TE OGH 2009/4/29 9ObA177/08g

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Veröffentlicht am 29.04.2009
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling, Dr. Hradil und die fachkundigen Laienrichter Sabine Glanz und Mag. Michael Zawodsky als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Wolfgang T*****, Angestellter, *****, vertreten durch Freimüller/Noll/Obereder/Pilz & Partner Rechtsanwälte GmbH, Wien, gegen die beklagte Partei ÖBB-Dienstleistungs GmbH, Clemens-Holzmeister-Straße 6, 1100 Wien, vertreten durch CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH, Wien, wegen Kündigungsanfechtung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 26. September 2008, GZ 9 Ra 58/08b-39, womit das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 8. Oktober 2007, GZ 22 Cga 167/06y-34, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.329,84 EUR (darin 221,64 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war seit 2. 6. 2003 Leiter der Abteilung Personalmanagement der Brenner Eisenbahn GmbH. Gemäß § 34 Bundesbahngesetz wurden die Anteilsrechte des Bundes an der Brenner Eisenbahn GmbH (100 %) mit Ablauf des 31. 12. 2004 im Wege der Gesamtrechtsnachfolge vom Bund in die ÖBB-Infrastruktur Bau Aktiengesellschaft eingebracht. Die ÖBB-Infrastruktur Bau AG ist ihrerseits eine 100 % Tochter der ÖBB-Holding AG (§ 30 Bundesbahngesetz). Die ÖBB-Holding AG ist überdies Alleingesellschafterin der beklagten ÖBB-Dienstleistungs GmbH (§ 19 Bundesbahngesetz).

Bei den österreichischen Bundesbahnen war es über Jahrzehnte gebräuchlich, Mitarbeiter ohne schriftliche Dienstverträge tätig werden zu lassen. Um hier Klarheit zu schaffen, wollte der Geschäftsführer der mit den Personalagenten der einzelnen Gesellschaften befassten Beklagten bei jedem Mitarbeiter eines ÖBB-Unternehmens einen Dienstzettel/Dienstvertrag mit Aufgaben, Rechten und Pflichten erstellen. Überdies war geplant, die bisher in der Personalabteilung als Spezialisten tätigen Mitarbeiter, die weitgehend auf die Beklagte übergegangen waren (§§ 20, 21 Bundesbahngesetz), zu „Generalisten" umzuschulen und die Organisation in Zukunft über eine Buchstabeneinteilung zu handhaben, sodass jeder Konzernmitarbeiter bei der Beklagten einen zuständigen Ansprechpartner für alle seine dienstlichen Anliegen haben sollte. Weiters wollte die Geschäftsführung der Beklagten die Qualität von Schriftstücken verbessern, weil in der Vergangenheit mangelhafte Urkunden mit beispielsweise falsch geschriebenen Namen, Tipp- und Druckerfehlern in Umlauf gelangt waren. Auch die Durchlaufzeit der Dokumente sollte verkürzt werden. Da die Geschäftsführung der Beklagten mit Widerstand der in diesem Bereich tätigen Belegschaft gegen die Umorganisation und die damit notwendige Umschulung rechnete, sollte eine Führungskraft von außen beigezogen werden, die sich besser gegen die vorhandenen Mitarbeiter durchsetzen könnte. Dazu schien der Kläger, der damals bei der Brenner Eisenbahn GmbH in Innsbruck erfolgreich als Leiter der Personalabteilung tätig war, geeignet. Nach mehreren Gesprächen mit dem Kläger über die zukünftigen Pläne der Beklagten und seine mögliche Rolle bei deren Umsetzung, ließ sich der Kläger bewegen, zur Beklagten zu wechseln. Insbesondere wurde ihm dargelegt, dass seine damalige Dienstgeberin, die Brenner Eisenbahn GmbH, in Zukunft wohl nicht als eigene Organisationseinheit erhalten bleiben sollte, sondern ganz im ÖBB-Konzern aufgehen werde. Mit 1. 4. 2006 begann der Kläger seine Tätigkeit in Wien als neuer Abteilungsleiter HR (Human Ressources-Personalchef) für die Beklagte. Am 20. 6. 2006 fixierten der Kläger, die Beklagte und als frühere Dienstgeberin die Brenner Eisenbahn GmbH, sohin im Rahmen einer Drei-Parteien-Einigung, schriftlich den schon mündlich vereinbarten Wechsel des Klägers von der Brenner Eisenbahn GmbH zur Beklagten. Insbesondere wurde darin festgehalten, dass der Dienstvertrag des Klägers mit Wirksamkeit vom 1. 4. 2006 von der Brenner Eisenbahn GmbH auf die Beklagte übertragen und von dieser übernommen wird (Vertragsübernahme). Festgehalten wurde, dass die Beklagte ab diesem Zeitpunkt Dienstgeber des Dienstnehmers (= Kläger) wird und dass sich das bis dahin zur Brenner Eisenbahn GmbH bestandene Dienstverhältnis fortsetzt, während zwischen Brenner Eisenbahn GmbH und dem Dienstnehmer ab diesem Zeitpunkt keine arbeitsrechtlichen Beziehungen mehr bestehen sollten. Die Beklagte und der Kläger verpflichteten sich, das Dienstverhältnis mit den dienstvertraglichen Rechten und Pflichten laut beiliegendem Dienstvertrag fortzusetzen. Festgehalten wurde auch, dass die für die dienstzeitabhängigen Ansprüche und Anwartschaften, berücksichtigten Zeiträume im bisherigen Umfang berücksichtigt bleiben.

