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L80008 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung BebauungsplanNorm
BauRallg;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel, über die Beschwerde des G M und des M M, beide in T, beide vertreten durch W - H, Rechtsanwaltspartnerschaft in B, gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 30. August 1999, Zl VIIa-410.508, betreffend die Abweisung eines Baugesuches, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Vorarlberg hat den Beschwerdeführern zusammen Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Den Beschwerdeführern wurde mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bludenz (in der Folge kurz: BH) vom 11. März 1998 die naturschutzrechtliche, die baurechtliche und die gewerberechtliche Bewilligung zur Errichtung von Verkaufs- und Produktionsgebäuden für den Betrieb einer Gärtnerei auf dem Grundstück X im Gebiet der Gemeinde T erteilt.
Verfahrensgegenständlich ist nun ein weiteres Baugesuch vom 5. Februar 1999, betreffend unter anderem die Errichtung einer Betriebswohnung auf dem Grundstück Nr. X/2 (einer angeschlossenen Planurkunde vom 27. Oktober 1998 ist zu entnehmen, dass das frühere Grundstück X in die Grundstücke X/1 und X/2 geteilt wurde, wobei Letzteres dem Erstbeschwerdeführer, Ersteres dem Zweitbeschwerdeführer gehöre). Festzuhalten ist, dass die Behörden des Verwaltungsverfahrens in weiterer Folge davon ausgingen, beide Beschwerdeführer seien Bauwerber.
In der Bauverhandlung am 17. März 1999 (vor der BH) erklärte der beigezogene Amtssachverständige für Raumplanung und Baugestaltung (unter anderem), hinsichtlich des "Einbaues einer Wohnung" in den südwestlichen Gebäudeteil eines näher bezeichneten Hauses sei festzustellen, dass dieser Grundstücksbereich im Flächenwidmungsplan der Gemeinde als "Sondergebiet/Gärtnerei - Produktion" gewidmet sei und daher auf Grund dieser Gegebenheiten hier keine Wohnung errichtet werden könne.
Die Landwirtschaftskammer Vorarlberg gab hiezu in weiterer Folge über Ersuchen der Beschwerdeführer zu dieser Äußerung des Amtssachverständigen eine ablehnende Stellungnahme vom 19. April 1999 ab, in welcher das Vorhaben befürwortet wurde. Es heißt darin, dass der Erstbeschwerdeführer eine so genannte bodenunabhängige Pflanzenproduktion betreibe, das heiße, er bebaue nicht den Mutterboden, sondern ziehe die Pflanzen in Töpfen auf Arbeitstischen. Die bodenunabhängige Produktion sei gegenüber einer bodenabhängigen Produktionsweise wesentlich umweltschonender (wird näher dargelegt). Bei einer bodenabhängigen Urproduktion wäre die Errichtung einer Wohnung überhaupt kein Problem. Bei beiden Betriebsarten werde mit lebenden "Gegenständen" gearbeitet, die einer ständigen Kontrolle bedürften. Es gäbe kein sachliches Argument, weshalb bei einer bodenunabhängigen Produktionsweise diese Kontrolle nicht notwendig sein sollte. Hier sei wegen der Anfälligkeit "der installierten Technik, insbesondere der Heizungsanlage" eine ständige Kontrolle unerlässlich. Im Übrigen sei festzustellen, dass es im ganzen Land Vorarlberg keinen einzigen Gartenbaubetrieb gäbe, bei dem sich keine Betriebswohnung befinde.
Die erstinstanzliche Behörde (BH) holte ein landwirtschaftliches Gutachten (vom 10. Mai 1999) ein, in welchem die vorgesehene Wohnung mit näheren Ausführungen als "Bestandteil der Produktionsstätte bzw. als betriebsnotwendige Wohnung zu betrachten" sei. Zusammenfassend heißt es in diesem Gutachten (unter anderem), die Wasserversorgung der Pflanzen, die Beheizung der Glashäuser sowie deren Belüftung erfolge durch aufwändige technische Systeme, die störanfällig seien. Insbesondere die Temperaturregelung in den Glashäusern bedürfe vor allem im Winter einer ständigen Beobachtung und Überwachung. Die Überwachung der Lüftungseinrichtung erfordere eine dauernde Präsenz. Überdies seien bereits während der Bauphase Sabotageakte verübt worden, aus diesem Blickwinkel sei die Anwesenheit einer Aufsichtsperson am Betrieb während der Nachtstunden dringend geboten.
