Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen/Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch, Dr. Höllwerth, Dr. Roch und Dr. Tarmann-Prentner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Lorenz P***** sen, geboren am *****, vertreten durch die Dr. Schilchegger Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in St. Johann im Pongau, gegen die beklagte Partei Anton P*****, geboren am *****, vertreten durch Dr. Ludwig Draxler & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wegen Aufhebung einer Miteigentumsgemeinschaft (Streitwert 58.210,94 EUR), über die ordentliche Revision des Beklagten gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 10. Dezember 2008, GZ 3 R 123/08s-30, mit dem das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 7. Mai 2008, GZ 7 Cg 116/06d-26, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Der Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit 2.018,52 EUR (darin 336,42 EUR an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten seiner Revisionsbeantwortung zu ersetzen.
Text
Begründung:
Die Streitteile sind je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft EZ ***** Grundbuch ***** bestehend aus GST-NR 212/2 im Flächenausmaß von rund 581 m² mit dem darauf errichteten Gebäude G***** Nr 47. Diese Liegenschaft wurde im Jahr 1961 vom Kläger und seinem Bruder Alois P***** sen, dem Vater des Beklagten, erworben. Anschließend gründeten der Kläger und Alois P***** sen die Gebrüder P***** OHG (FN *****) und führten im Erdgeschoss des Hauses einen Metzgereibetrieb. Der erste Stock des Hauses wurde - abgesehen von einem als Büro verwendeten Raum - vom Kläger und dessen Familie, der zweite Stock von Alois P***** sen und dessen Familie bewohnt. Im Dachboden befinden sich drei Zimmer und ein Abstellraum, die zum Teil von der Familie des Beklagten bzw von Lehrlingen des Betriebs bewohnt wurden. Als sich Alois P***** sen in den 90-er Jahren zur Ruhe setzte, übergab er seinen Anteil am Fleischereibetrieb und seinen Hälfteanteil an der Liegenschaft zunächst seinem Sohn Alois P***** jun. Dieser übergab im Jahr 2003 seinen Anteil an der Gebrüder P***** OHG und seinen Hälfteanteil an der Liegenschaft seinem Bruder Anton P*****, dem nunmehrigen Beklagten. Seit dem Jahre 2004 kommt es zwischen den Streitteilen und deren Familien immer wieder zu Streitigkeiten.
Der Kläger begehrte die Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft an der Liegenschaft durch Zivilteilung. Eine sinnvolle Realteilung ohne tiefgreifende Umbaumaßnahmen sei nicht möglich, weil die Grenzen zwischen den Wohn-, Betriebs- und Verkaufsräumlichkeiten fließend seien. Eine Realteilung und/oder Wohnungseigentumsbegründung wäre auch rechtlich unmöglich, weil die nach baurechtlichen Bestimmungen erforderliche Anzahl an Abstellplätzen fehle. Selbst nach tiefgreifenden Umbaumaßnahmen mit einem hohen Kostenaufwand wäre eine hohe Wertausgleichszahlung erforderlich und eine unverhältnismäßige Werteinbuße zu gewärtigen, weil das Objekt nur als einheitliche Betriebsliegenschaft von Interesse und werthältig sei. Im gegenwärtigen Zustand sei die Schaffung qualitativ annähernd gleichartiger Wohnungseigentumseinheiten unmöglich.
Der Beklagte beantragte Abweisung der Klage und wandte (ua) ein, die Realteilung der Liegenschaft sei faktisch und rechtlich möglich. In Umsetzung eines von fünf Teilungsvorschlägen könne die Begründung von Wohnungseigentum oder eine Teilung in natura erfolgen.
Das Erstgericht gab dem Begehren des Klägers nach Zivilteilung statt.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es sprach aus, der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteige 20.000 EUR und die ordentliche Revision sei zulässig, weil zu der über den Einzelfall hinaus bedeutsamen Rechtsfrage, ob auch die Realteilung durch Begründung von Wohnungseigentum von der Möglichkeit abhänge, gleichartige Wohnungseigentumsobjekte schaffen zu können, höchstgerichtliche Rechtsprechung - so weit überblickbar - nicht existiere.
