Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter ADir. Brigitte Augustin und Mag. Michael Zawodsky als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei DI Arno G*****, vertreten durch Dr. Alexandra Knell, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei S***** AG, *****, vertreten durch Dr. Hannes Hammerschmidt, Rechtsanwalt in Spittal an der Drau, wegen 7.096,72 EUR brutto sA, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 26. Februar 2009, GZ 8 Ra 9/09v-14, mit dem das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgericht vom 21. Oktober 2008, GZ 35 Cga 145/08v-10, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Rekurs wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 466,22 EUR bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung (darin 77,70 EUR Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Der Kläger war vom 1. 5. 2006 bis 31. 3. 2007 bei der Beklagten beschäftigt und wurde auf eine Baustelle in Kanada entsendet. Er bezog neben dem Grundgehalt eine Auslandszulage, mit der „alle Mehrarbeitsleistungen (inkl. Feiertags-, Nacht- und Sonntagsarbeit), Zulagen und Zuschläge ..." abgegolten sein sollten. Der Kläger hatte die geleisteten Arbeitsstunden täglich in einem von der Beklagten aufgelegten Tätigkeitsbericht festzuhalten. In den ihm zum Tätigkeitsbericht ausgefolgten Anleitungen wird ua ausgeführt, dass alle Gehaltsansprüche kalendermonatlich abgerechnet werden. Regelmäßige Bezüge (Gehalt, Verwendungszulage, Überstundenpauschale) werden nach dieser Anleitung bis zum jeweiligen Monatsletzten in voller Höhe vorausgezahlt; die Restabrechnung aus den Nebenbezügen im Kalendermonat (Überstunden, Erschwerniszulagen, Bauzulagen, Trennungsgelder und Reisekosten) werde bis zum 15. des Folgemonats überwiesen.
Der Kläger begehrt den Zuspruch von 7.096,72 EUR brutto an Überstundenentgelt, Trennungszulage und Abgeltung der Ersatzruhe. Die von ihm bezogene Auslandszulage decke nur einen Teil der von ihm geleisteten Überstunden, sodass er im Sinne der ständigen Rechtsprechung berechtigt sei, darüber hinausgehende Überstunden geltend zu machen. Den Berechnungen des Klägers liegen Beobachtungszeiträume von jeweils einem Monat zugrunde. Dies entspreche den getroffenen Vereinbarungen.
Die Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Für die Vergütung der Mehrarbeitsleistungen sei ein Durchrechnungszeitraum von einem Jahr vereinbart worden. Zudem sei der geltend gemachte Anspruch verfallen.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und folgte der Rechtsauffassung des Klägers und erachtete dessen Anspruch nicht als verfallen.
Das Berufungsgericht hob über Berufung der Beklagten das erstgerichtliche Urteil auf und verwies die Arbeitsrechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück.
Die Vereinbarung, dass die Auslandszulage alle Ansprüche aus Mehrarbeitsleistungen abdecke, sei zulässig, hindere den Arbeitnehmer aber im Sinne der ständigen Rechtsprechung nicht, über das vereinbarte Überstundenpauschale hinausgehende Ansprüche zu erheben, wenn und soweit sein Anspruch auf Vergütung der Mehrarbeitsleistung durch die vereinbarte Pauschalentlohnung nicht gedeckt sei.
Das Charakteristikum eines derartigen Überstundenpauschales bestehe darin, die in einem bestimmten Zeitraum voraussichtlich zu leistenden Überstunden pauschal ohne weitere Aufzeichnungen festzusetzen und zu vergüten. Der Beobachtungszeitraum für die Festsetzung des Pauschales sei dadurch gekennzeichnet, dass in einem Lohnzahlungszeitraum mehr und in einem anderen weniger Überstunden anfallen, die dann einer Durchschnittsbetrachtung unterzogen werden. Das Pauschale dürfe den Arbeitnehmer im Durchschnitt des Beobachtungszeitraums nicht ungünstiger stellen als bei einer Überstundenentlohnung durch Einzelverrechnung. Eine Bestimmung wie in der (allgemeinen) Anleitung zum Tätigkeitsbericht der Beklagten, wonach alle Gehaltsansprüche kalendermonatlich abgerechnet werden und die Restabrechnung aus den Nebenbezügen bis zum 15. des Folgemonats überwiesen werden, stehe der Pauschalentlohnung von Überstunden nicht entgegen. Eine solche Regelung betreffe als Regelfall jedoch nur Dienstnehmer, mit denen keine Pauschalvereinbarung über die Überstundenentlohnung zustande gekommen sei. Nur in diesem Fall bestehe eine Abrechnungspflicht des Dienstgebers für die monatlichen Überstunden, die aber bei der Pauschalberechnung entfalle. Jede andere Interpretation wäre sinnwidrig. Eine monatliche Abrechnung im Fall einer Pauschalvereinbarung würde dem Zweck der Puaschalvereinbarung, die ja durch eine Durchschnittsbetrachtung gekennzeichnet sei, widersprechen. Erst bei der Nachforderung durch den Dienstnehmer nach Ablauf des Beobachtungszeitraums und nach dessen Nachweis des das Pauschale überschreitenden Überhangs an Überstunden erlange die tatsächliche Anzahl an Überstunden wieder Bedeutung.
