Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Richterin des Oberlandesgerichtes Dr. Stürzenbecher-Vouk als Vorsitzende, die Richterin des Oberlandesgerichtes Maga. Smutny und den Richter des Oberlandesgerichtes Mag. Nigl (Senat gemäß § 11a Abs 2 Z 2 ASGG) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei L***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. P***** B*****, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei K***** S*****, vertreten durch S***** M***** Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen EUR 7.077,85 brutto s.A. über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes St. Pölten als Arbeits- und Sozialgericht vom 25.2.2009, 8 Cga 59/07p-29, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rekurses selbst zu tragen. Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
Text
Begründung:
Das Rekursgericht hält die Rechtsmittelausführungen für nicht stichhältig, erachtet hingegen die mit bekämpfter Begründung des angefochtenen Beschlusses für zutreffend. Die Wiedergabe des Parteienvorbringens, des Verfahrensverlaufes und der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes ist daher nicht erforderlich; es genügt vielmehr eine kurze Begründung (§ 2 Abs 1 ASGG iVm §§ 526 Abs 3, 500a 2. Satz ZPO).
Mit Urteil vom 21.8.2008 hat das Erstgericht das auf Bezahlung von zuletzt EUR 7.077,85 brutto s.A. gerichtete Klagebegehren abgewiesen (ON 24). Das Urteil wurde dem Klagevertreter am 17.12.2008 zugestellt.
Am 22.1.2009 brachte der Klagevertreter mittels ERV eine Berufung gegen dieses Urteil ein (ON 25). Mit Beschluss vom 23.1.2009 (ON 26) wies das Erstgericht die Berufung als verspätet zurück. Dieser Beschluss wurde dem Klagevertreter am 26.1.2009 zugestellt. Am 9.2.2009 brachte der Klagevertreter mittels ERV einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Berufung gegen das Urteil ON 24 ein (ON 27). In diesem Schriftsatz wird auf die Rechtzeitigkeit des Wiedereinsetzungsantrages nicht Bezug genommen.
Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht den Wiedereinsetzungsantrag als verspätet zurück. Es begründete diesen Beschluss im Wesentlichen damit, dass die Frist des § 148 Abs 2 ZPO mit jenem Tag beginne, an welchem das Hindernis, welches die Versäumung verursacht habe, weggefallen sei. Die Frist beginne bei einer durch Irrtum entstandenen Säumnis mit der Aufklärung des Irrtums bzw. dessen möglicher Aufklärung, sofern diese durch auffallende Sorglosigkeit unterlassen worden sei. Dem Klagevertreter hätte spätestens am 19.1.2009 bei erstmaliger Einsichtnahme in den Handakt auffallen müssen, dass die Frist für die Erhebung einer Berufung bereits abgelaufen war. Der Umstand, dass es der Klagevertreter unterlassen habe, beim Verfassen der Berufung als erstes die Rechtzeitigkeit zu überprüfen und diese erst am 22.1.2009, immer noch in Unkenntnis des Fristablaufes, abgeschickt habe, sei als auffallend sorglos zu qualifizieren.
Rechtliche Beurteilung
Gegen diesen Beschluss richtet sich der vorliegende rechtzeitige Rekurs (ON 30) mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahingehend abzuändern, dass dem Antrag der klagenden Partei vom 9.2.2009 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Berufung gegen das Urteil ON 24 Folge gegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Der Rekurs ist nicht berechtigt.
In ihrem Rekurs führt die klagende Partei im Wesentlichen aus, dass die Berufungsfrist von der Kanzleileiterin des Klagevertreters irrtümlich falsch berechnet und eingetragen worden sei. Der Klagevertreter hätte auf die Fristberechnung durch seine Kanzleileiterin und deren Richtigkeit vertrauen können. Der Umstand, dass der Klagevertreter bei der Verfassung der Berufung die Richtigkeit der Fristberechnung nicht nochmals kontrolliert habe, sei nicht als auffallende Sorglosigkeit zu werten.
Diesen Ausführungen ist nicht beizupflichten.
