Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 28. Mai 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Holzweber als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll, Dr. Schwab, Dr. T. Solé und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Michael Schmid als Schriftführer in der Strafsache gegen Franz K***** wegen des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB über die von der Generalprokuratur gegen den Beschluss des Landesgerichts Ried im Innkreis vom 2. Dezember 2008, GZ 21 Hv 11/07v-46, sowie eine weitere Entscheidung erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Mag. Michel, und des Verteidigers Mag. Hamminger, jedoch in Abwesenheit des Verurteilten zu Recht erkannt:
Spruch
Es verletzen das Gesetz
1. der Beschluss des Landesgerichts Ried im Innkreis vom 2. Dezember 2008, GZ 21 Hv 11/07v-46, im § 43 Abs 4 StPO sowie
2. der Beschluss des Oberlandesgerichts Linz vom 9. Jänner 2009, AZ 8 Bs 462/08k, 8 Bs 469/08i (ON 54) im § 43 Abs 1 Z 1 und Abs 4 StPO.
Diese Beschlüsse werden aufgehoben und dem Landesgericht Ried im Innkreis die neuerliche Entscheidung über die am 18. und 24. November 2008 bei Gericht eingelangten Wiederaufnahmeanträge des Franz K***** aufgetragen.
Text
Gründe:
Mit Urteil des Landesgerichts Ried im Innkreis als Schöffengericht vom 15. Oktober 2007, GZ 21 Hv 11/07v-21, wurde Franz K***** des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB schuldig erkannt.
Die dagegen vom Angeklagten erhobene Nichtigkeitsbeschwerde wurde vom Obersten Gerichtshof mit Beschluss vom 31. Jänner 2008, 12 Os 166/07i, zurückgewiesen (ON 30).
Mit Urteil des Oberlandesgerichts Linz vom 8. April 2008, AZ 8 Bs 82/08b, wurde der Berufung des Angeklagten durch die Senatsmitglieder Dr. A*****, Dr. B***** und Dr. E***** nicht Folge gegeben, hingegen jener der Anklagebehörde, und die bedingte Strafnachsicht aus dem Urteil zum Teil ausgeschaltet (ON 33). An der öffentlichen Berufungsverhandlung nahm die Oberstaatsanwältin Mag. R***** teil (ON 32).
Den in der Folge gestellten Wiederaufnahmeantrag des Franz K***** wies das Landesgericht Ried im Innkreis ab, wobei Dr. L*****, Dr. K***** und Dr. B***** an der Entscheidung mitwirkten (ON 37).
Mit Beschluss des Erstgerichts vom 21. Mai 2008 wurde dem Verurteilten ein Aufschub des Vollzugs des unbedingten Strafteils bis zum 1. Jänner 2009 gewährt (ON 39).
Mit am 18. November 2008 (ON 44) und 24. November 2008 (ON 45) eingelangten Schriftsätzen beantragte der Verurteilte neuerlich die Wiederaufnahme des Strafverfahrens und die Hemmung des Strafvollzugs.
Mit Beschluss vom 2. Dezember 2008 wies das Landesgericht Ried im Innkreis die Anträge des Verurteilten ab, wobei die Richter des Landesgerichts Dr. L*****, Mag. L***** und Mag. H***** an der Senatsentscheidung teilnahmen (ON 46 iVm ON 52/S 474).
Nach der Aktenlage hatte der an der Beschlussfassung vom 2. Dezember 2008 beteiligte Richter Mag. L***** im Vorverfahren die kontradiktorische Einvernahme der Zeugin Stefanie K***** durchgeführt (ON 4 und ON 6).
Am 18. Dezember 2008 wies das Landesgericht Ried im Innkreis - den Umfang der Beschwerde (ON 47) gegen den Beschluss ON 46 missverstehend - den Antrag des Verurteilten auf Hemmung des Strafvollzugs noch einmal ab (ON 48). Auch dagegen wurde vom Verurteilten erneut gesonderte Beschwerde erhoben (ON 50).
Mit Beschluss vom 9. Jänner 2009, AZ 8 Bs 462/08k, 469/08i, gab das Oberlandesgericht Linz den Beschwerden des Verurteilten nicht Folge, wobei sich der Senat aus den Richtern des Oberlandesgerichts Dr. B*****, Dr. E***** und Mag. R***** zusammensetzte (ON 54).
Mit Beschluss vom 20. Februar 2009 lehnten die Senatsmitglieder Dr. L*****, Mag. H***** und Dr. R***** weitere Anträge des Verurteilten vom 6. Februar 2009 (ON 56) auf Wiederaufnahme des Strafverfahrens und Hemmung des Strafvollzugs ab (ON 57). Das vom Verurteilten dagegen angestrengte Beschwerdeverfahren ist noch anhängig.
Rechtliche Beurteilung
Im Strafverfahren des Landesgerichts Ried im Innkreis gegen Franz K*****, AZ 21 Hv 11/07v, verletzen - wie die Generalprokuratur in ihrer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend aufzeigt - der Beschluss des Landesgerichts Ried im Innkreis vom 2. Dezember 2008 (ON 46), sowie der Beschluss des Oberlandesgerichts Linz vom 9. Jänner 2009, AZ 8 Bs 462/08k, 8 Bs 469/08i (ON 54), das Gesetz.
Gemäß § 43 Abs 4 StPO ist ein Richter von der Entscheidung über einen Antrag auf Wiederaufnahme oder einen Antrag auf Erneuerung des Strafverfahrens ausgeschlossen, wenn er im Verfahren bereits als Richter tätig gewesen ist.
Dies gilt auch für Rechtsmittelrichter uneingeschränkt (vgl Lässig, WK-StPO § 43 Rz 32; <it>Fabrizy, StPO10 § 43 Rz 14).
Gemäß § 43 Abs 1 Z 1 StPO ist ein Richter vom gesamten Verfahren ausgeschlossen, wenn er im Verfahren als Staatsanwalt tätig war.
Demzufolge waren der im vorliegenden Verfahren als Mitglied des Dreirichtersenats eingeschrittene Richter des Landesgerichts Mag. L***** wegen seiner Tätigkeit im Vorverfahren von der Mitwirkung an der am 2. Dezember 2008 erfolgten Entscheidung über den Wiederaufnahmeantrag des Franz K***** (ON 46) und die im Beschwerdeverfahren beteiligten Richter des Oberlandesgerichts Dr. B***** und Dr. E***** wegen ihrer Tätigkeit im Berufungsverfahren sowie Mag. R***** wegen ihrer Tätigkeit als Oberstaatsanwältin im Berufungsverfahren von der Mitwirkung an der am 9. Jänner 2009 gefassten Entscheidung über die Beschwerde gegen die Abweisung des Wiederaufnahmeantrags des Verurteilten ausgeschlossen.
Nachdem sich die Gesetzesverletzungen zum Nachteil des Verurteilten ausgewirkt haben könnten (vgl RIS-Justiz RS0107372), sah sich der Oberste Gerichtshof gemäß § 292 letzter Satz StPO veranlasst, die in Rede stehenden Beschlüsse aufzuheben. Demgemäß wird das Landesgericht Ried im Innkreis über die am 18. und 24. November 2008 bei Gericht eingelangten Wiederaufnahmeanträge des Franz K***** erneut zu befinden haben.
Textnummer
E91119European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2009:0120OS00064.09T.0528.000Im RIS seit
27.06.2009Zuletzt aktualisiert am
11.08.2011