Der Kläger unterstand in seiner Funktion direkt der Prokuristin K***** und dem Geschäftsführer der Beklagten. Seine Abteilung umfasste etwa 100 Mitarbeiter. Für konkrete Personalentscheidungen, Entscheidungen über die Anschaffung von Geräten wie Drucker, Kopierer oder ähnliches musste der Kläger im Einzelfall Rücksprache mit seinen Vorgesetzten halten, selbständige Entscheidungen waren nicht gestattet. Der Kläger hatte auch keinerlei nennenswerte Budgethoheit oder Vertretungsmacht nach außen. Im Innenverhältnis durfte der Kläger seinen Mitarbeitern Weisungen erteilen, zB betreffend deren Tagesablauf. Die Prokuristin und der Geschäftsführer behielten sich sämtliche relevanten Entscheidungen, wie über Gehaltserhöhungen und Ähnliches, vor. Vorschläge des Klägers, einzelne Agenden an nachgeordnete Mitarbeiter zu delegieren, wurden von der Geschäftsleitung abgelehnt. Der Kläger richtete mit Wissen der Prokuristin zunächst eine Projektgruppe mit den betroffenen Arbeitnehmern ein, um die Einführung eines Personalsystems mit Generalisten und nach einer Buchstabeneinteilung vorzubereiten. Der Kläger befand diese Idee zunächst auch für gut, ließ sich aber in zahlreichen Gesprächen mit seinem Team von den Vorteilen des alten Systems mit Spezialisten für einzelne Fragestellungen überzeugen und erstellte daher einen Organisationsvorschlag im bisherigen Sinn. Dies teilte er mit E-Mail vom 17. 5. 2006 auch der Prokuristin mit. Der Kläger wies darauf hin, dass sein Vorschlag zwar im Widerspruch zur Sicht der Geschäftsleitung stehe, aber nach seiner Überzeugung besser sei. Als Reaktion auf dieses E-Mail wurde dem Kläger eine 14-tägige Frist eingeräumt, um doch noch das von der Geschäftsführung gewünschte Konzept umzusetzen. Der Kläger lieferte darauf fristgerecht ein solches abgeändertes Konzept, dieses entsprach jedoch weiterhin nicht den Vorstellungen der Geschäftsleitung, weil dort Mitarbeiter als zukünftige „Generalisten" vorgeschlagen waren, von denen eine derartige Leistung nicht erwartet werden konnte. In der Zusammenarbeit zwischen dem Kläger und der Prokuristin bzw dem Geschäftsführer kamen immer deutlicher Auffassungsunterschiede und verschiedene Arbeitsstile hervor. So war der Kläger gewohnt, teamorientiert zu arbeiten, während seine Vorgesetzten eher autoritär agieren wollten. Nachdem sich auch die Qualität der Schriftstücke und die Durchlaufzeit der Urkunden durch die Tätigkeit des Klägers nicht entsprechend den Vorstellungen des Geschäftsführers entwickelt hatten, wurde der Kläger mit Schreiben vom 7. 7. 2006 zunächst dienstfrei gestellt. Mit Schreiben vom 17. 7. 2006 sprach der Geschäftsführer die Kündigung zum 31. 12. 2006 aus.