Rechtliche Beurteilung
Entgegen diesem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) - Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision des Beklagten wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) unzulässig; die Zurückweisung der ordentlichen Revision kann sich folgend auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO):
1. Zur Rechtzeitigkeit der Revision:
Es besteht keine gesetzliche Regelung, wonach für eine Rechtsmittelschrift, die - entgegen § 89c Abs 5 GOG iVm §§ 1 Abs 1, 11 Abs 1a ERV - nicht im elektronischen Rechtsverkehr, sondern im Postweg übermittelt wurde, § 89 Abs 1 GOG nicht gelten sollte. Dass die Revision trotz der fehlenden Glaubhaftmachung im Sinn des § 11 Abs 1a ERV anstatt im elektronischen Rechtsverkehr auf dem Postweg eingebracht worden ist, berührt also - entgegen der Ansicht des Klägers - nicht ihre - hier gegebene (vgl RIS-Justiz RS0036496 [T5]) - Rechtzeitigkeit (2 Ob 251/07m).
2. Zur Sache:
2.1. Der Anspruch eines Teilhabers auf Aufhebung der Gemeinschaft ist ein unbedingter (RIS-Justiz RS0013249), der nur insofern eine Einschränkung erfährt, als die Teilung nicht zur Unzeit oder zum Nachteil der Übrigen begehrt werden darf (RIS-Justiz RS0013249 [T4]). Die Realteilung (= Naturalteilung) hat gesetzlichen Vorrang vor der Zivilteilung (§ 843 ABGB; vgl 3 Ob 538/82 = SZ 55/90 = MietSlg 34.082; RIS-Justiz RS0013236; Gamerith in Rummel³, § 843 ABGB Rz 1; Sailer in KBB², § 843 ABGB Rz 1). Realteilung (= Naturalteilung) ist regelmäßig dann möglich und tunlich, wenn die Sache (physisch bzw im Rechtssinn) geteilt werden kann, ohne dass es im Verhältnis der Summe der Einzelwerte zum Wert der ungeteilten Sache zu einer wesentlichen Wertminderung käme (vgl RIS-Justiz RS0013831; RS0013829) und die Sache zwischen den Teilhabern so aufgeteilt werden kann, dass die entstehenden Teile den Anteilen etwa gleichwertig und diese annähernd gleich beschaffen sind (vgl dazu RIS-Justiz RS0013851; RS0013831 [T4, T7]; RS0013829 [insb T2, T4, T11]), ohne dass ein unverhältnismäßiger Wertausgleich notwendig wird (vgl RIS-Justiz RS0013856; RS0013854).
2.2. Nach der vor dem 3. WÄG bestandenen Rechtslage wurde in ständiger Rechtsprechung (zuletzt 1 Ob 668/87 = wobl 1989/6, 17 mwN [Oberhofer] = MietSlg 39.043) die Möglichkeit der Teilung einer Liegenschaft durch Begründung von Wohnungseigentum abgelehnt, weil dadurch die Miteigentumsgemeinschaft nicht aufgehoben, sondern nur in anderer Form fortgesetzt werde. Der Gesetzgeber hat im 3. WÄG durch Einführung des § 2 Abs 2 Z 2 WEG 1975 eine solche besondere Form der Naturalteilung durch Wohnungseigentumsbegründung zulässig gemacht. Die Begründung von Wohnungseigentum gilt seither als Sonderform der Naturalteilung (RIS-Justiz RS0106352; RS0013236 [T2]), der dann der Vorrang einzuräumen ist, wenn sie möglich und tunlich ist (RIS-Justiz RS0106351 [T3]).
