Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. Grohmann und Dr. E. Solé als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1, Singerstraße 17-19, gegen die beklagte Partei S***** Privatstiftung, *****, vertreten durch Dr. Christian Tschurtschenthaler, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen Feststellung und Räumung (Streitwert insgesamt 452.000 EUR), über die Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse 22.092 EUR), gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 14. Mai 2008, GZ 5 R 76/08y-17, womit das Teilurteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 25. Februar 2008, GZ 49 Cg 61/07x-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung zu lauten hat:
„Das Klagebegehren, es werde gegenüber der beklagten Partei festgestellt, dass die klagende Partei Eigentümerin der im Lageplan Beilage ./2 dunkelblau gekennzeichneten Fläche von 36,82 m2 ist, die im Norden von der zwischen den Punkten A 063, A 064, A 065, A 066 und A 067 verlaufenden, 52,6 m langen Grenzlinie und im Süden von der gedachten, 70 cm parallel dazu verlaufenden Linie umschlossen wird, wird abgewiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten."
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin ist Eigentümerin eines Grundstücks, bei dem es sich um öffentliches Wassergut (Wörthersee) handelt. Die Beklagte ist grundbücherliche Eigentümerin der daran angrenzenden Grundstücke 1056/3 und 1056/4 der EZ ***** GB ***** sowie des Grundstücks 1056/6 der EZ *****, GB *****.
Am 13. 12. 2006 fand vor dem Vermessungsamt eine Grenzverhandlung im Zusammenhang mit der Aufnahme der Grundstücke in den Grenzkataster statt. Die Klägerin behauptete dort einen anderen Grenzverlauf als die sich auf die Naturgrenze stützende Beklagte und wurde mit rechtskräftigem Bescheid des Vermessungsamts vom 26. 1. 2007 gemäß § 25 Abs 2 VermG aufgefordert, binnen sechs Wochen ab Rechtskraft des Bescheids ein für die Bereinigung des Grenzstreits bestimmtes gerichtliches Verfahren anhängig zu machen. Die Klägerin brachte daraufhin am 26. 2. 2007 betreffend die Grundstücke 1056/3 und 1056/4 (ein entsprechender Antrag zum Grundstück 1056/6 stammt von der Beklagten) den Antrag ein, die Grenze gemäß §§ 850 ff ABGB nach dem letzten ruhigen Besitzstand festzusetzen. Die Beklagte brachte dort vor, seit dem Jahr 2000 - ihre Rechtsvorgänger seit 1901 - im ruhigen Besitz der strittigen Liegenschaftsfläche bis zur Wasseranschlagslinie zu sein. Die Klägerin stellte diesen letzten ruhigen Besitz außer Streit. Das Bezirksgericht Klagenfurt setzte daraufhin mit rechtskräftigem Beschluss vom 4. 7. 2007, der Klägerin zugestellt am 9. 7. 2007, die Grenze zwischen den Grundstücken entlang der Wasseranschlagslinie, wie in einer Vermessungsurkunde dunkelblau dargestellt, fest.
Mit der nunmehrigen, am 25. 7. 2007 beim Landesgericht Klagenfurt eingebrachten Klage begehrte die Klägerin die Feststellung, Eigentümerin der im Lageplan, ./A grün und rot schraffiert dargestellten Fläche zu sein, und die Beklagte schuldig zu erkennen, der Klägerin die rot schraffierte Fläche geräumt zu übergeben. Die Eigentumsgrenze zwischen dem Grundstück der Klägerin und den Grundstücken 1056/3, 1056/4 und 1056/6 der Beklagten befinde sich nicht an der Wasseranschlagslinie, sondern an der landseitigen Begrenzung (ehemalige Katastralmappengrenze) der im Lageplan ./A rot und grün schraffierten Fläche. Diese Fläche bilde einen Teil des Bettes des Wörthersees, der zumindest seit 1869 öffentliches Gut des kk Ärars gewesen sei. Das Bett eines Gewässers bestimme sich nicht nur nach dem von der Wasserwelle ständig überspülten Teil, sondern nach dem regelmäßig wiederkehrenden ordentlichen höchsten Wasserstand. Dieser würde aber bis zu der von der Klägerin behaupteten Eigentumsgrenze reichen, wäre die Wasserwelle nicht durch Verlandung des Ufers, durch auf der strittigen Fläche errichtete Seeeinbauten, Anschüttungen bzw Mauern zurückgedrängt worden. Hinsichtlich der im Lageplan grün schraffierten Fläche sei dem Rechtsvorgänger der Beklagten von der kk Bezirkshauptmannschaft Klagenfurt mit Erkenntnis vom 19. 8. 1901 eine zunächst konsenslose Anschüttung des öffentlichen Wasserguts im Ausmaß von 500 m2 gegen Zahlung eines einmaligen Ablösebetrags von 500 Kronen bewilligt worden, weshalb sich das Räumungsbegehren nicht auf diese Teilfläche erstrecke.
