Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und durch die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. Grohmann und Dr. E. Solé als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. Ralph K*****, gegen die beklagte Partei KR Walter R*****, vertreten durch Dr. Robert Galler und Dr. Rudolf Höpflinger, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen 12.158,26 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse 7.147,03 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 17. Februar 2009, GZ 1 R 157/08a-13, mit dem das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 26. Mai 2008, GZ 14 Cg 91/07f-9, teilweise abgeändert wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 559,15 EUR (darin enthalten 93,19 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.
Text
Begründung:
Der klagende Rechtsanwalt hat den Beklagten unter anderem in folgenden Sachen vertreten: in einem Verfahren nach § 1330 ABGB sowie in einem über Anzeige des Beklagten eingeleiteten Strafverfahren. Was das zivilgerichtliche Verfahren betrifft, so ist insbesondere ein strittiger Punkt, ob bei mehreren inkriminierten Äußerungen die (Höchst-)Bemessungsgrundlage des § 10 Z 6 lit a RATG für jede Äußerung gesondert herangezogen werden kann.
Die Vorinstanzen haben den geltend gemachten Honoraranspruch von (zuletzt) 12.158,26 EUR für teilweise berechtigt erachtet.
Über Antrag des Klägers ließ das Berufungsgericht nachträglich die ordentliche Revision zu, weil zur Frage der Bemessungsgrundlage in einer Hauptsache (hier: Honorarprozess) keine höchstgerichtliche Judikatur vorliege.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision des Klägers ist entgegen dem nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.
1. Der Rechtsanwalt hat seinem Klienten gegenüber in erster Linie Anspruch auf das vereinbarte Entgelt. Besteht keine Vereinbarung, hat er Anspruch auf angemessenes Entgelt, für das in erster Linie der Rechtsanwaltstarif heranzuziehen ist (RIS-Justiz RS0038356). Nach § 10 Z 6 lit a RATG beträgt die Bemessungsgrundlage in Streitigkeiten über Klagen nach § 1330 ABGB, soweit der Gegenstand nicht aus einem Geldbetrag besteht (hier Unterlassung und Veröffentlichung des Widerrufs), bei Verbreitung der Behauptung in einem Medium höchstens 19.620 EUR. In seiner Klage hat der Beklagte insgesamt sechs, in einer Fachzeitschrift veröffentlichte Äußerungen inkriminiert, die Unterlassung dieser und inhaltsgleicher Aussagen sowie die Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung begehrt. Als Bemessungsgrundlage wurden für drei Äußerungen jeweils 19.200 EUR sowie für die drei verbleibenden je 5.000 EUR angesetzt, insgesamt also 72.600 EUR. Diese Bemessungsgrundlage will der Kläger auch seinem Honoraranspruch zugrunde legen.
2. § 10 Z 6 lit a RATG stellt eine zwingende Bewertungsvorschrift zur Kostenbemessung im zivilrechtlichen Kreditschädigungsverfahren dar; nur innerhalb der darin genannten Höchstgrenzen kann der Kläger die einzelnen Ansprüche (Unterlassung, Widerruf, Veröffentlichung) frei bewerten (RIS-Justiz RS0109192; 6 Ob 315/02w; Thiele, Anwaltskosten2, 177; Obermaier, Das Kostenhandbuch [2005] Rz 458; Feil/Wennig, Anwaltsrecht5 § 10 RATG Rz 12). Durch die höchstgerichtliche Judikatur ist damit bereits klargestellt, dass die in § 10 Z 6 lit a RATG normierte Höchstgrenze bei mehrfachen, unterschiedlichen Begehren auf Unterlassung, Widerruf oder Veröffentlichung insgesamt nicht überschritten werden darf. Dabei lag mehreren Entscheidungen nicht nur eine, in der Klage beanstandete Äußerung zugrunde (6 Ob 244/98w; 6 Ob 315/02w; 6 Ob 14/03g). Entgegen der Auffassung des Klägers spielt es im konkreten Fall daher keine Rolle, dass insgesamt sechs, in einem Medium veröffentlichte Äußerungen in der Klage beanstandet wurden. Der Sinn der mit der Mediengesetznovelle 1992 eingeführten Höchstbemessungsgrundlage in Mediensachen war es, zu vermeiden, bei übermäßiger Bewertung des Streitgegenstands den Prozessgegner wegen des hohen Kostenrisikos einem beträchtlichen wirtschaftlichen Druck auszusetzen (851 BlgNR 18. GP 8). Dieses Ziel lässt sich nicht erreichen, wenn jede einzelne Äußerung in einer veröffentlichten Erklärung (hier: Zeitungsinterview), gesondert bewertet wird. Die zwingenden Bewertungsvorschriften des RATG sind entgegen der Ansicht des Klägers nur für die Bemessung der Kosten des Rechtsanwalts relevant, nicht aber für die Bewertung des Entscheidungsgegenstands durch das Berufungsgericht (§ 500 Abs 2 Z 1 ZPO) und die Zulässigkeit der Anrufung des Obersten Gerichtshofs. Die fehlende Bindung des Berufungs- bzw Rekursgerichts beim Ausspruch über den Wert des Entscheidungsgegenstands zeigt sich in der Praxis darin, dass unabhängig von der angenommenen Höchstbemessungsgrundlage nach § 10 Z 6 lit a RATG der Wert des Entscheidungsgegenstands mit über 20.000 EUR (früher 260.000 S) bewertet wurde (6 Ob 244/98w; 6 Ob 14/03g ua). Dass der Oberste Gerichtshof (und zwar der für Mediensachen zuständige Fachsenat) diesen Grundsatz der höchstzulässigen Bemessung bisher nur im Rahmen der Kostenentscheidung geprägt hat, steht seiner Anwendung in einem derartigen Honorarprozess nicht entgegen, gilt doch das RATG bzw der RAT (mangels anderer Vereinbarung) als Grundlage für die Bemessung der Anwaltskosten im Verhältnis zum Mandanten genauso wie bei Beurteilung des Kostenersatzes an den Prozessgegner.
