM dennoch abgelaufen, weil auch die Klage vom 25. 11. 2005 dem Erfordernis eines „begründeten" Vorbehalts nicht entsprochen habe.
Dazu wurde erwogen:
1. Zutreffend (und von der Beklagten auch gar nicht angezweifelt) ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass der Umstand, dass die Vertragspartner Unternehmer sind, der Beurteilung einer vertraglichen Abrede als sittenwidrige Bestimmung keinesfalls grundsätzlich entgegensteht. Allenfalls ist im Einzelfall eine besonders gravierende Ungleichgewichtslage in den durch den Vertrag festgelegten Rechtspositionen zu fordern. Je weniger die Bevorzugung eines Vertragspartners - am dispositiven Recht gemessen - sachlich gerechtfertigt erscheint, desto eher wird auch im Verkehr zwischen Unternehmern die Sittenwidrigkeit zu bejahen sein (RIS-Justiz RS0119324; 1 Ob 144/04i = SZ 2004/123).
2. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs liegt bei der Vergabe von Aufträgen mit vorformuliertem Klauselkatalog, mit dem den Bietern der Vertragsinhalt - zumindest weitgehend - vorgegeben wird, jene typische Ungleichgewichtslage vor, wie sie der Verwendung von AGB zu eigen ist, sodass es geboten erscheint, § 879 Abs 3 ABGB auch in solchen Fällen zur Beurteilung der Unwirksamkeit von Klauseln wegen gröblicher Benachteiligung im Wege der Analogie heranzuziehen (RIS-Justiz RS0119323; 1 Ob 144/04i).
Im hier zu beurteilenden Fall kann sich die Beklagte auch nicht darauf berufen, dass die Klauseln „individuell ausgehandelt" wurden und daher keinerlei „Ungleichgewichtslage" gegeben war: Es steht lediglich fest, dass die Vertragspartner die einzelnen, von der Beklagten vorformulierten AVB „durchgingen". Es kann also lediglich Kenntnis der Klägerin vom Inhalt der einzelnen Bedingungen unterstellt werden.
3. Der Senat hält die Rechtsausführungen des Berufungsgerichts über die Nichtigkeit der Verfallsbestimmung in den AVB der Beklagten iSd § 879 Abs 3 ABGB zur Gänze für zutreffend, sodass auf diese Ausführungen zu verweisen ist (§ 510 Abs 3 ZPO).
Ergänzend ist hinzuzufügen, dass als sachliche Rechtfertigung von Präklusionsbestimmungen in Bauverträgen zwar grundsätzlich anerkannt ist, dass die Rechtslage bei Bauvorhaben mit hoher Auftragssumme möglichst innerhalb kürzester Zeit geklärt werden soll und zu diesem Zweck die gesetzlichen Verjährungsfristen abzukürzen sind, sodass der Auftraggeber zu einem möglichst frühen Zeitpunkt das gesamte Ausmaß seiner Verpflichtung überblicken und erfahren kann (7 Ob 68/98w = RdW 1998, 456; 8 Ob 109/04v = EvBl 2005/123).
Dem grundsätzlich anerkennenswerten Interesse des Werkbestellers daran, sich rasch endgültige Klarheit über das höchstmögliche Ausmaß der an ihn herangetragenen Werklohnforderung zu verschaffen, steht jedoch das ebenso schutzwürdige Interesse des Auftragnehmers gegenüber, das ihm vertragsgemäß gebührende Äquivalent für die erbrachten Leistungen zur Gänze zu erhalten.