Der Kläger verfügt über ein breites Spektrum an Ausbildungsschritten, Erfahrungen in unterschiedlichen Funktionen, Positionen und Branchen, doch liegen diese relativ lange zurück oder waren nur von relativ kurzer Dauer. Der Kläger konnte keinen akademischen Abschluss erwerben. Aufgrund der Arbeitsmarktsituation, der qualifizierten Konkurrenz von jüngeren Personen mit formalem Abschluss und längerer einschlägiger Erfahrung sowie des fortgeschrittenen Lebensalters des Klägers (Jahrgang 1949) sind seine Chancen, innerhalb vernünftiger Frist eine auch nur annähernd vergleichbare Position zu finden, mit größter Skepsis zu beurteilen. Eine Suchdauer von zumindest 12 Monaten ist anzunehmen, auch bei längerer Suche ist nur mit geringer Wahrscheinlichkeit eine adäquate Position zu finden. Der Kläger verdiente bei der Beklagten etwa 4.500 EUR netto 14x jährlich, das Arbeitslosengeld beträgt demgegenüber zwischen 1.270 bis 1.300 EUR netto pro Monat. Der Kläger leistet für eine Ex-Frau und zwei Kinder insgesamt 1.120 EUR monatlich an Unterhalt. Die Miete für seine Wohnung beträgt 450 EUR monatlich. An Leasingraten für einen PKW wendet der Kläger monatlich 396,85 EUR auf, an KFZ-Versicherungsprämien sind monatlich 223,71 EUR zu zahlen. Der Kläger bedient für einen Sohn eine Aussteuerversicherung mit monatlich 101,65 EUR, an Telefon- und Internetgebühren leistet er 103,80 EUR monatlich, für Ansparen 1.233,36 EUR monatlich.

Der Kläger begehrte, gestützt auf § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG, die Kündigung als sozial ungerechtfertigt für rechtsunwirksam zu erklären. Die Kündigung beeinträchtige seine wesentlichen Interessen. Umstände in seiner Person, die betriebliche Interessen nachteilig berührten, lägen nicht vor.

Wenngleich seine Tätigkeit bei der Beklagten bis zur Kündigung noch keine 6 Monate gewährt habe, sei die Konzernstruktur zu berücksichtigen und seine Vordienstzeit bei der Brenner Eisenbahn GmbH mit einzubeziehen.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Zum einen erfülle der Kläger die Voraussetzung nach § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG nicht, wonach er zumindest 6 Monate im Betrieb oder im Unternehmen, dem der Betrieb angehöre, beschäftigt gewesen sein müsse. Die Beklagte bestritt überdies eine wesentliche Beeinträchtigung der Interessen des Klägers und wendete ein, dass die Kündigung durch Umstände in der Person des Klägers begründet gewesen sei, welche betriebliche Interessen nachteilig berührt hätten, zumal der Kläger für eine bestimmte Tätigkeit aufgenommen worden sei, sich aber als unfähig bzw unwillig erwiesen habe, diese auch zu erfüllen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es vertrat zunächst die Ansicht, dass zwar § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG den Konzern nicht ausdrücklich einbeziehe, doch sei Jabornegg (in DRdA 2002, 118 f) dahin zu folgen, dass diese Einschränkung auf Betriebe oder Unternehmen nicht gelte, wenn der Konzern wie ein Einheitsunternehmen geführt werde. Dies sei aufgrund der vorherrschenden Organisationsstruktur und der Entstehung aus einem „Staatsbetrieb" bei den ÖBB der Fall, zumal die Organe der hier Beklagten offenbar auch maßgeblichen Einfluss auf andere Konzerngesellschaften haben. Da der Kläger seit mehr als sechs Monaten im Konzern beschäftigt sei, sei daher auch diese Voraussetzung nach § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG erfüllt. Der Kläger habe jedoch durch seine Parteinahme für die Untergebenen gezeigt, dass er für eine Führungsfunktion nicht geeignet sei, sodass persönliche Gründe vorlägen, die das Interesse der beklagten Arbeitgeberin an der Kündigung erheblich höher bewerten ließen als das Interesse des Klägers an der Aufrechterhaltung des mit einem hohen Einkommen verbundenen Dienstverhältnisses.

