TE OGH 2009/6/2 9ObA9/09b

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Veröffentlicht am 02.06.2009
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling und Dr. Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter ADir. Brigitte Augustin und Mag. Michael Zawodsky als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Friedrich L*****, vertreten durch Engelbrecht & Partner, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Gemeinde K*****, vertreten durch den Bürgermeister Karl Dobnigg, dieser vertreten durch Dr. Gerhard Hiebler und Dr. Gerd Grebenjak, Rechtsanwälte in Leoben, wegen Feststellung (Streitwert 35.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 19. November 2008, GZ 7 Ra 79/08d-12, womit das Urteil des Landesgerichts Leoben als Arbeits- und Sozialgericht vom 11. Februar 2008, GZ 23 Cga 195/07d-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie zu lauten haben:

„Es wird festgestellt, dass das Dienstverhältnis der klagenden Partei zur beklagten Partei trotz der am 11. Dezember 2007 ausgesprochenen Entlassung aufrecht ist.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 5.090,40 EUR (darin 848,40 EUR USt) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz sowie die mit 2.721,90 EUR (darin 453,65 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen."

Die beklagte Partei ist weiter schuldig, der klagenden Partei die mit 1.959,48 EUR (darin 326,58 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist seit 28. 2. 1987 bei der beklagten Gemeinde als Facharbeiter beschäftigt, zuletzt war er Vorarbeiter. Sein Dienstverhältnis zur Beklagten unterliegt dem Steiermärkischen Gemeindevertragsbedienstetengesetz. Bis zum Sommer 2007 oblag dem Kläger die abfallrechtliche Geschäftsführung der Beklagten. Dann wurde ihm diese Funktion entzogen und er arbeitete fortan als Vorarbeiter. Der Kläger empfand dies als Degradierung. Am Freitag, dem 7. 12. 2007, fand in K***** eine private Musikveranstaltung statt. Der Kläger traf dort gegen 19:00 Uhr ein. Neben anderen Personen war auch der Bürgermeister der beklagten Gemeinde anwesend. Der Kläger konsumierte erhebliche Mengen Alkohol. Gegen Mitternacht kam der Bürgermeister an den Tisch des Klägers, um sich dort zu verabschieden. Im Zuge der Verabschiedung erwähnte der Kläger gegenüber dem Bürgermeister auch den Entzug seiner Tätigkeit. Dabei brachte er mit immer lauter werdender Stimme seinen Unmut über diese ihm ungerecht erscheinende Maßnahme zum Ausdruck. Der Bürgermeister wollte sich diese erregten Vorhaltungen des Klägers nicht weiter anhören, äußerte diesem gegenüber, dass er nicht „sein Lausbub" sei und wandte sich zum Gehen. Der Kläger stand daraufhin auf, ging dem Bürgermeister einige Schritte nach und rief ihm nach „du Wichser". Der Bürgermeister begab sich daraufhin nach Hause. Er teilte der Gattin des Klägers in einem Telefonat mit, dass diese Äußerung Folgen haben werde. Am Montag, dem 10. 12. 2007, besprach sich der Bürgermeister in der Früh mit seinem Amtsleiter und man kam zum Entschluss, den Kläger zu entlassen. Um 06:30 morgens stieß auch der Kläger dazu und erklärte, für den Fall, dass er tatsächlich den ihm vorgehaltenen Ausdruck verwendet habe, sich entschuldigen zu wollen. Der Bürgermeister änderte daher seinen Entschluss, den Kläger sofort entlassen zu wollen, ab und verfasste ein Schreiben folgenden Inhalts:

„Niederschrift betreffend Beleidigung des Bürgermeister ... Herr Friedrich L***** hat im Beisein seiner Gattin und mehreren in der Nähe stehenden Personen mehrfach lautstarke Beschimpfungen über den Amtsleiter sowie auch an den Bürgermeister ausgesprochen. Bürgermeister D***** hat ihm dabei des Öfteren mitgeteilt, dass hier nicht der passende Zeitpunkt und der passende Ort sei. Nachdem Herr L***** sich nicht beruhigte, sagte Bürgermeister D***** zu ihm, dass er nicht sein Lausbub sei und wandte sich von ihm ab. Daraufhin ging Herr L***** einige Schritte nach und schrie 'du Wichser'. ... Am Montag, dem 10. 12. 2007 um ca 06:30 Uhr traf Herr L***** im Gemeindeamt ein. Im Beisein von Amtsleiter K***** sprach ihn Bürgermeister D***** über diesen Vorfall an und sagte ihm, dass er mit disziplinären Konsequenzen zu rechnen habe. Herr Friedrich L***** entschuldigte sich über diese Aussage, die er auch bestätigte, da dies sein Wortschatz sei, es ihm aber Leid tue, dies, wenn auch in alkoholisiertem Zustand, gesagt zu haben. Bürgermeister D***** nimmt letztmalig von einer Suspendierung von Herrn Friedrich L***** Abstand. Sollte es aber zu weiteren Verfehlungen kommen - wie zB Beleidigungen oder private Fahrten bzw auch das Aufsuchen eines privaten Lagerraums während der Dienstzeit, wird diese für heute vorgesehene Suspendierung umgesetzt. Herr Friedrich L***** wird mit heutigem Datum als Vorarbeiter der Arbeiter im Fuhrhof abgesetzt. Beim Gespräch anwesend waren Bürgermeister ***** Karl D*****, Friedrich L***** und Amtsleiter Erich K*****. Die Niederschrift hat Herr L***** mit heutigem Datum angenommen. K*****, am 10. 12. 2007".

Die Niederschrift wurde dem Kläger mit dem Bemerken zur Unterfertigung vorgelegt, dass sein Dienstverhältnis zur Gemeinde beendet würde, wenn er nicht unterschreibe. Daraufhin unterfertigte der Kläger dieses Schreiben. Nach Besprechung mit seiner Gattin erklärte der Kläger noch am selben Tage schriftlich einen „Widerruf", in welchem der darauf hinwies, keine genaue Erinnerung an den ihm zur Last gelegten Vorfall zu haben und dass er sich bezüglich der gewählten Vorgangsweise rechtliche Schritte vorbehalte. Der Kläger übergab diesen schriftlichen „Widerruf" noch am 10. 12. 2007 dem Amtsleiter K*****. Am späteren Nachmittag des 10. 12. 2007 erfuhr auch der Bürgermeister davon. Als der Kläger am nächsten Tag zur Arbeit erschien, erklärten ihm der Bürgermeister und der Amtsleiter, dass er suspendiert sei und entlassen werde. Noch am 11. 12. 2007 verfasste der Bürgermeister ein Entlassungsschreiben, in welchem er als Entlassungsgrund auf die Beschimpfung des Bürgermeisters vom 8. 12. 2007 und darauf verwies, dass der Kläger seine Entschuldigung hiefür widerrufen habe. Dieses Schreiben ging dem Kläger am 12. 12. 2007 zu. Am Abend desselben Tages fand unabhängig vom gegenständlichen Vorfall um 18:50 Uhr eine Gemeinderatssitzung statt. Anlässlich dieser berichtete der Bürgermeister über den Vorfall vom 8. 12. 2007 und las die Niederschrift vom 10. 12. 2007, den „Wiederruf" des Klägers sowie das Entlassungsschreiben vom 11. 12. 2007 vor. Nach der Diskussion stellte der Bürgermeister den Antrag, die von ihm ausgesprochene Entlassung zu genehmigen. Der Antrag wurde mit acht Stimmen (einschließlich der Stimme des Bürgermeisters) bei sieben Stimmenthaltungen angenommen. Am 12. 12. 2007 erschien der Kläger in der Früh wieder zur Arbeit und übergab im Gemeindebüro ein Schreiben, mit welchem er sich arbeitsbereit erklärte. Es wurde ihm jedoch keine Arbeit mehr zugeteilt.