Misst man nun die hier in Frage stehende vierzehntägige Frist ab „Ausgang", womit trotz der sprachlich wenig geglückten Formulierung offenkundig jener Zeitpunkt zu verstehen ist, zu welchem die Beklagte das Schlussrechnungsblatt absendete, so ergibt sich zunächst, dass der Auftragnehmerin nicht einmal 14 Tage zur „Anerkennung" (bzw „Nichtanerkennung") der von der Auftraggeberin vorgenommenen Schlussrechnungskorrekturen zur Verfügung stehen. Damit entfernt sich aber die Position des Werkunternehmers noch erheblich weiter vom dispositiven Recht (§ 1486 ABGB; dreijährige Verjährungsfrist) und von den Regeln der einschlägigen ÖNORM B 2110, die eine dreimonatige Frist (Punkt 5.30.2) vorsieht, innerhalb welcher Frist ein Vorbehalt gegen vorgenommene Korrekturen schriftlich abzugeben ist. Der Oberste Gerichtshof hat nun ausdrücklich die in der ÖNORM B 2110 geregelte dreimonatige Verfallsbestimmung als nicht gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 ABGB angesehen (8 Ob 109/04v; ebenso zur sechswöchigen Frist der ÖNORM A 2060 idF vom 1. 1. 1983 7 Ob 68/98w; vgl aber 3 Ob 2327/96v = ecolex 1997, 87, worin Nichtigkeit der sechswöchigen Verfallsfrist iSd § 879 Abs 3 ABGB für möglich erachtet, jedoch letztlich offengelassen wurde).
Diese gemessen am dispositiven Recht ohnedies schon massiv verkürzte Dreimonatsfrist wurde hier in den AVB nochmals drastisch verkürzt (von drei Monaten auf jedenfalls weniger als 14 Tage).
Auch das anerkennenswerte rasche Klarstellungsinteresse des Werkbestellers daran, in welchem Umfang er noch Forderungen ausgesetzt ist, rechtfertigt diese gegenüber der gesetzlichen Verjährungsregel des § 1486 ABGB von drei Jahren und der einschlägigen Regelung in der ÖNORM B 2110 von drei Monaten weitere maßgebliche Verkürzung der Frist nicht: Gerade bei einem Bauvorhaben, aus dem hohe Ansprüche des Werkunternehmers resultieren, führt die überaus knappe Frist von (unter) 14 Tagen dazu, dass der Auftragnehmer, um keinen Verfall der vom Auftraggeber nicht anerkannten Forderungen zu bewirken, gezwungen ist, seine „Einwendungen" unter Umständen, nur um die Frist zu wahren, nicht detailliert nachvollziehbar begründet erstatten zu müssen. Damit ist aber, wie das Berufungsgericht zutreffend ausführte, der in der Rechtsprechung anerkannte Zweck, bei großen Bauvorhaben möglichst rasch Klarheit über die Streitpunkte zu erlangen, geradezu konterkariert. Erfüllt aber eine Verfallsbestimmung ihren Zweck (Klarheit über die konkreten, noch strittigen Positionen und die jeweiligen Standpunkte dazu zu erlangen) nicht oder nicht ausreichend, kommt der Berufung auf die sachliche Rechtfertigung der Regelung keine oder eine bloß eingeschränkte Bedeutung zu.
Diesem bei der hier zu beurteilenden Frist von (unter) 14 Tagen nicht eindeutig zu bejahenden Zweck steht die Rechtsposition des Werkunternehmers gegenüber, der in die Lage gedrängt ist, seine allfälligen (hohen) Ansprüche bereits wegen eines geringfügigen Fristversäumnisses (hier: um knapp zwei Wochen) zur Gänze zu verlieren. Diese Verkürzung führt zu einer so erheblichen Behinderung der Durchsetzung berechtigter Ansprüche der Werkunternehmerin, dass sie auch im Unternehmensverkehr als gröblich benachteiligend anzusehen ist, wobei auch ein berücksichtigungswürdiges besonderes Interesse des Werkbestellers an einer derartigen Fristverkürzung nicht nur nicht ersichtlich, sondern (wie dargelegt) eher zu verneinen ist, weil im Regelfall fundierte sachliche Einwendungen, die die Rechtslage klären, vom Werkunternehmer in einer unter 14-tägigen Frist realistischerweise nicht zu erwarten sind.
