Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen/Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch, Dr. Höllwerth, Dr. Roch und Dr. Tarmann-Prentner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Mag. Franz N*****, 2. Dkfm. Dr. Peter N*****, 3. Mag. Thomas N*****, 4. Dipl.-Ing. (FH) Andreas N*****, vertreten durch Dr. Theodor Strohal, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei A***** P***** D***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Franz J. Kohlbacher, LL.M., Rechtsanwalt in Wien, wegen 326.278,14 EUR und Räumung (Streitwert 732.247,40 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 10. Dezember 2008, GZ 39 R 332/08z-11, mit dem das Zwischenurteil des Bezirksgerichts Josefstadt vom 28. Juni 2008, GZ 5 C 347/08m-6, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 4.551,55 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 20 % USt 758,59 EUR) zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Beklagte ist Mieterin von Geschäftsräumen in einem Haus der Kläger. Im Mietvertrag vom 26. 11. 2003 haben die Vertragsteile ein Weitergaberecht folgenden Inhalts vereinbart:
„Dem Mieter steht das Recht zur Namhaftmachung eines Nachfolgemieters zu gleichen Bedingungen zu, wobei dieses Recht mit einmaliger Ausnützung erlischt und nicht auf den Nachfolgemieter überbunden werden kann. Eine Weitergabe an andere juristische Personen, an denen die derzeitige Mietergesellschaft oder deren Gesellschafter zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses mehrheitlich beteiligt sind, ist zulässig, sofern sich dadurch die im Mietgegenstand ausgeführte Geschäftstätigkeit nicht ändert. In diesem Fall findet keine Mietzinserhöhung statt und verzichten die Vermieter auf die Anwendung des § 12a MRG.
Im Falle einer Namhaftmachung eines Mietrechtsnachfolgers außerhalb des im vergangenen Absatz genannten Personenkreises erhöht sich der Mietzins gemäß .5.1. für den Zeitraum ab Übernahme durch den Nachmieter wie folgt - wobei wohl verstanden ist, dass der Mietzins durch die Anhebung gemäß den nachstehenden Prozentsätzen nicht höher sein darf, als der angemessene Mietzins:
Weitergabe bis zum 15. 2. 2010: 20 % des zuletzt vorgeschriebenen Mietzinses ..."
Unstrittig ist, dass im Juli 2007 ein Machtwechsel in der Muttergesellschaft der Beklagten stattfand, der die Kläger zu einer Anhebung des Mietzinses berechtigt. Während die Kläger auf dem Standpunkt stehen, auf den angemessenen Mietzins erhöhen zu dürfen, erachtet die Beklagte nur eine Erhöhung um 20 % für zulässig, da sie von ihrem vertraglichen Weitergaberecht Gebrauch gemacht habe. Das Zahlungsbegehren der Kläger ist auf die Differenz zwischen dem um 20 % erhöhten und dem nach Klagsangaben angemessenen Mietzins im Zeitraum von August 2007 bis Mai 2008 gerichtet.
Das Erstgericht gab mit Zwischenurteil dem Zahlungsbegehren dem Grunde nach statt. Ein Machtwechsel in der Muttergesellschaft der Mieterin sei einer Weitergabe des Mietrechts nicht gleichzuhalten. Darüber hinaus habe die beklagte Partei den Klägern gegenüber vor Klagseinbringung nicht ausdrücklich erklärt, von ihrem vertraglichen Weitergaberecht Gebrauch gemacht zu haben.
Das von der Beklagten angerufene Berufungsgericht wies in Abänderung dieser Entscheidung das Klagebegehren zur Gänze ab. Die Ausübung eines vertraglich eingeräumten Weitergaberechts schließe eine Mietzinsanhebung sowohl in den Fällen des § 12a Abs 1 als auch des Abs 3 MRG aus. Die Erklärung gegenüber der Vermieterin, vom Weitergaberecht Gebrauch gemacht zu haben, wirke nur deklarativ und sei nicht fristgebunden, sie könne sogar noch im Verfahren nachgeholt werden. Zwar habe die beklagte Partei auch die außer Streit gestellten Anhebungsbeträge verspätet bezahlt, mangels Nachweises einer der Klage vorangegangenen Mahnung sei aber noch kein qualifizierter Zinsrückstand im Sinne des § 1118 zweiter Fall ABGB eingetreten. Die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO für die ordentliche Revision lägen nicht vor.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Kläger ist entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) - Ausspruch des Berufungsgerichts zulässig, weil die bisherige Rechtsprechung zur Ausübung eines vertraglichen Weitergaberechts in Konkurrenz mit einem Tatbestand nach § 12a Abs 3 MRG einer näheren Klarstellung bedarf.