2.3. Da es sich bei der Teilung einer Liegenschaft durch Begründung von Wohnungseigentum um eine Sonderform der Realteilung handelt, müssen die für die Naturalteilung nach § 843 ABGB aufgestellten Grundsätze auch für die Begründung von Wohnungseigentum durch Richterspruch nach § 3 Abs 1 Z 3 WEG 2002 (früher: § 2 Abs 2 Z 2 WEG 1975) gelten (RIS-Justiz RS0110439). Dass daher jeder Miteigentümer einen Teil annähernd gleicher Beschaffenheit erhalten muss, hat der Oberste Gerichtshof folgerichtig auch in Fällen der Teilung durch Begründung von Wohnungseigentum bereits mehrfach ausgesprochen (1 Ob 521/96 = ÖWR 1999, E 9; 5 Ob 2399/96x = MietSlg 49/38 = wobl 1998/153, 253 = immolex 1998/27, 53 = NZ 1998, 372; 5 Ob 14/97p = MietSlg 49/10 = NZ 1998, 371 = immolex 1997/92, 183; 5 Ob 374/97d = MietSlg 50/14 = immolex 1998/136, 214; 10 Ob 285/00k = ecolex 2001/203, 601 = immolex 2001/172, 312 = MietSlg 53.493; 5 Ob 17/01p = ecolex 2001/270, 740 [Wilhelm] = immolex 2002/185, 337 [Kletecka] = wobl 2003/87, 183 = MietSlg 53/13). Die vom Berufungsgericht für erheblich erachtete Rechtsfrage ist daher durch vorliegende Judikatur des Obersten Gerichtshofs bereits - im Sinn der auch hier vom Gericht zweiter Instanz vertretenen Ansicht - beantwortet.
2.4.1. Nach Ansicht des Beklagten sei das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen, weil nach (vermeintlich) ständiger Rechtsprechung des Höchstgerichts die Nutzung und Widmung lediglich bei der Frage der Gleichwertigkeit möglicher Teile, nicht aber für deren Gleichartigkeit maßgeblich sei. Der Begriff der Beschaffenheit betreffe dagegen allein die „physische Substanz" der Teile (zB: unbebaute Liegenschaft/Liegenschaft mit Haus), nicht aber unterschiedliche Nutzungsmöglichkeiten (zB: der einzelnen Räume eines Hauses). Unterschiede bei Nutzungsmöglichkeit und Widmung stünden daher der Annahme der Gleichartigkeit der Teile nicht entgegen.
2.4.2. Der vom Beklagten vertretene Standpunkt ist der Versuch, die Bedeutung des Teilungserfordernisses der (annähernd) gleichen Beschaffenheit begriffsjuristisch so zu reduzieren, dass dieses im Wesentlichen nur dann zu verneinen wäre, wenn eine Teilung in einen unbebauten und in einen bebauten Liegenschaftsteil erfolgen würde. Diese Ansicht des Beklagten ist nicht zutreffend und findet auch in der von ihm dafür ins Treffen geführten Judikatur keine Stütze. Wenn etwa ausgeführt wird, es fehle an der (annähernd) gleichen Beschaffenheit bei einem Gebäude (Haus mit Garten) einerseits und (nur) landwirtschaftlich nutzbaren Ackergrundstücken andererseits (4 Ob 510/82 = SZ 56/10), zwischen einem kleinen Grundstücksteil samt Wohnhaus mit 225 m² Fläche und einer großen Liegenschaft samt Gebäude (Bauhütte) mit nur 20 m² Fläche (7 Ob 23/03p = immolex 2003/141, 250 = MietSlg 55.072 = bbl 2003/110 [Auer]) oder zwischen bebauten und unbebauten Grundstücken (3 Ob 178/05f), dann folgt daraus nicht schon im Umkehrschluss, dass verschiedene Räume eines Hauses - ungeachtet ihrer Widmung und Nutzungsmöglichkeiten - stets als annähernd gleich beschaffen gelten müssten. Gerade in der vom Beklagten angesprochenen Entscheidung 5 Ob 89/99w (= immolex 2000/74, 113 = MietSlg 51.057) wird für ein Schloss mit sehr unterschiedlichen Räumlichkeiten (baufällige Teile, nicht bewohnbare Räume, Rittersaal, Wirtschaftsräume) nicht nur die Möglichkeit der Schaffung gleichwertiger Teile, sondern auch (ausdrücklich) die Bildung von Teilstücken annähernd gleicher Beschaffenheit bezweifelt. Die Entscheidung 3 Ob 538/82 (= SZ 55/90 = MietSlg 34.082) betraf einen in tatsächlicher Hinsicht wohl unitären Fall, bei dem aber immerhin für jeden Teilhaber ein Betriebsgebäude und insofern gleichartige Objektteile vorgesehen waren.