3. Die einzelfallbezogene (vgl 10 Ob 151/97x) Frage, ob zwischen den Parteien eine schlüssige Honorarvereinbarung auf Basis der vom Kläger behaupteten Bemessungsgrundlage zustande gekommen ist, hat das Berufungsgericht in keiner korrekturbedürftigen Form verneint. Konkludente Willenserklärungen unterliegen einem strengen Maßstab: Es darf kein Zweifel übrig bleiben, dass der Wille darauf gerichtet ist, eine bestimmte Rechtsfolge herbeizuführen. Scheint auf Kostenschätzungen/Verzeichnissen des Rechtsanwalts abweichend vom RATG eine höhere Bemessungsgrundlage auf, kann das Schweigen des Mandanten, dem der zwingende Charakter von Bestimmungen des RATG nicht bekannt ist bzw (auch als Werbefachmann) nicht bekannt sein muss, nicht jedenfalls als konkludente Zustimmung interpretiert werden. Der Kläger hat in seiner ersten Kostenschätzung (Beilage D) als maximale Bewertung des Streitgegenstands nach § 10 Z 6 lit a RATG den Betrag von 19.620 EUR genannt und seine Kostenschätzung auf Basis eines Streitwerts von 19.000 EUR sowie (alternativ) von 10.000 EUR erstellt. Anlässlich der Übermittlung des Entwurfs der Klage wies der Kläger seinen Mandanten aber auf eine mögliche höhere Bewertung und die sich daraus ergebende Erhöhung der Kosten hin. Ein ausdrücklicher Hinweis auf den zwingenden Charakter der Bemessungsvorschriften des RATG erfolgte nicht.
4. Der nach Meinung des Klägers zu honorierende Kostenrekurs war mit dem Mandanten nicht zuvor besprochen worden und wurde vom Kläger zurückgezogen. Für wertlose anwaltliche Leistungen steht einem Anwalt grundsätzlich kein Honorar zu (RIS-Justiz RS0038663), was auch im Fall der nicht weiter begründeten Zurückziehung eines Rechtsmittels zu gelten hat. Dieser Schritt legt die Einsicht nahe, dass es sich um keinen erfolgversprechenden Verfahrensschritt gehandelt hat. Gegenteiliges vermochte der Kläger nicht aufzuzeigen. Bei den in der Berufungsschrift genannten - im Übrigen nicht überzeugenden - Gründen für die Rücknahme des Kostenrekurses handelt es sich um unbeachtliche Neuerungen.
5. Der Kläger rechtfertigte den nach § 21 Abs 1 RATG in der Höhe von 100 % verzeichneten Zuschlag zur Klage mit der Anzahl der Begehren, der angefügten Beilagen, der Beweisanträge und letztlich der Seitenzahl. Für die Beurteilung, ob ein Rechtsanwalt nach Art und Umfang den Durchschnitt erheblich übersteigende Leistungen erbracht hat und ihm deshalb ein Zuschlag zuzubilligen ist, kommt es aber nicht auf den Umfang des Schriftsatzes samt Beilagen und die Anzahl der beantragten Zeugen an, sondern auf die besondere Komplexität oder Schwierigkeit in diesem Verfahren (vgl Thiele aaO 223 f). Besonders komplexe Tat- oder Rechtsfragen lassen sich in diesem zivilrechtlichen Medienverfahren nicht erkennen.
6. Fragen der Vertragsauslegung im Einzelfall begründen nur bei einem unvertretbaren Ergebnis eine erhebliche Rechtsfrage (RIS-Justiz RS0042936 ua). Eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht liegt auch in diesem Punkt nicht vor. Der Beklagte hat nach dem festgestellten Sachverhalt ausdrücklich erklärt, in das Strafverfahren, dessen Erfolgsaussichten der Kläger selbst als äußerst gering einschätzte, nicht mehr als 1.000 EUR investieren zu wollen und innerhalb „der Gegebenheiten und dem Tausender" seinem Anwalt freie Hand zu lassen. Reaktion war eine E-Mail des Klägers mit folgendem Inhalt: „? 1.000 geht ok". Eine andere Interpretation als die Pauschalierung des Honorars mit 1.000 EUR ist nur schwer begründbar. Inhaltlich versucht die Revision in diesem Punkt, die Beweiswürdigung zu bekämpfen, die aber nicht revisibel ist (RIS-Justiz RS0043371).
Da sich die dem Zulassungsausspruch zugrunde gelegte Rechtsfrage durch die bestehende höchstgerichtliche Judikatur beantworten lässt und die Revision auch sonst keine erheblichen Rechtsfragen aufzeigt, ist sie als unzulässig zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Der Beklagte hat in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels hingewiesen.
Textnummer
E91025European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2009:0010OB00097.09K.0609.000Im RIS seit
09.07.2009Zuletzt aktualisiert am
19.11.2010