Mit seiner Klage vom 21. 12. 2007 begehrt der Kläger zwar formell „die von der beklagten Partei gegenüber dem Kläger im Brief vom 11. Dezember 2007 ausgesprochene Entlassung für unwirksam zu erklären", führt jedoch in der Klagserzählung selbst aus, dass er berechtigt sei, die Feststellung zu begehren, dass sein Dienstverhältnis mangels berechtigter und zulässiger Entlassung aufrecht sei (AS 5). Der Kläger bestritt einerseits die Berechtigung seiner Entlassung, andererseits wandte er auch ein, dass nach § 45 der Steiermärkischen Gemeindeordnung der Bürgermeister gar nicht berechtigt gewesen sei, den Kläger zu entlassen. Eine nachträgliche Genehmigung durch den Gemeinderat könne die an sich unwirksame Entlassung nicht wirksam machen.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die Entlassung des Klägers sei berechtigt und wirksam ausgesprochen worden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Kläger habe durch sein Verhalten den Entlassungsgrund des § 37 Abs 2 lit b des Steiermärkischen Gemeindevertragsbedienstetengesetzes erfüllt. Der Bürgermeister sei als Vertreter der Gemeinde auch berechtigt gewesen, die Entlassung auszusprechen, zumal diese wegen des Unverzüglichkeitsgrundsatzes keinen Aufschub geduldet habe. Auch sei nicht von einer Befangenheit des Bürgermeisters anlässlich der Abstimmung im Gemeinderat auszugehen.

Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts. Es vertrat die Rechtsauffassung, dass die Entlassung des Klägers berechtigt und auch wirksam gewesen sei. Die Entlassung sei insbesondere wegen der nachträglichen Genehmigung durch den hiefür zuständigen Gemeinderat wirksam ausgesprochen worden. Eine Befangenheit des Bürgermeisters sei zu verneinen. Das Berufungsgericht sprach aus, dass die Revision nicht zulässig sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass dem Klagebegehren stattgegeben wird; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und berechtigt.

Gemäß § 43 Abs 1 der Steiermärkischen Gemeindeordnung obliegt dem Gemeinderat die Beschlussfassung über alle zum eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde gehörigen Angelegenheiten, soweit diese nicht gesetzlich ausdrücklich anderen Organen der Gemeinde vorbehalten sind. So weist zB § 44 Abs 1 lit f der Steiermärkischen Gemeindeordnung dem Gemeindevorstand die Aufnahme nicht ständig Bediensteter der Gemeinde für länger als einen Monat, deren Kündigung sowie Entlassung zu. Gemäß § 45 Abs 1 der Steiermärkischen Gemeindeordnung vertritt der Bürgermeister zwar die Gemeinde nach außen, doch obliegt ihm gemäß § 45 Abs 2 lit f der Steiermärkischen Gemeindeordnung im Zusammenhang mit Dienstverhältnissen nur die Dienstenthebung der Gemeindebediensteten sowie der Abschluss und die Auflösung von Dienstverhältnissen auf die Dauer von nicht mehr als einem Monat. Lediglich bei Gefahr im Verzug, insbesondere zum Schutz der Sicherheit von Personen oder des Eigentums, ist der Bürgermeister gemäß § 47 Abs 1 Steiermärkische Gemeindeordnung berechtigt, einstweilige unaufschiebbare Verfügungen zu treffen, wovon er aber unverzüglich dem zuständigen Kollegialorgan zu berichten hat.

Ausgehend von dieser Rechtslage ergibt sich, dass der Kläger, der in einem unbefristeten Dienstverhältnis zur Beklagten stand, nur durch Beschluss des Gemeinderats entlassen werden könnte, zumal Gefahr im Verzug nicht vorlag und daher die Eilzuständigkeit des Bürgermeisters nach § 47 Abs 1 der Steiermärkischen Gemeindeordnung nicht anzuwenden war. Die von der Beklagten ins Treffen geführte Entscheidung 9 ObA 90/99x ist dem gegenüber nicht einschlägig. Dort ging es um die Anwendung des NÖ GVBG, das aber betreffend die Entlassung und Kündigung von Gemeindevertragsbediensteten eine abweichende Lösung vorsieht: Gemäß § 42 Abs 1 zweiter Satz NÖ GVBG, LGBl 2420-35, kann nämlich dort der Bürgermeister die Kündigung (§ 37) und die Entlassung (§ 39) eines Vertragsbediensteten aussprechen, wenn dies im Gemeindeinteresse gelegen ist und die Genehmigung des nach § 1 Abs 5 zuständigen Organs der Gemeinde (- dies ist hinsichtlich der Auflösung von Dienstverhältnissen von Vertragsbediensteten gemäß § 35 Abs 2 Z 16 NÖ Gemeindeordnung, LGB1 1000-6, der Gemeinderat -) nicht rechtzeitig eingeholt werden kann. Eine derart weitgehende Befugnis räumt aber die Steiermärkische Gemeindeordnung einem Bürgermeister nicht ein. Der Bürgermeister war daher lediglich zur Dienstenthebung (Suspendierung) berechtigt, wovon er auch Gebrauch gemacht hat.