Die Beklagte wandte dagegen vor allem Verfristung des Klagsanspruchs und ihren bzw ihrer Rechtsvorgänger Eigentumserwerb ein. Die Klägerin habe zwar einen Antrag auf Berichtigung der Grenze nach den §§ 850 ff ABGB eingebracht, dort aber nicht ihren vor dem Vermessungsamt eingenommenen Standpunkt über die richtige Grenze dargelegt, sondern eine Grenzfestsetzung nach dem letzten ruhigen Besitzstand - entsprechend jener Grenze, die die Beklagte im Verfahren vor dem Vermessungsamt behauptet habe - begehrt. Damit habe sie kein für die Bereinigung des Grenzstreits bestimmtes Verfahren im Sinne des § 25 Abs 2 Satz 1 VermG anhängig gemacht. Ein innerhalb der normierten sechswöchigen Frist gestelltes Ansuchen müsse die Erledigung der Grenzverhandlung im Sinne des Rechtsstandpunkts der ansuchenden Partei zum Ziel haben. Dies sei hier nicht der Fall gewesen, weshalb die Klägerin gemäß § 25 Abs 5 VermG als dem von den übrigen beteiligten Eigentümern in der Grenzverhandlung vor dem Vermessungsamt angegebenen Grenzverlauf zustimmend anzusehen sei. Im Übrigen habe in den Jahren 1899 und 1901 ein Rechtsvorgänger der Beklagten die Grundstücke 1056/3 und 1056/4 gekauft und darauf in der Folge eine Kaianlage (Ufermauer) errichtet und zu diesem Zweck eine Anschüttung im Ausmaß von 500 m2 vorgenommen. Dieses Vorhaben sei aufgrund eines nachträglichen Antrags mit Entscheidung der kk Bezirkshauptmannschaft Klagenfurt vom 19. 8. 1901 bewilligt und ausgesprochen worden, dass für die Anschüttung eine einmalige Ablösung von einer Krone pro m2, sohin von insgesamt 500 Kronen, zu Handen des kk Landeszahlamts in Klagenfurt zu erlegen sei. In einem Schreiben der kk Finanzdirektion vom 26. 9. 1901 sei um die „Veranlassung des Erlages des Kaufschillings per 500 Kronen" ersucht worden. Diese Entscheidung sei der Titel für den Eigentumserwerb, weil die genannte Behörde nach dem KWRG 1870 zuständig und befugt gewesen sei, über den Eigentumsübergang abzusprechen, der seinem Wesen nach eine Enteignungsmaßnahme darstelle. In einem solchen Fall werde auch der bücherliche Eintragungsgrundsatz durchbrochen.
Die Klägerin brachte dazu ergänzend vor, dass eine anlässlich des Verfahrens zur Aufnahme des Seegrundstücks 1112/8 in den Grenzkataster vorgenommene Vermessung eine Anschüttungsfläche von mehr als 700 m2 ergeben habe, für deren Erwerb die Beklagte bzw ihre Rechtsvorgänger keinen rechtmäßigen Titel nachweisen könnten und die offenkundig nur aufgrund einer Mappenberichtigung durch das Vermessungsamt Aufnahme in die Katastralmappe gefunden habe. Weder die Mappenberichtigung, noch der wasserrechtliche Bewilligungsbescheid, in dem eine konsenslose Anschüttung gegen Bezahlung einer einmaligen Ablöse bewilligt worden sei, bilde einen zivilrechtlichen Titel für den Erwerb von Grundflächen. Der damalige Eigentümer habe an den Anschüttungsflächen und der Kaianlage auch nicht Eigentum erwerben wollen. Ein solches Begehren sei weder seinem Antrag, noch dem Edikt zu entnehmen.
