Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 12. Mai 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Fuchs sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer in Gegenwart des Rechtspraktikanten Dr. Schneider als Schriftführer in der Strafsache gegen Andrzej S***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren und durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 erster und zweiter Fall und Z 3, 130 dritter und vierter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 3. November 2008, GZ 36 Hv 30/08v-127, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Text
Gründe:
Mit Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 19. August 2008, GZ 30 Hv 30/08v-101, wurde Andrzej S***** des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren und durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 erster und zweiter Fall und Z 3, 130 dritter und vierter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen schuldig erkannt.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen hat der Angeklagte Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung ergriffen.
Mit dem angefochtenen Beschluss wies der Vorsitzende des Schöffensenats einen Antrag des Angeklagten auf Berichtigung des Hauptverhandlungsprotokolls ab.
Soweit sich dessen dagegen erhobene Beschwerde gegen unterlassene Berichtigungen im Protokoll vom 29. April 2008 richtet, bezog sich bereits der entsprechende Antrag gar nicht auf das „Protokoll über die Hauptverhandlung", weil diejenige vom 29. April 2008 wegen geänderter Zusammensetzung des Gerichts am 10. Juni 2008 wiederholt wurde (§ 276a StPO; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 310; ON 86).
Im Übrigen kommt der Beschwerde schon deshalb keine Berechtigung zu, weil der abgewiesene Protokollberichtigungsantrag keine erheblichen Umstände oder Vorgänge betraf:
Die Antworten des Angeklagten (§ 245 StPO) - wie hier - ihrem wesentlichen Inhalt nach zusammengefasst in das Protokoll aufzunehmen, entspricht dem Gesetz (§ 271 Abs 3 StPO). Aus welchem Grund die - in der Hauptverhandlung nicht beantragte - wörtliche Protokollierung der im Berichtigungsantrag thematisierten Passagen seiner Aussage (Punkte I/1, 3, 6, II/3 - 6, III/2, IV/ 1-3 des Berichtigungsantrags ON 119) für die Urteilsfällung konkret erforderlich gewesen sein sollten (§ 271 Abs 3 StPO), legt die Beschwerde nicht dar. Anhaltspunkte hiefür sind nicht ersichtlich.
Inhaltliche Wiedergabe der Schlussvorträge der Parteien (§ 255 Abs 3 StPO) im Protokoll ist im Gesetz nicht vorgesehen (Danek, WK-StPO § 271 Rz 17). Unterlassene oder unrichtige Protokollierung darin enthaltener Anträge oder Antworten (§ 245 StPO) des Beschwerdeführers wird mit dem Begehren um Aufnahme seiner Ausführungen zu nach seiner Ansicht gebotener Interpretation vorliegender Beweismittel und rechtlicher Beurteilung (Punkte I/8-16 des Berichtigungsantrags ON 119) nicht angesprochen.
Dass sich der Widerspruch des Angeklagten gegen vom Gericht in Aussicht genommene Verlesungen (Punkt I/2 in ON 119) sowohl auf seine eigenen Angaben im Vorverfahren als auch auf „sämtliche amtlichen Schriftstücke, die inhaltlich auf unverwertbaren Aussagen gründen", bezog, ergibt sich entgegen der Beschwerdeauffassung gar wohl aus dem Protokoll über die Hauptverhandlung (ON 100 S 305 f).
Auf die Bezeichnung des Widerspruchs kommt es hinwieder nicht an, die Stellung eines - den Erfordernissen einer erfolgreichen Nichtigkeitsbeschwerde aus Z 4 des § 281 Abs 1 StPO genügender - Antrag läge schon wegen fehlender Begründung und Nennung konkreter Aktenbestandteile auch unter Zugrundelegung des in der Beschwerde behaupteten Wortlauts des Widerspruchs nicht vor (vgl auch 11 Os 63/07k).
Dass mehrmalige an den Beschwerdeführer gerichtete Ermahnungen des Vorsitzenden, sein - gleichfalls festgestelltes - vom Gericht als iSd § 234 StPO ungeziemend empfundenes Benehmen einzustellen, wie auch die Androhung seiner Entfernung aus der Sitzung vor Ergreifen der sitzungspolizeilichen Maßnahme nach § 234 StPO richtig protokolliert wurden (ON 100 S 307 f), wird von der Beschwerde nicht in Abrede gestellt. Weshalb es amtswegiger weiterer Feststellungen zu seinem sonstigen Verhalten bedurft hätte (Punkt I/4 in ON 119), das nach dem insoweit ungerügt gebliebenem Protokoll weder zu einer förmlichen Ermahnung noch zu seinem vorübergehenden Ausschluss aus der Verhandlung führte, erklärt sie nicht (vgl dazu Danek, WK-StPO § 271 Rz 44).
