Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Mai 2009 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek, Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Hofmann als Schriftführerin in der Strafsache gegen Mag. Erich F***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 2. Oktober 2008, GZ 037 Hv 37/08k-47, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch in Rechtskraft erwachsene Teilfreisprüche enthält, wurde Mag. Erich F***** zu I. des Verbrechens der Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 1 StGB, zu II. des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB und zu III. mehrerer Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach §§ 212 Abs 1 Z 2, 15 StGB schuldig erkannt.
Danach hat er
I. zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt zwischen August und September 2006 in Waldegg dadurch, dass er Manuel H***** mit beiden Händen am Kopf festhielt und mit seinem Glied in dessen Mund einzudringen trachtete (sowie einen Finger in seinen Anus einführte;
US 7), eine Person mit Gewalt zur Vornahme einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung zu nötigen versucht;
II. im Sommer 2006 in Traiskirchen eine geschlechtliche Handlung an einer unmündigen Person vorgenommen, indem er den am 7. Mai 1996 geborenen Manuel D***** heftig an den Hoden berührte;
III. zwischen Ende Juli und Ende September 2006 in Waldegg, Traiskirchen und Steinbach am Attersee als Erzieher bei der sozialtherapeutischen Kinder- und Jugendeinrichtung „WG Waldegg" mit minderjährigen Personen, die seiner Erziehung und Aufsicht unterstanden, geschlechtliche Handlungen
A) vorgenommen, und zwar
1. mit dem am 19. April 1991 geborenen Manuel H*****, indem er ihn wiederholt intensiv am Glied betastete, ihn veranlasste, sein entblößtes Glied zu berühren, und einen Finger in seinen Anus einführte;
2. mit dem am 7. Mai 1996 geborenen Manuel D***** durch die unter Punkt II. geschilderte Tathandlung;
B) vorzunehmen versucht, und zwar mit dem am 19. April 1991 geborenen
Manuel H***** durch die unter Punkt I. geschilderte Tathandlung.
Rechtliche Beurteilung
Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf Z 5, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, die ihr Ziel verfehlt.
Soweit der Beschwerdeführer die Erwägungen zur Glaubwürdigkeit der Zeugen Manuel D***** und Manuel H***** bzw zur Unglaubwürdigkeit des Angeklagten kritisiert (Z 5 vierter Fall), ist er darauf zu verweisen, dass der zur Überzeugung von der Glaubwürdigkeit eines Zeugen oder Angeklagten führende, auf dem von diesem in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindruck basierende kritisch-psychologische Vorgang als solcher der Anfechtung mit Mängelrüge entzogen ist (RIS-Justiz RS0106588).
Die Begründungserwägungen der Tatrichter zu den Zeugen Hy***** und A***** (US 9) sind weder unvollständig noch widersprüchlich. Vielmehr haben die Tatrichter unter Berücksichtigung des Alters der Zeugen und deren sozialen Umfelds mängelfrei dargestellt, warum sie einzelnen Angaben geglaubt haben, anderen aber nicht (Danek, WK-StPO § 270 Rz 39).
Die Konstatierung, das Gesamtbild auch im Hinblick auf die sexuelle Orientierung des Angeklagten werde durch die Aussage des Zeugen B***** abgerundet (US 10), konnte das Erstgericht - der Beschwerde zuwider - auf die Aussagen dieses Zeugen in der Hauptverhandlung stützen (ON 46/S 33 ff).
Keine oder eine nur offenbar unzureichende Begründung liegt dann vor, wenn für den Ausspruch über eine entscheidende Tatsache entweder überhaupt keine oder nur solche Gründe angegeben werden, aus denen sich nach Denkgesetzen und allgemeiner Lebenserfahrung ein Schluss auf die zu begründende Tatsache entweder überhaupt nicht ziehen lässt oder der logische Zusammenhang kaum noch erkennbar ist (RIS-Justiz RS0108609). Mit Spekulationen darüber, was der Zeuge A***** bei einem Vorfall in seinem Beisein hätte wahrnehmen müssen, Erwägungen zum „Bekleidungszustand" des Manuel H***** sowie Spekulationen darüber, dass die Tathandlungen aufgrund der Lage (I.) oder des Übergewichts des Tatopfers (II.) tatsächlich nicht möglich wären, wird kein Begründungsmangel dargetan. Die Nichtigkeitsbeschwerde erschöpft sich vielmehr in einer Kritik der tatrichterlichen Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Berufung wegen Schuld.
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) vermisst zum Schuldspruch I. Feststellungen, ob der Angeklagte und/oder Manuel H***** bei den Tathandlungen angezogen oder entkleidet waren, verabsäumt es aber darzulegen, weshalb dies im Hinblick auf die dem Angeklagten zur Last gelegte Tat für die rechtliche Beurteilung notwendig gewesen wäre. Das weitere, einen Rücktritt vom Versuch (§ 16 StGB) behauptende Vorbringen negiert die - Freiwilligkeit ausschließenden - Konstatierungen, wonach Manuel H***** den Mund nicht öffnete, weswegen der Angeklagte den Oralverkehr nicht vollziehen konnte (US 8), und verfehlt so die gebotene Orientierung am Verfahrensrecht. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
Anmerkung
E9091615Os38.09sEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2009:0150OS00038.09S.0513.000Zuletzt aktualisiert am
02.07.2009