Grundsätzlich besteht zur Fallkonstellation einer mangels erforderlichen Gemeinderatsbeschlusses nicht gedeckten Willenserklärung durch den Bürgermeister umfangreiche Rechtsprechung. Nach dieser stellen die in der Gemeindeordnung enthaltenen Vorschriften über die Vertretung der Gemeinden nicht bloße Organisationsvorschriften über die interne Willensbildung öffentlich-rechtlicher Körperschaften dar, sie enthalten vielmehr Einschränkungen der Vertretungsmacht des Bürgermeisters nach außen. Eine durch einen erforderlichen Gemeinderatsbeschluss nicht gedeckte Willenserklärung des Bürgermeisters bindet mangels der hiefür erforderlichen Vertretungsbefugnisse die Gemeinde grundsätzlich nicht (RIS-Justiz RS0014664). Überschreitet daher der Gewalthaber - wie im vorliegenden Fall - die Grenzen seiner Vollmacht wird der Gewaltgeber gemäß § 1016 ABGB nur insoweit verpflichtet, als er das Geschäft genehmigt oder sich den aus dem Geschäft entstandenen Vorteil zugewendet hat. Nach dieser auch für Gemeinden geltenden Regel (SZ 64/151; 1 Ob 31/97h, RIS-Justiz RS0014709), kann ein vom Bürgermeister ohne Vertretungsmacht geschlossenes Geschäft auch nachträglich genehmigt und geheilt werden. Voraussetzung einer derartigen Genehmigung ist allerdings nach ständiger Rechtsprechung unter anderem, dass dem unwirksam Vertretenen (im vorliegenden Fall dem vertretungsbefugten Organ der Gemeinde, somit dem Gemeinderat) bekannt war, dass der Bürgermeister im Namen der Gemeinde abgeschlossen hat und dass der angeeignete Vorteil aus diesem Geschäft stammt. Der Vertretene muss daher Kenntnis vom Geschäftsabschluss als Quelle des Vorteils haben und sich diesem Vorteil zuwenden (Strasser in Rummel ABGB2 § 1016 Rz 14 mwN; 1 Ob 625/81; SZ 54/111; RIS-Justiz RS0014699). Die Rechtsprechung vertritt die Ansicht, dass jemand, der mit einer Gemeinde einen Vertrag schließt, die für ihre Willensbildung geltenden öffentlich-rechtlichen Beschränkungen beachten und sie im Hinblick auf die Regelung des § 2 ABGB gegen sich gelten lassen muss, wenn er sie nicht gekannt hat (SZ 54/111). Nach dieser Rechtsprechung wird ein Geschäft, das der Bürgermeister ohne Vertretungsmacht abgeschlossen hat, als schwebend unwirksam betrachtet. Nach § 1016 ABGB kann das Geschäft aber nachträglich genehmigt und geheilt werden (RIS-Justiz RS0014709).

