TE OGH 2009/5/28 12Os27/09a

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Veröffentlicht am 28.05.2009
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. Mai 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Holzweber als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll, Dr. Schwab, Dr. T. Solé und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Michael Schmid als Schriftführer, in der Strafsache gegen Benjamin Z***** wegen Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Jugendschöffengericht vom 24. November 2008, GZ 7 Hv 113/08m-20, sowie seine Beschwerde gegen den Beschluss auf Anordnung der Bewährungshilfe und Erteilung einer Weisung nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Benjamin Z***** der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er zu nicht näher bekannten Zeitpunkten im Zeitraum April 2007 bis 28. Mai 2008 in wiederholten Angriffen jeweils in P***** mit seiner am 14. Mai 1998 geborenen Schwester Sophie Z*****, mithin einer unmündigen Person, dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen unternommen, indem er diese veranlasste, ihn oral zu befriedigen und sie vereinzelt auch mit seiner Zunge im Genitalbereich berührte.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf Z 9 lit b, 10, 10a und 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.

Mit dem Vorbringen, nicht nur dem 8 bis 9-jährigen Tatopfer, sondern auch dem im Tatzeitraum 14 bis 15-jährigen Angeklagten sei „die Tragweite der inkriminierten Handlungen überhaupt nicht bewusst" gewesen, sodass seine Schuld nicht als schwer anzusehen sei, verfehlt die Diversionsrüge (nominell auch Z 9 lit b und 10, inhaltlich nur Z 10a des § 281 Abs 1 StPO) eine prozessförmige Darstellung, weil sie nicht - wie bei Geltendmachung materieller Nichtigkeit jedoch stets geboten - am Urteilssachverhalt festhält. Nach den unmissverständlichen - und mängelfrei begründeten (US 5 f) - Feststellungen der Tatrichter war der Angeklagte von seiner Persönlichkeitsentwicklung her im Deliktszeitraum nämlich entgegen der Beschwerdeausführungen durchaus in der Lage, das Unrecht seiner Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln (US 5). Im Übrigen liegen bei der gebotenen Gesamtbetrachtung aller maßgeblichen Kriterien, insbesondere des vom Gesetzgeber nicht nur durch die Strafdrohung, sondern auch durch die Bezeichnung des Verbrechens nach § 206 Abs 1 StGB als schweren sexuellen Missbrauch als hoch eingestuften Tatunrechts und der vielfachen Tatwiederholung zum Nachteil der eigenen, erst 8 bzw 9-jährigen Schwester, die Voraussetzungen für ein diversionelles Vorgehen nach dem 11. Hauptstück der StPO nicht vor (vgl 13 Os 111/00, JBl 2001, 328). Auch die Sanktionsrüge (Z 11, der Sache nach Z 9 lit b, soweit sie sich gegen ein Unterbleiben eines Vorgehens nach § 6 Abs 1 JGG richtet [Schroll in WK² JGG § 6 Rz 13, vgl aber Rz 14 aE]), die mit der Behauptung fehlender Reife des Angeklagten undifferenziert eine Anwendung der „§§ 6, 7, 12, 13 aber auch 14 JGG" reklamiert, entspricht nicht den gesetzlichen Anforderungen, setzt sie sich doch darüber hinweg, dass das Erstgericht - auf Basis des Gutachtens des psychologischen Sachverständigen (ON 11; US 5) - von einer durchschnittlichen und normgerechten Entwicklung des Jugendlichen ausging (US 4).

Soweit die Beschwerde die Nichtanwendung der §§ 12 und 13 JGG rügt, bringt sie ein Berufungsvorbringen zur Darstellung (Schroll in WK² JGG § 12 Rz 13, § 13 Rz 14 jeweils mwN; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 728). Das Unterbleiben einer diversionellen Erledigung durch die Staatsanwaltschaft (§ 7 JGG) ist einer Anfechtung im Nichtigkeitsverfahren nicht zugänglich. Schließlich ist das auf Anwendung des § 14 JGG auf den vorliegenden Fall gerichtete Begehren nicht nachvollziehbar.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der hiezu erstatteten Äußerung der Verteidigung - gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen. Die Entscheidung über die Berufung und die (implizierte) Beschwerde gegen die zwar gesetzwidrig, aber sanktionslos im Urteil erfolgte (vgl Schroll in WK² § 50 Rz 16; RIS-Justiz RS0101841), inhaltlich einen Beschluss darstellende Anordnung der Bewährungshilfe und Erteilung einer Weisung (§§ 50, 51 StGB) kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Anmerkung

E9110612Os27.09a

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0120OS00027.09A.0528.000

Zuletzt aktualisiert am

11.08.2009
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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