Die Beklagte hat entgegen § 507a Abs 2 Z 3 ZPO bereits eine Revisionsbeantwortung erstattet, weshalb es einer Mitteilung nach § 508a Abs 2 ZPO nicht bedurfte.
Die Revision ist jedoch nicht berechtigt.
Die Kläger wenden sich zunächst gegen die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts, das zwischen den Streitteilen vereinbarte Weitergaberecht schließe die Mietzinsanhebung auch in den Fällen des § 12a Abs 3 MRG aus. Diese Rechtsansicht sei das Ergebnis einer gesetzwidrigen Interpretation des Vertrags.
Die Auslegung nicht allgemein gebrauchter Vertragsbestimmungen hat nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs regelmäßig keine über den Einzelfall hinausgehende wesentliche Bedeutung und ist daher nur dann aufzugreifen, wenn mit überzeugenden Argumenten dargetan wird, dass die Auslegung der Vorinstanzen nicht gesetzeskonform ist und zu einem unvertretbaren Ereignis geführt hat (vgl RIS-Justiz RS0042871, RS0042936, RS0044358, RS0044298 ua). Solche Bedenken zeigen die Revisionswerber nicht auf.
Den in der Revision ins Treffen geführten Entscheidungen des erkennenden Senats lag jeweils kein vergleichbarer Sachverhalt zu Grunde. Die darin beurteilten Weitergaberechtsklauseln waren auf den Kreis der von einem namentlich genannten Unternehmer beherrschten Gesellschaften (5 Ob 100/99p) beziehungsweise auf konzerninterne Nachmieter (5 Ob 288/98h) eingeschränkt. Eine derartige Beschränkung enthalten die hier zwischen den Parteien getroffenen Regelungen nicht, sondern nur abgestufte Rechtsfolgen bei Weitergabe innerhalb des Konzerns (keine Mietzinsanhebung) und außerhalb des Konzerns (begrenzte Anhebung).
Richtig ist, dass der vorliegende Mietvertrag erst etliche Jahre nach Inkrafttreten des § 12a Abs 3 MRG idgF von anwaltlich beratenen Parteien abgeschlossen wurde und darin dennoch nur das Weitergaberecht der Mieterin an Dritte, aber nicht der Fall einer Änderung der herrschenden gesellschaftsrechtlichen Machtverhältnisse ausdrücklich geregelt wurde. Die Kläger wollen daraus den Schluss gezogen haben, die Vertragsteile hätten für die Fälle des § 12a Abs 3 MRG überhaupt keine vom Gesetzeswortlaut abweichende Regelung vorsehen wollen.
Eine solche Auslegung ist zwar nicht denkunmöglich, aber hier nicht überzeugend. Dagegen spricht zunächst schon der Wortlaut der Vereinbarung, wonach die Vermieter - wenngleich ausdrücklich nur im Zusammenhang mit einer Weitergabe innerhalb des Konzerns erwähnt - auf die Anwendung „des § 12a MRG" verzichten.