Mit dem erstinstanzlichen Bescheid vom 22. Juli 1999 wies die BH die (so der Vorspruch - von beiden Beschwerdeführern) beantragte Bewilligung für die Errichtung der geplanten Wohnung ab, weil sie auf Grund des Gutachtens des Amtssachverständigen für Raumplanung zum Schluss gekommen sei, dass die Errichtung einer Wohnung der Sondergebietswidmung "Gärtnerei - Produktion" widerspreche.
Dagegen erhob (jedenfalls) der Erstbeschwerdeführer mit Schriftsatz vom 27. Juli 1999 Berufung, in welcher er zunächst darlegte, dass nur er den verfahrensgegenständlichen Antrag habe stellen können, weil er Alleineigentümer des betroffenen Grundstückes und auch der Produzent der in diesem Glashaus gezogenen gärtnerischen Produkte sei. Für die Errichtung dieser Betriebswohnung stünde ihm in unmittelbarer Nähe zur Produktionsstätte kein anderes Grundstück zur Verfügung. In der Sache selbst bekämpfte er unter Hinweis auf das eingeholte landwirtschaftliche Gutachten die Rechtsauffassung der Behörde erster Instanz.
Mit dem an beide Beschwerdeführer gerichteten, angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde der (- so der Vorspruch - von beiden Beschwerdeführern erhobenen) Berufung keine Folge gegeben und den bekämpften erstinstanzlichen Bescheid bestätigt.
Nach Darstellung des Verfahrensganges (in welchem erwähnt wird, dass beide Beschwerdeführer um die angestrebte Baubewilligung eingekommen seien) und nach Darstellung des § 18 Abs. 4 des Vorarlberger Raumplanungsgesetzes (RPG) heißt es, die erstinstanzliche Behörde habe zutreffend ausgeführt, dass die Errichtung einer Wohnung auf Grund der Einschränkung der Sondergebietswidmung auf den Produktionsbereich der Gärtnerei nicht zulässig sei. Daran vermöge auch das landwirtschaftlich Gutachten vom 10. Mai 1999 nichts zu ändern. Die Frage dieser Notwendigkeit sei gemäß § 18 Abs. 3 RPG nur im Zusammenhang mit der Errichtung von Gebäuden und Anlagen für die bodenabhängige land- und forstwirtschaftliche Nutzung in Gebieten aufzuwerfen, die nach dem rechtsgültigen Flächenwidmungsplan als Landwirtschaftsgebiete ausgewiesen seien. Dies treffe im gegenständlichen Fall nicht zu, sodass diese Bestimmung nicht zur Anwendung gelange.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit, Unzuständigkeit der belangten Behörde und "Verfahrensmängeln".
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens (ohne die dem Verfahren zugrundeliegenden Planunterlagen) vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Beschwerdefall ist das Vorarlberger Raumplanungsgesetz
(RPG), LGBl. Nr. 39/1996, anzuwenden.
§ 18 RPG lautet (Stammfassung):
"§ 18
Freiflächen
(1) Alle Flächen, die nicht als Bauflächen, Bauerwartungsflächen oder Verkehrsflächen gewidmet sind, sind Freiflächen.
(2) Die Freiflächen sind nach Erfordernis und Zweckmäßigkeit als Landwirtschaftsgebiet, Sondergebiet oder Freihaltegebiet zu widmen.
(3) In Landwirtschaftsgebieten ist die Errichtung von Gebäuden und Anlagen zulässig, soweit dies für die bodenabhängige land- und forstwirtschaftliche Nutzung einschließlich der dazu gehörenden erforderlichen Wohnräume und Wohngebäude und für Nebengewerbe der Land- und Forstwirtschaft sowie die häusliche Nebenbeschäftigung notwendig ist.