Das Erstgericht stellte mit Teilurteil fest, dass die Klägerin Eigentümerin einer im dem Ersturteil angeschlossenen Lageplan dunkelblau gekennzeichneten, im Urteil näher beschriebenen Fläche von 36,82 m2 sei, die sich auf den Grundstücken 1056/3 und 1056/4 befindet. Die Klage sei nicht verfristet. Davon, dass der Antrag nach §§ 850 ff ABGB nicht als zur Bereinigung des Grenzstreits im Sinne des § 25 Abs 2 VermG geeignet gelten könne, könne keine Rede sein. Die Außerstreitstellung des letzten ruhigen Besitzstands bewirke keinen Rechtsverlust. Die Entscheidung der kk Bezirkshauptmannschaft Klagenfurt vom 19. 8. 1901 habe die Anschüttung bewilligt, aber keine Änderung der Eigentumsverhältnisse nach sich gezogen. Ein auf die §§ 41 oder 47 Kärntner Wasserrechtsgesetz (KWRG) gestützter Eigentumserwerb des Rechtsvorgängers der Beklagten sei nicht behauptet worden. Es sei von einer „bloßen bewilligungspflichtigen Wasserbenützungsanlage" gemäß § 16 KWRG auszugehen. Auf Ersitzung habe sich die Beklagte nicht berufen.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige, und erklärte die ordentliche Revision für zulässig. Die Feststellung des Eigentums bloß hinsichtlich eines Teils der vom Klagebegehren umfassten Grundfläche stelle ein minus und kein aliud dar. Der Klagsanspruch sei nicht verfristet. Als Verfahren im Sinne des § 25 Abs 2 VermG, die für die Beilegung von Grenzstreitigkeiten in Frage kämen, seien das außerstreitige Grenzberichtigungsverfahren nach den §§ 850 ff ABGB und die Eigentumsklage anzusehen. Nur die Unterlassung der rechtzeitigen Antragstellung bzw Klage führe zur unwiderlegbaren Fiktion der Zustimmung und habe zur Folge, dass die Voraussetzungen für die Feststellung der Grenze durch das Gericht wegfielen. Es erscheine nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zulässig, wenn ein gemäß § 25 Abs 2 VermG Aufgeforderter zuerst den außerstreitigen Rechtsweg und erst dann - abhängig von dessen Ergebnis - die Eigentumsklage erhebe.
Inhaltlich habe das auf dem Reichswasserrechtsgesetz von 1869 basierende Kärntner Wasserrechtsgesetz (KWRG) von 1870 eine „Ausscheidung" von Grundstücken aus dem öffentlichen Wassergut durch einen Behördenakt nicht gekannt. Auch die Entscheidung der kk Bezirkshauptmannschaft Klagenfurt vom 19. 8. 1901 habe diese daher nicht bewirken können. § 18 KWRG habe die Bewilligung dauernder Wasserbenützungsanlagen betroffen; als solche Genehmigung sei die Entscheidung von 1901 zu sehen. Die Festsetzung einer einmaligen „Ablösung" für die Aufschüttung - im Gegensatz zum Festlegen eines jährlichen Pachtzinses für den durch die Boots- und Badehütte okkupierten Seegrund spreche nicht dagegen. Die Bewilligung der Anschüttung und deren Durchführung ziehe für sich allein keine Rechtswirkungen nach sich. Ein besonderer Privatrechtstitel zum Eigentumserwerb der strittigen Fläche durch die Rechtsvorgänger der Beklagten sei daher in der Entscheidung der kk Bezirkshauptmannschaft Klagenfurt nicht zu sehen. Diese gehe auch nicht von der Überlassung (Eigentumsübertragung) von Seegrund aus, sondern lediglich von der Bewilligung der Anschüttung, und sei daher nicht als eine mit der Bewilligung der Baumaßnahme verbundene Grundabtretung, sondern als Bewilligung der dauernden Inanspruchnahme, also der Belastung, von Seegrund, zu sehen. In der Entscheidung der kk Bezirkshauptmannschaft Klagenfurt sei von einer Eigentumszuschreibung an eine andere Person nicht die Rede, geschweige denn sei aufgrund dieser Urkunde die bücherliche Eintragung der Eigentumszuschreibung möglich gewesen. Dass mit der Zahlung bzw dem gerichtlichen Erlag der Entschädigungssumme das Eigentum an den Exproprianten übergehe, beziehe sich nur auf den Fall der Enteignung. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil weder zur Frage der Verfristung, noch zur Frage, ob eine verwaltungsbehördliche Entscheidung einen Privatrechtstitel zum Erwerb von Grundflächen aus dem öffentlichen Wassergut ersetzen könne, Judikatur vorliege.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Beklagten ist zulässig und berechtigt.