Das Berufungsgericht änderte das angefochtene Urteil des Erstgerichts dahin ab, dass es dem Klagebegehren stattgab. Wie das Erstgericht ging es davon aus, dass aufgrund einer „einheitlichen Konzernführung" die bei der früheren Gesellschaft verbrachte Dienstzeit des Klägers auf die 6-Monate-Frist anzurechnen und somit diese Anfechtungsvoraussetzung gegeben sei. So sei in der Rechtsprechung (8 ObA 62/07i) ausgeführt worden, dass im Rahmen der sozialen Gestaltungspflicht des Arbeitgebers auch bei einem früheren Arbeitgeber zurückgelegte Arbeitszeiten relevant sein können; zum anderen werde in der Literatur (Jabornegg, „Arbeitsvertragsrecht im Konzern" in DRdA 2002, 118 f; Gahleitner in Cerny/Gahleitner/Preiss-Schneller, Arbeitsverfassungsrecht3 § 105 Anm 52) die Meinung vertreten, dass bei der Führung eines Konzerns als „Einheitsunternehmen" auch Zeiten in einem anderen Betrieb des Konzerns als Beschäftigungszeiten angerechnet werden müssten. Ausgehend von der Feststellung, dass die ÖBB-Nachfolgegesellschaften als Einheit geführt und geleitet würden, treffen diese Voraussetzungen auch auf das Arbeitsverhältnis des Klägers zu. Im Hinblick auf das Lebensalter des Klägers, seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse sowie Sorgepflichten und sonstigen Zahlungspflichten sei die Kündigung grundsätzlich geeignet, seine wesentlichen Interessen zu beeinträchtigen. Hingegen fehle es an den eine Kündigung rechtfertigenden Gründen in der Person des Klägers. So gebe es keine Behauptungen und auch Feststellungen, ob dem Kläger hinsichtlich der anderen ihm übertragenen Aufgaben eine Frist zur Umsetzung oder auch nur zur Erstattung eines Vorschlags gesetzt worden sei. Wenngleich der erste Personalorganisationsvorschlag nicht den Vorgaben entsprochen habe, so habe der Kläger auch hiefür weder eine Frist gesetzt bekommen, noch stehe fest, dass die dem Kläger dann doch gesetzte Frist von 14 Tagen überhaupt ausreichend gewesen sei, um einen tauglichen Vorschlag zu machen. Weder sei hervorgekommen, dass der Kläger ungeeignet, noch, dass er unwillig gewesen sei, die ihm übertragenen Aufgaben auszuführen.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die Revision zulässig sei, weil zur Frage der Anrechnung von Vordienstzeiten im Konzern für die Frist des § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG noch keine Judikatur bestehe.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Beklagten aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass die Entscheidung des Erstgerichts wiederhergestellt werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus den vom Berufungsgericht genannten Gründen zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