Die nach seiner Wiederzulassung geäußerte Ansicht des Angeklagten, trotz unvollständiger Belehrung über ihm im Rahmen des (richtig:) § 252 Abs 3 StPO zustehende Rechte bloß wegen - nach seiner Auffassung zulässigen - Äußerungen zu verlesenen Beweismitteln aus dem Sitzungssaal entfernt worden zu sein (Punkt I/7 ON 119), wurde im Protokoll über die Hauptverhandlung dem Beschwerdestandpunkt zuwider aber ohnehin unmissverständlich festgehalten (ON 100 S 313).
Die Kritik an angeblich unterlassener Protokollierung des nach dem Antragsvorbringen an den Verhandlungstagen am 10. und 24. Juni 2008 gestellten Antrags des Angeklagten, „die Hauptverhandlung vom 29. April 2008 zu wiederholen", und an der Aufnahme seines angeblich gar nicht erklärten Verzichts auf Neudurchführung des Verfahrens in das Protokoll (Punkte II/1, 2; III/1 in ON 119) betrifft im konkreten Fall schon deshalb keinen erheblichen Umstand oder Vorgang, weil die Hauptverhandlung bei hier gegebener Änderung der Zusammensetzung des Gerichts - ungeachtet eines vom Gesetz nicht vorgesehenen Verzichts der Parteien - jedenfalls zu wiederholen war (§ 276a StPO), was in der Folge - wenn auch ohne formelle Beschlussfassung (vgl RIS-Justiz RS0099022) - ohnehin geschah (ON 79 S 154 f).
Gleiches gilt für die im Protokoll vermisste Forderung des Angeklagten nach Ladung des Zeugen Josef M***** „und sonstiger am Tatort eingeschrittener Polizeibeamten" (Siegfried H***** und Joachim K*****, ON 2 S 41), die sich auch nach dem Antragsvorbringen in bloßer Wiederholung eines schon zuvor abgewiesenen Beweisantrags (ON 86 S 210 iVm 216, S 239 f) ohne Nennung eines darüber hinausgehenden konkreten Beweisthemas erschöpfte und solcherart für die Geltendmachung einer Urteilsnichtigkeit irrelevant war (Danek, WK-StPO § 271 Rz 45).
Mangels vom Berichtigungsantrag umfasster erheblicher Umstände oder Vorgänge war der Vorsitzende nicht verpflichtet, vor seiner Beschlussfassung - in der Beschwerde unkonkretisiert vermisste - Erhebungen durchzuführen (§ 271 Abs 6 zweiter Satz StPO).
Zudem sieht das Gesetz bei Verwendung eines technischen Hilfsmittels durch den Schriftführer nach § 271 Abs 2 StPO - anders als bei einer hier auch nach dem Beschwerdevorbringen nicht vorgenommenen unmittelbaren Aufnahme des gesamten Verlaufs der Hauptverhandlung mit Hilfe technischer Einrichtungen (§ 271a StPO) - keine Bekanntmachung an die Parteien vor. Aufnahme nach § 271 Abs 2 StPO und Mitschrift verlieren hinwieder nach Übertragung des Protokolls ihre eigenständige Bedeutung, eine Aufbewahrungspflicht besteht insoweit nicht (Danek, WK-StPO § 271 Rz 35). Beschwerdeeinwände zu diesbezüglichen Fehlleistungen des Gerichts gehen daher ins Leere.
Soweit die Beschwerde erstmals behauptet, dass das Protokoll über die Hauptverhandlung vom 19. August 2008 (ON 100) von einer anderen als der an diesem Verhandlungstag anwesenden Schriftführerin unterzeichnet wurde, genügt es zu erwidern, dass selbst das Fehlen der Unterschrift des Schriftführers unter dem Hauptverhandlungsprotokoll nicht unter Nichtigkeitssanktion steht. Dass das vom Vorsitzenden unterfertigte Protokoll in Bezug auf erhebliche Umstände oder Vorgänge anders ausgefallen wäre, wenn auch die Schriftführerin unterschrieben hätte, wird in der Beschwerde nicht behauptet.
Textnummer
E90999European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2009:0140OS00009.09V.0512.000Im RIS seit
11.06.2009Zuletzt aktualisiert am
11.08.2011