Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Alois D*****, vertreten durch Dr. Beate Köll-Kirchmeyr, Rechtsanwältin in Schwaz, gegen die beklagte Partei S***** GmbH, *****, vertreten durch Greiter, Pegger, Kofler & Partner, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen Unterlassung (Streitwert im Provisorialverfahren 42.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 17. Februar 2009, GZ 2 R 29/09w-14, womit der Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 15. Dezember 2008, GZ 59 Cg 175/08y-7, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Die Vorinstanzen wiesen das auf Unterlassung bestimmter über die landesbehördliche Errichtungs- und Betriebsbewilligung hinausgehender ärztlicher Tätigkeiten (und der Werbung hiefür) gerichtete Sicherungsbegehren ab. Die Auffassung der Beklagten, aufgrund der behördlich genehmigten Anstaltsordnung zu den dort angeführten ärztlichen Tätigkeiten befugt zu sein, sei mit gutem Grund vertretbar und daher nicht lauterkeitswidrig. Über die in der Anstaltsordnung genannten Behandlungen hinausgehende Tätigkeiten seien nicht bescheinigt worden.
Rechtliche Beurteilung
Der Kläger macht als erhebliche Rechtsfrage geltend, das Rekursgericht habe seiner Entscheidung in unvertretbarer Weise eine unzutreffende Auslegung seines Vorbringens zugrundegelegt. Die Auslegung des Parteienvorbringens im Einzelfall wirft aber - von hier nicht vorliegenden Verstößen gegen Denkgesetze oder Unvereinbarkeit mit dem Wortlaut - keine erheblichen Rechtsfragen im Sinn des § 502 Abs 1 oder § 528 Abs 1 ZPO auf (RIS-Justiz RS0042828). Die vom Kläger geforderte Auslegung der Anstaltsordnung streng nach der Errichtungsbewilligung (Bedarfsprüfung) läuft auf die vom Rekursgericht als Standpunkt des Klägers angeführte Beschränkung auf die Tätigkeiten der Bedarfsprüfung hinaus.
Grundsätzlich ebensowenig wirft die Beurteilung von Feststellungen als nicht überschießend oder vom Parteienvorbringen gedeckt erhebliche Rechtsfagen auf (RIS-Justiz RS0040318 [T3], RS0037972 [T15]).
Der Oberste Gerichtshof sprach bereits mehrfach aus, dass ein Verstoß gegen eine nicht dem Lauterkeitsrecht im engeren Sinn zuzuordnende generelle Norm nur dann als unlautere Geschäftspraktik oder als sonstige unlautere Handlung im Sinn von § 1 Abs 1 Z 1 UWG idF der UWG-Novelle 2007 BGBl I 79 zu werten ist, wenn die Norm nicht auch mit guten Gründen in einer Weise ausgelegt werden kann, dass sie dem beanstandeten Verhalten nicht entgegensteht (4 Ob 225/07b = ÖBl 2008, 237 - Stadtrundfahrten uva; RIS-Justiz RS0123239). Der erkennende Senat hielt darüber hinaus fest, dass der für das UWG zentrale Begriff der (wettbewerbsrechtlichen) Unlauterkeit einen grundsätzlich einheitlichen Inhalt hat; er ist in beiden Fällen des § 1 Abs 1 UWG - wie bisher - durch Bedachtnahme auf Unternehmer-, Verbraucher- und Allgemeininteressen zu konkretisieren, wobei in § 1 Abs 1 Z 1 UWG die Interessen der Mitbewerber, in § 1 Abs 1 Z 2 UWG jene der Verbraucher im Vordergrund stehen. Eine (möglichst) parallele Auslegung der (primär) Mitbewerber schützenden und der (primär) Verbraucher schützenden Bestimmungen des Lauterkeitsrechts ist zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen erforderlich, und zwar insbesondere angesichts der Tatsache, dass - wie hier - ein und dieselbe Geschäftspraktik durchaus unter beide Fälle der Generalklausel fallen kann (4 Ob 225/07b). Zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen ist das nur im Wortlaut von § 1 Abs 1 Z 2 UWG idF der UWG-Novelle 2007 enthaltene Sorgfaltserfordernis (Beachtung der beruflich gebotenen Sorgfalt) auch dem Unlauterkeitsbegriff des Mitbewerber schützenden Lauterkeitsrechts der Z 1 zu Grunde zu legen (4 Ob 225/07b ua; RIS-Justiz RS0123245).
Damit ist durch Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs geklärt, dass im Wettbewerbsprozess grundsätzlich nur die Frage zu prüfen ist, ob es eine mit guten Gründen vertretbare Auslegung der strittigen Norm gibt, die dem Verhalten des Beklagten nicht entgegensteht. Ist das der Fall, besteht kein Anlass zur Klärung der weiteren Frage, ob diese Auslegung bei einer vertieften Prüfung auch tatsächlich zutrifft. Eine (auch nur im untechnischen Sinn) „bindende" Entscheidung über die „richtige" Auslegung einer Norm ist daher bei Annahme einer vertretbaren Rechtsansicht nicht zu erwarten (4 Ob 225/07b).
Die nach den konkreten Umständen des Einzelfalls vorzunehmende Klärung der Frage, ob die der beanstandeten Verhaltensweise der Beklagten zu Grunde liegende Auslegung gesetzlicher Bestimmungen als mit guten Gründen vertretbar beurteilt werden kann, geht in ihrer Bedeutung über den Einzelfall grundsätzlich nicht hinaus; dass zur Auslegung einer bestimmten verwaltungsrechtlichen Norm noch keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs besteht, begründet noch keine erhebliche Rechtsfrage (RIS-Justiz RS0123321). Beruht die Beurteilung des Verhaltens der Beklagten nach dem Verwaltungsrecht als zumindest vertretbar - wie hier - nicht auf einer krassen Fehlbeurteilung, so fehlt eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO (vgl zuletzt etwa 4 Ob 156/08g). Dies trifft sowohl auf die Beurteilung der genehmigten Anstaltsordnung als maßgeblich für den Umfang der zulässigen ärztlichen Tätigkeit der Beklagten als auch auf die Einordnung der festgestellten Behandlung eines bestimmten Patienten als unter § 59 lit b) TirKAG (unbedingt notwendige erste ärztliche Hilfe) fallend zu.
Schlagworte
Anstaltsordnung,Textnummer
E90848European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2009:0040OB00055.09F.0512.000Im RIS seit
11.06.2009Zuletzt aktualisiert am
19.11.2010