Zu prüfen bleibt, ob diese Rechtsprechung zum schwebend unwirksamen Rechtsgeschäft auch auf eine vom unzuständigen Organ ausgesprochene Entlassung anzuwenden ist. Im Falle einer Entlassung unterscheidet sich die Ausgangssituation als einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung wesentlich von den zuvor erwähnten Fällen, in denen es regelmäßig um den Abschluss von Verträgen ging, wo der Vertrauensschutz des Vertragspartners eine besondere Stellung einnimmt (zB Thunhart, Eigenmächtige Vertragsabschlüsse des Bürgermeisters und die Notwendigkeit von Vertrauensschutz im Gemeinderecht in JBl 2001, 69 f). Ein entscheidendes Merkmal der Entlassung ist die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung für den Arbeitgeber. Diese Unzumutbarkeit spiegelt sich in der Notwendigkeit der unverzüglichen Geltendmachung der vorzeitigen Auflösung nach Bekanntwerden des Auflösungsgrundes. Ein verspäteter Ausspruch der Entlassung führt zu deren Unwirksamkeit; je nach den Umständen kann darin ein Verzicht auf das Recht der vorzeitigen Beendigung oder die Vermutung erblickt werden, dass eine Weiterbeschäftigung nicht als unzumutbar empfunden wird. Eine Entlassung entfaltet als einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung erst Rechtswirkungen, wenn sie dem Vertragspartner zugekommen ist. Da einschneidende Rechtsfolgen damit verbunden sind, kommt dem Zugang im Entlassungsrecht eine besondere Bedeutung zu. Das Arbeitsverhältnis wird „von heute auf morgen" beendet, dem Arbeitnehmer steht somit keine „Übergangsfrist" wie im Fall einer Kündigung zur Verfügung. Daher spielt die Information über das Vorliegen einer gültigen Entlassung eine große Rolle. Aus diesem Grund sind auch bedingte Entlassungen grundsätzlich unzulässig, es sei denn, es handle sich bei der beigefügten Bedingung um eine Potestativbedingung, das heißt, eine Bedingung, deren Eintritt vom Willen des Arbeitnehmers abhängt (RIS-Justiz RS0028418; RS0029152). Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, inwiefern eine schwebend unwirksame Entlassung überhaupt zulässig sein kann. Denn im Ergebnis bedeutet die hier zu beurteilende Vorgangsweise nichts anderes, als dass eine Entlassung aufschiebend bedingt ausgesprochen worden ist. Auf die Erfüllung der Bedingung, nämlich die nachträgliche Genehmigung durch den Gemeinderat, hätte der Arbeitnehmer keinen Einfluss, es handelt sich somit um keine Potestativbedingung. Der Oberste Gerichtshof hat daher schon ausgesprochen, dass eine nachträgliche Sanierung einer ursprünglich fehlerhaften Entlassung ebenso wenig in Frage kommt, wie die Entlassung unter einer vom Willen des Arbeitnehmers unabhängigen Bedingung, weil die Entlassung die Rechtslage mit Wirkung ex nunc gestaltet (RIS-Justiz RS0019484). Kuderna vertritt die Meinung (Entlassungsrecht2, 24) dass eine durch einen nicht allein vertretungsbefugten Geschäftsführer ausgesprochene Entlassung durch Zustimmung des (der) anderen kollektivvertretungsbefugten Geschäftsführer saniert werden kann. Dieser Fall kann hier jedoch unerörtert bleiben, weil auch ein nicht allein vertretungsbefugter Geschäftsführer grundsätzlich das zuständige Organ ist, was hier auf den Bürgermeister nicht zutrifft. Die Bedingungsfeindlichkeit einer Entlassung führt daher zum Ergebnis, dass die vom Bürgermeister allein ausgesprochene Entlassung (- aus dem Entlassungsschreiben ergibt sich im Übrigen keinerlei Vorbehalt der Genehmigung durch den Gemeinderat -), nicht nur schwebend, sondern grundsätzlich unwirksam war. Diese Rechtsauffassung steht auch nicht im Widerspruch zur eingangs erwähnten Judikatur (§ 867 und § 1016 ABGB), da sich diese Bestimmungen nur auf die Gültigkeit von Verträgen beziehen, was, wie oben ausgeführt, mit einer Entlassung nicht vergleichbar ist. Aus der (beschränkten) Zulässigkeit von schwebend unwirksamen Kündigungen ist ebenfalls nichts für den vorliegenden Fall zu gewinnen. Derartige Kündigungen sind nur insoweit zulässig, als dem Arbeitnehmer die Kündigungsfristen und -termine gewahrt bleiben. In diesem Fall macht es für einen Arbeitnehmer nun aber keinen Unterschied, dass er erst mit der nachträglichen Genehmigung des zuständigen Organs wirksam gekündigt worden ist, da sich am Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nichts ändert. Im Falle einer Entlassung würde sich dagegen der Beendigungszeitpunkt verschieben, was für den Arbeitnehmer einen drastischen Unterschied darstellt.

