TE OGH 2009/5/5 1Ob63/09k

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Veröffentlicht am 05.05.2009
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. Grohmann und Dr. E. Solé als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Günther P*****, vertreten durch Dr. Hans Lehofer, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei Stadt Graz, vertreten durch Dr. Thomas Stampfer und Dr. Christoph Orgler, Rechtsanwälte in Graz, wegen 43.445,88 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 20. Jänner 2009, GZ 5 R 221/08x-14, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 29. September 2008, GZ 15 Cg 23/08t-8, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 1.980,90 EUR (darin enthalten 330,15 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Begründung:

Der Kläger war Inhaber eines Personalmandats im gemeinsamen Dienststellenausschuss der Wirtschaftsbetriebe der Beklagten und seit 2001 stellvertretender Vorsitzender. Außerdem war er Mitglied der Fraktion Sozialdemokratischer Gewerkschafter/Innen (FSG). Mit Bescheid des Zentralausschusses der Bediensteten der Beklagten vom 11. 2. 2002 (zugestellt am 13. 2. 2002) wurde dem Kläger dieses Personalmandat gemäß § 40 Abs 4 des steirischen Gemeinde-Personalvertretungsgesetzes 1994 (G-PVG) wegen eines Verstoßes gegen die ihm obliegende Verschwiegenheitspflicht aberkannt. Am selben Tag wurde der Kläger mit Beschluss der FSG aus dieser Fraktion ausgeschlossen. Deshalb konnte er im Herbst 2002 bei der Personalvertretungswahl nicht mehr für diese Fraktion kandidieren.

Gegen den Beschluss des Zentralausschusses vom 11. 2. 2002 war kein ordentliches Rechtsmittel zulässig. Der Verwaltungsgerichtshof gab der Beschwerde des Klägers mit Erkenntnis vom 21. 9. 2005, zugestellt am 13. 10. 2005, statt und hob den angefochtenen Bescheid wegen eines Begründungsmangels zu zwei Punkten als rechtswidrig auf: Ungeklärt sei, ob es sich tatsächlich um unbekannte Tatsachen („Geheimnisse") handle, deren Weitergabe geeignet gewesen wäre, Ziele der Personalvertretung oder das Interesse der Bediensteten nachteilig zu berühren, sowie ob das Verschulden derart schwerwiegend sei, um die Aberkennung des Mandats zu rechtfertigen.

In der am 12. 2. 2008 beim Erstgericht eingebrachten Klage begehrte der Kläger aus dem Titel der Amtshaftung 43.445,88 EUR als Verdienstentgang für den Zeitraum November 2002 bis Oktober 2006 (neue Funktionsperiode nach der alle vier Jahre stattfindenden Personalvertretungswahl). Die rechtswidrige Aberkennung des Mandats habe zum Ausschluss aus der Fraktion und zur Unmöglichkeit, bei der Wahl für diese Fraktion als Kandidat anzutreten, geführt. Wäre der Kläger für die FSG angetreten, so wäre er jedenfalls zum Vorsitzenden (höhere Dienstklasse) bestellt worden.

Die Beklagte wendete - soweit noch relevant - Verjährung und fehlenden Rechtswidrigkeitszusammenhang ein. Die Bestimmungen des G-PVG sollten nicht der Schaffung von finanziellen Privilegien für Personalvertreter dienen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren insbesondere deshalb ab, weil die geltend gemachten finanziellen Nachteile nicht die „geschützte" Wahlperiode betreffen und damit nicht unmittelbar aus der Mandatsaberkennung selbst resultieren würden.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und ließ die ordentliche Revision zu. Es teilte die Auffassung des Erstgerichts zum fehlenden Schutzzweck und nahm Verjährung an. Das Mandat sei mit Zustellung des Bescheids am 13. 2. 2002 erloschen. Damit sei sofort ein „allenfalls entstandener", durch die Beschwerde an die Gerichtshöfe öffentlichen Rechts nicht mehr abwendbarer Schaden eingetreten. Der Kläger hätte seinen Wissensstand über das angeblich Amtshaftungsansprüche auslösende Verhalten des Zentralausschusses ab dem Zeitpunkt der Erhebung seiner Beschwerde nicht mehr erhöhen können, weil er bereits in diesen Beschwerden die Argumente zur Rechtswidrigkeit des Bescheids vorgebracht haben musste. Den Ausspruch über die Zulässigkeit der ordentlichen Revision begründete das Berufungsgericht mit fehlender (gesicherter) Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zum Schutzzweck der §§ 26 Abs 4 PVG, 40 Abs 4 G-PVG und dazu, dass mit der Erhebung eines Rechtsmittels, das den Schaden nicht mehr abwenden könne und in dem die relevanten, allenfalls amtshaftungsbegründenden Verhaltensweisen oder Unterlassungen dargestellt werden, in der Regel davon auszugehen sei, dass der spätere Amtshaftungskläger seinen Wissensstand über das in der Klage behauptete schadenskausale, rechtswidrige und schuldhafte Organverhalten nicht mehr weiter erhöhen könne.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist entgegen dem nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