(4) Als Sondergebiete können Flächen festgelegt werden, auf denen Gebäude und Anlagen errichtet werden dürfen, die ihrer Zweckwidmung nach an einen bestimmten Standort gebunden sind oder sich an einem bestimmten Standort besonders eignen, wie z.B. Flächen für Kleingärten, gewerbliche Gärtnereien, Erholungs- und Sportanlagen, Campingplätze, Ausflugsgasthöfe, Schutzhütten, Steinbrüche, Kiesgruben, Anlagen zur Fassung von Quell- sowie zur Entnahme von Grundwasser, Schießstätten und Sprengmittellager. Der vorgesehene Verwendungszweck ist in der Widmung anzuführen.
(5) Als Freihaltegebiete sind Freiflächen festzulegen, die im öffentlichen Interesse, insbesondere zum Schutz des Landschafts- und Ortsbildes oder wegen der natürlichen Verhältnisse (Grundwasserstand, Bodenbeschaffenheit, Lawinen-, Hochwasser-, Vermurungs-, Steinschlag- und Rutschgefahr usw.) von einer Bebauung freizuhalten sind. Alle Freiflächen, die nicht als Landwirtschaftsgebiete oder Sondergebiete gewidmet sind, sind Freihaltegebiete. Auf Waldflächen ist die Errichtung von Gebäuden und Anlagen zulässig, soweit dies für forstwirtschaftliche Zwecke notwendig ist."
Die Beschwerde ist berechtigt.
Es ist richtig, dass § 18 Abs. 4 RPG keine ausdrückliche Regelung hinsichtlich der Zulässigkeit von betriebserforderlichen Wohnräumen enthält. Daraus ist aber nicht zu folgern, dass solche Räumlichkeiten jedenfalls unzulässig wären, deren Zulässigkeit ergibt sich vielmehr aus der Natur der Sache. Zutreffend verweist der Beschwerdeführer diesbezüglich auf die in dieser Bestimmung genannten Campingplätze, Ausflugsgasthöfe und Schutzhütten, hinsichtlich derer die Unzulässigkeit solcher betriebsnotwendigen Wohnräume nicht ersichtlich wäre. Der Verwaltungsgerichtshof ist der Auffassung, dass auch bei Gärtnereien ausnahmsweise unter bestimmten Voraussetzungen Wohnräume betriebserforderlich sein können und dass betriebserforderliche Wohnräume (aus dem hier maßgeblichen Blickwinkel der Flächenwidmung) nicht von vornherein unzulässig waren.
Da die belangte Behörde dies verkannte und die strittigen Räumlichkeiten jedenfalls von vornherein für unzulässig hielt, belastete sie den angefochtenen Bescheid (nicht wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde infolge Verkennung des Prüfungsmaßstabes hinsichtlich der Widmungskonformität, wie es in der Beschwerde auch heißt, sondern) mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.
Allerdings ist auf einen weiteren Aspekt einzugehen, der bislang unerörtert blieb. Das äußere Erscheinungsbild des zugrundeliegenden Bauantrages vom 5. Februar 1999 in Verbindung mit den Ausführungen in der Berufung deutet darauf hin, dass das Baugesuch - jedenfalls soweit es die streitgegenständliche Wohnung anlangt - nur vom Erstbeschwerdeführer gestellt wurde. Es dürfte auch die Berufung dahin zu verstehen sein, dass nur er Berufungswerber war. Dessen ungeachtet haben die Behörden des Verwaltungsverfahrens beide Beschwerdeführer als Bauwerber behandelt und es ist die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid, der an beide Beschwerdeführer gerichtet ist, auch davon ausgegangen, dass beide die Berufung erhoben hätten.
Nach dem zuvor Gesagten wurde der Erstbeschwerdeführer (der jedenfalls Bauwerber bzw. Berufungswerber war) durch den angefochtenen Bescheid in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt. Hinsichtlich des Zweitbeschwerdeführers kann bei der gegebenen unklaren Verfahrenslage eine Rechtsverletzungsmöglichkeit nicht von vornherein ausgeschlossen werden (sodass dessen Beschwerde nicht zurückzuweisen ist).
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 5. Dezember 2000
Schlagworte
Planung Widmung BauRallg3European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1999060160.X00Im RIS seit
03.05.2001