Hiezu kommt im vorliegenden Fall, dass die Parteien nach den Feststellungen bereits ab Legung der Schlussrechnung durch die Klägerin am 1. 12. 2004, die die Beklagte zurückwies, bis Ende Juni 2005 über die wechselseitigen Standpunkte verhandelten, ohne dass ihre Vorstellungen hinsichtlich der korrigierten Leistungssumme freilich in Übereinstimmung gebracht worden wären. In der Folge, nachdem die Streitteile gegen Ende Juni 2005 „auseinander gegangen" waren, erstellte der Bauleiter der Beklagten einen „Abschlussbericht", für welchen ihm - ausgehend davon, dass das Schlussrechnungsblatt am 1. 8. 2005 zuging - jedenfalls über vier Wochen Zeit zur Verfügung stand. Dafür, dass die beklagte Werkbestellerin ihrerseits zur Vornahme der Korrekturen und Übersendung des „Schlussabrechnungsblatts" vereinbarungsgemäß irgendwelche Fristen einzuhalten hatte, bestehen keine Anhaltspunkte. Auch der Umstand, dass der Werkbesteller, ohne an eine Frist gebunden zu sein, sein „Schlussabrechnungsblatt" erstellen kann, der Werkunternehmer hingegen in der Folge in einer Frist von jedenfalls weniger als 14 Tagen bei sonstigem gänzlichen Anspruchsverlust „Einwendungen" zu erheben hat, spricht für die Richtigkeit der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, die Bestimmung sei insgesamt gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 ABGB.
4. Ob die Anwendung der ÖNORM B 2110 überhaupt vereinbart wurde oder ob, wie von der Beklagten angestrebt, die darin enthaltene Verfallsbestimmung im Weg der geltungserhaltenden Reduktion an Stelle der unwirksamen Verfallsbestimmung in den AVB treten könnte, bedarf aus folgenden Überlegungen keiner Klärung:
Einschlägig wäre Punkt 5.30.2 der ÖNORM B 2110 (Fassung 1. 3. 2002). Danach schließt die Annahme der Schlusszahlung aufgrund einer Schluss- oder Teilschlussrechnung nachträgliche Forderungen für die vertragsgemäß erbrachten Leistungen aus, wenn nicht ein Vorbehalt in der Rechnung enthalten ist oder binnen 3 Monaten nach Erhalt der Rechnung schriftlich erhoben wird. Der Vorbehalt ist schriftlich zu begründen. Weicht die Schlusszahlung vom Rechnungsbetrag ab, beginnt die Frist von 3 Monaten frühestens mit der schriftlichen Bekanntgabe der nachvollziehbaren Herleitung des Differenzbetrages.
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist von einer Verfristung der Ansprüche der Klägerin auch unter Zugrundelegung der Geltung der ÖNORM B 2110 deshalb nicht auszugehen, weil die Streitteile nach den maßgeblichen Feststellungen nach Übermittlung der Schlussrechnung vom 1. 12. 2004 umfangreiche, bis Ende Juni 2005 dauernde Gespräche über die strittigen Positionen führten, die vergeblich verliefen und zu keiner Änderung der Schlussrechnung durch die Klägerin führten. Dieser Umstand in Verbindung damit, dass die Klägerin am 26. 8. 2005 schriftlich mitteilte, dass sie die vorgenommenen Rechnungsabstriche, Auflistungen und Kostenabzüge nicht anerkenne, ist als ausreichender Vorbehalt im Sinn der ÖNORM B 2110 anzusehen: In den zwischen den Streitteilen nach Erstellung der Schlussrechnung geführten Gesprächen wurde keine Einigung über die strittigen Positionen erzielt. Erklärt aber die klagende Werkunternehmerin in dieser Situation schriftlich (hier: Schreiben vom 26. 8. 2005, also jedenfalls innerhalb der in der ÖNORM B 2110 geregelten dreimonatigen Verfallsfrist), dass sie die von der Beklagten vorgenommenen Korrekturen und Abzüge nicht akzeptiert, wurde für die beklagte Werkunternehmerin in ausreichender Weise klargelegt, dass die Werkunternehmerin ihre durch die aufgeschlüsselte Schlussrechnung dokumentierte Forderung aufrecht erhält. So hat auch P. Bydlinski (Die Auslegung und Anwendung von Ö-Normen, insbesondere in Bezug auf Schlussrechnung und Schlusszahlung, wbl 2008, 215 ff) darauf hingewiesen, dass die durch eine dreimonatige Verfallsfrist bewirkte erhebliche Verschlechterung der Rechtsposition des Werkunternehmers, um ein iSd § 879 Abs 3 ABGB gröblich benachteiligendes Auslegungsergebnis zu vermeiden, jedenfalls zugunsten des Werkunternehmers dazu führen muss, dass eine fehlende schriftliche Begründung des Vorbehalts dann keine „ÖNORM-Verfristung" des Werklohnanspruchs bewirkt, wenn dem Werkbesteller klar ist, dass und warum der Werkunternehmer auf seiner Restforderung besteht (vgl auch 1 Ob 247/08t; ferner Karasek, ÖNORM B 2110 [2003] Rz 725, der die Anordnung, dass der schriftliche Vorbehalt zu begründen ist, überhaupt nur als „sanktionslose Ordnungsvorschrift" bezeichnet). Dass für die Beklagte kein Zweifel darüber bestehen konnte, dass und warum die Klägerin auf ihrer Werklohnforderung bestehen würde, kann angesichts der über einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten nach Legung der Schlussrechnung geführten Gespräche, in denen keine Einigung über die strittigen Fragen erzielt wurde, nicht zweifelhaft sein.