Wie schon das Erstgericht richtig ausgeführt hat, fällt dann, wenn eine Partei die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen eines Irrtums begehrt, das Hindernis nicht erst dann weg, wenn die Partei über den Irrtum tatsächlich aufgeklärt wurde, sondern bereits zu jenem Zeitpunkt, an dem die Aufklärung wegen eines nicht bloß minderen Grades des Versehens unterblieben ist. Für die Fristberechnung kann nämlich kein anderer Maßstab gelten als für die Säumnis selbst (vgl. Deixler-Hübner in Fasching/Konecny² Rz 11 zu § 148 ZPO; RIS-Justiz RS0036742). Musste einem Rechtsanwalt bei der Verfassung des Rechtsmittels auffallen, dass die Rechtsmittelfrist bereits abgelaufen war, so beginnt die Frist für die Einbringung des Wiedereinsetzungsantrages bereits mit dem Tag der Verfassung des Rechtsmittels zu laufen und nicht erst mit der Zustellung des das verspätete Rechtsmittel zurückweisenden Beschlusses (RIS-Justiz RW00000173). So beginnt die Frist zur Stellung eines Wiedereinsetzungsantrages etwa dann, wenn dem Beschwerdevertreter bei Unterfertigung eines Antrages auf nachträgliche Abtretung einer Beschwerde an den VwGH dessen Verspätung auffallen musste (VfSlg 14.653 [1996]).
Nach der Rechtsprechung des OGH stellt die Frage, ob den Parteienvertreter bei falscher Fristberechnung durch seine Mitarbeiter bereits bei Unterfertigung des Rechtsmittels eine Handlungspflicht im Sinne des § 147 Abs 3 ZPO trifft oder er bis zur Zustellung des das Rechtsmittel zurückweisenden Beschlusses zuwarten darf, keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO dar (RIS-Justiz RS0036590); in der Entscheidung 7 Ob 55/07z hielt der OGH jedoch fest, dass die Rechtsansicht, dass dem Klagevertreter die unrichtige Berechnung der Berufungsfrist für eine Ferialsache bereits bei Unterfertigung der Berufung hätte auffallen müssen, sodass ein erst nach Zustellung des Zurückweisungsbeschlusses gestellter Wiedereinsetzungsantrag verspätet sei, sich im Rahmen der Judikatur hält (vgl auch 1 Ob 77/05p).
Dem Erstgericht ist darin beizupflichten, dass dem Klagevertreter mit Einsichtnahme in den Handakt am 19.1.2009, spätestens aber beim Diktieren der Berufung und deren Absendung zwischen 20.1.2009 und 22.1.2009 – insbesondere im Hinblick darauf, dass eingangs der Berufung darauf verwiesen wird, dass die Berufung „innerhalb offener Frist" erhoben werde – die falsche Fristberechnung hätte auffallen müssen (vgl auch OLG Wien, 27.1.2005, 16 R 299/04i = RIS-Justiz RW0000173). Es liegt damit im vorliegenden Fall eine auffallende Sorglosigkeit des rechtskundigen Parteienvertreters der klagenden Partei vor, welches sich diese zurechnen lassen muss (RIS-Justiz RS0036729).
Es war daher dem unberechtigten Rekurs der Erfolg zu versagen. Gemäß § 11a Abs 2 Z 2 ASGG war die Entscheidung in einem Dreiersenat ohne Beiziehung von fachkundigen Laienrichtern zu fällen. Die Kostenentscheidung beruht darauf, dass die klagende Partei mit ihrem Rekurs erfolglos geblieben ist, sowie auf § 154 ZPO. Der Ausspruch über die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses gründet sich auf § 2 Abs 1 ASGG iVm § 528 Abs 2 Z 2 ZPO.
Oberlandesgericht Wien
1016 Wien, Schmerlingplatz 11
Anmerkung
EW006797Ra53.09dEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OLG0009:2009:0070RA00053.09D.0428.000Zuletzt aktualisiert am
03.07.2009