Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 28. Mai 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Holzweber als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll, Dr. Schwab und Dr. T. Solé sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Schmid als Schriftführer, in der Strafsache gegen Franz M***** wegen Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Schöffengericht vom 16. Jänner 2009, GZ 631 Hv 9/08g-15, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Franz M***** (richtig:) mehrerer Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (I), des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (II) und (richtig:) mehrerer Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 2 StGB (III) schuldig erkannt.
Danach hat er im Winter 2007/2008 in L*****
I. in „etwa zehn Angriffen" mit der am 10. Dezember 1997 geborenen, sohin unmündigen Romana M***** dadurch eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen unternommen, dass er von dieser einen Oralverkehr an sich vornehmen ließ;
II. in einem Angriff dadurch eine geschlechtliche Handlung an der Genannten vorgenommen, dass er sie an der Scheide leckte;
III. die zu Punkt I und II genannten geschlechtlichen Handlungen an der minderjährigen Tochter seiner Lebensgefährtin, sohin einer Person, die seiner Erziehung und Aufsicht unterstand, unter Ausnützung seiner Stellung gegenüber dieser Person vorgenommen bzw an sich vornehmen lassen.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen aus den Gründen der Z 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel. Der Behauptung der Mängelrüge (Z 5) zuwider haben die Tatrichter ihre Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten in Betreff sämtlicher vom Schuldspruch umfasster Taten (auch der in der Beschwerde unsubstantiiert als teilweise gänzlich unbegründet geblieben kritisierten „etwa" zehn Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen [Schuldspruch I]) auf die Angaben der Zeugin Romana M***** gestützt und den Gesetzen logischen Denkens und grundlegenden Erfahrungssätzen entsprechend umfassend dargelegt, warum sie - trotz der im Rechtsmittel als widersprüchlich erachteten Aussagepassagen (US 12 f) - deren Depositionen unter Beachtung der sonstigen Verfahrensergebnisse folgten, der leugnenden Verantwortung des Beschwerdeführers aber den Glauben versagten (US 7 ff), was aus dem Blickwinkel der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) nicht zu beanstanden ist.
Dass die vom Beschwerdeführer zitierten Aussagedetails dabei erörtert wurden, räumt er selbst ein, womit sich der Vorwurf unvollständiger Begründung (Z 5 zweiter Fall) als unschlüssig erweist. Dass diese Überlegungen ihn nicht überzeugen, stellt keinen Begründungsmangel dar.
Mit dem Hinweis auf angeblich gegen getroffene Feststellungen sprechende - im Urteil zudem ohnehin erörterte - Beweisergebnisse wird auch ein aus Z 5 dritter Fall beachtlicher Widerspruch nicht aufgezeigt (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 438 f). Im Übrigen ist weder die in diesem Zusammenhang kritisierte Feststellung, dass es zu einem Samenerguss kam, noch die thematisierte Frage eines in sexueller Erregung liegenden Tatmotivs schuld- oder subsumtionsrelevant. Mit der Behauptung einer „Verletzung der Spezifikationspflicht" in Betreff einzelner der vom Schuldspruch I umfassten „etwa zehn" Missbrauchshandlungen, zu denen das Erstgericht nach dem Beschwerdestandpunkt nur „lapidare" Feststellungen getroffen habe, spricht die Mängelrüge gleichermaßen keine entscheidende Tatsache an, weil der Schuldspruch insoweit eine gleichartige Verbrechensmenge pauschal individualisierter Taten erfasst und damit der Wegfall der Täterschaft hinsichtlich einzelner davon weder einen Schuldspruch noch die Subsumtion einer begangenen Tat in Frage stellt (RIS-Justiz RS0116736; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 33).
Davon abgesehen lässt sich den Entscheidungsgründen - dem Beschwerdestandpunkt zuwider - unmissverständlich entnehmen, dass der Angeklagte die unmündige Romana M***** im Tatzeitraum (großteils im Wohnhaus der Familie, einmal im Büro des Angeklagten und einmal in seinem Auto) in etwa acht weiteren Angriffen auf die gleiche Art vorsätzlich schwer sexuell missbraucht hat wie in den ersten beiden, im Urteil detailliert beschriebenen Fällen (US 5 f). Welcher weiteren Ausführungen es zur Verdeutlichung dieser Feststellungen bedurft hätte, sagt die Rüge nicht. Aus dem Nichtigkeitsgrund der Z 3 des § 281 Abs 1 StPO ist ein Schuldspruch wegen einer gleichartigen Verbrechensmenge (zum Begriff siehe Ratz, WK-StPO § 281 Rz 291) hinwieder nicht zu beanstanden, weil aus der pauschalen Individualisierung resultierende Zweifel im Fall einer nachfolgenden Verurteilung für die Annahme von Tatidentität und somit für das Vorliegen des Verfolgungshindernisses des ne-bis-in-idem streiten (Lendl, WK-StPO § 260 Rz 24; RIS-Justiz RS0119552, RS0098795; zur Undeutlichkeit als Gegenstand von Verfahrens-, Mängel- oder Rechts- und Subsumtionsrüge iSd § 281 Abs 1 Z 3, 5 erster Fall, 9 lit a oder 10 StPO vgl RIS-Justiz RS0117435, RS0099575).
Die Tatsachenrüge (Z 5a) zielt mit der unsubstantiierten Behauptung, die erstgerichtliche Begründung der Feststellungen sei „in keinster Weise nachvollziehbar, und auch nicht plausibel", der - ebenfalls nicht auf konkret bezeichnete Verfahrensergebnisse zurückgeführten - Kritik an einem Satz aus der ausführlichen Beweiswürdigung der Tatrichter sowie der Wiederholung der Einwände der Mängelrüge bloß auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung außerhalb der von Z 5a erfassten Sonderfälle ab, ohne damit unter Bedachtnahme auf die Gesamtheit der Beweiswerterwägungen sich aus den Akten ergebende erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen zu erwecken (RIS-Justiz RS0118780, RS0119583).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Die Entscheidung über die Berufung kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO). Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Anmerkung
E9111212Os48.09iEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2009:0120OS00048.09I.0528.000Zuletzt aktualisiert am
11.08.2009