Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 3. Juni 2009 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek, Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Schneider als Schriftführer in der Strafsache gegen Mag. Bozena Z***** wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und Abs 2 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 29. Oktober 2008, GZ 38 Hv 5/08g-98, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde und aus deren Anlass wird das Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.
Mit ihrer Berufung wird die Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen - auch einen (unzulässigen; Lendl, WK-StPO § 259 Rz 1 f) Teilfreispruch enthaltenden - Urteil wurde Mag. Bozena Z***** des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und Abs 2 StGB (I.) sowie der Vergehen der grob fahrlässigen Gläubigerbeeinträchtigung nach § 159 Abs 1 und Abs 2 StGB (II.) schuldig erkannt.
Danach hat sie in Salzburg als Geschäftsführerin der S***** GmbH
I./ in der Zeit von 1996 bis 2001 dadurch die Befriedigung einer Vielzahl von Firmengläubigern der S***** GmbH, aber jedenfalls eines von ihnen vereitelt oder geschmälert, dass sie Bestandteile des Vermögens dieser Kapitalgesellschaft in einem 50.000 Euro übersteigenden Wert im Wege der Privatentnahmen für außerbetriebliche Zwecke beiseite schaffte, und zwar
bis Ende 1997 etwa 72.409 Euro
bis Ende 1998 etwa 59.272 Euro
bis Ende 1999 etwa 2.391 Euro
bis Ende 2000 etwa 15.235 Euro
sohin gesamt etwa 149.307 Euro;
II./ durch kridaträchtiges Handeln, also entgegen Grundsätzen ordentlichen Wirtschaftens
1./ „zwischen Juli 1995 und Ende 2001 grob fahrlässig die Zahlungsunfähigkeit des eingangs erwähnten Unternehmens herbeigeführt",
2./ in der Zeit von Anfang 2002 bis Ende 2007 in fahrlässiger Unkenntnis der Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens grob fahrlässig die Befriedigung wenigstens eines der Gläubiger dadurch vereitelt oder geschmälert, dass sie
a) übermäßigen, mit den Vermögensverhältnissen und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Unternehmens in auffallendem Widerspruch stehenden betrieblichen Aufwand trieb, eine ungesunde Kostenstruktur einführte und über Jahre beibehielt,
b) ab 2001 und in den Folgejahren Geschäftsbücher oder geschäftliche Aufzeichnungen jedenfalls unzureichend führte und teilweise (zwischen März und August 2003) überhaupt zu führen unterließ und ferner ein durch die schlechte wirtschaftliche Lage indiziertes und nach § 22 GmbHG vorgeschriebenes internes Kontrollsystem wie Planungsrechnungen, Kostenberechnungen, Budgetrechnungen, Soll-Ist-Vergleichsrechnungen und dergleichen einzurichten unterließ, sodass sie keinen zeitnahen Überblick über die wahre Vermögens-, Finanz- und Ertragslage hatte, und
c) in der Zeit von 2002 bis 2006 Jahresabschlüsse, zu deren Erstellung sie nach dem Gesetz verpflichtet gewesen wäre, zu erstellen unterließ, sodass sie auch aus diesem Zahlenwert keinen zeitnahen Überblick über die wahre Vermögens-, Finanz und Ertragslage des Unternehmens hatte.
Rechtliche Beurteilung
Ausschließlich gegen den Schuldspruch wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida (I./) richtet sich die auf die Gründe der Z 5 und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten.
Soweit die Beschwerdeführerin das Fehlen von Feststellungen „zum Schädigungsinhalt" und zur subjektiven Tatseite rügt, macht sie der Sache nach - und im Ergebnis zutreffend - Rechtsfehler mangels Feststellungen (Z 9 lit a) geltend.
Nach den Konstatierungen hat die Angeklagte als Geschäftsführerin der S***** GmbH Firmenvermögen in der Höhe von insgesamt 149.307 Euro durch Verwendung für außerbetriebliche Zwecke den andrängenden Gläubigern entzogen und zum eigenen Nutzen beiseite geschafft. Sie wusste, dass sie diese Mittel weder privat noch aus dem Unternehmen zurückzahlen können werde, nahm dies jedoch in Kauf und fand sich damit ab. Hätte die Angeklagte diese Beträge dem Unternehmen nicht entzogen, so hätten damit die Gläubiger zur Gänze bzw zum überwiegenden Teil befriedigt werden können (US 8).
Somit hat das Erstgericht zwar zur Vermögensverringerung, nicht jedoch zur Höhe des Befriedigungsausfalls der Gläubiger Feststellungen getroffen.