Auch die Regelung der ÖNORM B 2110 steht somit der Geltendmachung allfälliger noch offener Werklohnansprüche der Klägerin nicht entgegen, weshalb sich das Erstgericht im fortgesetzten Verfahren mit den anderen rechtserheblichen Prozessbehauptungen - die bisher noch in keiner Weise geprüft wurden - auseinanderzusetzen haben wird.
III. Zum Rekurs gegen die Zurückweisung der gestellten Eventualzwischenfeststellungsanträge:
Das Berufungsgericht hat diese Eventualzwischenfeststellungsanträge der Beklagten, wie bereits dargelegt, mit der Begründung zurückgewiesen, dass das Eventualbegehren der Beklagten trotz der teilweise sprachlich unterschiedlichen Formulierungen mit dem Hauptbegehren ident sei und somit Streitanhängigkeit vorliege; andererseits bestehe auch kein rechtliches Interesse an einer „doppelten" Feststellung, weshalb das Eventualbegehren auch aus diesem Grund zur Gänze zurückzuweisen gewesen sei. Die Eventualzwischenfeststellungsanträge der Beklagten (S 3 in ON 19 Z 2) decken sich, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannte, mit den „Hauptzwischenanträgen" der Beklagten auf Feststellung (S 2 in ON 19 Z 1), die zur Gänze bereits das Erstgericht rechtskräftig zurück- (ON 19 Z 1a bis 1c) bzw das Berufungsgericht rechtskräftig abwies (ON 19 Z 2 1d und 1e). Abgesehen von ganz geringfügigen sprachlichen Abweichungen, die jedoch inhaltlich keinen Einfluss haben, besteht der Unterschied in der Formulierung nur dahin, dass die „Hauptzwischenanträge" lediglich auf die Feststellung bestimmter Umstände abstellten, während die „Eventualzwischenfeststellungsanträge" überdies die Formulierung beinhalten, dass die Forderung der Klägerin dem Grunde nach aus den zu 2a bis d genannten Gründen nicht zu Recht bestehe. Inwiefern die Auffassung des Berufungsgerichts, die Eventualzwischenfeststellungsanträge seien mit Ausnahme geringfügiger sprachlicher Abweichungen mit den „Hauptanträgen" ident, nicht zutreffend sei, ist nicht ersichtlich und wird auch im Rechtsmittel nicht näher substanziell ausgeführt: Sowohl die „Hauptanträge" als auch die „Eventualanträge" zielen auf Feststellung, dass die Klageforderung aus den jeweils identen Gründen (a bis d) nicht berechtigt sei.
Auch in diesem Umfang war daher dem Rekurs der Beklagten nicht Folge zu geben.
Der Kostenvorbehalt bezüglich der Kosten des Rekursverfahrens gegen den Aufhebungsbeschluss gründet sich auf § 52 ZPO.
Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens der Beklagten bezüglich der vom Berufungsgericht gefassten Entscheidung über die Zurückweisung der Eventualzwischenfeststellungsanträge gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Das Rekursverfahren ist wegen der gebotenen Analogie zu § 519 Abs 1 Z 1 ZPO zweiseitig (§ 521a Abs 1 Z 3 ZPO analog).
Bemessungsgrundlage ist mangels abweichender Bewertung durch die Beklagte jeweils ein Streitwert von 4.000 EUR (§ 56 Abs 2 JN; Deixler-Hübner in Fasching/Konecny² III § 236 Rz 12).
Textnummer
E90705European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2009:0080OB00164.08P.0423.000Im RIS seit
23.05.2009Zuletzt aktualisiert am
05.12.2012