Dass Nutzungsmöglichkeiten und Widmung (jedenfalls auch) unter dem Gesichtspunkt der annähernd gleichartigen Beschaffenheit der möglichen Teile beachtlich sind (sein können), lässt sich überdies aus Ausführungen der Lehre ableiten (vgl Sailer in KBB², § 843 ABGB Rz 4), was diese folgerichtig zum Befund führt, es sei bei bebauten Grundstücken in der Regel davon auszugehen, dass (gemeint: reale) Teilbarkeit schon mangels Gleichartigkeit der zu bildenden Teile nicht gegeben sei (Egglmeier/Gruber/Sprohar in Schwimann³ § 843 ABGB Rz 4).
2.4.3. Hier wäre die Bildung zweier Wohnungseigentumsobjekte (Top 1 und Top 2) möglich gewesen, nämlich:
Top 1:
Keller: Der durchgehende Kühlraum gegen Osten, der Gewürzkeller in der Südwestecke und der ehemalige Tankraum und sämtliche Lager- und Kühlräume mit der Anlieferung.
Erdgeschoß: Das gesamte Erdgeschoß mit Schlachtraum, Wurstmaschinenraum, Kühlräume mit der Anlieferung.
Erstes Obergeschoß: Der mittlere Raum gegen Norden (Büro) mit Vorraum und Abstellraum sowie das anschließende Zimmer gegen Nordwesten.
Diese Raumgruppe kann direkt vom Treppenhaus erschlossen werden. Die Verbindungstür zum Gang ist zu schließen und eine Durchgangstür vom Büro zum Zimmer gegen Nordwesten durchzubrechen. Das Treppenhaus wird abgemauert. Zu den restlichen Räumen, die der Top 2 zugeordnet werden, würde eine neue Eingangstür gesetzt.
Top 2:
Keller: Der Keller/Kühlraum in der Nordwestecke des Hauses sowie die Waschküche gegen Süden.
Erstes Obergeschoß: Direkter abgemauerter Zugang vom Treppenhaus. Dadurch verbleiben bei der Top 2 Garderobe, Flur, Wohnküche, Wohnzimmer, Zimmer gegen Süden, Zimmer gegen Nordosten, Badezimmer, WC und Speisekammer. Verkaufslokal gegen Süden, und sämtliche Lager und zweites Obergeschoß: Die komplette Wohnung im zweiten Obergeschoß.
Dachgeschoß: Die drei Einzelzimmer und das noch nicht fertiggestellte Zimmer gegen Nordwesten sowie die Dachbodenräume gegen Osten und Westen.
Diese Art der Teilung zeichnet sich also dadurch aus, dass Top 1 im Wesentlichen aus Geschäftsräumlichkeiten, Top 2 dagegen im Wesentlichen aus Wohnräumlichkeiten besteht. Wenn das Berufungsgericht zwischen derartigen Teilen die - immer eine Einzelfallbeurteilung darstellende (vgl RIS-Justiz RS0013852) - Frage der Tunlichkeit/Möglichkeit der Realteilung mangels annähernd gleicher Beschaffenheit der möglichen Wohnungseigentumsobjekte verneinte, dann stellt dies jedenfalls keine aufzugreifende Fehlbeurteilung dar; dies gilt gleichermaßen für die Ablehnung des Teilungsvorschlags 4 (Blg ./8), dem überdies entgegen steht, dass „eine bauordnungsgemäße Trennung des ... Hauses in den einzelnen Wohnungsgeschoßen und zwischen den einzelnen Wohnungsgeschoßen ... kaum möglich (ist)" (Ersturteil S 10).
2.5. Der Hinweis des Beklagten, „dass sich seit Ablauf der Frist für die von der beklagten Partei erhobene Berufung die weltweite wirtschaftliche Situation gravierend verändert hat und in der größten Wirtschaftskrise seit Ende des zweiten Weltkrieges befindet", ist ein - in seiner zeitlichen Wirkung für den Immobilienmarkt überdies nicht abschätzbarer - Umstand, der - weil nach dem Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung erster Instanz gelegen - unbeachtlich ist (vgl RIS-Justiz RS0013282).
Die Revision des Beklagten ist daher mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO unzulässig und zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 50, 41 ZPO. Der Kläger hat auf das Fehlen der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO hingewiesen.
Textnummer
E90942European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2009:0050OB00036.09V.0512.000Im RIS seit
11.06.2009Zuletzt aktualisiert am
24.09.2012