Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling und Dr. Hopf sowie die fachkundigen Laienrichter ADir. Brigitte Augustin und Mag. Michael Zawodksy als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei R***** GmbH, *****, vertreten durch Korn Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagte Partei Alexander S*****, vertreten durch Dr. Robert Palka, Rechtsanwalt in Wien, wegen Zustimmung zur Kündigung (§ 121 ArbVG), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 19. Juni 2008, GZ 10 Ra 37/08x-23, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 28. September 2007, GZ 19 Cga 199/06g-18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision mit der Begründung zu, dass zur Frage, wann die Voraussetzungen der Stilllegung einzelner Betriebsabteilungen sowie die Möglichkeit der anderweitigen Beschäftigung im bisherigen Betrieb bei Kündigung anderer Arbeitnehmer vorliegen, keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliege. Die Revisionswerberin schloss sich dieser Begründung der Zulässigkeit der Revision an und ergänzte ihrerseits, dass auch keine Rechtsprechung zu der ihrer Meinung nach zentralen Rechtsfrage vorliege, ob es dem Begriff der Stilllegung einer Betriebsabteilung im Sinn des Art 121 Z 1 ArbVG entspreche, wenn die innerhalb einer Betriebsabteilung verrichteten Aufgaben an einen Dritten - konkret an ein im Ausland tätiges Unternehmen - ausgelagert werden. Der Revisionsgegner erstattete in seiner Revisionsbeantwortung zur Zulässigkeit der Revision kein Vorbringen.
Der Oberste Gerichtshof ist bei der Prüfung der Zulässigkeit der Revision an den diesbezüglichen Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO). Der vorliegende Fall kann, unter Berücksichtigung des Vorbringens der Parteien und der getroffenen Tatsachenfeststellungen, auf der Grundlage des § 121 Z 1 ArbVG und der dazu bereits vorliegenden Rechtsprechung beurteilt werden. Eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO, der über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung zukäme, muss dabei nicht gelöst werden. Die Zurückweisung der ordentlichen Revision kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).
Die Klägerin betreibt einen Privatradiosender. Der Beklagte ist seit 15. 6. 2001 bei ihr beschäftigt. Am 1. 7. 2004 wurde der Beklagte zum „Musikchef" der „Musikredaktion" bestellt; seit April 2005 ist er auch stellvertretender Betriebsratsvorsitzender. Die Klägerin lagerte in der Folge einen Teil der Agenden des Beklagten in der Musikredaktion an ein in Deutschland ansässiges Unternehmen aus; einen Teil der Aufgaben der Musikredaktion übernahmen andere Mitarbeiter der Klägerin.
Am 23. 11. 2006 brachte die Klägerin die vorliegende Klage auf gerichtliche Zustimmung zur Kündigung des Beklagten als Betriebsratsmitglied wegen Stilllegung der Betriebsabteilung „Musikredaktion" gemäß § 121 Z 1 ArbVG ein; der Beklagte wurde daraufhin dienstfrei gestellt. Er verlangt von der Klägerin, zumindest auf einem anderen Arbeitsplatz beschäftigt zu werden. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht gab der dagegen erhobenen Berufung der Klägerin nicht Folge.
In rechtlicher Hinsicht ist davon auszugehen, dass die Mitglieder des Betriebsrats in der Ausübung ihrer Tätigkeit nicht beschränkt und wegen dieser nicht benachteiligt werden dürfen (§ 115 Abs 3 ArbVG). Ein Mitglied des Betriebsrats darf bei sonstiger Rechtsunwirksamkeit nur nach vorheriger Zustimmung des Gerichts gekündigt oder entlassen werden. Das Gericht hat bei seiner Entscheidung den sich aus § 115 Abs 3 ArbVG ergebenden Schutz der Betriebsratsmitglieder wahrzunehmen (§ 120 Abs 1 ArbVG). Im Verfahren nach § 120 Abs 1 ArbVG ist das Betriebsratsmitglied Partei (§ 120 Abs 2 ArbVG). Nach § 121 Z 1 ArbVG darf das Gericht einer Kündigung unter Bedachtnahme auf die Bestimmungen des § 120 ArbVG nur dann zustimmen, wenn der Betriebsinhaber im Fall einer dauernden Einstellung oder Einschränkung des Betriebs oder der Stilllegung einzelner Betriebsabteilungen den Nachweis erbringt, dass er das betroffene Betriebsratsmitglied trotz dessen Verlangens an einem anderen Arbeitsplatz im Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens ohne erheblichen Schaden nicht weiterbeschäftigen kann. Diese Aufzählung ist taxativ (9 ObA 94/01s, DRdA 2002/28 [Massl]; RIS-Justiz RS0110651 ua).
Die Revisionswerberin stützt ihre Klage von den drei genannten Fällen des § 121 Z 1 ArbVG auf den Fall der Stilllegung einer Betriebsabteilung. Geht man zu ihren Gunsten davon aus, dass es sich bei der Musikredaktion, in der zuletzt nur mehr der Beklagte tätig war, um eine Betriebsabteilung im Sinn des § 121 Z 1 ArbVG handelt, dann kommt eine Zustimmung des Gerichts - abgesehen vom weiteren Erfordernis des Nachweises eines erheblichen Schadens bei Weiterbeschäftigung des betroffenen Betriebsratsmitglieds - nur dann in Frage, wenn tatsächlich eine Stilllegung dieser Betriebsabteilung erfolgt ist. Dazu kommt, damit die Revision auch zulässig ist, dass die rechtliche Beurteilung, ob eine Stilllegung der Betriebsabteilung vorliegt, von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO abhängen muss. Letzteres ist hier nicht der Fall.