Es handelt sich hier um einen Rechtsstreit im Zusammenhang mit der Umwandlung des Grundsteuerkatasters in einen Grenzkataster nach dem VermG. Nach den EB zum Stammgesetz (508 BlgNR 11. GP, 13) sollte die Landvermessung neu geordnet werden und der neue Kataster neben seiner bisherigen Aufgabe, der Finanzverwaltung die Grundlagen der Einheitsbewertung zu liefern, auch der Sicherung der Grundstücksgrenzen dienen. Die besondere Bedeutung des Grenzkatasters liegt darin, dass er unter anderem zum verbindlichen Nachweis der Grenzen der Grundstücke bestimmt ist und ein auf die in der Natur ersichtlichen Grenzen eines Grundstücks gegründeter Anspruch demjenigen nicht mehr entgegengesetzt werden kann, der ein Recht im Vertrauen auf die im Grenzkataster enthaltenen Grenzen erworben hat (1 Ob 193/98h mwN).
Einigen sich bei einer nach den Bestimmungen des VermG durchzuführenden Grenzverhandlung die Eigentümer benachbarter Grundstücke nicht über den Grenzverlauf, so ist nach § 25 Abs 2 VermG der Eigentümer, der behauptet, dass die Grenze nicht mit dem sich aufgrund der Behelfe ergebenden Grenzverlauf übereinstimmt, aufzufordern, binnen sechs Wochen ein für die Bereinigung des Grenzstreits bestimmtes gerichtliches Verfahren - nach den EB zu dieser Bestimmung durch Einbringen einer Eigentumsklage oder eines Antrag auf Grenzberichtigung nach den §§ 850 ff ABGB (vgl Pregesbauer, Vermessungsrecht, 52) - anhängig zu machen. Bleibt der derartig aufgeforderte Eigentümer untätig, so ist er nach § 25 Abs 5 VermG als dem von den übrigen beteiligten Eigentümern in der Grenzverhandlung angegebenen Grenzverlauf oder, wenn eine den Grenzverlauf festsetzende außerstreitige gerichtliche Entscheidung vorliegt, als dem Inhalt dieser Entscheidung zustimmend anzusehen. Bringt der Eigentümer aufgrund der Aufforderung nach § 25 Abs 2 VermG einen Antrag auf Berichtigung der Grenzen nach den §§ 850 ff ABGB ein, steht den Parteien die Möglichkeit, ihr besseres Recht im Prozessweg geltend zu machen (§ 851 Abs 2 ABGB), nur innerhalb von sechs Wochen nach rechtskräftiger Beendigung des außerstreitigen Verfahrens offen (§ 25 Abs 4 VermG). Das Unterlassen der rechtzeitigen Antragstellung bzw Klagsführung schafft die unwiderlegliche Fiktion der Zustimmung und hat zur Folge, dass die Voraussetzungen für die Feststellung der Grenze durch das Gericht weggefallen sind (1 Ob 12/94 = SZ 67/68; RIS-Justiz RS0079920).
Im vorliegenden Fall hat die Klägerin in Bezug auf die beiden vom Teilurteil des Erstgerichts betroffenen Grundstücke 1056/3 und 1056/4 innerhalb der sechswöchigen Frist des § 25 Abs 2 VermG ein außerstreitiges Grenzberichtigungsverfahren nach den §§ 850 ff ABGB eingeleitet. Dort hat sie die Festsetzung der gemeinsamen Grenze nach dem letzten ruhigen Besitzstand beantragt. Im Zuge des Verfahrens hat sie das Vorbringen der Antragsgegnerin (der numehrigen Beklagten), dass diese bereits jahrelang im ruhigen Besitz der strittigen Liegenschaftsfläche bis zur Wasseranschlagslinie sei - weshalb die Grenze zwischen den Grundstücken entlang der Naturgrenze an der Wasseranschlagslinie/Kaimaueraußenkante entlang des Sees verlaufe -, außer Streit gestellt. Dementsprechend wurde die Grenze auch rechtskräftig festgelegt. Erst in der innerhalb von sechs Wochen nach Beendigung des außerstreitigen Verfahrens erhobenen, nunmehr vorliegenden Klage kommt die Klägerin wieder auf die im Verfahren vor dem Vermessungsamt von ihr behauptete Grenze - abweichend von der Wasseranschlagslinie weiter landseitig - zurück.