Die Revision verweist zunächst zutreffend darauf, dass die vom Berufungsgericht zitierten Autoren (Jabornegg, „Arbeitsvertragsrecht im Konzern-Schluss [Teil II]" in DRdA 2002, 118 f; Gahleitner in Cerny/Gahleitner/Preiss/Schneller Arbeitsverfassungsrecht III4, 443) zwar unter gewissen Voraussetzungen auch eine Konzerntätigkeit in die 6-monatige Beschäftigungsdauer des § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG einbeziehen wollen, dafür aber ganz spezifische Voraussetzungen verlangen, auf die das Berufungsgericht nicht eingegangen ist. Nach Jabornegg sind Betrieb und Unternehmen betriebsverfassungsrechtlich im Prinzip klar definierte Begriffe, weshalb der Konzern schon wegen der ganz anderen Art der Belegschaftsvertretung davon zu unterscheiden ist. Daraus sei aber noch nicht zu schließen, dass eine Anrechnung von Beschäftigungszeiten in anderen Konzernunternehmen von vornherein nicht in Betracht komme. Nach Sinn und Zweck der Norm könne dies dann nicht gelten, wenn der Konzern wie ein Einheitsunternehmen geführt werde und daher die sonst typischen organisatorischen Grenzen der Beschäftigung gerade nicht zutreffen. Es handle sich insoweit um ein „normales" Durchgriffsproblem, das im Sinne der „Normanwendungslehre" dem Normzweck entsprechend eine Analogie im Falle des wirtschaftlich einheitlich geleiteten Unternehmensverbundes verlange, und zwar auf alle Fälle dann, wenn die Beschäftigung in verschiedenen Konzernunternehmen ganz offensichtlich gerade Ausfluss dieser einheitlichen Leitung sei. Gahleitner meint, dass Anpassungen im Hinblick auf den Kündigungsschutz nach § 105 ArbVG dann erforderlich seien, wenn ein Arbeitsverhältnis durch die Konzernstruktur des Arbeitgebers selbst konzernbezogen sei. Dies liege dann vor, wenn der Konzern de facto wie ein Einheitsunternehmen geführt werde und von vornherein die Beschäftigung bei mehreren Unternehmen geplant gewesen sei.

Selbst wenn man diesen Autoren folgen wollte, ließen die von ihnen selbst gezogenen Grenzen eine Anwendung auf den vorliegenden Fall nicht zu: Die von den Vorinstanzen angenommene „einheitliche Unternehmensleitung" lässt sich in Wahrheit weder dem Vorbringen noch den Feststellungen entnehmen: § 4 Abs 1 Z 3 Bundesbahngesetz („Unternehmensgegenstand") sieht vielmehr als - noch aktuelle - Aufgabe der ÖBB-Holding AG die Wahrnehmung ihrer Anteilsrechte an den umstrukturierten Gesellschaften und sonstigen Gesellschaften mit der Zielsetzung einer einheitlichen strategischen Ausrichtung vor. Gerade die „strategische Ausrichtung" lässt aber nur eine grobe Zielvorgabe, nicht jedoch einen straffen Durchgriff in die Tochtergesellschaften erkennen. Aus dem Gesetz ist daher die „einheitliche Unternehmensführung" nicht ableitbar.

Dennoch kann der Revision im Ergebnis kein Erfolg beschieden werden:

Der gemäß § 19 Bundesbahngesetz gegründeten ÖBB-Dienstleistungs GmbH kommen gemäß § 20 Abs 1 Bundesbahngesetz folgende Aufgaben zu: 1.) Die ÖBB-Holding AG und die Gesellschaften, an denen die ÖBB-Holding unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist, a) im Personalwesen, das ist insbesondere die systemtechnische und personalwirtschaftliche Steuerung des optimalen Personaleinsatzes, die Personalentwicklung, die Aus- und Weiterbildung der Arbeitnehmer einschließlich Lehrlinge (Lehrlingsstiftung) sowie die Personaladministration (Personalservice und Bezugsliquidierung), befristet auf einen Zeitraum von höchstens 5 Jahren ... b) im Finanz- und Rechnungswesen (Grundangelegenheiten), c) im Einkauf (strategische Einkaufsfunktionen) und d) in der Informatik (Funktion des Rechnungszentrums und Betreuung der IT-Arbeitsplätze) zu unterstützen, 2.) Für die Beschäftigung von Arbeitnehmern, die im Wettbewerbsvergleich in den Gesellschaften nicht beschäftigbar sind, insbesondere durch Personalausgleich in den Gesellschaften, Insourcing-Projekte und Joint Ventures, in Form von Arbeitskräfteüberlassung oder einer Arbeitsstiftung zu sorgen ... . Gemäß § 20 Abs 2 Bundesbahngesetz sind zur Erfüllung der Aufgaben nach Abs 1 Z 1 lit a und Abs 1 Z 2 bis 4 die Gesellschaften, an denen die ÖBB-Holding AG unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist, verpflichtet, mit der ÖBB-Dienstleistungs GmbH auf Basis einer entgeltlichen Vereinbarung zusammenzuarbeiten. Sie sind insbesondere 1.) berechtigt, Arbeitnehmer, deren Beschäftigung bei den Gesellschaften, an denen die ÖBB-Holding AG unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist, nicht möglich ist, der ÖBB Dienstleistungs GmbH zur Übernahme des Arbeitsvertrags vorzuschlagen und 2.) verpflichtet, wenn sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben Personal benötigen, vorrangig Arbeitnehmer der ÖBB-Dienstleistungs GmbH oder anderer Gesellschaften, an denen die ÖBB-Holding AG mittelbar oder unmittelbar beteiligt ist, zu beschäftigen, sei es im Weg von Arbeitskräfteüberlassung oder durch Aufnahme in ein Arbeitsverhältnis.