Wesentlich ist in Bezug auf Betriebsabteilungen, dass nur die Stilllegung - und nicht schon die bloße Einschränkung der Betriebsabteilung - einen möglichen Fall darstellt, in dem das Gericht die Zustimmung zur Kündigung eines Betriebsratsmitglieds erteilen kann. Dies folgt nicht nur ausdrücklich aus dem Wortlaut des § 121 Z 1 ArbVG, sondern entspricht auch dem einhelligen Standpunkt von Rechtsprechung (vgl EA Wien, Arb 9780; VwSlg 12261 A; 9 ObA 94/01s, DRdA 2002/28 [Massl]; OLG Wien, ARD 5941/6/2009 ua) und Lehre (vgl Floretta in Floretta/Strasser, ArbVG-Handkommentar 841; Trost in Strasser/Jabornegg/Resch, ArbVG § 121 Rz 7, 16; Schneller in Cerny/Gahleitner/Preiss/Schneller, ArbVG Band 34 § 121 Erl 5; Wolligger in ZellKomm § 121 ArbVG Rz 8 ua). Von einer Stilllegung einer Betriebsabteilung kann nur dann gesprochen werden, wenn die Agenden, die in der betreffenden Abteilung ausgeübt worden sind, in Zukunft zur Gänze in Wegfall kommen (VwSlg 12261 A; 9 ObA 94/01s ua).
Auch die Revisionswerberin geht in der Revision zunächst richtig davon aus, dass eine Stilllegung der Betriebsabteilung vorliegen muss und eine bloße Einschränkung der Betriebsabteilung noch nicht genügt. In der weiteren Folge stellt die Revisionswerberin Berechnungen an, in welchem Ausmaß ehemalige Aufgaben der Musikredaktion an ein deutsches Unternehmen ausgelagert wurden bzw nun von anderen Mitarbeitern der Klägerin betreut werden. Dabei kommt sie zu dem Ergebnis, dass etwa 40-45 % ausgelagert wurden, während der Rest, allerdings mit wesentlich geringerem Aufwand als beim Beklagten, von anderen Mitarbeitern wahrgenommen wird. Eine nähere Auseinandersetzung mit den Berechnungen der Revisionswerberin und von ihr behaupteten sekundären Feststellungsmängeln im Ersturteil erübrigt sich, weil auch nach dem Standpunkt der Revisionswerberin jedenfalls noch rund 10 % der ehemaligen Aufgaben der Musikredaktion im Betrieb der Klägerin verblieben sind und jetzt von anderen Mitarbeitern verrichtet werden.
Die rechtliche Beurteilung, ob eine Stilllegung im Sinn des § 121 Z 1 ArbVG vorliegt, hängt letztlich von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab (vgl 8 ObS 25/04s; RIS-Justiz RS0051131 ua), die in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO begründen. Werden aber selbst nach dem Standpunkt der Revisionswerberin noch rund 10 % der Agenden der Musikredaktion weiterhin von anderen Mitarbeitern der Klägerin wahrgenommen, dann kann nicht von einer gänzlichen Stilllegung der Betriebsabteilung gesprochen werden. Die Auffassung der Vorinstanzen, dass es für die von der Klägerin begehrte gerichtliche Zustimmung zur Kündigung des Beklagten daher bereits an der von der Klägerin behaupteten Stilllegung der Betriebsabteilung mangelt, ist somit nicht zu beanstanden. Die in der Revision als zentral angesehene Frage, ob eine Stilllegung einer Betriebsabteilung auch durch eine (gänzliche) Auslagerung der Agenden dieser Betriebsabteilung herbeigeführt werden kann, ist hier nur von theoretischer Natur, weil keine vollständige Auslagerung der Agenden erfolgt ist. Ihre Beantwortung muss daher auf sich beruhen.
Entgegen der Auffassung der Revisionswerberin geht es hier auch nicht darum, dass das ArbVG die unternehmerische Entscheidung über die Schließung einer Betriebsabteilung „unterbindet" ganz im Gegenteil. Das ArbVG setzt aber für die Zustimmung zur Kündigung die (dann allerdings wirkliche und vollständige) „Schließung" (Stilllegung) einer Betriebsabteilung voraus. Da es hier aber gerade an dieser Voraussetzung mangelt, braucht auch auf die weitere vom Berufungsgericht als erheblich angesehene Frage hinsichtlich der Möglichkeit der anderweitigen Beschäftigung des Beklagten im bisherigen Betrieb bei Kündigung anderer Arbeitnehmer der Klägerin nicht eingegangen zu werden.
Zusammenfassend müssen - fallbezogen - keine erheblichen Rechtsfragen im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO gelöst werden. Die Revision der Klägerin ist daher, ungeachtet ihrer Zulassung durch das Berufungsgericht, zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Der Beklagte hat in seiner Revisionsbeantwortung nicht auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels hingewiesen; sie diente daher nicht der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung (vgl RIS-Justiz RS0035962 ua).
Textnummer
E91081European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2009:009OBA00139.08V.0602.000Im RIS seit
02.07.2009Zuletzt aktualisiert am
23.05.2011