Nach § 6 Abs 1 Satz 1 AHG verjähren Ersatzansprüche nach § 1 Abs 1 in drei Jahren nach Ablauf des Tages, an dem der Schaden dem Geschädigten bekannt geworden ist, keinesfalls aber vor einem Jahr nach Rechtskraft einer rechtsverletzenden Entscheidung oder Verfügung. Diese Regelung ist nicht so zu verstehen, dass die Verjährung erst ein Jahr nach Rechtskraft der rechtsverletzenden Entscheidung oder Verfügung beginnen kann; sie sieht ähnlich § 1494 ABGB bloß eine Ablaufhemmung vor (RIS-Justiz RS0114221; 1 Ob 373/98d = SZ 72/51).

Für den Beginn der Verjährung eines Amtshaftungsanspruchs ist jener Zeitpunkt maßgebend, zu dem ausreichend Anhaltspunkte für ein rechtswidriges Organverhalten vorliegen (Schragel AHG³ RZ 223 f) bzw der Geschädigte aufgrund der ihm bekannten Tatsachen ohne nennenswerte Mühe auf das Verschulden irgendeines Organs des Rechtsträgers schließen konnte (RIS-Justiz RS0050355; Schragel aaO Rz 223). Der Beginn der Anspruchsverjährung soll nicht durch zur Schadensvermeidung ungeeignete Abhilfemaßnahmen verzögert werden, wenn der durch einen fehlerhaften Hoheitsakt schon eingetretene und dem Geschädigten bekannte Schaden unabänderlich feststeht. Wenn der Geschädigte seinen Wissensstand über ein allfälliges Organverschulden nicht mehr erhöhen kann, ist er verpflichtet, sachverständigen Rat einzuholen. Sobald der Stand seiner Kenntnisse über den anspruchsbegründenden Sachverhalt eine Klage mit Aussicht auf Erfolg erlaubt, beginnt die Verjährungsfrist (1 Ob 199/00x). Maßgebend sind die Kenntnisse des Geschädigten vom objektiven Sachverhalt; auf die erforderlichen Rechtskenntnisse bzw auf die richtige rechtliche Qualifikation des - bekannten - Sachverhalts kommt es für die Ingangsetzung der Verjährungsfrist nicht an. Die Unklarheit über Rechtsfragen kann den Beginn der Verjährungsfrist nicht hinausschieben (1 Ob 70/07m mwN; RIS-Justiz RS0050355). Jenes Ereignis, das der Kläger als schadensauslösend wertet, war der im Februar 2002 ergangene und zugestellte Bescheid. Bereits mit der nicht erfolgten Kandidatur war klar, dass der Kläger die erhoffte Position nicht erlangen konnte. Spätestens mit Abschluss der Personalvertretungswahl und Ende der bisherigen Funktionsperiode im Oktober 2002 stand jedenfalls der erste vermögensrechtliche Schaden des Klägers, den er aus dem rechtswidrigen Bescheid ableitet, fest:

Der Kläger war (mangels Kandidatur) nicht Vorsitzender eines Dienststellenausschusses - verbunden mit höheren Einkünften - geworden. Ab November 2002 konnte der Kläger nicht die erhofften höheren Bezüge erzielen; auch der danach entstehende, künftige Verdienstentgang unterlag grundsätzlich derselben Frist wie der „Primärschaden" (Dehn in KBB² § 1489 ABGB Rz 4 mwN; 1 Ob 199/00x). Die (zu diesem Zeitpunkt noch nicht ergangene) Entscheidung über die Beschwerde des Klägers hätte den bereits eingetretenen Schaden nicht mehr verhindert.

Die Auffassung des Berufungsgerichts, die für die Annahme eines fehlerhaften Organverhaltens maßgeblichen Fakten seien bereits im Jahr 2002 - und nicht erst mit Zustellung der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs im Jahr 2005 - mit ausreichender Sicherheit für eine erfolgversprechende Amtshaftungsklage vorgelegen, hält sich im Rahmen der von Lehre und Judikatur zum Verjährungsbeginn angenommenen Grundsätze (1 Ob 199/00x; Schragel aaO Rz 223). Die dreijährige Verjährungsfrist ist damit ein Jahr nach Zustellung des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofs abgelaufen (Schragel aaO Rz 226). Bei diesem Ergebnis muss die erste in der Zulassungsbegründung genannte Frage nicht beantwortet werden. Die in der Revision behandelten Fragen zum Schutzzweck und zur Kausalität stellen sich somit nicht.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Die beklagte Partei hat in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels hingewiesen.

Anmerkung

E908121Ob63.09k

Schlagworte

Kennung XPUBLDiese Entscheidung wurde veröffentlicht inecolex 2009/268 S 681 - ecolex 2009,681XPUBLEND

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0010OB00063.09K.0505.000

Zuletzt aktualisiert am

28.08.2009
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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