Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Zenona K*****, vertreten durch Schubeck & Schubeck Rechtsanwälte in Salzburg, gegen die beklagte Partei H***** GmbH, *****, vertreten durch Vavrovsky-Graf Rechtsanwälte in Salzburg, wegen 7.111,97 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 24. November 2008, GZ 54 R 170/08a-73, womit das Urteil des Bezirksgerichts Hallein vom 4. August 2008, GZ 2 C 1824/05m-68, teilweise abgeändert wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 447,98 EUR (darin enthalten 74,66 EUR an USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Das Berufungsgericht sprach aus, dass die Revision zulässig sei, weil oberstgerichtliche Judikatur zur Frage der Bemessung des Schmerzengelds bei einem vergleichsweise kurzfristigen Zeitraum des Bestehens von Todesangst fehle.
Die Revision ist entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden - Ausspruch des Berufungsgerichts mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage unzulässig. Die Zurückweisung der Revision kann sich auf die Darlegung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).
Bei der Bemessung des Schmerzengelds ist einerseits auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen, andererseits zur Vermeidung einer völligen Ungleichmäßigkeit der Rechtsprechung ein objektiver Maßstab anzulegen. Es darf der von der Judikatur ganz allgemein gezogene Rahmen für die Bemessung im Einzelfall nicht gesprengt werden (RIS-Justiz RS0031075). Geht das Berufungsgericht bei der Prüfung der Berechtigung des begehrten Schmerzengelds von den nach dem Gesetz zu berücksichtigenden Umständen aus, so handelt es sich bei dessen Ausmessung selbst um einen Einzelfall (RIS-Justiz RS0042887). Dass ein völlig gleichgelagerter Sachverhalt vom Obersten Gerichtshof noch nicht entschieden wurde, begründet noch nicht das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage (RIS-Justiz RS0107773, RS0102181). Auch im Fall von seelischen Schmerzen sind die einzelnen Bemessungskriterien als „bewegliches System" zu verstehen, innerhalb dessen Grenzen ein weiter Spielraum für die den Erfordernissen des Einzelfalls jeweils gerecht werdende Ermessungsausübung besteht. Bei seelischen Schmerzen ist die Bemessung global vorzunehmen (RIS-Justiz RS0122794). Allgemein ist bei der Bemessung des Schmerzengelds die Art und Schwere der Körperverletzung, die Art und Dauer der Schmerzen sowie die Dauer der Beeinträchtigung des Gesundheitszustands und die damit verbundenen Unlustgefühle zu berücksichtigen (RIS-Justiz RS0031474).
Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass ein Schmerzengeldbetrag von 2.000 EUR angemessen sei, weil die Klägerin wegen einer allergischen Reaktion auf den Wirkstoff N***** in einer schmerzstillenden Infusion jedenfalls zehn Minuten unter starken seelischen Schmerzen in Form von Todesangst gelitten habe (der Grund des Anspruchs ist nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens), hält sich im Rahmen der Judikatur. Es steht fest, dass die Klägerin in ihrer freien Lebensführung nicht weiter beeinträchtigt wurde, es kam jedoch zu einer Sensibilisierung für die Zukunft, die eine verständliche Reaktion auf das Erlebte darstellt. Eine im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung liegt nicht vor. Auch bei Fällen, in denen Todesangst erlebt wird, kommt es sehr konkret auf die Umstände des Einzelfalls an, sodass generell gültige Richtwerte vom Obersten Gerichtshof nicht festgelegt werden können.
Adäquate Verursachung ist dann anzunehmen, wenn das Verhalten unter Zugrundelegung eines zur Zeit der Beurteilung vorhandenen höchsten menschlichen Erfahrungswissens und unter Berücksichtigung der zum Zeitpunkt der Handlung dem Verantwortlichen oder einem durchschnittlichen Menschen bekannten oder erkennbaren Umstände geeignet war, eine Schadensfolge von der Art des eingetretenen Schadens in nicht ganz unerheblichem Grad zu begünstigen (RIS-Justiz RS0022914). Ein adäquater Kausalzusammenhang liegt auch dann vor, wenn eine weitere Ursache für den entstandenen Schaden dazugetreten ist und nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge dieses Hinzutreten als wahrscheinlich zu erwarten ist, jedenfalls aber nicht außerhalb der menschlichen Erwartung liegt. Es kommt nur darauf an, ob nach den allgemeinen Kenntnissen und Erfahrungen das Hinzutreten der weiteren Ursache, wenn auch nicht gerade normal, so doch wenigstens nicht gerade außergewöhnlich ist (RIS-Justiz RS0022918). Grundsätzlich ist bei einem Behandlungsvertrag eine Fehleinschätzung der die Nachoperation durchführenden Ärzte, sofern diese nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt haben, regelmäßig als adäquate Folge der Aufklärungsverletzung anzusehen (7 Ob 233/00s mwN).
Im vorliegenden Fall unterließ zwar die Beklagte die Aufklärung, dass ein kleiner Gallenstein auch ohne Operation von selbst abgehen könne und legte der Klägerin eine Operation in ihrem Krankenhaus nahe, doch verließ die Klägerin infolge des anaphylaktischen Schocks nach Verabreichung einer Schmerzinfusion die Krankenanstalt der Beklagten. Bei ihrer Einlieferung in das Krankenhaus der Beklagten litt sie unter äußerst starken Schmerzen, war aber im Zeitpunkt der Entlassung und in den nachfolgenden Tagen schmerzfrei. Erst nach acht Tagen suchte sie ein anderes Krankenhaus auf in der Annahme, sie müsse sich der Operation eines Gallensteins nach der Diagnose der Ärzte der Beklagten im Akutzustand unterziehen. In der Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass in diesem Fall die fehlende Aufklärung der Beklagten für die vom anderen Krankenhaus eingeleitete Narkose vor Begutachtung der neu erstellten Befunde (die ergaben, dass eine Operation nicht mehr nötig ist), nicht mehr adäquat kausal sei, ist ein Abweichen von der Judikatur nicht zu erkennen. Die Klägerin musste sich jedenfalls im Hinblick auf die erlittene starke Kolik einer Kontrolle ihres Gesundheitszustands unterziehen. Insbesondere aufgrund der langen Schmerzfreiheit mussten die Ärzte der zweiten Krankenanstalt die Notwendigkeit der Operation neu einschätzen. Die Rechtsansicht, dass nicht damit gerechnet werden kann, dass die Patientin noch vor Begutachtung der Befunde in Narkose versetzt wird, ist im Einzelfall nicht zu beanstanden.
Es werden keine erheblichen Rechtsfragen geltend gemacht.
Der Zuspruch von Kosten für die Revisionsbeantwortung, die Ausführungen zur Unzulässigkeit der Revision enthält, gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
Textnummer
E90965European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2009:0070OB00043.09P.0603.000Im RIS seit
03.07.2009Zuletzt aktualisiert am
29.10.2010