Hier stehe weder fest, dass die Parteien einen einjährigen Beobachtungszeitraum vereinbart haben, noch sei den Feststellungen die Vereinbarung eines Beobachtungszeitraums von einem Monat zu entnehmen. Die Parteien haben in Wahrheit gar keinen Beobachtungszeitraum vereinbart. Mangels Vereinbarung eines kürzeren Zeitraums erachte die Rechtsprechung den Zeitraum von einem Jahr als angemessen für die Durchschnittsberechnung der durch ein Pauschale erfassten Überstunden. Da der Kläger nur von Mai 2006 bis März 2007 beschäftigt gewesen sei, sei daher die gesamte Dauer seines Dienstverhältnisses als Beobachtungszeitraum heranzuziehen. Ob bei einer Berechnung auf dieser Grundlage das dem Kläger gewährte Überstundenpauschale die von ihm geleisteten Überstunden abdecke, stehe aber nicht fest, sodass sich das Verfahren als ergänzungsbedürftig erweise.
Da erst nach Ablauf des Beobachtungszeitraums festgestellt werden könne, ob über das Pauschale hinausgehende Überstunden gefordert werden, seien die vom Kläger behaupteten Ansprüche auf Abgeltung der durch die Auslandszulage nicht gedeckten Mehrleistungen nicht verfallen.
Das Berufungsgericht erachtete den Rekurs „aus prozessökonomischen Gründen" als zulässig, weil bei Zugrundelegung eines monatlichen Durchrechnungszeitraums dem Klagebegehren stattzugeben wäre.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht zulässig.
Der Oberste Gerichtshof ist gemäß § 526 Abs 2 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG an den Ausspruch des Berufungsgerichts über die Zulässigkeit des Rekurses nicht gebunden. Es ist daher aufzugreifen, dass der Verweis auf „prozessökonomische Gründe" den in §§ 519 Abs 2, 502 Abs 1 ZPO genannten Kriterien für die Zulassung des Rekurses in keiner Weise entspricht. Auch im Rechtsmittel wird keine im Sinn der zitierten Bestimmung erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt:
Der Rekurswerber wendet sich ausschließlich gegen die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, dass der Berechnung, ob seine Ansprüche durch das vereinbarte Überstundenpauschale gedeckt sind, die gesamte Zeit des Arbeitsverhältnisses als Beobachtungszeitraum zugrunde zu legen sei. Der Kläger erkennt selbst, dass die Frage, ob die Streitteile - wie von ihm behauptet - einen „Beobachtungszeitraum" von einem Monat vereinbart haben, eine Frage der Auslegung der Vereinbarung der Parteien ist und dabei insbesondere eine Frage der Auslegung und Bewertung der dem Kläger ausgefolgten Anleitungen zum Tätigkeitsbericht. Die Auslegung von Erklärungen und Vereinbarungen der Parteien ist aber immer eine Frage des jeweiligen Einzelfalls, der - von Fällen krasser Fehlbeurteilung der zweiten Instanz abgesehen - keine erhebliche Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zukommt (RIS-Justiz RS0042776). Von einer krassen Fehlbeurteilung durch die zweite Instanz kann aber hier nicht die Rede sein: Versteht und wertet man die Anleitungen zum Tätigkeitsbericht im vom Kläger behaupteten Sinn, wäre die Vereinbarung über die festgestellte Pauschalvereinbarung weitestgehend sinnlos. Die ausführlich begründete Rechtsauffassung des Berufungsgerichts ist daher gut vertretbar und bietet keinerlei Anlass für ein korrigierendes Einschreiten des Obersten Gerichtshofs.
Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit des Rekurses hingewiesen (RIS-Justiz RS0123222; 8 Ob 91/08b; 9 Ob 13/08i).
Textnummer
E91094European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2009:009OBA00065.09P.0602.000Im RIS seit
02.07.2009Zuletzt aktualisiert am
17.01.2011