Weiters muss nicht nur die gesetzliche Regelung, sondern auch die bis zum Jahre 2003 dazu ergangene Literatur und Judikatur des Obersten Gerichtshofs, die einhellig eine Erstreckung des Weitergaberechts kraft Größenschlusses auf die Fälle des § 12a Abs 3 MRG befürworten, als den rechtskundigen Vertragsteilen bekannt vorausgesetzt werden. Die Argumentation der Kläger kann daher umgekehrt und aus der Nichterwähnung dieser Fälle im Mietvertrag darauf geschlossen werden, dass die Vertragsteile sie gerade nicht von den Wirkungen des Weitergaberechts ausnehmen wollten. Es sind auch keine anderen Gründe hervorgekommen, die gegen die Auslegung des Berufungsgerichts sprechen würden. Eine relevante Beeinträchtigung der Vermieterinteressen ist im vorliegenden Zusammenhang nicht zu erkennen, werden doch die rechtliche Identität der Mieterin und ihrer Gesellschafterin durch die Änderung der Eigentümerverhältnisse an der Konzernspitze nicht berührt, eine verpönte Umgehungsabsicht gar nicht behauptet und das Mietzinsanhebungsrecht durch die vorliegende Regelung auch nicht ausgeschlossen, sondern nur pro rata tempore betraglich begrenzt. Bei wirtschaftlicher Sichtweise erscheint es vielmehr schwer nachvollziehbar, dass die Streitteile eine anhebungsfreie Weitergabemöglichkeit an andere Unternehmen innerhalb des gesamten Konzerns vereinbart haben, aber gleichzeitig für den Fall eines - die Vertragsbeziehung weitaus weniger berührenden - Machtwechsels in der Muttergesellschaft einseitig zu Gunsten der Vermieter das unbeschränkte Anhebungsrecht zugestehen hätten wollen.
In zweiter Linie wenden sich die Revisionswerber gegen die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, die Erklärung der Ausübung des Weitergaberechts wirke nur deklarativ und könne auch noch während eines anhängigen Mietzins- und Räumungsverfahrens gegenüber dem Vermieter wirksam abgegeben werden. Diese Beurteilung widerspreche eindeutig der höchstgerichtlichen Rechtsprechung, wonach ein vertragliches Weitergaberecht die Anhebung des Hauptmietzinses in Fällen des § 12a Abs 3 MRG nur dann hindert, wenn es tatsächlich ausgeübt wird.
Mit diesen Ausführungen übergehen die Revisionswerber zunächst, dass die Beklagte ohnedies ausdrücklich erklärt hat, von ihrem Weitergaberecht Gebrauch zu machen. Das Gegenteil war aber in der von den Rechtsmittelwerbern zitierten Entscheidung 5 Ob 188/04i der Fall, sodass der erkennende Senat in jenem Verfahren nur mangels Ausübung des vertraglichen Weitergaberechts einen gesetzlichen Mietrechtseintritt gemäß § 12 Abs 3 aF MRG bejahte. Gleichzeitig bekräftigte er aber auch die mit umfangreichen Zitaten belegte Judikatur, wonach die tatsächliche Ausübung eines vertraglichen Weitergaberechts anlässlich einer Unternehmensveräußerung die Rechtsfolgen des § 12a MRG (§ 12 Abs 3 aF MRG) nicht auslöst (Vonkilch in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht, Rz 36 zu § 12 MRG und Rz 93 zu § 12a MRG; Würth in Rummel³, Rz 5 zu § 12a MRG).
Der Revision ist zuzugestehen, dass in der höchstgerichtlichen Rechtsprechung bisher auf die Frage, wann bzw wie das Weitergaberecht in den § 12a Abs 3 MRG zu unterstellenden Fällen ausgeübt werden muss, um den Eintritt des gesetzlichen Mietzinsanhebungsrechts zu verhindern, mangels Anlasses nicht näher eingegangen wurde.
Die von der Revisionswerberin eingenommene, auch in der Literatur (Lovrek, Mietzinserhöhung und Geschäftsraummiete I, derunternehmer.at 2005/6 7 ff) bereits vertretene Position, eine wirksame Ausübung des Weitergaberechts erfordere auch in Fällen des § 12a Abs 3 MRG eine Verständigung des Vermieters vor dem Eintritt des Anhebungstatbestands, stützt sich aber nur auf die Lehre und Rechtsprechung zum Weitergaberecht im engeren Sinn. Dieses berechtigt den Mieter, seine Rechte und Pflichten aus dem Bestandverhältnis durch bloße Erklärung an den Vermieter - aber erst durch diese - mit deren Einlangen auf einen Dritten zu übertragen (vgl ua Würth in Rummel³ § 1098 Rz 14 mwN, RIS-Justiz RS0032747, RS0032700).