Auch die zur subjektiven Tatseite getroffenen Feststellungen vermögen eine Subsumtion unter § 156 Abs 1 und Abs 2 StGB nicht zu tragen. Die Verwirklichung des Tatbestands erfordert nämlich, dass der Täter nicht nur in Bezug auf die Vermögensverringerung, sondern auch in Ansehung der Verletzung der Befriedigungsrechte der Gläubiger mit Eventualvorsatz handelt (Kirchbacher/Presslauer in WK2 § 156 Rz 21; Fabrizy StGB9 § 156 Rz 2a). Die bloße Konstatierung, wonach die Angeklagte zu Schuldspruchfaktum I. zumindest mit bedingtem Vorsatz gehandelt habe (US 9), reicht mangels Herstellung eines Sachverhaltsbezugs nicht aus (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 8; RIS-Justiz RS0119090).
Der aufgezeigte Rechtsfehler mangels Feststellungen macht die Kassation des Schuldspruchs wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida unumgänglich. Ein weiteres Eingehen auf die Nichtigkeitsbeschwerde erübrigt sich daher.
Die Schuldsprüche zu II./ wegen der Vergehen der grob fahrlässigen Gläubigerbeeinträchtigung nach § 159 Abs 1 und Abs 2 StGB sind mangels Feststellungen zur subjektiven Tatseite ebenso mit materieller Nichtigkeit behaftet.
Den Entscheidungsgründen sind überdies zum Schuldspruch zu Punkt II./2./a) auch zur objektiven Tatseite nur rudimentäre Konstatierungen zu entnehmen. Insbesondere fehlen Feststellungen zum ursächlichen Zusammenhang zwischen den kridaträchtigen Handlungen der Angeklagten und der Vereitelung und Schmälerung der Befriedigungsrechte der Gläubiger nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit. Weiters ist mit Blick auf die zu II.1. festgestellte „zerstörerische und hiemit ursächliche Entnahmepolitik" (als kridaträchtige Handlung; US 8) zu beachten, dass fahrlässige Tatbegehung (§ 159 Abs 1 StGB) bei einheitlichem Tatgeschehen und Identität des Objekts (Ratz in WK2 Vorbem zu §§ 28 - 31 Rz 48) gegenüber vorsätzlicher Begehung im Sinn des § 156 Abs 1 StGB (I.) nach dem Scheinkonkurrenztyp der Subsidiarität zurücktritt (vgl SSt 48/47; Leukauf/Steininger StGB3 § 159 Rn 56; Bertel/Schwaighofer BT I10 § 159 Rz 13).
Letztlich erweist sich auch der Strafausspruch als verfehlt (§ 281 Abs 1 Z 11). Mit Urteil des Oberlandesgerichts Linz vom 21. April 2006 (ON 34) wurde das - lediglich von der Angeklagten angefochtene - Urteil des Einzelrichters des Landesgerichts Salzburg vom 1. September 2005 (ON 23) - die Angeklagte war zu einer für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt worden - aufgehoben und die Strafsache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Salzburg zurückverwiesen. Die dem (nunmehrigen) Schuldspruch nach § 156 Abs 1 und 2 StGB zugrundeliegenden Straftaten waren im ersten Rechtsgang zur Gänze vom Schuldspruch nach § 159 Abs 1 StGB umfasst (Urteil ON 23/S 373, 375 und 378; vgl auch das Kurzgutachten ON 13/S 289). Das nach Austausch des Strafantrags der Angeklagten weiters angelastete Tatgeschehen (I.1. - I.8. der Anklageschrift ON 65 sowie I.9. - I.11.) führte lediglich in Verlängerung des Deliktszeitraums des § 159 Abs 2 StGB (ON 23: bis zumindest Ende 2004; ON 98: bis Ende 2007) zu einer Verurteilung (vgl US 4 ff sowie US 11). Durch die Verhängung einer zweijährigen - wenn auch bedingt nachgesehenen - Freiheitsstrafe wurde somit das - nur den Sanktionenbereich betreffende (Fabrizy StPO10 § 290 Rz 9) - Verbot der reformatio in peius (§ 290 Abs 2 StPO) nicht beachtet. Denn bei Hinzutreten eines Schuldspruchs wegen weiterer Taten ist die Möglichkeit der Straferhöhung durch die Summe der im ersten Rechtsgang verhängten Strafe und jener Sanktion begrenzt, die bei getrennter Behandlung wegen der neuen Fakten hätte ausgesprochen werden können (Fabrizy StPO10 § 290 Rz 8; Ratz, WK-StPO § 293 Rz 23).
In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde und aus deren Anlass (§ 290 Abs 1 StPO) war das Urteil daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung zur Gänze aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen (§ 285e StPO).
Mit ihrer Berufung war die Angeklagte auf diese kassatorische Entscheidung zu verweisen.
Textnummer
E91138European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2009:0150OS00054.09V.0603.000Im RIS seit
03.07.2009Zuletzt aktualisiert am
11.08.2011