Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 10. Juni 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig und Dr. Nordmeyer in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Schneider als Schriftführer in der Strafsache gegen Herbert P***** wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung, AZ 9 Hv 22/09g des Landesgerichts St. Pölten, über die Grundrechtsbeschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 24. April 2009, AZ 23 Bs 175/09t (= ON 108), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Herbert P***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.
Die Grundrechtsbeschwerde wird abgewiesen.
Text
Gründe:
Mit am 4. Februar 2009 beim Landesgericht St. Pölten eingebrachter Anklage legt die Staatsanwaltschaft St. Pölten Herbert P***** das Verbrechen des Mordes nach § 75 StGB (1) und das Vergehen des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 StGB (2) zur Last. Demgemäß beschreibt der angefochtene Beschluss des Oberlandesgerichts Wien die dringende Verdachtslage wie folgt:
Herbert P***** habe am 15. Juni 2008 in Artstetten
(1) seine Ehefrau Johanna P***** durch einen Schuss mit einem Jagdgewehr vorsätzlich getötet sowie
(2) nach der unter Punkt 1 beschriebenen Tat versucht, Beamte des Einsatzkommandos Cobra durch Gewalt, nämlich indem er mehrere Gewehrschüsse in Richtung der Beamten und des Diensthundes „Snap" abgab und diesen tötete, an seiner Festnahme, mithin an einer Amtshandlung, zu hindern, wobei es nur deshalb beim Versuch geblieben sei, weil er von den Beamten durch Schüsse in den Oberkörper widerstandsunfähig gemacht worden sei.
Mit Beschluss vom 8. April 2009 (ON 105) setzte der Vorsitzende des Geschworenengerichts die über Herbert P***** am 17. Juni 2008 verhängte, mehrfach fortgesetzte Untersuchungshaft gemäß § 173 Abs 6 StPO im Wesentlichen mit der Begründung fort, der Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 3 lit a StPO sei nicht auszuschließen.
Einer dagegen gerichteten Beschwerde des Angeklagten gab das Oberlandesgericht Wien mit dem hier angefochtenen Beschluss vom 24. April 2009 (ON 108) nicht Folge und setzte die Untersuchungshaft gleichfalls gemäß § 173 Abs 6 StPO wegen nicht auszuschließender Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 3 lit a StPO fort.
Rechtliche Beurteilung
Gegen diesen Beschluss wendet sich die rechtzeitige, ausschließlich die Annahme des Haftgrundes der Tatbegehungsgefahr bekämpfende Grundrechtsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt.
Im Grundrechtsbeschwerdeverfahren kann die rechtliche Annahme von Tatbegehungsgefahr vom Obersten Gerichtshof nur dahin überprüft werden, ob sie aus den in der angefochtenen Entscheidung angeführten bestimmten Tatsachen (vgl § 174 Abs 3 Z 4 StPO) abgeleitet werden durfte, ohne dass die darin liegende Ermessensentscheidung als willkürlich angesehen werden müsste (RIS-Justiz RS0118185, RS0117806). Zudem ist bei einer - wie hier aufgrund der Strafdrohung des § 75 StGB gegebenen - so genannten „bedingt-obligatorischen" Untersuchungshaft zu beachten, dass Umstände, die einen Haftgrund nicht annehmen lassen (§ 173 Abs 2 StPO), nicht gleichzusetzen sind mit solchen, die iSd § 173 Abs 6 StPO sein Vorliegen ausschließen (RIS-Justiz RS0113413).
Dem Beschwerdevorbringen zuwider ist der vom Oberlandesgericht aus den ins Treffen geführten Umständen, insbesondere der aufgrund der - wenn auch „drastisch eingeschränkten" - noch verbleibenden Mobilität gegebenen Möglichkeit der Besorgung und (besonders vertrauten) Bedienung von Schusswaffen, der „Kaltblütigkeit" der Tatbegehung, dem Einsatz von Schusswaffen auch gegen die Beamten des Einsatzkommandos Cobra, dem zeitweilig aggressiven Verhalten während der Spitalsbehandlung und früheren Aggressionshandlungen gegen weitere Familienmitglieder (ON 108 S 4 f) gezogene Schluss auf iSd § 173 Abs 6 StPO nicht auszuschließende Tatbegehungsgefahr logisch und empirisch einwandfrei begründet und solcherart keineswegs willkürlich. Indem die Beschwerde aus - selektiv herausgegriffenen, vom Oberlandesgericht ohnehin erörterten - Beurteilungstatsachen wie der vom gerichtsmedizinischen Sachverständigen attestierten derzeitigen Verhandlungsunfähigkeit des Angeklagten und dem Umstand, dass es sich bei dem vorgeworfenen Mord an seiner Ehefrau um eine Beziehungstat handelt, bloß für den Beschwerdeführer günstigere Schlüsse zieht, zeigt sie keine formellen Begründungsmängel auf.
Herbert P***** wurde demnach im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt, weshalb die Grundrechtsbeschwerde in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur ohne Kostenausspruch abzuweisen war.
Textnummer
E91137European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2009:0140OS00061.09S.0610.000Im RIS seit
10.07.2009Zuletzt aktualisiert am
13.01.2011