Nach § 850 ABGB kann jeder Nachbar unter bestimmten Voraussetzungen die gerichtliche Erneuerung oder Berichtigung der Grenze verlangen, wobei die Grenzfestsetzung in erster Linie nach dem letzten ruhigen Besitzstand zu erfolgen hat (Gamerith in Rummel3 § 851 ABGB Rz 2). Mit ihrem Antrag im außerstreitigen Grenzberichtigungsverfahren konnte die Klägerin aber von vornherein den von ihr vor dem Vermessungsamt und im nunmehrigen Verfahren behaupteten, von der Wasseranschlagslinie als Naturgrenze abweichenden Grenzverlauf nicht durchsetzen. Für die Abgrenzung zwischen dem streitigen und außerstreitigen Verfahren ist das Begehren des Klägers (Antragstellers) und der geltend gemachte Rechtsgrund wesentlich. Das Außerstreitverfahren kommt zur Anwendung, wenn behauptet wird, dass eine unkenntliche Grenze nach dem letzten ruhigen Besitzstand, allenfalls nach billigem Ermessen festzusetzen ist, das streitige Verfahren dagegen, wenn eine bestimmte Grenze als richtig behauptet wird und deren Verlauf festgestellt werden soll. Ob sich der Kläger zur Dartuung des richtigen Grenzverlaufs auf den Erwerb eines räumlich bestimmten Grenzstreifens durch Ersitzung, Vertrag oder Ähnliches beruft („uneigentlicher Grenzstreit") oder nur die rechtliche Zugehörigkeit dieser Fläche zu seinem Grundstück behauptet („eigentlicher Grenzstreit"), zB weil der Nachbar den Zaun auf das Grundstück des Klägers verschoben hat, macht dabei keinen Unterschied (Gamerith aaO Rz 6).
Nun ist zwar richtig, dass in den EB zu § 25 VermG sowohl die Eigentumsklage, als auch die Grenzberichtigung im außerstreitigen Verfahren als für die Bereinigung des Grenzstreits bestimmte gerichtliche Verfahren angesehen werden. Sinn und Zweck dieser Regelung ist es aber, solche Verfahren, die für die Anlegung des Grenzkatasters von Bedeutung sind, zeitlich überschaubar zu halten, um zu vermeiden, dass der Zeitpunkt des uneingeschränkten Inkrafttretens des Grenzkatasters ungebührlich verzögert wird. Unter diesem Aspekt der Beschleunigung der Klärung der tatsächlichen Eigentumsverhältnisse ist aber ein grundsätzlich mögliches Verfahren zur Klarstellung der Grenze dann nicht als geeignet und daher fristwahrend anzusehen, wenn das darin gestellte Begehren und die Zweckrichtung des Verfahrens dem vom Antragsteller vor dem Vermessungsamt - und späterhin mit Eigentumsklage - eingenommenen Standpunkt über den Verlauf der Grenze nicht Rechnung tragen können. Besteht nach den oben dargelegten Abgrenzungskriterien zwischen dem streitigen und außerstreitigen Gerichtsverfahren in Anbetracht der konkreten Behauptungen des nach § 25 Abs 2 VermG aufgeforderten Eigentümers zur Durchsetzung seines Rechtsstandpunkts in Wahrheit nur ein gerichtliches Verfahren - hier die Eigentumsklage -, ist nur die Einleitung dieses Verfahrens als fristwahrend im Sinne des § 25 VermG anzusehen. Die nur formal dem Gesetz entsprechende Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens, das zur Klärung der tatsächlich strittigen Rechtsfrage nicht geeignet ist, reicht nicht aus.
Hier hat die Klägerin den einzigen Rechtsbehelf, mit dem sie dem von ihr eingenommenen Rechtsstandpunkt über die Grenzverhältnisse zum Durchbruch verhelfen hätte können, nämlich die nunmehr vorliegende Klage, außerhalb der sechswöchigen Frist des § 25 Abs 2 VermG eingebracht. Es ist daher die rechtzeitige Einleitung eines geeigneten Verfahrens unterlassen worden und damit die unwiderlegbare Fiktion der Zustimmung der Klägerin iSd § 25 Abs 5 VermG eingetreten, weshalb die Voraussetzungen für die Feststellung der Grenze durch das Gericht weggefallen sind (1 Ob 12/94; RIS-Justiz RS0079920).
Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 2 ZPO.
Textnummer
E91010European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2009:0010OB00173.08K.0505.000Im RIS seit
04.06.2009Zuletzt aktualisiert am
16.07.2012