Lediglich der Vollständigkeit halber sei Folgendes erwähnt: Selbst wenn man die Genehmigung durch den Gemeinderat bei extensiver Auslegung als eigene Entlassungserklärung auffassen wollte, wäre daraus für den Standpunkt der Beklagten nichts gewonnen, weil nicht festgestellt werden konnte, dass der Beschluss des Gemeinderats dem Kläger je mitgeteilt worden wäre, was aber bei einer Entlassung unabdingbare Voraussetzung wäre. Ergibt sich demnach bereits aus den obigen Erörterungen die Unwirksamkeit der Entlassung des Klägers, kann das von ihm überdies aufgeworfene Problem einer möglichen Befangenheit des im Gemeinderat mitstimmenden Bürgermeisters auf sich beruhen. Nach ständiger Rechtsprechung kann der begehrte Urteilsspruch, abweichend von dessen Wortlaut, an den sachlichen Inhalt des Klagebegehrens ohne Verstoß gegen § 405 ZPO angepasst werden (RIS-Justiz RS0041254). Wie schon eingangs erwähnt, ist daher das als Rechtsgestaltungsbegehren formulierte Klagebegehren als Feststellungsbegehren aufzufassen und war daher entsprechend umzugestalten.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41 und 50 ZPO. Nicht zugesprochen werden können die begehrten Pauschalgebühren: Gemäß § 16 Abs 1 Z 1 lit a GGG beträgt die Bemessungsgrundlage in arbeitsrechtlichen Streitigkeiten, soweit nicht ein Geldbetrag Gegenstand der Klage ist, 694 EUR. Da arbeitsrechtliche Rechtsmittelverfahren zweiter Instanz (TP 2 Anm 5 GGG) und dritter Instanz (TP 3 Anm 5 GGG) bei einem Rechtsmittelinteresse bis 1.450 EUR gebührenfrei sind, fallen im vorliegenden Fall Pauschalgebühren nicht an.

Kein Anspruch besteht gemäß § 23 Abs 6 RATG auf den Zuspruch eines doppelten Einheitssatzes für den Klageschriftsatz: Dieser besteht nämlich nur in Rechtsstreitigkeiten, in denen ein bedingter Zahlungsbefehl zu erlassen ist, oder in denen die Beantwortung der Klage nach den Bestimmungen der Zivilprozessordnung aufgetragen wird. Ein bedingter Zahlungsbefehl scheidet schon mangels Stellung eines Zahlungsbegehrens aus; gemäß § 59 Abs 1 Z 2 ASGG iVm § 440 Abs 2 ZPO entfällt im arbeitsgerichtlichen Verfahren der Auftrag zur Klagebeantwortung, sodass auch der zweite Fall für die Erhöhung des Einheitssatzes ausscheidet. Für die Klage ist daher nur der 50%ige Einheitssatz zuzusprechen. Auch für die Verrichtung der Tagsatzung vom 11. 2. 2008 steht dem Kläger kein doppelter Einheitssatz nach § 23 Abs 5 RATG zu: Die Notwendigkeit der Beiziehung eines auswärtigen Anwalts ist nämlich entsprechend darzutun und bereits im Verfahren erster Instanz konkret zu bescheinigen (Obermaier „Das Kostenhandbuch" Rz 113 mwN). Insbesondere ist hier nicht der Fall gegeben, dass jedenfalls höhere Kosten für die Beiziehung eines auswärtigen Anwalts angefallen wären, wenn der Kläger einen Anwalt seines Wohnorts, was ihm jedenfalls zuzubilligen wäre, beauftragt hätte, weil in K*****, dem Wohnort des Klägers, kein Rechtsanwalt seinen Sitz hat. Da der Kläger keine anerkennenswerten Gründe, zB ein besonderes Vertrauensverhältnis, für die Beiziehung eines auswärtigen Rechtsanwalts dargetan hat, wäre es ihm zuzumuten gewesen, einen Rechtsanwalt am Gerichtsort zu bestellen, zumal in Leoben mehr als 20 Rechtsanwälte ihren Sitz haben.

Textnummer

E91095

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:009OBA00009.09B.0602.000

Im RIS seit

02.07.2009

Zuletzt aktualisiert am

19.11.2010
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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