In den Fällen des § 12a Abs 3 MRG kommt eine solche Erklärung aber nicht in Betracht, weil überhaupt kein Vertragspartnerwechsel auf Mieterseite erfolgt, der einer Kenntnis und Zustimmung des Vermieters bedürfte. Es werden keine Rechte und Pflichten aus dem Mietvertrag auf ein anderes Rechtssubjekt übertragen. Zweck der rein rechtspolitisch-historisch motivierten Regelung des § 12a Abs 3 MRG ist es vielmehr, zu verhindern, dass durch gesellschaftsrechtliche Möglichkeiten mehrheitlich andere Personen als der bisherige Mieter von einem günstigen Mietrecht zum Nachteil des Vermieters profitieren und eine Unternehmensveräußerung im engeren Sinn ersetzt oder umgangen wird (Reich-Rohrwig in ecolex 1995, 488; 5 Ob 239/99d). Auf die Verwirklichung des Tatbestands nach § 12a Abs 3 MRG - speziell in der hier vorliegenden Variante eines Machtwechsels auf der Ebene der Muttergesellschaft - hat die betroffene Mieterin in der Regel keinen Einfluss, sie muss ihr - worauf die Revisionsbeantwortung zutreffend hinweist - nicht einmal bekannt sein.
Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, die Erklärung gegenüber dem Vermieter wirke nur deklarativ, kann sich auf die von ihm zitierte Rechtsprechung (vgl RIS-Justiz RS0103221, RS0104322) und Literatur stützen (Reich-Rohrwig, Mietzinserhöhung bei Geschäftsraum-Hauptmiete, ecolex spezial 1994, 163). Der erkennende Senat hat bereits in seiner Entscheidung 5 Ob 190/00b ausgesprochen, dass wenn der Anhebungstatbestand des § 12a Abs 3 MRG verwirklicht wäre, eine Mietzinsanhebung zufolge vertraglicher Zustimmung zur Weitergabe und damit auch zum Machtwechsel (vgl auch 5 Ob 58/00s) nicht in Betracht käme. Weitere Voraussetzungen, insbesondere eine bestimmte Form oder ein bestimmter Zeitpunkt der Geltendmachung wurden in dieser Entscheidung nicht gefordert. In der wiederum einen Fall des § 12a Abs 3 MRG betreffenden Entscheidung 5 Ob 51/01p hat der Oberste Gerichtshof die begehrte Mietzinsanhebung deswegen für zulässig erachtet, weil das - im Verfahren strittige - vertragliche Weitergaberecht jedenfalls nur innerhalb des Konzerns gegolten hätte; der Einwand des Weitergaberechts wurde aber auch in dieser Entscheidung nicht etwa mit seiner verspäteten Geltendmachung verworfen.
An diesen - bisher nur indirekt zum Ausdruck gekommenen - Grundsätzen ist festzuhalten. Mangels Änderung in der Person des Mieters in den Fällen des § 12a Abs 3 MRG findet keine Vertragsnachfolge statt, sodass die Ausübung eines vertraglichen Weitergaberechts in den Fällen einer bloßen Änderung der wirtschaftlichen und rechtlichen Einflussmöglichkeiten nicht an eine empfangsbedürftige Übertragungserklärung geknüpft werden kann. Der Mieter kann vielmehr auch nach Verwirklichung des Machtwechsels einem auf § 12a Abs 3 MRG gestützten Erhöhungsbegehren des Vermieters den rechtsvernichtenden Einwand der Inanspruchnahme des vertraglichen Weitergaberechts entgegenhalten. Darauf, ob diese Einwendung auch noch in einem Mietzins- und Räumungsverfahren bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz wirksam erhoben werden könnte, kommt es hier nicht an, weil die Beklagte unstrittig bereits vor Klagseinbringung eine 20 % übersteigende Anhebung des Mietzinses unter Berufung auf ihr Weitergaberecht abgelehnt und damit seine Inanspruchnahme in unmissverständlicher Weise erklärt hat.
Der Revision war daher keine Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO.
Textnummer
E91048European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2009:0050OB00093.09A.0609.000Im RIS seit
09.07.2009Zuletzt aktualisiert am
19.12.2013