Der Beklagte kommt daher nach dem Willen des Gesetzgebers die Aufgabe zu, auch als „Auffangpool" und „Einsatzreserve" im Verhältnis zu den anderen Konzerngesellschaften zu dienen, je nach dem, ob diese gerade Personal benötigen oder nicht. Demgegenüber kann dem Gesetzgeber aber nicht zugesonnen werden, dass er einerseits bei diesen Gesellschaften die Anwendung des Arbeitsverfassungsgesetzes einführen (s Art 7, 8 Bundesbahnstrukturgesetz 2003), gleichzeitig aber in Kauf nehmen wollte, dass bei einem im Regelungssystem vorgesehenen Wechsel von Arbeitskräften aus dem Konzern zur und von der Beklagten - sei es auch mit Zustimmung der betroffenen Arbeitnehmer - deren arbeitsverfassungsrechtlicher Schutz in der Form eingeschränkt werde, dass sie bei jedem Wechsel iSd § 20 Abs 2 Bundesbahngesetz in einen anderen Konzernbetrieb dort jeweils 6 Monate beschäftigt sein müssten, um die Wartezeit des § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG zu erfüllen. Die besondere gesetzliche Konstruktion der Beziehungen zwischen der Beklagten und den übrigen Konzerngesellschaften macht es daher erforderlich, die Voraussetzung der 6-monatigen Betriebszugehörigkeit im Sinn des § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG bei jedem Arbeitskräftewechsel von einer Konzerngesellschaft zur Beklagten und umgekehrt als gegeben anzusehen, wenn bei Anrechnung der bei der übertragenden Gesellschaft verbrachten Vordienstzeit die Wartezeit erfüllt ist. Nur durch eine derartige - lückenfüllende - Auslegung der Bestimmung des § 20 Bundesbahngesetz kann dem Willen des Gesetzgebers zum möglichst flexiblen und effektiven Einsatz der Arbeitskräfte innerhalb des Konzerns durch die Beklagte zum Durchbruch verholfen werden.

Sind aber beim Arbeitskräftewechsel von und zu der Beklagten Vordienstzeiten im dargestellten Sinn anzurechnen, kommt auch dem Kläger diese besondere rechtliche Qualität der Gestion der Beklagten zu Gute, zumal er von einer Konzerngesellschaft abgeworben wurde, deren wirtschaftliche oder rechtliche Zukunft fraglich ist.

Hinsichtlich der Beeinträchtigung wesentlicher Interessen des Klägers durch die Kündigung und das Fehlen personenbezogener Gründe kann grundsätzlich auf die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts verwiesen werden (§ 510 Abs 3 ZPO). Lediglich ergänzend ist auszuführen, dass der Kläger sich nach Aufforderung durch die Geschäftsführung bereit erklärt hat, die von ihm gewünschten Planungen vorzunehmen. Wenn auch der geänderte Vorschlag den Vorstellungen der Geschäftsführungen nicht entsprach, kann daraus noch nicht der zwingende Schluss gezogen werden, dass der Kläger grundsätzlich ungeeignet oder aber unwillig war, die ihm im Unternehmensinteresse übertragenen Aufgaben wahrzunehmen. Allein die festgestellten Auffassungsunterschiede zwischen Kläger und Unternehmensleitung lassen jedenfalls eine solche Annahme nicht zu.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Textnummer

E90720

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:009OBA00177.08G.0429.000

Im RIS seit

29.05.2009

Zuletzt aktualisiert am

31.05.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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